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Klara Militsch

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XV

Aratow begab sich zeitig zu Bett, ohne noch recht das Bedürfniß nach Schlaf zu fühlen, er sehnte sich nach Ruhe. Seine Nerven waren so aufgeregt, daß die Ermüdung, welche dadurch hervorgerufen war, weit unerträglicher schien, als die physische Ermüdung von den Strapazen der Reise. Aber wie groß auch seine Ermüdung war, – einschlafen konnte er dennoch nicht. Er versuchte zu lesen . . . aber die Zeilen liefen ihm durcheinander. Er löschte das Licht aus – Finsternis verbreitete sich in seiner Stube. Aber immer noch lag er, mit geschlossenen Augen« wachend da. – Plötzlich aber war es, als ob ihm Jemand etwas ins Ohr flüsterte; . . . »das ist das Klopfen des Herzens, das Rauschen des Blutes« – dachte er. Aber das Geflüster verwandelte sich in eine zusammenhängende Rede. Es wurde russisch gesprochen, eifrig, jammernd, undeutlich. Es war kein einziges klares Wort zu unterscheiden, . . . aber es war Klaras Stimme.

Aratow öffnete die Augen, erhob sich, stützte sich auf den Ellbogen . . . Die Stimme wurde leiser, hörte aber nicht auf in ihrer kläglichen eifrigen Rede, die ebenso unverständlich klang wie früher.

Ganz zweifellos, es war Klaras Stimme.

Finger liefen in leichten Accorden über die Tasten eines Klaviers, . . . dann ertönte die Stimme wieder. Länger anhaltende Töne, . . . wie Gestöhn, wurden vernehmbar; . . . immer die gleichen. Endlich deutlichere Worte.

»Rosen . . . Rosen . . . Rosen . . .«

– »Rosen?« wiederholte Aratow flüsternd. »Ach ja! jene Rosen, die ich auf dem Kopfe der Frauengestalt im Traume sah!«

»Rosen« . . . ertönte es wieder.

– Bist Du es? – fragte Aratow flüsternd.

Die Stimme antwortete nicht.

Aratow wartete, wartete lange – und ließ endlich den Kopf aufs Kissen sinken. – »Hallucinationen des Gehörs!« – dachte er. Aber, wenn . . . wenn sie doch, wirklich . . . hier . . . in der Nähe . . . Wenn ich sie sehen könnte, . . . ob ich da wohl erschrecken oder ob ich mich freuen würde? – Wovor sollte ich denn erschrecken? Weshalb mich freuen? Etwa deshalb, weil es ein Beweis für die Existenz einer andern Welt, für die Unsterblichkeit der Seele wäre? – Uebrigens, selbst wenn ich etwas sehen würde, – könnte es nicht ebenso gut eine Hallucination des Sehens sein?

Er zündete das Licht an und durchmaß mit einem schnellen Blicke, nicht ohne einige Bangigkeit, die Stube; – er sah nichts Außergewöhnliches. Dann stand er auf, blickte in das Stereoskop . . . wieder diese graue Puppe mit den abseits blickenden Augen. Auf‘s Angstgefühl folgte das Gefühl des Ärgers. Es war, als ob seine Erwartungen getäuscht wären . . . diese Erwartungen, die ihm jetzt sogar lächerlich vorkamen. – Das sind alles Dummheiten – brummte er, legte sich wieder in‘s Bett und löschte das Licht aus. Wieder trat tiefe Finsterniß ein.

Aratow beschloß diesmal einzuschlafen. Aber eine neue Empfindung verhinderte ihn daran. Es schien ihm, als ob Jemand mitten im Zimmer, in seiner Nähe stände und kaum merklich athme. Er wandte sich schnell um und öffnete die Augen. Was hätte man aber in dieser undurchdringlichen Finsterniß wohl sehen können? Er suchte auf dem Nachttische nach Zündhölzchen, – plötzlich aber schien ein linder, geräuschloser Luftzug durchs ganze Zimmer über ihn hinweg, durch ihn hindurch zu wehen und das Wort »Ich« ertönte deutlich in seinen Ohren.

– »Ich! Ich! . . .

Es vergingen einige Momente, bis es ihm gelang, das Licht anzuzünden . . . Das Zimmer war wieder leer und er hörte wieder nichts, außer das heftige Klopfen seines eigenen Herzens. Er trank ein Glas Wasser und blieb regungslos, den Kopf auf die Hand gestützt, liegen. Er wartete.

