Sex, Love & Rock'n'Roll

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www.hannibal-verlag.de

Impressum

Originalausgabe

© 2011 by Hannibal

Hannibal Verlag, ein Imprint der Koch International GmbH, A-6604 Höfen

www.hannibal-verlag.de

ISBN 978-3-85445-359-8

Dieses Buch ist auch als Paperback erhältlich: ISBN 978-3-85445-358-1

Korrektorat: Matthias Auer, Aulo Verlagsservice

Layout und Satz: www.buchsatz.com, Innsbruck

Coverdesign: © bürosüd°, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags nicht verwertet oder reproduziert werden. Das gilt vor allem für Vervielfältigungen, Übersetzungen und Mikroverfilmungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Vorspiel

I. Born This Way

20th Century Boys – Cross Dressing: Bequem, sexy & frei – Stereo-Sex: To bi or not to bi – Die Top 10 der angeblichen Doppelstecker – Androgyne Popstars – Koks macht bisexuell – Riot Grrrls: Rock gegen Männer – Shake your Dicks – Walk on the Wild Side – If you won’t fuck me baby, fuck off!

II. Ein Schwein namens Männer

Vom Ladykiller zum Womanizer: Die Top 10 der größten Stecher – Außer Konkurrenz: Mick Jagger – Männer sind Schweine I – 5 Chauvis zum Schwarzärgern – Männer sind Schweine II

III. Heavy Mädels

Bad Girls – Femme fatale – Zu geil für Hausaufgaben – Schlüssel zum Selbst – Das Herz des Starsystems – Lady Gagas Fleischkleid

IV. Glad To Be Gay

Rosa Heckenröschen – Ich bin Steve Blame, und das ist auch gut so – Homophobie I: Boom Bye Bye – Beverly Hills Cops – Homophobie II: I wish I was queer – Abgesang auf den Hedonismus – Homophobie III: Glory, Glory, Hallelujah – Homosexualität in Songs – Die 7 schönsten Liebeslieder von Rio Reiser und Ton Steine Scherben – 10 Schwulen-Hymnen – Die Top 10 der Frauen, die Frauen lieben

V. Body & Soul

Die berühmtesten Lippen der Welt – Nipplegate – „Bettina, zieh dir bitte etwas an!“ – 99 Feuchtgebiete – Kann man über Sex wirklich nur auf Englisch singen? – 10 unpeinliche Sex-Songs mit deutschen Texten – Wer hat den Längsten? – Achtung Penis I – Achtung Penis II – Short Dick Man – Dieter Bohlens Penis-bruch – Riesen-Phallus – Elvis the Pelvis – Phantasie ist alles – Silicon Valley

VI. Can Your Pussy Do The Dog?

Ist Sperma wirklich ekelhaft? – Let’s talk about Sex – Dirty Diana – Wollt ihr meinen Hahn sehen? – Why don’t we do it on the road? – Auf der Reeperbahn nachts um halb eins – You gotta say yes to another Excess – Oh Bondage Up Yours! – I Am A Slave 4 U – Tod einer Domina – Dancing with myself – Die Top 20 der Masturbations-Songs – Gegendarstellung – Abartige Schlampen und tolle Hengste – Sex mit Minderjährigen – Rock And Roll, Part Three – Rock And Roll, Part Four – Die Suche nach dem nächsten Kick – Bei Anruf Sex – Doktorspiele – Peeping Chuck – Let’s get dirty – Super Freak – Emanzipation durch Striptease

VII. Liebe wird oft überbewertet

Skandal! Eminem will Spice Girls nicht mehr schwängern – Wie man einen Mann um den kleinen Finger wickelt – Stimmwunder – 6 unausrottbare Gerüchte – Sex an ungewöhnlichen Orten – Honky Tonk Women – Top 20 der Prostitutions-Songs – 53rd & 3rd – Misswahlen – Wer’s glaubt … – Freigegeben ab sechs Jahren – Supersexy Priesterin – Die Ballade von Tom Jones – Traumfrau sucht Mann – Antipasti-Sex – Fremdgehen – Von wegen „I Will Always Love You“ – Do ya think I’m sexy? – Sex auf Rädern I – Sex auf Rädern II – Sex-Appeal zahlt sich aus – Be my Baby – 5 Songs für die Ewigkeit – 750-Millionen-Euro-Beine – Die teuersten Versicherungen von Sexsymbolen – Lucille – Fuck on the first Date – Endzeit-Sex – No Sex, please! – Warum Frauen Maxi-Singles lieben – Der Greis ist heiß – Rotlicht-Viertel – Sexobjekt

