Hartkeks & Kaffee

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John Davis Billings

Hartkeks & Kaffee

Das Alltagsleben des Unionssoldaten im Amerikanischen Bürgerkrieg

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Übersetzers

Vorwort des Autors

Kapitel 01: Die Sturmglocke des Krieges

Kapitel 02: Die Männer melden sich zur Fahne

Kapitel 03: Wie die Soldaten untergebracht wurden

Kapitel 04: Das Leben in Zelten

Kapitel 05: Das Leben in Holzhütten

Kapitel 06: Jonas und Plagen

Kapitel 07: Die Armeerationen: Woraus sie bestanden, wie sie verteilt wurden, wie sie zubereitet wurden

Kapitel 08: Vergehen und Strafen

Kapitel 09: Ein Tag im Feldlager

Kapitel 10: Frische Rekruten

Kapitel 11: Sonderrationen, Päckchen von zuhause, Marketender

Kapitel 12: Nahrungsbeschaffung

Kapitel 13: Die Corps und ihre Abzeichen

Kapitel 14: Einige Erfindungen und Kuriositäten des Krieges

Kapitel 15: Das Armeemaultier

Kapitel 16: Lazarette und Ambulanzwagen

Kapitel 17: Diverse Dinge von Interesse

Kapitel 18: Abbruch des Lagers, Auf dem Marsche

Kapitel 19: Der Wagentross

Kapitel 20: Der militärische Straßen- und Brückenbau

Kapitel 21: Sprechende Flaggen und Fackeln

Anhang

Anzahl der im Unionsheere dienenden Männer (und Prozentsatz des gesamten Heeres)

Tote Unionssoldaten durch Kampfhandlungen und Krankheiten

Impressum neobooks

Vorwort des Übersetzers

Widmung


Seinen Kameraden der Army of the Potomac, die, so vermute ich, in diesen Seiten vieles vorfinden werden, was bis dato noch nicht zu Papier gebracht worden ist und was hoffentlich ihren Kindern als dauerhafte Quelle an wertvollen, niemals zuvor in dieser Fülle gesammelten Details über das Alltagsleben eines Soldaten dienen kann, widmet dieses Werk in liebevoller Zuneigung ihr Freund,

Der Autor

"Ich überreiche dieses Buch den Veteranen, deren Kindern und der allgemeinen Bevölkerung als einen wichtigen Beitrag zu einer bodenständigen Sichtweise, welche eine notwendige Alternative zu jenem bombastischen Tonfalle darstellt, der bereits in die Geschichtsschreibung des Bürgerkrieges Einzug gehalten hat. Diese Geschichtsschreibung konzentriert sich bisher auf die Schlachten, die Feldzüge und die Generale. Meine Arbeit stellt den ersten Versuch dar, eine umfassende und detaillierte Schilderung des alltäglichen Soldatenlebens zu Papier zu bringen, wobei der Text und die ihn begleitenden Illustrationen bestrebt sind, eine Art von Informationen zu bewahren, die bisher noch über keinen vergangenen Krieg dergestalt akkurat und umfassend in einem Buche gesammelt wurden."

John D. Billings


In den Jahrzehnten nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861 - 1865) findet das Bemühen der Nation, die vergangene Tragödie zu begreifen, vermehrt Niederschlag in der Literatur. Die Historiker betreiben Ursachenforschung anhand der bedeutenden Persönlichkeiten und großen Geschehnisse, während die Veteranen sicherstellen wollen, dass ihre eigene, individuelle Rolle nicht in Vergessenheit gerät. Beide diese Vorgehensweisen sind wichtig und richtig, doch zwischen dem kleinsten und dem größten Maßstab der Geschichtsschreibung existiert eine Fülle von Fakten und Informationen, welche dem Historiker zu unbedeutend und dem alten Soldaten aufgrund großer Vertrautheit zu banal erscheinen, um in ihren Schriften nennenswerten Platz auf sie zu verwenden und welche somit Gefahr laufen, mit dem Tode des letzten Kriegsteilnehmers in Vergessenheit zu geraten.