– Ich will warten, dachte er. Entweder ist das Alles Unsinn . . . oder sie ist hier. Sie wird doch nicht mit mir wie die Katze mit der Maus spielen wollen? Er wartete, wartete lange, . . . so lange, daß der Arm, auf den er seinen Kopf stützte, erlahmte, – aber keine der früheren Empfindungen wiederholte sich. Ein paar Mal fielen ihm die Augen zu . . . er öffnete sie sofort wieder – wenigstens glaubte er sie zu öffnen. Nach und nach richteten sich die Augen auf die Thür und blieben darauf haften. Das Licht brannte herunter und im Zimmer wurde es wieder dunkler. Die Thür aber erschien wie ein langer weißer Fleck inmitten der Dämmerung. Und jetzt begann sich dieser Fleck zu regen, er wurde kleiner, verschwand endlich und an seiner Stelle, auf der Thürschwelle, erschien eine weibliche Gestalt. Aratow blickte genauer hin – es war Klara! Diesmal sieht sie ihn starr an und nähert sich ihm. Eine Aufregung bemächtigt sich seiner, er richtet sich auf . . .

. . . und vor ihm steht seine Tante, in der Nachthaube, mit einer großen rothen Schleife und in weißer Nachtjacke.

– Platoscha! – bringt er mühsam hervor – sind Sie das?

– Ich bin es – antwortete Platonida Iwanowna – ich, mein lieber Jaschenka, – ich.

–Weshalb sind Sie gekommen?

– Du hast mich ja aufgeweckt! Erst war es, als ob Du stöhntest . . . dann riefst Du plötzlich: Rettet! Helft!

– Ich hätte geschrieen?

– Ja« Du schrieest – und so heiser; Rettet! – Ich dachte: Herr Gott; ist er nicht am Ende gar krank? Und da kam ich herein, Bist Du gesund?

– Vollkommen gesund.

– Nun, dann hat Dich also ein böser Traum beunruhigt. Willst Du, ich werde etwas mit Weihrauch räuchern?

Aratow blickte noch einmal die Tante aufmerksam an – und brach dann in ein lautes Lachen aus. Die Figur der guten Alten, in der Nachthaube und Nachtjacke, mit dem erschrockenen, langen Gesicht, war wirklich außerordentlich lächerlich. Alles Geheimnißvolle, das ihn umgeben, das ihn bedrückt hatte – all‘ diese Zauberei war plötzlich verflogen.

– Nein Platoscha, mein Täubchen, es ist nicht nöthig, sagte er. Verzeihen Sie, bitte, dass ich Sie, ohne es zu wollen, gestört habe. Schlafen Sie ruhig – ich will auch einschlafen.

Platonida Iwanowna blieb noch ein Weilchen auf dem gleichen Flecke stehen, zeigte auf's Licht und brummte: Weshalb löschst Du es nicht aus? . . . Ein Unglück ist bald geschehen! . . . und indem sie fortging, konnte sie nicht umhin, wenn auch nur von Weitem, das Zeichen des Kreuzes über ihn zu machen.

Aratow schlief gleich ein – und schlief bis zum Morgen. Als er aufstand befand er sich in der besten Stimmung . . . obschon ihm etwas leid that. . . . Er fühlte sich leicht und frei. – »Was das wieder für romantische Faxen waren!« – sagte er lächelnd zu sich selbst. Weder das Stereoskop, noch das ausgerissene Blatt blickte er jetzt an. Nachdem Frühstück eilte er zu Kupfer hin.

Was ihn dorthin zog, fühlte er nur unklar.

XVI

Aratow traf seinen sanguinischen Freund zu Hause. Er plauderte ein wenig mit ihm, schalt ihn, daß er die Tante und ihn ganz vergessen habe, – hörte wieder Lobpreisungen der goldenen Frau, der Fürstin an, von der Kupfer soeben ein Käppchen, mit Fischschuppen gestickt, aus Jaroslaw erhalten hatte . . . und plötzlich, nachdem er sich Kupfer gegenüber hingesetzt hatte, und ihm grade in die Augen blickend, erzählte er, daß er in Kasan gewesen sei.

– Du bist nach Kasan gereist? Weshalb denn? – Nun, ich wollte Nachrichten sammeln, von dieser . . . Klara Militsch.

– Die sich vergiftete?