VIII. Achtung Baby

Rock hard – f*ck safe – Aids: die Zeit der Liebe ist vorbei – Ficken, bumsen, blasen – Alarmierende Zunahme – Pro Choice vs. Pro Life – 15 Songs zum Thema Abtreibung

IX. Im Bett mit Madonna

Beim ersten Mal tut’s immer weh – Die besten Orte, um Frauen aufzureißen – Übersetzungsfehler – Unmoralische Angebote – KKK Took My Baby Away – Coitus interruptus – Extrafreuden – Vaterschaftsklage – Frauenschläger – Rape Me? Nein danke! – Bullshit or not? 8 Fälle vermeintlicher und wirklicher sexueller Belästigung – One Night in Paris – Safer Sex – I Can’t Get You Off My Mind: 8 spektakuläre Affären – Die 10 schärfsten Video-Clips – Intimsphäre? Nein danke! – „Liebling, ich bin wieder zu Hause!“

X. Ever Fallen In Love?

10 Ehen, die für Schlagzeilen sorgten – Eheberatung – Wicked Game: 8 Rosenkriege, von denen Anwälte träumen – 5 Pärchen auf Augenhöhe – My World Is Empty Without You: 5 spektakuläre Scheidungen – Soundtracks für eine Trennung

XI. Addicted To Love

Die dritte Zugabe – Das ABC der Groupies – Models: die neuen Groupies – 25 Supermodels und ihre Affären

XII. I Can’t Get No Satisfaction

Music to shag to – Pimmel, Muschi, Aua – Alles, was Männern Spaß macht – 10 Pin-Ups – Dirty Dancing – Begeisterung aus der Plastiktüte – Earth, Wind & Viagra – Too Drunk To Fuck – Soundtrack zum Sex – Schrei nach Liebe – Das Mädchen von Seite 3 – Penisverlängerung – Kenny Rogers macht impotent

XIII. Parental Advisory

Sex & Love & Rock’n’Roll – Sexy Motherfucker – Aufklärer der Nation – Selbstzensur als Verkaufshilfe – Beanstandete Videos – Beanstandete Cover – Beanstandete Platten – 5 Songs, die der Zensor übersehen hat – Zensur in Radio & Fernsehen – 5 Songs über Tipper Gore – Die Top 10 der boykottierten Songs – Overkill – Die 6 größten Tabubrüche – Die erfolgreichsten Tabuverletzer

XIV. All You Need Is Love

Gruppensex – Aufsehen erregende Küsse der Pop-Geschichte – Unnützes Wissen – Love Parade – Bandnamen und ihre Bedeutung

XV. Jukebox

20 Songs und ihre Geschichten – This Is Not A Love Song

Literatur

Danksagung

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Bevor der weiße Diskjockey Alan Freed 1951 die schwarze Rhythm & Blues-Musik, die er in seiner Radiosendung auflegte, als Rock’n’Roll bezeichnete, wurde darunter kein musikalisches Genre verstanden, sondern die schönste Nebensache der Welt. Rock and Roll war ein Euphemismus für Geschlechtsverkehr – und ist es im Grunde noch heute, auch wenn sich die Zeiten genauso geändert haben wie die Popmusik.

Eric Burdon hat den Backbeat des Rock’n’Roll mal als den Herzschlag bezeichnet, der das Blut durch unseren Körper pumpt. Denn ebenso wie den Herzschlag erleben wir auch die Musik von Elvis bis Eminem sehr körperlich – und entdecken so unseren Körper neu oder anders. Musik kann uns derart in Ekstase versetzen, dass wir nicht mehr Herr unserer Sinne sind und unvorbereitet und unvorhergesehen handeln. Und dies ist letztlich auch der Grund, warum bislang noch jede neue Musikrichtung von den Erwachsenen, dem Establishment oder Erziehern als Bedrohung und Gefährdung der Jugend empfunden und bekämpft wurde.

Ohne Rock’n’Roll würden wir wohl noch immer im Gleichschritt marschieren und uns in unserem Körper nicht wohlfühlen. Die Frage der sexuellen Orientierung wäre noch immer streng tabuisiert, und Schwule und Lesben würden weiterhin dafür bestraft, dass sie jemanden lieben, der dem eigenen Geschlecht angehört. So wie in Malaysia, wo Lady Gagas Hymne auf die sexuelle Befreiung, „Born This Way“, verboten wurde, obwohl sie damit voll auf der Linie von US-Präsident Barack Obama liegt, die er im Mai 2011 mit einer Erklärung zum „Lesbian, Gay, Bisexual, and Transgender Pride Month“ vorgab.

