Weg mit dem Schussreflex!

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SCHUSSREFLEX

Wenn wir etwas Neues lernen, müssen wir uns dabei auf den Bewegungsablauf konzentrieren. Die Bewegungen sind nicht automatisiert und es haben sich auch noch keine Reflexe für die neue Bewegung gebildet. Wir führen die Bewegungen zunächst bewusst aus und später werden die Bewegungsmuster dann im Kleinhirn abgelegt. Wenn das passiert ist, kann eine Bewegung unbewusst ausgeführt werden.

Durch diese Automatisierung brauchen wir für eine Bewegung dann weniger Muskelarbeit. Es werden auch geistige Kapazitäten frei und wir können diese nutzen, um die Bewegung weiter zu optimieren oder können uns auch gleichzeitig mit anderen Dingen beschäftigen.

Wenn wir eine bewusste Bewegung initiieren wollen, geht der erste Impuls dafür vom präfrontalen Kortex im Gehirn aus. Von dort geht der Bewegungsimpuls zum prämotorischen Kortex, in dem die einzelnen Muskelgruppen untereinander koordiniert werden, und dann weiter zum motorischen Kortex. Vom motorischen Kortex verläuft das Nervensignal nun weiter zur Wirbelsäule und von dort zu den einzelnen Muskelgruppen.

Automatisierte Bewegung

Bei einer automatisierten Bewegung hingegen – bei deren Automatisierung sich ein Reflex gebildet hat –, wird die Bewegung durch den Schlüsselreiz ausgelöst. Das Bewegungssignal umgeht dabei den präfrontalen Kortex, in dem der bewusste Impuls für eine Bewegung eigentlich gestartet würde.

Der Impuls zum Lösen des Pfeils entsteht, wenn das Schlüsselsignal/der Trigger den prä-/motorischen Kortex unter Umgehung des präfrontalen Kortexes aktiviert.


Dieser leitet das Signal zum Lösen dann direkt zum Rückenmark und den Muskelgruppen.

Diese Bewegungssignale umgehen also den präfrontalen Kortex. Wenn die Bewegung - hier das Lösen - aber noch nicht erfolgen soll, wollen wir den Bewegungsimpuls zum Lösen unterdrücken.

Diese Unterdrückung wird als Impuls aus dem präfrontalen Kortex gesteuert, von dort also, wo die Bewegungen bewusst in Gang gesetzt werden.

Die Unterdrückung gelangt ebenfalls zum prä-/motorischen Kortex. Dort laufen nun zwei gegensätzliche Bewegungsimpulse auf. Der Impuls “Sehne halten” und der gegenläufige Impuls „Sehne lösen“ führen zu einer völlig unkoordinierten Bewegung.

Das ist es, was die meisten Schütz*innen erleben, wenn sie den Löseimpuls unterdrücken wollen. Dieser Schussreflex entsteht, wenn eine Bewegung aus zwei unterschiedlichen Hirnarealen mit zwei gegensätzlichen Bewegungsimpulsen gesteuert wird. Und diese daraus resultierende Bewegung fühlt sich nicht nur völlig unkontrolliert an - sie ist es auch.

Das war das physiologische Modell zum Schussreflex. Es erklärt, warum es so schwer ist den Reflex zu überwinden und wieder zu einer bewusst gesteuerten Bewegung zu kommen.

Warum entsteht der Reflex überhaupt?

Dazu gibt es unterschiedliche Theorien. Ich denke, die Erklärung des amerikanischen Psychologen Daniel Stern vermittelt das beste Verständnis, wie es zu dem Reflex kommt. Daniel Stern hat intensiv im Bereich der Mutter-Kind Bindungen und Erwachsenenbindungen geforscht.

Er hat sich aber auch mit der Verarbeitung von Reizen und Eindrücken im Hirn beschäftigt. Dabei fand er heraus, dass gleichartige Eindrücke denen wir oft ausgesetzt sind - wie Bilder oder Gerüche – in Gruppen gespeichert werden.