– Ja.

– Kupfer schüttelte den Kopf. Schau schau, was Du für Einer bist. Ein solcher Duckmäuser! Tausend Werst hin und ebenso viel zurück und zu welchem Zwecke? He? Wenn wenigstens noch ein Liebesabenteuer dabei im Spiele wäre! In einem solchen Falle begreife ich Alles, Alles! Jede Tollheit sogar! – Kupfer fuhr mit den Fingern, durch‘s Haar. – »Aber blos um Materialien zu sammeln – wie das bei Euch gelehrten Männern genannt wird, . . . gehorsamster Diener! Dazu existieren Statistische Comites! – Nun, und wie war‘s denn? Hast Du die Bekanntschaft der Alten und der Schwester gemacht? Nicht wahr, sie ist ein prächtiges Mädchen?

– Ein prächtiges Mädchen! – bejahte Aratow. – Sie hat mir viel Interessantes mitgetheilt.

– Erzählte sie Dir, auf welche Weise Klara sich vergiftete?

– Das heißt – wie meinst Du das?

– Nun, die Art und Weise?

– Nein . . . sie war noch so voll Kummer . . . Ich getraute mir nicht, sie zu sehr mit Fragen zu belästigen. War denn irgend etwas Besonderes dabei?

Freilich war etwas Besonderes. Stelle Dir vor: Sie sollte am nämlichen Tage spielen – und spielte auch. Sie nahm ein Fläschchen Gift mit in‘s Theater, trank es vor Beginn des ersten Aktes aus – und spielte so den ganzen Akt zu Ende. Mit dem Gifte im Leibe! Diese Willenskraft! Dieser Charakter! . . . Und, man sagt, sie habe früher nie mit solchem Gefühl, mit solchem Feuer ihre Rolle durchgeführt! Das Publikum ahnte natürlich nichts, applaudierte, rief sie heraus . . . Kaum aber war der Vorhang herunter, da sank sie auf der Bühne hin, Krämpfe traten ein, wieder Krämpfe . . . und nach einer Stunde war Alles vorbei. – Ja, habe ich Dir denn das nicht schon einmal erzählt? Auch in den Zeitungen stand ja davon!

Aratow‘s Hände waren kalt geworden und sein Herz erzitterte.

– Nein, davon hast Du mir nichts erzählt, – brachte er endlich hervor . . . Und du weißt nicht, was das für ein Stück war?

Kupfer dachte nach. Man nannte mir das Stück . . . ein betrogenes Mädchen kommt darin vor . . . wahrscheinlich irgend ein Drama. Klara war für dramatische Rollen wie geschaffen . . . Ihr Aeußeres sogar . . . Wohin eilst Du denn? – unterbrach ihn Kupfer, als er bemerkte, daß Aratow nach der Mütze griff.

Es ist mir ein wenig unwohl, – antwortete nun Aratow. – Lebe wohl! . . . Ich komme ein andermal wieder.

Kupfer hielt ihn zurück und blickte ihm in‘s Gesicht. – Bist Du aber, Brüderchen, ein nervöser Mensch! . . . Schau Dich einmal an! . . . bist weiß wie Kreide geworden.

– Mir ist unwohl, – wiederholte Aratow, machte sich von Kupfer los und begab sich nach Hause. Erst jetzt wurde es ihm klar, daß er nur deshalb zu Kupfer gegangen war, um mit ihm von Klara zu sprechen.

 

– Von der wahnsinnigen, unglücklichen Klara!«

Als er nach Hause kam, beruhigte er sich übrigens wieder . . . bis zu einem gewissen Grade.

Die Umstände, welche den Tod Klaras begleitet hatten, brachten Anfangs einen erschütternden Eindruck auf ihn hervor. Dann aber kam ihm dieses »mit Gift im Leibe« Agieren, wie Kupfer sich ausgedrückt hatte, wie eine burleske Phrase, wie ein Bravourstück vor, und er gab sich Mühe, gar nicht daran zu denken, aus Furcht, daß eine Art von Ekel bei ihm daraus entstehen könnte. Als er mit Platonida am Mittagstische saß, erinnerte er sich plötzlich ihres nächtlichen Besuchs, dachte an die komische Nachtjacke, an die Haube mit der großen Schleife (eine Schleife auf der Nachthaube!) an diese ganze lächerliche Figur, vor der, wie vor dem Pfiff des Maschinisten in einem Zauber-Ballett, – alle seine Geister zu Asche zerstoben waren. Er veranlaßte sogar Platoscha ihre Erzählung zu wiederholen: wie sie seinen Schrei gehört, wie sie Anfangs weder ihre, noch seine Thür habe finden können u.s.w. Am Abend spielte er eine Zeitlang Karten mit ihr und ging dann in seine Stube, etwas melancholisch zwar, aber doch ziemlich ruhig.