Es war Elvis, dessen Hüftschwung die erstarrten Verhältnisse so nachhaltig erschütterte, dass sich die Jugendlichen in den fünfziger Jahren von den Fesseln befreiten, die ihnen das prüde Amerika angelegt hatte – und dass es ihnen Teenager in aller Welt nachmachten. Es waren die Rolling Stones, die ihre weiblichen Fans in den Sechzigern so in Ekstase versetzten, dass sie sich vor lauter Aufregung ins Höschen machten und die Konzertsäle hinterher nach Urin stanken. Es war Patti Smith, die in den späten Siebzigern die Grenzen der von Männern dominierten Welt des Rock’n’Roll zum Einsturz brachte. Es waren die Punks, die Sicherheitsnadeln, Rasierklingen, Hundehalsbänder, Herren-Sakkos und Damen-Unterwäsche wild miteinander kombinierten und einen geschlechtsspezifischen Look mit Hilfe von Kurzhaarfrisuren und Tätowierungen aushebelten. Es war David Bowie, der seinen Gitarristen auf der Bühne küsste und sich öffentlich als bisexuell bekannte. Es war Kurt Cobain, der auch in Frauenkleidern auftrat, um die Geschlechtergrenzen zu verwischen und die gesellschaftlichen Machtverhältnisse in Frage zu stellen. Es war Madonna, die in den achtziger und neunziger Jahren ihre sexuellen Phantasien künstlerisch thematisierte und so ziemlich jedes Tabu verletzte, das noch existierte. Und es war nicht zuletzt Boy George, der der Welt zeigte, dass man anziehen kann, wonach einem gerade der Sinn steht, und dass man sein kann, wer man sein will.

 

Leider waren es aber auch die Spice Girls, die Girlpower als Marketing-Tool einsetzten, oder frisierte Knabenchöre wie Take That, die das Rad der Geschichte wieder zurückdrehten, und es sind Sängerinnen wie Britney Spears oder Christina Aguilera, die aktuell die Popmusik pornografisieren, indem sie die Bühne in einen Sex-Club verwandeln und den Eindruck erwecken, Frauen seien stets verfügbare Sexobjekte, die immer nur das eine wollten – sich lasziv wie Shakira in Reizwäsche an einer Stange räkeln oder sich wie Rihanna fesseln und auspeitschen lassen.

Die Gleichung Rock’n’Roll = Revolte geht zwar in Bezug auf Sexualität nicht (mehr) auf, doch solange wir Musik körperlich erleben, erfahren wir eben auch unseren Körper – und dieses Gefühl ist und bleibt einzigartig. You gotta Rock, I gotta Roll.

Sex, Love & Rock’n’Roll ist keine dröge Sexualfibel, sondern ein Aufklärungsbuch über Pop & Sex, das auf unterhaltsame und möglichst unmoralische Art Geschichten erzählt, die ich in all den Jahren gelesen, gehört und gesammelt habe. Statt den Zeigefinger zu erheben und vor Fremdgehern oder Hurenböcken, Vergewaltigern oder Kinderschändern zu warnen, habe ich mich darum bemüht, die Fakten so zu präsentieren, dass jeder sich selbst eine Meinung dazu bilden kann.

Da ich bestimmte Vokabeln verwende, wie sie in Rock- und Pop-Songs gang und gäbe sind, könnten zarte, unbescholtene Gemüter meine Sprache mitunter als obszön, ordinär oder zu offensiv empfinden. Im Zweifel für die Authentizität, habe ich mich jedoch dafür entschieden, es dabei zu belassen und den Szenejargon nicht ins Hochdeutsche zu übertragen. Ich bitte also um Vergebung, wenn in diesem Buch vom „Ficken“ die Rede ist – dieses Wort benutzt heute jede 16-Jährige so selbstverständlich wie meine Generation vom Schlafen spricht, wenn sie das Gegenteil meint.

Natürlich sollen auch die Liebe und die Romantik nicht zu kurz kommen. Die großen Dramen und Affären. Die Sinnlichkeit und die Erotik. Die Exzesse und die Orgien. Der Hardcore-Sex und das Bizarre. Willkommen in der Welt der Doktorspiele und des Gruppensex, der freizügigen Texte und gezielten Tabuverletzungen!

Willkommen in der Welt des Rock’n’Roll!