John Davis Billings, selbst ein Veteran der Army of the Potomac, ist einer der ersten, die diese Gefahr erkennen. Er beschließt, mit seiner Studie des Unionssoldaten dem "durchschnittlichen Billy Yank", lebend wie tot, eine Stimme zu verleihen und ihm ein faktisches, ungeschöntes Gedenken zu bewahren, indem er strukturiert und ausführlich nahezu sämtliche Facetten des Soldatenlebens beleuchtet und den inneren wie äußeren Wandel der Männer im Felde vom romantisierten Kriegsbeginn bis zum letzten, hart ausgefochtenen Feldzug darlegt. Objektivität und Faktentreue sind ihm besondere Anliegen und so basiert der Inhalt des Buches neben Billings' eigener Erinnerung auf zahlreichen Gesprächen mit Veteranen verschiedener Waffengattungen und Kriegsschauplätze (vom einfachen Soldaten bis zum General) und dem umfassenden Studium der relevanten Primärquellen.

Billings, Sohn eines Handwerkers aus Canton, Massachusetts, zeigt bereits früh ein Interesse an Politik und entwickelt sich zu einem Anhänger der Republikanischen Partei und deren Präsidentschaftskandidaten Abraham Lincoln. Bei Ausbruch des Krieges im April 1861 will sich der 18jährige John zum Heer melden, doch seine Eltern verweigern ihr Einverständnis. Erst im Folgejahr kann er seinem Vater die Erlaubnis abringen und schreibt sich als Artillerist bei der 10th Massachusetts Volunteer Artillery ein. In dieser Einheit dient er bis zum Ende des Krieges und kämpft im Mine Run-Feldzug, der Wilderness, Spotsylvania Court House, Cold Harbor, der Belagerung Petersburgs und im Appomattox-Feldzug.

"Hartkeks & Kaffee" ist ein bedeutender Beitrag zur Geschichtsschreibung des Amerikanischen Bürgerkriegs und ein Standardwerk zum Verständnis des "einfachen Soldaten".

Florian Dexheimer

Vorwort des Autors

Während der Sommermonate des Jahres 1881 verbrachte ich einige Wochen als Gast in einem gutbesuchten Hotel in den White Mountains. Unter den zweihundert oder gar mehr Hotelgästen, welche die abgeschiedene Lage und das erbauliche Ambiente des Hauses genossen, befanden sich wohl um die zwölf bis zwanzig Knaben im Alter von zehn bis fünfzehn Jahren. Nachdem der Nachmittagstee eingenommen war und die Dunkelheit dem lebhaften, ungestümen Treiben der Kinder im Freien ein Ende gesetzt hatte, nahmen diese stets einen Gentleman aus Chicago, ehemals ein tapferer Soldat in der Army of the Cumberland, in Beschlag und lauschten in einer stillen Ecke des geräumigen Gesellschaftszimmers oder einem ruhigen Fleckchen des Vorplatzes mit gebannter Aufmerksamkeit den Anekdoten aus dem Bürgerkriege.

Es waren nicht einmal zwei Tage vergangen, bevor die Knaben dem Schreiber dieser Zeilen das Geständnis entlockt hatten, dass auch er damals in Onkel Sams Diensten gestanden hatte. Dieser Enthüllung folgten sogleich Bitten, mich allabendlich mit dem Veteranen vom westlichen Kriegsschauplatze abzuwechseln und mit meinen Kriegserlebnissen zur Unterhaltung beizutragen. Ich stimmte diesem Ansinnen bereitwillig zu und man kann sich schwerlich ein faszinierenderes und interessierteres kleines Publikum vorstellen als jenes Knäuel kleiner Knaben, welche sich jeden Abend um uns versammelten, um unseren spontan erinnerten Erlebnissen zu lauschen, die überwiegend aus alltäglichen Gewöhnlichkeiten bestanden und deswegen noch keinen Eingang in die allgemeine Geschichtsschreibung gefunden hatten.