Ein die bevorstehende Nacht dachte Aratow nicht, fürchtete sich auch nicht davor. Er war überzeugt, daß er sie sehe gut verbringen werde. Der Gedanke an Klara tauchte wohl von Zeit zu Zeit in ihm auf, aber dann fiel ihm sofort das Gaukelspiel, mit dem sie sich getötet hatte, ein, und er mußte sich abwenden. Der Gedanke an diesen »Skandal« war der Erinnerung an sie im Wege. Als er zufällig wieder in‘s Stereoskop blickte, schien es ihm sogar, daß sie blos deshalb abseits blicke, weil sie sich schämte. Ueber dem Stereoskop hing das Portrait seiner Mutter an der Wand. Aratow nahm es vom Nagel herab, betrachtete es lange küßte und verwahrte es sorgfältig in einer Schublade. Weshalb er das that? – Vielleicht deshalb, weil dies Portrait nicht in die Nähe jenes Wesens gehörte . . .vielleicht auch aus andern Ursache, – Aratow gab sich keine Rechenschaft davon. Aber das Bildniß der Mutter erweckte in ihm den Gedanken an den Vater . . . an den Vater, den er sterbend in diesem Zimmer, auf diesem Bette gesehen hatte. »Wie denkst Du über alles dies, Vater?« – wandte er sich in Gedanken zu ihm. »Du verstehst das Alles, glaubst auch an Schiller‘s Reich der Geister. Gieb mit einen Rath!« – »Der Vater würde mir den Rath ertheilen, allen diesen Dummheiten den Laufpaß zu geben!« – sprach Aratow laut und nahm ein Buch zur Hand. Es dauerte aber doch lange, bis er lesen konnte und da er eine gewisse Schwere im Körper fühlte, so ging er früher wie sonst in‘s Bett, mit der festen Ueberzeugung, daß er sofort einschlafen würde.

Das geschah nun allerdings auch, . . . aber seine Hoffnung auf eine friedliche Nacht erfüllte sich trotzdem nicht.

XVII

Es hatte noch nicht Mitternacht geschlagen, da träumte er schon einen seltsamen, unglückverheißenden Traum.

Es schien ihm, als ob er sich in einer reichen Villa, deren Besitzer er selbst sei, befände. Erst unlängst hatte er sowohl dieses Haus, wie auch das ganze Gut, zu dem es gehörte, gekauft. Und er dachte immer: Schön! jetzt ist‘s wohl gut . . . aber es wird schlimmer werden! In seiner Nähe scharwenzelt fortwährend ein kleines Männchen, sein Verwalter; er lächelt beständig, vorbeugt sich und will Aratow zeigen, wie ausgezeichnet Alles im Hause und auf dem Gute bestellt sei. »Bitte, kommen Sie, kommen Sie,« – wiederholt er immer und kichert bei jedem Worte; – »betrachten Sie nur, wie Alles bei uns wohlbestellt ist! Da, – die Pferde! – sind das nicht wundervolle Pferde?« – Und Aratow sieht eine Reihe riesiger Pferde. Sie stehen in ihren Ständen und er sieht sie von hinten, prachtvolle Mähnen und Schweife; . . . wie aber Aratow bei ihnen vorüber geht, wenden sie den Kopf, blicken ihn an und fletschen die Zähne. – »Schön denkt Aratow, – aber es wird schlimm werden.« – »Bitte, kommen Sie, kommen Sie,« – fängt der Verwalter wieder an, – »kommen Sie in den Garten: schauen Sie nur, was wir für schöne Aepfel haben!« – Die Aepfel sind wirklich prächtig, roth und rund; sowie aber Aratow sie anblickt, verschrumpfen sie und fallen ab . . . »Es wird schlimm werden,« denkt er. – »Und hier ist auch der See,« – fährt der Verwalter in seinem Geschwätz fort, – »wie blau und wie glatt er ist! Auch ein vergoldeter Kahn ist da . . . Wollen Sie nicht ein wenig spazieren fahren? . . . er schwimmt ganz allein!« – »Ich setze mich nicht hinein,« – denkt Aratow, – »es wird schlimm werden!« – setzt sich aber doch in den Kahn. Auf dem Boden desselben liegt, zusammengekauert, ein kleines Wesen; es sieht wie ein Affe aus und hält ein Fläschchen mit einer grünlichen Flüssigkeit in der Pfote. – »Seien Sie nur ganz ruhig,« ruft der Verwalter vom Ufer her, – »das ist nichts, es ist der Tod! glückliche Reise!« – Der Kahn fährt hurtig dahin . . . plötzlich aber braust ein Wirbelwind, – nicht ein solcher wie gestern, lautlos und sanft, – nein, ein finstrer, furchtbarer, heulender Sturm. Alles dreht sich im Kreise herum – und mitten in dieser wirbelnden Finsterniß sieht Aratow – Klara im Theaterkostüm: sie setzt ein Fläschchen an die Lippen; . . . von Weitem wird bravo! Bravo! Geschrieen. Eine dumpfe Stimme aber ruft Aratow in‘s Ohr: Ah, Du glaubtest, Alles würde mit einer Komödie enden? – »Nein, es ist eine Tragödie, – eine Tragödie ist es.«