Hollow Skai

Kein Buch ohne Website: Mehr über Sex, Liebe und den verdammten Rest auf www.skaichannel.de



20th Century Boys

In ihrem Song „Born This Way“ proklamierte Lady Gaga 2011, dass es egal sei, ob jemand schwul, hetero- oder bisexuell ist, lesbisch oder transsexuell. Was jüngeren Pop-Fans, die sich selbst noch nicht im Klaren darüber sind, wie es um ihre eigene sexuelle Orientierung bestellt ist, ein notwendiger Befreiungsschlag zu sein schien, war in Wahrheit jedoch ein alter Hut. Denn spätestens seit David Bowie gehört das Spiel mit dem Verwischen der Geschlechtergrenzen zum Pop wie der Hüftschwung zum Rock’n’Roll oder ein Irokesenschnitt zum Punk.

Bevor Bowie zum androgynen Pop-Star mutierte, hatte er sich in Künstlerkreisen herumgetrieben und mit dem schwulen Schauspieler Lindsay Kemp eine kurze, aber herzzerreißende Affäre gehabt, in deren Verlauf Kemp sich die Pulsadern aufschnitt, als Bowie mit einer Bühnendesignerin anbandelte. Kemp machte ihn vertraut mit der schwulen Subkultur und der Ästhetik des Camp, doch es war wohl das Mannequin Amanda Lear, das ihn lehrte, aus der eigenen sexuellen Orientierung ein Geheimnis zu machen, das Männer wie Frauen fortan gleichermaßen faszinierte.

Amanda Lear, bei der noch immer gerätselt wird, ob sie einst ein Mann war, zierte das Cover des Roxy-Music-Albums For Your Pleasure, war neben Donna Summer und Marsha Hunt in Charles Wilps berühmtem Werbespot für Afri-Cola zu sehen und sowohl mit Bowie als auch mit dem Surrealisten Salvador Dalí liiert; sie inspirierte den aufstrebenden Pop-Star nachhaltig zur Kunstfigur Ziggy Stardust, einem Alien, das beide Geschlechter in sich vereinte.

Mit seiner Frau Angela führte Bowie eine „offene Ehe“ und tauschte nicht nur die Kleider, sondern auch die Liebhaber mit ihr. Zwar dementierte er später nachdrücklich, was Angela Bowie in ihrer Autobiografie ausgeplaudert hatte: dass sie ihn zusammen mit Mick Jagger im Bett erwischt habe. Doch dieses Gerücht hält sich bis heute, weil es eben auch dem damaligen Zeitgeist entsprach, nicht nur mit dem anderen Geschlecht Sex zu haben, sondern sich auch gegenüber dem eigenen zu öffnen.

Das Spiel mit der Androgynität blieb nicht auf Männer beschränkt. Patti Smith ließ sich von dem Fotografen Robert Mapplethorpe, mit dem sie zusammen war, bevor er seine Leidenschaft für Männer entdeckte, ohne Make-up und in Männerkleidern für das Cover ihres Debütalbums porträtieren. Und die Sängerin Annie Lennox karikierte nahezu auf jedem Album der Eurythmics die gewohnten Frauenbilder.

Bill Kaulitz, der Sänger der deutschen Teenie-Band Tokio Hotel, ist der bislang Letzte in einer langen Reihe androgyner Popstars. Als er sich 2003 für die Sat1-Casting-Show Star Search mit einem Song der Weather Girls, „It’s Raining Men“, bewarb, hatte er sich die Augen mit einem schwarzen Kajalstift gefärbt, und seine Frisur erinnerte an den Protagonisten der Kinder-TV-Serie Der kleine Vampir. Der Juror Hugo Egon Balder empfahl Kaulitz, in Richtung Comedy zu gehen, weil seine Stimme so „witzig“ sei, und allein Kollegin Blümchen erkannte sein Potential: „Du ersparst einer Plattenfirma viel Arbeit. Du bringst das alles schon mit.“

Seinen Look verdankt Kaulitz der japanischen Jugendkultur Visual Kei, deren Kennzeichen gefärbte Haare, Hair-Metal-Frisuren und vorzugsweise schwarz-rote Klamotten aus Lack und Leder sind, wie man sie aus Manga-Comics, Anime-Filmen oder dem Kabuki-Theater kennt.