Die Schilderung dieser unbedeutenden Geschehnisse legte den Grundstein zur Niederschrift des vorliegenden Werkes und ist wohl auch größtenteils für dessen lehrbuchartigen Aufbau verantwortlich zu machen. Dieses Buch kann beileibe keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Etliche interessante Aspekte sind unbeachtet geblieben – bei der Lektüre werden einem jeden Veteranen sofort einige solche einfallen. Es schien jedoch angeraten, das vorliegende Werk nicht über seinen gegenwärtigen Umfang hinaus aufzublähen. Das auf seinen Seiten versammelte Wissen kann wohl als repräsentativ für das Leben des durchschnittlichen Soldaten gelten. In diesem Glauben überreiche ich dieses Buch den Veteranen, deren Kindern und der allgemeinen Bevölkerung als einen wichtigen Beitrag zu einer bodenständigen Sichtweise, welche eine notwendige Alternative zu jenem bombastischen Tonfalle darstellt, der bereits in die Geschichtsschreibung des Bürgerkrieges Einzug gehalten hat. Diese Geschichtsschreibung konzentriert sich bisher auf die Schlachten, die Feldzüge und die Generale. Meine Arbeit stellt den ersten Versuch dar, eine umfassende und detaillierte Schilderung des alltäglichen Soldatenlebens zu Papier zu bringen, wobei der Text und die ihn begleitenden Illustrationen bestrebt sind, eine Art von Informationen zu bewahren, die bisher noch über keinen vergangenen Krieg dergestalt akkurat und umfassend in einem Buche gesammelt wurden.

 

Ich bin zahlreichen Veteranen für ihre freundlichen Vorschläge und Kritiken während der Entstehung dieses Buches zu Dank verpflichtet, ebenso dem Verlage Houghton & Mifflin für die Nutzungserlaubnis von Oliver Wendell Holmes' Gedicht "Der verzärtelte Mann", ferner danke ich in besonderem Maße meinem Kameraden Charles W. Reed für seine vielen wahrheitsgetreuen und munteren Illustrationen. Die Unzahl an Skizzen, welche er im Jahre 1865 aus dem Felde zurückbrachte, ermöglichten ihm, ausgesprochen anschauliche Darstellungen etlicher Geschehnisse und Alltäglichkeiten anzufertigen, die einem jeden Veteranen des Unionsheeres vertraut erscheinen werden und ihm lebhafte Erinnerungen an sein Soldatenleben ins Gedächtnis rufen werden.

In der festen Überzeugung, dass die vorliegenden Seiten sowohl den Veteranen als auch einer großen Zahl von Lesern, die den Bürgerkrieg nicht aus eigener Erfahrung kennen, eine gewinnbringende Lektüre sein werden, lege ich die Früchte vieler vergnüglicher und arbeitsreicher Stunden vor. Sie erheben keinen Anspruch auf literarische Exzellenz, doch ich kann guten Gewissens versichern, dass sie eine bisher in der Bürgerkriegsliteratur klaffende Lücke füllen.

Cambridgeport, Massachusetts, 30. März 1887.

Kapitel 01: Die Sturmglocke des Krieges

"Millionen hören den Appell

Erschallen nah und fern.

Sieg oder Tod! Zur Waffe schnell!

Für Freiheit und den Herrn."

– E. P. Dyer, 'Die Nebel der Nation'

"Und sie melden sich alle und marschieren davon!

Gibt es nur noch Soldaten in dieser Nation?

Sohn und Vater sind hier!

Auch der Müller marschiert,

Mit dem Mehlstaub noch klebrig und weiß in den Haaren;

Wohin eilen sie alle mit entschloss'nem Gebaren?"

– F. E. Brooks, 'Potomac'


Am 6. November des Jahres 1860 konnte sich Abraham Lincoln, der Kandidat der Republikanischen Partei, gegen drei Konkurrenten durchsetzen und wurde zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Im Herbst besagten Jahres erlebte die Nation den hitzigsten Wahlkampf ihrer Geschichte. Die Demokratische Partei, die in den Jahren zuvor kontinuierlich die Oberhand in der Politik gehabt hatte, zersplitterte und nominierte zwei konkurrierende Präsidentschaftskandidaten. Die Nord-Demokraten stellten Stephen A. Douglas aus Illinois auf, der ein Befürworter der "Volkssouveränität" war, also für das Recht der Bevölkerung eines Territoriums eintrat, bei ihrer Aufnahme in den Staatenbund selbst entscheiden zu können, ob sie die Sklaverei innerhalb ihres Staatsgebietes gestatten wollte oder nicht.