Am ganzen Leibe zitternd erwacht Aratow. Es war nicht finster im Zimmer. Ein leichter Schimmer war verbreitet und beleuchtete ruhig und trostlos alle >Gegenstände? Aratow kann sich keine Rechenschaft geben, wo dieses Licht wohl herkommen mag. . . Er fühlt blos eines: – Klara ist hier, ist in dieser Stube, . . . er ist sich ihrer Gegenwart bewußt; – wieder – und auf ewig – ist er in ihrer Gewalt!

Aus seinen Lippen entflieht der Schrei: – Klara, bist Du hier?

– Ja! —ertönt es deutlich aus der Mitte der matt erleuchteten Stube.

Tonlos wiederholt Aratow seine Frage.

– Ja! – hört er abermals.

– Dann will ich Dich sehen! – ruft er und springt aus dem Bette,

Einige Augenblicke stand er da und stemmte seine nackten Füße auf die kalte Diele. . . Seine Blicke irrten umher: »Wo denn, wo?« – flüsterten seine Lippen.

Nichts zu sehen . . . nichts zu hören! . . .

Er blickt um sich und bemerkt, daß der schwache Lichtschimmer, der das Zimmer erfüllt, von einem Nachtlichtchen herrührt, welches mit einem Blatt Papier verdeckt, wahrscheinlich von Platoscha, während er schlief, in eine Ecke gestellt war. Er glaubt sogar Weihrauchduft zu spüren, . . . auch das war gewiss ihrer Hände Werk.

Hastig kleidet er sich an. Im Bette bleiben, schlafen, war undenkbar. Dann stellt er sich, mit verschränkten Armen, mitten ins Zimmer. Stärker als je empfand er jetzt Klaras Gegenwart.

Mit feierlicher, langsamer, halblauter Stimme, im Tone der Beschwörung, begann er:

– Klara!. . . wenn Du wirklich gegenwärtig bist, wenn Du mich siehst, wenn Du mich hörst – so erscheine! Wenn diese Macht, die ich empfinde, wirklich Deine Macht ist, – so erscheine! Wenn Du es weißt, wie bitter ich es bereue Dich nicht verstanden, Dich von mir gestoßen zu haben, – so erscheine! – Wenn das, was ich hörte, wirklich Deine Stimme war, wenn das Gefühl, das sich meiner bemächtigt hat, – Liebe ist, wenn Du jetzt überzeugt bist, daß ich Dich liebe, ich, der ich bisher weder liebte, noch je ein weibliches Wesen berührte, – wenn Du weißt, daß nach Deinem Tode eine leidenschaftliche, unwiderstehliche Liebe zu Dir in mir erwacht ist, – wenn Du nicht willst, daß ich den Verstand verliere, – dann erscheine, Klara!

Aratow hatte das letzte Wort noch nicht ausgesprochen, als er plötzlich fühlte, daß sich ihm von hinten Jemand nähert – wie damals auf dem Boulevard – und daß sich eine Hand auf seine Schulter legt. Er wandte sich um – erblickte aber Niemand. Dieses Gefühl ihrer Gegenwart war aber so deutlich, so zweifellos, darüber sich nochmals hastig umwandte . . .