Bei den Auftritten mit Tokio Hotel warfen ihm Mädchen erst Diddl-Mäuse auf die Bühne, später dann auch BHs. Sein Privatleben stellte er aber nicht öffentlich zur Schau, und seine sexuelle Orientierung thematisierte er nicht in Interviews. Als das französische Teenie-Magazin Voici berichtete, er habe sich am Abend seines 18. Geburtstages im Internet als schwul geoutet, wurde das jedoch von Kaulitz postwendend dementiert: „Das ist totaler Unsinn, aber immerhin ein sehr lustiger Unsinn.“

Das Rätselraten um seine sexuelle Orientierung hält somit an, und so wird er wohl auch künftig, wie in jedem Jahr seit 2007, bei der Wahl des Männermagazins FHM einen Platz unter den „100 Unsexiest Women“ belegen.

Cross-Dressing: Bequem, sexy & frei

Die New York Dolls waren allesamt heterosexuell, pflegten, was die Kleidung betraf, aber einen eher „ökologischen Umgang“, wie ihr Sänger David Johansen in Please kill me, der Oral History des Punk, erklärte: „Es waren immer irgendwelche alten Klamotten, die wir ausgegraben und angezogen haben.“

Mit ihrem Outfit, roten Samtanzügen, hochhackigen Stiefeln, Satinjacketts, Federboas, Damenblusen mit Pünktchenmustern, Frauenkleidern, den toupierten Haaren und geschminkten Gesichtern zogen sie zu Beginn ihrer Karriere ein überwiegend schwules Publikum an, sodass ihre Auftritte im Mercer Arts Center nicht nur schnöde Konzerte waren, sondern bizarren Partys glichen, zu denen von Jimi Hendrix über Bette Midler bis zu Andy Warhol jeder strömte, der 1970 bereits einen Namen hatte oder dem New Yorker Underground angehörte. David Bowie ließ sich von den Dolls nachhaltig inspirieren und wurde eigentlich erst hier zu dem die Geschlechtergrenzen überwindenden Star, als der er in die Annalen des Pop einging. Und letztlich war der Einfluss der New York Dolls auf die Rock-Szene der siebziger Jahre so groß, dass sie nicht nur der englischen Punk-Bewegung als Blaupause dienten, sondern auch den Look von Hair-Metal-Bands wie Mötley Crüe oder Guns N’ Roses prägten.

Die sexuell wie musikalisch schillernde Vielfältigkeit der Dolls und von Stars wie David Bowie oder Lou Reed wurde schon bald unter dem Etikett des Glam Rock vermarktet. Ganz neu war das alles jedoch nicht. Bereits die Rolling Stones hatten sich „tuntig aufgetakelt“, wie Morrissey, der Vorsitzende des englischen Fan-Clubs der New York Dolls, im Gespräch mit Len Brown anmerkte. Und Marc Bolan von T.Rex war „vermutlich der Erste, der es in Make-up und Frauenschuhen bis in den Mainstream schaffte“.

Bolan war in Damenschuhen und mit Federboas um den Hals aufgetreten, hatte sich für einen Auftritt in der englischen TV-Show Top of the Pops die Augen mit einem Glitzer-Make-up geschminkt und kategorisch verkündet: „Wenn du ein attraktives Gesicht hast, solltest du das Beste daraus machen.“

In ein ähnliches Horn blies später David Bowie, als er postulierte, Rock solle „aufgetakelt, in eine Hure verwandelt“ und „zum Abklatsch seiner selbst gemacht werden“. Und auch Mick Jagger gestand 1997, nachdem er in einem Film über die Verfolgung Homosexueller durch die Nazis die transsexuelle Chanson-Sängerin Greta gespielt hatte: „Ich sehe in Frauenkleidern echt viel besser aus.“

Bolan, Bowie und Jagger sind beileibe nicht die Einzigen, die die Aufteilung in Geschlechterrollen unterwanderten, indem sie sich wie Frauen anzogen, was auch als Cross-Dressing bezeichnet wird. Der Who-Schlagzeuger Keith Moon hatte sich einst von Pamela Des Barres Korsetts und hochhackige Schuhe ausgeliehen. Prince trug in den achtziger Jahren unter seinem geöffneten Mantel oft nur einen knappen Slip und schwarze Damenstrümpfe. Ed Mundell von Monster Magnet ließ sich von dem Groupie Lexa Vonn als Mädchen verkleiden, und Joey Jordison von Slipknot, den sie schminken musste, besaß sogar ein eigenes Kleid. TempEau, die Band um den Selig-Sänger Jan Plewka, erwies dem 1996 verstorbenen Rio Reiser ihre Reverenz, als sie 2005 in Fresenhagen in Tutus auftrat. Und selbst ausgemachte Chauvinisten wie der Mötley-Crüe-Sänger Vince Neil bleichten sich die Haare so sehr, „dass man damit das Klo hätte putzen können“, wie es im Sloshspot Blog heißt.