Die Süd-Demokraten nominierten John C. Breckinridge aus Kentucky, zu jenem Zeitpunkt Vizepräsident der Vereinigten Staaten. Er und seine Parteigenossen setzten sich für das Recht der Sklavenhalter ein, ihre Sklaven gänzlich ungehindert in jeden Staat und jedes Territorium der Union mitführen zu können. Dann gab es da noch eine weitere Partei, von manchen die "Friedenspartei" genannt [Anm. d. Übers.: Der offizielle Name lautete "Konstitutionelle Unionspartei"], welche auf die Verfassung als einzigen Leitfaden für die Lenkung der Geschicke des Landes verwies, zu der von den übrigen Parteien so lebhaft diskutierten Frage der Sklaverei aber keine konkrete Position anzubieten hatte. Sie hatte sich John Bell aus Tennessee zu ihrem Kandidaten auserkoren. Edward Everett aus Massachusetts trat für das Amt des Vizepräsidenten an. Die Anhänger dieser Partei bestanden aus unzufriedenen Mitgliedern der beiden anderen Parteien, die meisten von ihnen waren jedoch ehemalige Demokraten.


Auf Stimmenfang für Bell und Everett


Diese Zersplitterung der Opposition ermöglichte es der Republikanischen Partei, die erst wenige Jahre zuvor gegründet worden war, ihrem Kandidaten zum Siege zu verhelfen. Die Republikaner hatten nicht die Absicht, die Sklaverei in jenen Gebieten anzutasten, in welchen sie bereits existierte, wollten jedoch ihre Ausweitung auf neue Staaten und Territorien verhindern. Letztere Tatsache war den Sklavenhaltern wohlbekannt und so stimmten sie nahezu geschlossen für John C. Breckinridge. Sie waren sich jedoch durchaus bewusst, dass die Republikaner nach der Spaltung der Demokratischen Partei den Sieg davontragen würden und so wurden bereits lange vor der eigentlichen Wahl erste Drohungen laut, man werde aus der Union austreten, falls Lincoln zum Präsidenten gewählt werden würde. Man maß der Redefreiheit in diesen Staaten keine sonderlich große Bedeutung bei und legte Leuten aus den Nordstaaten, die sich geschäftlich oder zum Vergnügen im Süden aufhielten und von der dortigen Mehrheit abweichende Ansichten äußerten, unmissverständlich die sofortige Abreise nahe. Hunderte flüchteten in Sorge um ihre körperliche Unversehrtheit zurück in den Norden, wobei sie gelegentlich sogar persönliche Besitztümer von beträchtlichem Werte zurückließen.


Gentlemen aus dem Süden erörtern die politische Lage


Selbst alteingesessene Südstaatler, die fest an den Fortbestand der Union glaubten (und es gab hunderte von ihnen), durften diese Überzeugung nicht öffentlich kundtun. Diese Leute mussten aufgrund ihrer Treue zum Sternenbanner im Laufe des Krieges etliche Anfeindungen erdulden. Viele von ihnen wurden unter Beleidigungen und Demütigungen dazu genötigt, für eine Sache zur Waffe zu greifen, an die sie nicht glaubten und einige desertierten bei der ersten Gelegenheit, während andere bis zum bitteren Ende im konföderierten Heere ausharrten oder sich der Wehrpflicht durch Flucht auf nordstaatliches Gebiet gleich gänzlich entzogen.

Bereits am 25. Oktober trafen sich einige namhafte Südstaatenpolitiker in South Carolina und kamen einstimmig zu dem Entschlusse, dass der Staat aus der Union austreten solle, falls Lincoln die Wahl gewinnen würde (was bereits nahezu gewiss schien). Um die gleiche Zeit fanden auch in anderen Staaten derartige Treffen statt. Zu diesem frühen Zeitpunkt bereiteten die Rädelsführer der Verräter den Süden also schon auf die Sezession vor. Diese Männer wurden damals als "Feuerfresser" bezeichnet.