Was ist das? . . . Zwei Schritte vor ihm sitzt eine Frauengestalt auf seinem Sessel. . . Der Kopf ist abgewandt, wie im Stereoskop . . . Sie ist es! – es ist Klara! Aber welch ein strenges, melancholisches Gesicht!

Aratow ließ sich leise auf die Kniee nieder. Ja, er hatte Recht; er empfand jetzt weder Schreck noch Freude, – nicht einmal Erstaunen . . . Sein Herz klopfte sogar leiser. Nur ein Bewußtsein, ein Gefühl hatte er: – Ah! Endlich, endlich! . . . – Klara, – begann er mit schwacher, einförmiger Stimme, – warum blickst Du mich nicht an? Ich weiß daß Du es bist . . . aber ich könnte ja meinen, daß meine Einbildungskraft dies Bild, wie jenes dort, geschaffen habe (er wies mit der Hand nach – dem Stereoskop) . . . Beweise mir, daß Du es bist, . . . wende Dich zu mir, blicke mich an, Klara!

Klara‘s Hand erhob sich langsam . . . und sank wieder herab.

– Klara! Klara! wende Dich zu mir!

Klaras Kopf wandte sich langsam; die geschlossenen Lider öffneten sich und die dunkeln Augensterne starrten Aratow an.

Er fuhr ein wenig zurück – und gab ein langgedehntes, zitterndes Ah! . . . von sich.

Klara blickte ihn unverwandt an . . .aber ihre Augen, ihre Züge behielten den früheren nachdenklich-strengen, fast unwilligen Ausdruck bei. Denselben Ausdruck hatten sie auch damals am Tage der literarischen Matinée, auf den Brettern, ehe sie Aratow erblickt hatte. Und ebenso wie damals erröthete sie jetzt; ihr Antlitz belebte sich, der Blick flammte auf – und ein freudiges, triumphirendes Lächeln öffnete ihre Lippen! . . .

– Ich bin begnadigt! – rief Aratow, – Du hast gesiegt . . . nimm mich hin! Ich bin Dein – und Du bist mein!

Er stürzte auf sie zu, er wollte diese lächelnden, diese triumphirenden Lippen küssen – und er küßte sie; er fühlte ihre heiße Berührung, fühlte sogar ihre feuchten, kalten Zähne – und ein Schrei des Entzückens ertönte in der dämmrigen Stube.

Die herbeigestürzte Platonida Iwanowna fand ihn ohnmächtig. Er lag auf den Knieen, sein Kopf auf dem Sessel, die Arme hingen schlaff nach vorn ausgestreckt, und im bleichen Gesichte malte sich das Entzücken eines maßlosen Glückes.

Platonida Iwanowna sank neben ihn nieder, umfaßte ihn und stammelte: – Jascha! Jaschenka! Herzenskind!! – Sie versuchte, ihn mit ihren schwachen Armen aufzuheben . . . er rührte sich nicht. Da fing Platonida Iwanowna verzweiflungsvoll zu schreien an. Die Magd eilte herbei. Gemeinschaftlich gelang es ihnen, ihn aufzuheben; sie setzten ihn hin und bespritzten ihn mit Wasser, mit geweihtem sogar.

Er kam zu sich. Auf die Fragen der Tante lächelte er nur, – lächelte mit einem solchen seligen Ausdruck, daß sie noch viel beunruhigter ward – und abwechselnd bald ihn, bald sich bekreuzte. Endlich wehrte Aratow mit der Hand ab und fragte mit dem gleichen, seligen Gesichtsausdruck: – Platoscha, ja was ist denn mit Ihnen?

– Was ist mit Dir? Jaschenka!

– Mit mir? – Ich bin glücklich . . .ja, glücklich, Platoscha . . . das ist mit mir! Jetzt aber will ich mich hinlegen und schlafen. – Er wollte sich erheben, fühlte aber in den Füßen sowohl, wie auch im ganzen Körpers eine solche Schwäche, daß er ohne Beihilfe der Tante und der Magd nicht im Stande gewesen wäre sich auszukleiden und ins Bett zu legen. Dafür aber schlief er auch sehr bald ein: im Antlitz behielt er denselben selig- entzückten Ausdruck bei; sein Gesicht aber war sehr bleich.

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