Dass er gerne Frauenkleider trägt, „weil sie so bequem sind“, und am liebsten „nur mit einem Laken bekleidet“ den ganzen Tag lang herumlaufen möchte, bekannte nicht zuletzt auch Kurt Cobain in einem Interview, das Everett True mit ihm 1992 für eine Sex-Ausgabe des britischen Musikmagazins Melody Maker führte. Der Grunge-Rocker war sich dessen bewusst, dass Männer in Frauenkleidern in den frühen 1990ern niemanden mehr aufregen würden, und wollte seinen Auftritt in einem geblümten Kleid im Video zu „In Bloom“ nicht als subversive Aktion verstanden wissen: „Es ist sinnlos, es im Rock-Geschäft mit Subversivität zu versuchen – das geht gar nicht mehr, es sei denn, man würde sich eine Stange Dynamit in den Arsch schieben. Queen haben schon Frauenkleider angezogen. Männliche Musiker machen das doch dauernd. Es fühlt sich einfach bequem, sexy und frei an, ein Kleid zu tragen. Es macht Spaß.“

Weit davon entfernt, ein feministisches Statement abzugeben, beharrte er darauf, dass es einfach bequem sei, als Mann Kleider zu tragen: „Manchmal schläft mir mein Penis geradezu ein oder fühlt sich an, als wollte er gleich abfallen, weil er von einer engen Levi’s abgequetscht wird, und dann ziehe ich lieber weite Hosen oder Kleider an.“ Und auch mit dem Auflegen von Make-up hatte er keine Probleme, wenn Mann es nicht gerade so dick auftrage, dass er wie die Ehefrau eines Fernsehpredigers aussehe: „Ich habe ungefähr einen Monat im Jahr immer wieder eine Eyeliner-Phase. Pete Townshend hatte das auch mal, aber er hat nicht sehr lange durchgehalten.“

 

Auch Martin Gore von Depeche Mode hatte – von seiner älteren Schwester – „ziemlich schnell“ gelernt, was es mit dem Sex auf sich hat, und verkehrte bereits mit 13 im Global Village, einem Schwulen-Club unter dem Londoner Bahnhof Charing Cross. In „echten Sexshop-Klamotten“ zog er später, als er am Southend Art College studierte, durch die Clubs von London. Seinen Stil, „der sein unschuldiges Gesicht und seinen zarten, knochigen Körper mit fetischistischen Lederriemen, Frauenkleidern, Lippenstift, einer Halskette und schwarzem, zersplittertem Nagellack kombinierte“, sodass seine Fans ihre eigenen sexuellen Phantasien auf ihn projizieren konnten, perfektionierte er jedoch in Berlin, wo Depeche Mode in den Hansa-Studios „by the Wall“ ihre Platten aufnahmen.

In der Mauerstadt gab es 1983 keine Sperrstunde, und Gore passte sich dem spielerisch erotischen Lifestyle an, der in Berlin damals mehr als anderswo gepflegt wurde. In Bezug auf Pornografie und Alkohol herrschte „eine gewisse gesetzliche Freizügigkeit“, erinnerte sich ihr Toningenieur Gareth Jones in der Depeche-Mode-Biografie Black Celebration. Und das spiegelte sich auch in den Songs wider, die Gore für ihr Album Some Great Reward schrieb. Im Song „Something To Do“ beichtete er seiner Freundin, dass er gerne ihre Lederstiefel und ihr hübsches Kleid anziehen wolle, und mit „Master And Servant“ thematisierte er seine Eindrücke aus den S&M-Clubs, in denen er sich nach der Arbeit im Studio rumgetrieben hatte. Obwohl er selbst alles andere als schwul war und regelrecht wütend werden konnte, wenn man ihn für homosexuell hielt, empfand er das Image des Machos als „todlangweilig“. Mit seinen zweideutigen Texten und seiner Vorliebe für das Cross-Dressing sprach er vor allem Jugendliche an, die selbst noch mit ihrer Sexualität experimentierten. Und wie der Keyboarder Alan Wilder kolportierte, machte es Gore jedes Mal Spaß, wenn die Band eine Zollkontrolle passieren musste und er von den Beamten gefragt wurde, ob er sich lieber in der Kabine für Männer oder in der für Frauen durchsuchen lassen wolle: „Je mehr man über seine Outfits lachte, umso wilder machte er sich zurecht. In dieser Hinsicht kann er richtig stur sein.“

Stereo-Sex: To bi or not to bi

Als Brett Anderson von Suede 1992 vom Melody Maker nach seiner sexuellen Orientierung befragt wurde, wich er der Frage aus und bezeichnete sich als bisexuellen Mann, der noch nie eine homosexuelle Erfahrung gemacht habe. Woraufhin der Schlagzeuger der Band, Simon Gilbert, der nie geleugnet hatte, schwul zu sein, entgegnete, er sei ein bisexueller Mann ohne jegliche heterosexuelle Erfahrung.