Sobald Lincolns Wahlsieg verkündet war, machten sich die hitzköpfigen Anführer des Südens sogleich daran, ihre Drohungen in die Tat umzusetzen, ohne auch nur abzuwarten, wie die Politik des neuen Präsidenten hinsichtlich der Sklavenfrage sich gestalten würde. Dem Austritte South Carolinas aus der Union folgten, in mehr oder minder kurzen Abständen, Georgia, Alabama, Mississippi, Louisiana, Florida und Texas und sie schlossen sich zu den sogenannten "Konföderierten Staaten von Amerika" zusammen. In den folgenden Monaten fielen auch Virginia, North Carolina, Arkansas und Tennessee von der Union ab. Die Bevölkerung des Nordens war vor Erstaunen schier gelähmt angesichts der rasenden Geschwindigkeit, mit welcher der Verrat wider die Regierung sich ausbreitete und die loyalen, unionstreuen Männer fragten sich, was der amtierende Präsident Buchanan zu tun gedenke, da es ja seine Pflicht sei, eine derartige Rebellion im Keime zu ersticken. In jenen Tagen wurde oft der Klageruf: "Oh, säße doch Andrew Jackson nur für eine Stunde wieder im Weißen Haus!" laut, denn jener war ein entschlossener und unnachgiebiger Präsident mit militärischer Erfahrung gewesen, der bereits während seiner Amtszeit eine drohende Rebellion in South Carolina zerschlagen hatte, als man sich dort weigern wollte, in Charleston die erhobenen Zölle einzutreiben. Jenes Ärgernis verhielt sich jedoch zu dem gegenwärtigen Aufstande wie ein Kleinkind zu einem Riesen und man darf bezweifeln, ob selbst "Old Hickory" (wie Jackson genannt wurde) mit seiner charakteristischen Tatkraft in Notfällen in der Lage gewesen wäre, die zornigen Wogen der Rebellion zu glätten, welche die gesamte Nation hinfortzuspülen drohten. Es kann jedoch als sicher gelten, dass er es zumindest versucht hätte, selbst wenn der Kampf seinen Untergang bedeutet hätte – so dachte zumindest die Bevölkerung.

James Buchanan war das exakte Gegenteil eines solchen Präsidenten. Er schien nur noch das Ende seiner Amtszeit herbeizusehnen und unternahm keine nennenswerten Anstrengungen, das Land zu retten. Tatsächlich legte er derartigen Bestrebungen anderer Männer anfangs sogar Steine in den Weg. Sein Kriegsminister war einer der Verräter und versorgte den Süden direkt vor den Augen des alten Buchanan mit jeder Menge Waffen. Ferner waren unsere Kriegsschiffe (von denen wir zugegebenermaßen nur wenige besaßen) vom ebenfalls verräterischen Marineminister auf Posten in entfernten Gewässern entsandt worden, von wo aus sie nicht zügig zurückgerufen werden konnten. Währenddessen hatte der Verräter von Finanzminister die Staatskasse geleert. Dann begannen die Sezessionisten mit der Besetzung der innerhalb der abtrünnigen Staaten gelegenen Arsenale, Prägeanstalten, Zollhäuser, Postämter und Garnisonsgebäude ... noch immer unternahm der Präsident nichts. Ja schlimmer noch, er verkündete, dass die Taten des Südens Unrecht seien, er selbst als Präsident jedoch nicht das Recht habe, Verrat und Sezession zu verhindern, da er (so die damalige Wortwahl) "nicht befugt sei, Zwang auf einen souveränen Einzelstaat auszuüben". Er schied schließlich als entehrter, alter Mann aus seinem Amte, für den kaum jemand noch ein freundliches Wort zu erübrigen hatte.

Derart gestaltete sich, grob skizziert, die politische Lage des Landes, als Abraham Lincoln, der nach mehreren Morddrohungen bereits um sein Leben fürchten musste, im Schutze der Nacht in Washington eintraf und in aller Stille seine Amtsgeschäfte aufnahm. Niemals zuvor hatte sich die Bevölkerung dieses Landes in solcher Unruhe befunden. Auch im Norden vertraten viele die kühne Ansicht, dass die "kriegstreiberischen Abolitionisten" und die "Neger-Republikaner" den Konflikt herbeigeführt hätten. Ich selbst war zum Zeitpunkt jener Wahl noch nicht stimmberechtigt, doch nahm ich bereits an den Fackelzügen der "Wide-awakes" und "Rail-splitters", wie die politischen Vereinigungen der Republikaner genannt wurden, teil. Hierbei empfing ich auch meinen Anteil an den Schmähungen, mit welchen die Anhänger des neuen Präsidenten überschüttet wurden.