Rufen wir uns diese Bilder oder Erlebnisse ins Gedächtnis, so erinnern wir uns nicht an ein einzelnes Erlebnis, sondern an eine Art Mittelwert aus den Erinnerungen der abgespeicherten Erlebnisgruppe. Das nennt Stern einen RIG (Repräsentativwert einer Internalisierten Generalisation). Durch die Vielzahl der gleichartigen Eindrücke können die Einzeleindrücke nicht mehr voneinander unterschieden werden.

Gehen wir nun von dieser Theorie aus und berücksichtigen wir, dass unser Gehirn Bewegungen optimiert und automatisiert, wird klar, dass wir das Zielbild in einer einzelnen RIG abgespeichert haben.

Die Erfüllung des Zielbildes aktiviert bei den meisten Schützen den Lösereflex, den Schussreflex. Das Zielbild ist nun aber als RIG gespeichert - als durchschnittliches Zielbild - und unser Gehirn wird den Impuls zum Lösen setzen, wenn das vorhandene, aktuelle Zielbild auch nur ungefähr dem durchschnittlich passenden Zielbild entspricht und unser Gehirn dies erkennt. Bedenke, das Gehirn will eine Bewegung stets optimieren2.


Zielbild aus abgespeicherten Mittelwerten (RIG)

Das Gehirn erkennt nun während der Schießbewegung immer früher, dass das Zielbild halbwegs erfüllt ist. Wir reden hier über eine Zeitspanne von einer halben Sekunde oder weniger, die zwischen der erkannten und der wirklichen Zielbilderfüllung liegt.

Aber diese Zeitspanne genügt, dass wir die Sehne vorzeitig lösen. Und dann trifft unser Pfeil nicht dort, wo wir wollen.

Dummerweise bleibt ein einmal erlernter Reflex zeitlebens im Gedächtnis. Es bildet sich ein sogenannter neuronaler Pfad aus. Durch den passenden Schlüsselreiz kann er immer wieder aktiviert werden. Auch dann, wenn wir andere Bewegungsmuster dazugewonnen haben, die von anderen Reizen gesteuert werden.

Alte, hier negative, Schlüsselreize können durch eine Vielzahl von Faktoren belebt werden: Schlafmangel, Unterzuckerung, Adrenalin, etc. Wenn du dich neu konditionierst und alte Reize überschreiben willst, solltest du also ausgeruht, frisch und achtsam sein.

2 Anm. des Übersetzers: Optimieren heißt hier auch: Weniger Kraft einsetzen müssen, die Bewegung zeitlich verkürzen können

Muskuläres Gedächtnis

Oben ist beschrieben, wie und warum unser Gehirn und Gedächtnis den Schussreflex entwickelt. Betrachten wir Bewegungsabläufe, so spielt aber auch unser kinästhetisches und unser muskuläres Gedächtnis eine Rolle. Das kinästhetische Gedächtnis speichert Gelenkstellungen und Bewegungen, das muskuläre Gedächtnis Spannungszustände in der Muskulatur. Man kann deshalb die Bogentechnik mit geschlossenen Augen trainieren, der optische Reiz ist dann ausgeschaltet.

Es gibt andere Theorien über die Entstehung von Scheibenpanik: Der Abschuss erzeugt einen Rückschlag, ähnlich wie beim Schießen mit Feuerwaffen, und der Körper schützt sich vor diesem unangenehmen Impuls.

Ich lasse offen, ob dieser Ansatz stimmig ist. Basierend auf meinen Erfahrungen als Jäger und Sergeant beim Militär glaube ich nicht, dass dieser Faktor bei mir eine Rolle spielt.

Joel Turner, ein erfahrener amerikanischer Schütze und Autor, beschreibt diesen Ansatz. Mit externen Triggern kuriert er sehr erfolgreich Schützen mit Scheibenpanik. Das sind Trigger wie eine Feder, welche die Nase im Vollauszug berührt, oder ein Fingerklicker. Hier schnappt ein Finger beispielsweise über eine hervorstehende Kante am Bogen. Manche Schützen wenden solche Techniken sehr erfolgreich an. Ich sehe das pragmatisch: Wer heilt, hat Recht.