Solch ein klares Bekenntnis zum eigenen Geschlecht war selbst in der Welt der Rock- und Pop-Musik, in der es seit jeher drunter und drüber gegangen ist, lange Zeit nicht gerade an der Tagesordnung. Allzu oft beschwerten sich Stars wie Freddie Mercury, dass man sie „in die Schwulenkiste gesteckt“ habe, oder wie Michael Stipe, dass „die Menschen nach ihren sexuellen Vorlieben“ eingeteilt würden. Und nur selten äußerte sich jemand so offen wie Alexander Bard von der schwedischen Gruppe Army of Lovers: „Wir sind eine bisexuelle Band, die einzige der Welt mit schwulen Männern und heterosexuellen Frauen.“

David Bowie war der Erste, der in einem Interview „zugab, dass er bisexuell ist“, was Boy George noch Jahrzehnte später beeindruckte, obwohl Bowie da längst eingestanden hatte, dass dies keineswegs der Fall gewesen sei: „Ob vorgetäuscht oder nicht, es war mutig.“

Mittlerweile gehört eine nicht mehrheitsfähige sexuelle Orientierung hingegen fast schon zum guten Ton, und wer nicht offen schwul oder lesbisch ist, pflegt wenigstens sein Image als „Doppelstecker“ und verkündet ungefragt, dass er „Stereo-Sex“ bevorzuge.

Die Top 10 der angeblichen Doppelstecker

1. Billie Joe Armstrong (Green Day)

In einem Interview mit The Advocate erklärte der Sänger der kalifornischen Punk-Band, dass er „schon immer“ bisexuell gewesen sei, obwohl er noch nie eine Beziehung zu einem Mann gehabt habe: „Meiner Meinung nach ist jeder Mensch von Geburt an bisexuell, und dann bekommt man von den Eltern und der Gesellschaft dieses ‚Oh, das darf ich nicht‘-Gefühl eingetrichtert. Es heißt dann, das ist tabu. Daher ist es in unsere Köpfe eingebrannt, dass es etwas Schlechtes ist, dabei ist es überhaupt nicht schlecht. Es ist eine sehr schöne Sache.“

2. Kurt Cobain (Nirvana)

Ebenfalls im Advocate war 1993 eine Titelgeschichte über „die dunklen Seiten des Kurt Cobain“ erschienen, die Cobain an seiner Pressemanagerin vorbei abgesprochen hatte. Darin räumte er ein, dass er „wohl weiterhin ein bisexuelles Leben gelebt“ hätte, wenn ihm nicht Courtney Love über den Weg gelaufen wäre: „Ich finde sie in jeder Hinsicht absolut attraktiv.“

Courtney Love selbst war dem eigenen Geschlecht ebenfalls nicht abgeneigt. Im New Musical Express behauptete sie 2010, sie habe Mitte der 1990er Jahre mit dem Model Kate Moss in Mailand Sex gehabt.

3. Nelly Furtado

Nachdem sie ein Buch über chinesische Medizin gelesen hatte, dozierte sie 2006 in der Netzeitung: „Als Menschen haben wir sowohl männliche als auch weibliche Energie. Ich glaube an das, was Kurt Cobain gesagt hat, dass letztlich alle Menschen schwul sind. Ich glaube, dass sexuelle Experimente zur Menschheitsgeschichte gehören.“

4. Michael Stipe (R.E.M.)

Nachdem ein großes US-Magazin berichtet hatte, dass er mit einem Mann zusammenlebe, hieß es überall, er sei schwul. „Kategorien wie ,schwul‘ oder ,nicht schwul‘“ seien jedoch keine, die er auf sich „anwenden“ würde, entgegnete Stipe.