Einer von Lincolns "Wide-awakes"


Sooft in den lokalen Tageszeitungen von neuen Akten der Gewalt und neuen Aggressionen wider die Zentralregierung berichtet wurde, verkündete in dem Geschäft, in welchem ich angestellt war, irgendjemand, der sich nicht zu den Lincoln-Anhängern zählte, mit zorniger Stimme: "Ich hoffe, ihr Kerle seid jetzt endlich zufrieden! Ich mache dem Süden nicht den geringsten Vorwurf! Die Leute dort sind bis zum Äußersten getrieben worden und zwar von gefährlichen Irren wie Garrison und Phillips! Dafür sollte man diese Burschen aufhängen!" [Anm. d. Übers.: William Lloyd Garrison war ein führender Abolitionist und Herausgeber der abolitionistischen Zeitschrift "The Liberator"; Wendell Phillips, aufgrund seiner Eloquenz auch als die "Goldene Trompete des Abolitionismus" bekannt, war ein Mitbegründer der Amerikanischen Anti-Sklaverei-Gesellschaft.] Weitere beliebte Tiraden waren: "Falls es zum Krieg kommen sollte, hoffe ich, dass ihr und eure Freunde bei den Neger-Republikanern allesamt an die Front geschickt werdet! Dort könnt ihr dann nach Herzenslust für die Nigger kämpfen!" ... "Du liebst die Nigger so sehr, eines Tages wirst du mal einen von ihnen heiraten!" und: "Ich hoffe, dass all die hitzköpfigen Abolitionisten in die erste Reihe gestellt und als Erste niedergeschossen werden!" Dies sind noch harmlose Auszüge aus den tagtäglichen Konversationen, die nicht nur an meinem Arbeitsplatze, sondern in jedem Geschäft und jeder Fabrik im Norden geführt wurden. Diese wortreichen Streitgespräche waren jedoch keineswegs einseitige Angelegenheiten, denn die derart Gescholtenen waren zwar nicht kriegslüstern, scheuten den Krieg aber auch nicht und verfügten über ihr eigenes Repertoire an Schmähungen, mit denen sie ihre Widersacher überzogen. Wenn die Streitenden ihre Gegner auch nicht immer zum Schweigen bringen konnten, so verleiteten sie sie doch zu immer weiteren, den oben genannten ähnlichen, lächerlichen Ausbrüchen.

 

Würde man mich nach der Identität dieser Männer fragen, so würde ich mich weigern, ihre Namen preiszugeben. Sie waren meine Nachbarn und meine Freunde und heute sind sie gewandelte Männer. Es gibt unter ihnen keinen einzigen, der in Anbetracht der folgenden Katastrophe nicht zutiefst über sein damaliges Verhalten beschämt ist. Etliche von ihnen haben im Felde gedient und es schmerzt mich zu sagen, dass einige nicht wieder heimgekehrt sind. Es war dies eine Zeit der unüberlegten und feindseligen Worte. In den folgenden Monaten erhielten die Südstaatensympathisanten den Spitznamen "Copperheads", also "Kupferköpfe". Ihre Verachtung für Lincoln und seine Partei kannte keine Grenzen und nur ihr persönliches Schamgefühl und ihre Selbstachtung hielten sie von den ärgsten Untaten ab; doch manche besaßen nicht einmal dieses Mindestmaß an Charakter. Keine Schmähung war zu würdelos, um sie den Republikanern entgegenzuspeien. Kein Missgeschick war zu grausam, um es dem politischen Gegner zu wünschen.

Natürlich war es den Hitzköpfen nicht vollkommen ernst mit ihren Verwünschungen, aber ihre Ausbrüche wirkten wie ein Gift auf das Bewusstsein der Allgemeinheit. Die Situation des neuen Präsidenten, die ohnehin bestenfalls als verwirrend und prekär zu bezeichnen war, wurde dadurch nur noch weiter erschwert, da der Eindruck entstand, dass ein beträchtlicher Teil der nordstaatlichen Bevölkerung Lincolns Politik ablehnen würde, anstatt sie zu unterstützen. Zudem gelangten die Sklavenhalter zu der Überzeugung, ein Großteil der Männer des Nordens würde mit ihren verräterischen Absichten sympathisieren. Die rasche Abfolge der folgenden Ereignisse führte jedoch einen Wandel in der Denkweise beider Lager herbei.