Leider entwickeln viele Schützen auch einfach nur einen neuen Reiz, der den Schussreflex auslöst. Problematisch ist dann nicht mehr das Zielbild als Reiz, sondern ein anderer Reiz, aber der Schütze verliert trotzdem die Kontrolle. Ich möchte hier aber genau an der Stelle im mentalen System ansetzen, wo Kontrolle entsteht und verloren geht. Die Methoden dazu, die ich später beschreibe, können leicht mit anderen Ansätzen kombiniert werden.

Es gibt also mehrere Theorien zur Ursache des Schussreflexes. Mir scheint die erste geschilderte am sinnvollsten: Unser Gehirn optimiert den optischen Reiz und dadurch kommt es zum vorzeitigen Lösen.

Die Entstehungstheorie kann für die Wahl der Therapiemethode entscheidend sein. Daniel Sterns RIG-Theorie erklärt die Entstehung des Schussreflexes für mich am schlüssigsten.

Konditionierte Reflexe können dekodiert werden

Sind Gedächtnispfade und Reflexe einmal in uns angelegt, so bleiben sie bestehen und können durch den Schlüsselreiz ausgelöst werden. Das ist ein Problem. Erinnerungen und Gefühle, die man vielleicht nur einmal in seinem Leben gehabt hat, können beispielsweise durch einen Duft, eine Melodie oder einen physischen Kontakt wachgerufen werden.

Dieser Gedächtnispfad ist ein heikler Tanzpartner. Wir müssen sehr wachsam sein, wenn wir eine Bewegung neu erlernen, um eine alte zu dekodieren. Für Bogenschützen ist das Zielbild der führende Schlüsselreiz zum Schussreflex. Je näher dieser Punkt (innerhalb des Schießzyklus) heranrückt, desto schwieriger wird es, den Reflex zu durchbrechen.

Ein erhöhter Adrenalinspiegel verstärkt den Schussreflex

Jeder kennt die folgende Situation:

Du hast den Pfeil aufgelegt, aber den Bogen noch nicht gehoben.

Du bist innerlich ruhig und entschlossen, diesmal alles richtig zu machen, sicher zu zielen und sauber zu lösen.

Beim Aufbau des Schusses hast du noch die Kontrolle.

Sobald das Zielbild auftaucht, wird der Schussreflex ausgelöst, und du kannst den Schuss nicht mehr kontrollieren.

 

Nach dem Schuss sind die meisten Schütz*innen dann in einem Schockzustand. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit kann den Reflex noch weiter verstärken und den Adrenalinspiegel noch zusätzlich erhöhen.

In einer Wettkampfsituation ist die Körperspannung wie auch der Adrenalinspiegel erhöht. Das verstärkt zusätzlich noch die Scheibenpanik. Das erleben viele Schützen am eigenen Leibe bei Turnieren.

Auch Jäger kennen das. In solch extremen Situationen wirken verstärkte gegensätzliche Signale (die des präfrontalen Kortex und die des Reflexes, welche den präfrontalen Kortex umgehen) auf den motorischen Kortex ein, und das verstärkt auch den Schussreflex. Die resultierende Bewegung ist sehr unkontrolliert, und dadurch entstehen massive Fehlschüsse. Die wiederum verschlimmern die ganze Situation noch, und das kann zu einer wirklich üblen Abwärtsspirale führen.


Abwärtsspirale von Schussreflex, Fehlschüssen und Anspannung.

Der Bogenjäger Peter Juusgaard, ein guter Freund, erzählt, dass sich manche Jäger nach dem Schuss an nichts erinnern können, was während des Schusses geschehen ist. Sie haben den totalen Gedächtnisverlust für diese Zeit. Das passt zu dem erhöhten Adrenalinspiegel. Dieser Blackout beim Jagen und der Schussreflex gehen Hand in Hand.

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