5. Freddie Mercury (Queen)

Bereits 1984 gestand er im musikexpress: „Ich mach’s ganz einfach mit jedem, den ich mag. Da gibt’s keine Schubladen.“ Gleichwohl wurde er von Schwulenverbänden kritisiert, weil er sich nicht als Homosexueller zu erkennen gab. Dabei hatte er durchaus nicht geleugnet, auch mit Männern ins Bett zu gehen. So heißt es in der Zitatsammlung Freddie Mercury – Ein Leben in eigenen Worten: „Mein Sexualtrieb ist enorm. Ich schlafe mit Männern, Frauen, Katzen – was immer Sie wollen. Ich gehe mit allem und jedem ins Bett! Mein Bett ist so riesig, dass bequem sechs Leute darin Platz haben. Ich ziehe es vor, Sex ohne jegliche Bindungen zu praktizieren, und zeitweise hatte ich extrem viele wechselnde Geschlechtspartner. Ich war einfach eine alte Schlampe, die jeden Morgen aufstand, sich am Kopf kratzte und überlegte, wen sie denn heute ficken wollte. Ich lebte nur für den Sex. Ich bin ein sehr sexuell orientierter Mensch, aber heute bin ich viel wählerischer als früher. Ich will auf zwei Hochzeiten tanzen. Ich will Sicherheit, aber ich brauche auch meine Freiheit.“

6. Christina Aguilera

Dass sie es „geiler“ findet, „Frauen hinterherzugucken“, darum hatte X-tina noch nie ein Geheimnis gemacht. Anlässlich der Veröffentlichung ihres Albums Bionic erklärte sie jedoch 2010 in der Schweizer Illustrierten: „Mein Ehemann [Jordan Bratman] weiß, dass ich auf Frauen stehe. Es ist toll, offen mit dem Thema umzugehen und damit zu spielen. Mein Mann und ich passen zwar wunderbar zusammen, aber ich liebe Frauen definitiv – sie sind so viel attraktiver, wenn sie nackt sind.“ Wenig später gaben die beiden allerdings ihre Trennung bekannt.

7. Dee Dee Ramone

Während die übrigen Ramones von ihrer Plattenfirma zu Weihnachten billige Brieföffner geschenkt bekamen, erhielt Dee Dee Ramone von Sire-Boss Seymour Stein einmal teuren Juwelenschmuck. Der Grund dafür sei ein „flotter Dreier“ zwischen Stein, dessen Frau Linda und Dee Dee gewesen, von dem John Holmstrom, der Herausgeber des Magazins Punk, gehört haben will. Vom Lichtdesigner der Ramones, Arturo Vega, wurde diese Annahme bestätigt, von Dee Dee selbst aber dementiert. Nichtsdestotrotz behauptet Vega, dass er ebenfalls mit dem Bassisten geschlafen habe, und auch der frühere Ramones-Manager Danny Fields ist der Meinung, dass Dee Dee nicht groß zwischen Mann und Frau unterschieden habe: „Ich habe keine Ahnung von Bisexualität. Solche Wörter benutze ich nicht. Wenn du jemanden magst, solltest du mit ihm schlafen. Das gilt doch für alle Geschlechter. Warum sollte man sich beschränken? Jeder, der Dee Dee mochte, hätte einfach mit ihm ins Bett gehen sollen. Ich habe es getan, und es war schön. So sollte sich jeder verhalten, wenn es seinen Wünschen entspricht.“

8. Gianna Nannini

Lange bevor sie im Alter von 54 Jahren überraschend Mutter wurde, äußerte sich die italienische Rock-Röhre 1999 im musikexpress über ihre Bisexualität: „Ich bin nicht zerrissen, was meine Sexualität angeht, sondern ich bin insgesamt eine zerrissene Persönlichkeit. Es gibt zwei Frauen, die in mir stecken: die Gianna der Nacht, die geheimnisvoll, sinnlich und lüstern ist, und die Gianna des Tages, die sich vom Verstand leiten lässt, die vorsichtig und schüchtern ist.“

9. Whitney Houston

Vor der Hochzeit der Soul-Diva mit dem Rapper Bobby Brown drohte ihr ihre Freundin Robyn Crawford 1992 damit, der ganzen Welt zu erzählen, dass sie Whitneys Geliebte sei, und sich anschließend umzubringen. In einer Titelstory von Entertainment Weekly nahm Whitney Houston indirekt dazu Stellung: „Sobald jemand Erfolg hat, werden automatisch ein paar Gerüchte in die Welt gesetzt. Eins davon ist, man sei homosexuell. Ein anderes, man nehme Drogen. Und dann noch, dass man keinen Schimmer von dem habe, was man da eigentlich mache. Es gab eine Zeit, da hat es mich verletzt, dass ich beweisen sollte, was ich nicht war. Das hat mich richtig fertiggemacht. Ich bin zu meiner Mutter gerannt und habe gefragt: Warum, warum machen die das? Kann ich nicht einfach mit einer Frau befreundet sein?“

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