Die führenden Abolitionisten hatten bis dato behauptet, der Süden sei zu feige, aktiv für den Erhalt der Sklaverei zu kämpfen, während der Bevölkerung der Südstaaten von den "Feuerfressern" und deren Freunden im Norden weisgemacht wurde, die Nordstaaten würden niemals für ihre Überzeugungen eintreten und hätten im Kriegsfalle bereits alle Hände voll zu tun, die Zwietracht in ihren eigenen Reihen im Zaume zu halten. Ach, wie wenig verstanden beide Seiten die Entschlossenheit ihrer Gegner! Das Ganze erinnerte an die Geschichte der zwei Iren: Die beiden trafen sich eines Tages im Lager und der eine fragte: "Wie geht's dir, Mike?", worauf der andere entgegnete: "Wie geht's dir, Pat?" Der erste stutzte: "Aber ich heiße doch gar nicht Pat!" und erhielt die Antwort: "Und ich heiße nicht Mike!" Da geriet der erste ins Grübeln und verkündete: "Ei verdammich, dann ist wohl keiner von uns beiden, wer er ist!"


"Keiner von uns beiden"


Diese Anekdote dient als treffliche Veranschaulichung jener Haltung, mit welcher der Norden und der Süden einander begegneten. Man könnte sich schwerlich etwas Vollkommeneres vorstellen als die Verständnislosigkeit beider Seiten für die Entschlossenheit des jeweils anderen ... dies sollte der Lauf der Dinge bald zeigen.

Die Geschichte von Major Anderson und dem sicherheitsbedingten Rückzuge seines kleinen Häufleins US-Truppen von Fort Moultrie nach Fort Sumter im Hafen von Charleston dürfte wohl jedem interessierten Leser bekannt sein. Ebenso die Tatsache, dass die Rebellen ein Schiff unter Beschuss nahmen, welches der Präsident entsandt hatte, um das Fort mit Nachschubgütern zu versorgen und dass die US-Garnison nach einem mehrtägigen, schweren Bombardement schließlich zur Kapitulation gezwungen war. Diese Ereignisse öffneten endlich die Augen der "nordstaatlichen Teiggesichter" (wie die Yankees mit Südstaatensympathien spöttisch genannt wurden) für die wahren Absichten der Sezessionisten. Ihre politische Weltanschauung durchlief einen tiefgreifenden Wandel. Sie erkannten, dass Patriotismus und die Liebe zur Union noch immer den höchsten Stellenwert für sie besaßen. Sie hatten die Vorschläge vernommen, das alte Sternenbanner aufzuteilen und jeder Partei einen Teil davon zu überlassen. Sie sahen das Bild der zerrissenen Fahne vor sich und der Gedanke wurde ihnen unerträglich. Der Großteil von ihnen stellte also den Spott und die Verwünschungen ein und schloss sich den Forderungen der Allgemeinheit an, dass unverzüglich etwas getan werden müsse, um die Autorität und Befehlsgewalt der Zentralregierung durchzusetzen. Selbst Präsident Lincoln, der in seiner Amtsantrittsrede seine Landsleute dazu aufgerufen hatte, "sich Zeit zu nehmen, um die Lage ruhigen Blutes und sorgfältig zu durchdenken", war zu der Ansicht gelangt, dass weitere Langmut nicht mehr fruchtete und dass die Achtung vor dieser großen Nation sowie sein Präsidentenamt von ihm forderten, nun rasch entschlossene Taten folgen zu lassen. Folglich rief er am 15. April 75.000 Soldaten der Miliz für die Dauer von drei Monaten zu den Waffen, um die Rebellion zu unterdrücken und das geltende Recht durchzusetzen.

Da ich selbst als Soldat in einem Massachusetts-Regiment diente, ist es wohl verständlich, dass ich gelegentlich speziellen Bezug auf die Rolle jenes Staates in der Anfangsphase dieser monumentalen Krise des Landes nehmen werde, da mir jener Aspekt enger vertraut ist als die Abläufe in den anderen Staaten. Und doch ist es nicht mein Bestreben (so stolz ich auch auf das hervorragende Betragen meines Staates in den frühen Kriegsmonaten sein mag), Massachusetts über Gebühr und auf Kosten der Staaten Pennsylvania, New York und Rhode Island zu lobpreisen, da jene ebenfalls bereitwillig und prompt Hilfe im Notfalle des Landes leisteten. Auch sollen die ehrenvollen westlichen Staaten nicht unerwähnt bleiben, deren standhafte Patrioten so entschlossen in dichten Formationen die Mason-Dixon-Linie überschritten, als "Vater Abraham" sie um Hilfe anrief.

Es sorgt oft für Verwunderung, warum gerade Massachusetts, das ja weiter von der Hauptstadt der Nation entfernt liegt als die anderen genannten Staaten, so prompt zu deren Rettung eilte. Ich möchte mich an dieser Stelle an einer Erklärung versuchen. Im Dezember des Jahres 1860 schlug der Generaladjutant des Staates, William Schouler, dem Gouverneur (und späteren General) N. P. Banks vor, angesichts der gegenwärtigen Entwicklung der Dinge weitere Milizeinheiten aufzustellen, die Kommandeure der einzelnen Kompanien zu veranlassen, eine vollständige Stammrolle mit Namen und Wohnort der Angehörigen im Hauptquartier einzureichen und zahlenmäßig schwache Kompanien bis zur gesetzlich zulässigen Maximalstärke (damals 101 Mann pro Infanterieeinheit) mit frischen Rekruten aufzufüllen. Kurze Zeit später trat John A. Andrew, der als "der große Kriegsgouverneur von Massachusetts" in die Geschichtsbücher eingegangen ist, sein Amt an. Er war nicht nur bereits vor dem Kriege ein führender Republikaner gewesen, sondern auch ein überzeugter Abolitionist. Er scheint klar vorausgesehen zu haben, dass die Zeit der Drohungen und Streitgespräche vorüber war und dass die Zeit der Taten bevorstand. Am 16. Januar erließ er also eine Order (Nr. 4), mittels welcher festgestellt werden sollte, wie viele der in der Miliz dienenden Offiziere und Männer bereit wären, einem eventuellen Rufe zu den Waffen durch den Präsidenten unverzüglich Folge zu leisten. Ein jeder, der nicht zu sofortigem Handeln bereit war, wurde aus den Diensten der Miliz entlassen und sein Platz von einem tatkräftigeren Gesellen eingenommen. So geschah es, dass Massachusetts zum zweiten Male in seiner Geschichte seine "Minutemen" auf den prompten Einsatz im Bedarfsfalle vorbereitete. [Anm. d. Übers.: "Minutemen" wurden jene Milizeinheiten des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges genannt, die sich durch ihre rasche Einsatzbereitschaft ("binnen einer Minute") auszeichneten.]


Ein "Minuteman" des Jahres 1861


Obgleich diese Order des Gouverneurs sich als ausgesprochen sinnvoll erweisen sollte, trug sie doch einigen Unmut in die Reihen der Milizionäre, denn es gab in Massachusetts, wie auch in den anderen Staaten, sehr viele Männer, die in Friedenszeiten gute und disziplinierte Soldaten abgegeben hatten, nun jedoch, da die Miliz ihren eigentlichen Zweck erfüllen musste, kein weiteres Bedürfnis nach militärischem Ruhme verspürten. Ihr Stolz stand ihrer Aufrichtigkeit allerdings im Wege. In dieser Stunde der Gefahr schämten sie sich, der Miliz den Rücken zu kehren, da sie um ihren Ruf fürchteten. Doch es gab auch Männer, die gute und berechtigte Gründe hatten, sich nicht unvermittelt in militärische Dienste zu stellen, solange der Bedarf an Soldaten noch anderweitig zu decken war. Sie waren loyale und ehrbare Bürger, die nicht einfach binnen kürzester Zeit von ihren geschäftlichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen ablassen konnten. In rationaleren und besonneneren Zeiten hätte man dies auch nicht von ihnen erwartet, aber die Gemüter der Öffentlichkeit waren erhitzt und die Vernunft musste sich mit ihrem Platze in der zweiten Reihe begnügen.

Die Order Nr. 4 war, so glaube ich zumindest, der erste wichtige Schritt, den der Staat in Richtung einer organisierten Vorbereitung auf den drohenden Konflikt unternahm. Der nächste Schritt war die Verabschiedung eines Gesetzes durch die Legislative, welches der Gouverneur am 3. April bestätigte und welches die Anschaffung von "Mänteln, Decken, Tornistern, 200.000 Schuss Munition und weiterer Ausrüstung für 2.000 Soldaten" im Werte von 25.000 Dollars vorsah. Diese Ausrüstungsgüter waren rasch beschafft. Die Soldaten der Miliz stellten damals ihre eigenen Uniformen und da keine exakten Vorschriften über deren Aussehen existierten, trugen keine zwei Kompanien desselben Regiments die gleiche Uniform. Erst seit wenigen Jahren ist die Uniform der Miliz von Massachusetts gesetzlich vereinheitlicht.

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