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Damals fühlte ich recht den Dämon des Fleisches in allen meinen Gliedern hausen und durch mein Blut kreisen; und mitleidig sah ich auf die harmlose Zeit zurück, wo ich unter den Blicken der Frauen erschauerte, wo ich vor Gemälden oder Statuen vor Entzücken verging. Ich wollte leben, genießen, lieben. Wie an den ersten sonnigen Tagen die warmen Winde sommerliche Hitze mitführen, wenn auch noch keine grünenden Wiesen noch Blätter und Rosen da sind, so fühlte ich unbestimmt meine heiße Lebenszeit nahen. Was tun? Wen lieben? Von wem sich lieben lassen? Welche große Dame wird von euch wissen wollen? Welche überirdische Schönheit wird euch die Arme öffnen? Wer kennt all die traurigen Spaziergänge, die man allein die Flußufer entlang macht, und all die Seufzer, die man aus übervollem Herzen in heißen Nächten, wenn die Brust springen will, zu den Sternen emporschickt.

Liebesträume schließen alles ein. Sie enthalten die Unendlichkeit des Glücks, sind das Mysterium in der Freude. Mit welcher Glut verzehrt euch unser Blick, mit welcher Gewalt sprüht er auf euer Antlitz, ihr schönen, triumphierenden Frauen! Jede eurer Bewegungen atmet Anmut und Verdorbenheit. Das Rascheln eurer faltigen Gewänder erregt uns bis auf den Grund des Herzens, und es entströmt der Oberfläche eures ganzen Körpers etwas, das uns tötet und berückt.

Hinfort gab es für mich ein Wort, das mir schön erschien vor anderen Worten, das Wort: Sünde! Eine köstliche Süße umschwebt es unbestimmt, ein merkwürdiger Zauber umduftet es. Alle Geschichten, die man erzählt, alle Bücher, die man liest, alle Bewegungen, die man macht, sagen und sprechen ewig nur davon für das Herz des jungen Mannes. Er trinkt sich satt daran, er findet eine höchste Poesie darin, die mit Fluch und Wollust vermischt ist.

Besonders beim Nahen des Frühlings, wenn der Flieder zu blühen begann und die Vögel wieder im ersten Grün sangen, stand mein Herz 67 nach Liebe. Es schmolz ganz in Sehnsucht. Es wollte sich in ein süßes und großes Gefühl verlieren und aus Licht und Duft neues Leben saugen. Jedes Jahr bringt mir noch für einige Stunden eine Jungfräulichkeit zurück, die mit den Knospen treibt; doch die Wonnen erblühen nicht wieder mit den Rosen, und in meinem Herzen grünt es nicht mehr als auf der Landstraße, wo der Sonnenbrand die Augen blendet und der Staub sich in Wirbeln hebt.

Entschlossen, das, was folgt, zu erzählen, zittere und zögere ich doch in dem Augenblick, wo ich in diese Erinnerungen hinabsteige. Es ist, als sollte ich eine frühere Geliebte wiedersehen: beklommenen Herzens verweilt man auf jeder Stufe ihrer Treppe, man fürchtet, sie anzutreffen, und zittert, sie könne nicht zu Hause sein. Gerade so ist es mit gewissen Gedanken, mit denen man zuviel gelebt hat; man möchte sich ihrer für immer entledigen, und doch durchpulsen sie uns, wie das Leben selbst; das Herz atmet dort in seiner natürlichen Atmosphäre.

Ich habe gesagt, daß ich die Sonne liebte; noch unlängst hatte meine Seele an den Tagen, wo sie scheint, etwas von der Heiterkeit strahlender Horizonte und der Weite des Himmels. Es war also im Sommer … ach, die Feder sträubt sich, das alles zu erzählen,… es war warm, ich ging ins Freie; niemand zu Hause hatte mein Fortgehen bemerkt. Auf den Straßen sah man wenig Menschen, das Pflaster war trocken; von Zeit zu Zeit drang ein warmer Hauch aus der Erde und stieg mir bis zum Kopfe; die Mauern der Häuser warfen die Glut zurück, der Schatten selbst schien glühender als das Licht. An den Straßenecken summten Fliegenschwärme im Sonnenglanz über Haufen von Unrat, wie große goldene Räder kreisend. In geraden Linien hob sich der Giebel der Dächer vom Blau des Himmels ab. Die Steine waren schwarz; kein Vogel umflog die Kirchtürme.

Ich ging weiter, Ruhe suchend und einen Windhauch herbeiwünschend, etwas, das mich von der Erde fortnehmen und im Wirbel entführen konnte.

Ich verließ die Vorstadt. Ich befand mich hinter Gärten auf Wegen, die halb Straße, halb Pfad sind. Glänzende Lichter fielen hier und da durch das Laub der Bäume. In massigem Schatten standen ragende Gräser. Die spitzen Kiesel flimmerten, der Staub knirschte unter meinen Sohlen, die ganze Natur brannte. Schließlich verzog sich die Sonne. Eine schwere Wolke zeigte sich; als zöge ein Unwetter herauf. Die Qual, die ich bis dahin gefühlt, änderte ihr Wesen. Ich war nicht mehr so gereizt, sondern bedrückt. Ich fühlte mich nicht mehr zerrissen, sondern beklommen.

Ich legte mich der Länge nach mit dem Gesicht auf die Erde, dorthin, wo mir der meiste Schatten, die größte Ruhe und Dunkelheit zu sein schienen, an eine Stelle, die mich gut verbergen mußte; und ächzend vergrub ich mich da mit meinem wildverlangenden Herzen. Die Wolken waren schwer von Schwüle; sie lasteten auf mir und erdrückten mich wie ein Leib den andern. Ich fühlte den Drang der Wollust, der süßer war als der Duft der Waldrebe und brennender als die Sonne auf der Mauer der Gärten. Ach, warum konnte ich nicht etwas in meine Arme pressen, es mit meiner Glut ersticken oder mich selbst verdoppeln, dieses andere Wesen lieben und mich mit ihm vereinigen! Es war nicht mehr das Verlangen nach einem unbestimmten Ideal, noch die Begehrlichkeit eines schönen, zerstobenen Traumes – meine Leidenschaft flutete wie die übergetretenen Flüsse nach allen Seiten in wütenden Gießbächen über die Ufer, sie überschwemmte mein Herz und brauste darin mit schwindelerregendem Tosen wie die Ströme in den Bergen.

Ich ging am Ufer des Flusses entlang. Immer habe ich das Wasser geliebt und die sanfte Bewegung, mit der die Wellen einander treiben. Es war ruhig, weiße Wasserlinien zitterten in der glucksenden Strömung. Die Wogen trieben langsam und entfalteten sich eine nach der anderen. In der Mitte ließen die Baumgruppen der Inseln ihr Grün ins Wasser hängen, die Ufer schienen zu lächeln. Man hörte nur die Stimmen der Wellen.

An dieser Stelle ragten ein paar hohe Bäume auf. Die Kühle der Wassernähe und des Schattens erquickte mich. Ich fühlte, wie ich lächelte. Ebenso wie die in uns wohnende Muse aufhorcht und die süßen Töne einsaugt, wenn sie die Harmonie vernimmt, so weitete sich in mir etwas, um die allgemeine Wonne hineinzutrinken. Während ich die Wolken betrachtete, die am Himmel hinzogen, und den Samtteppich des Rasens am Ufer, der unter den Sonnenstrahlen gelb geworden war; während ich auf das Rauschen des Wassers und das Erschauern der Baumwipfel hörte, die trotz der Windstille zitterten – fühlte ich, erregt und doch ruhig, in meiner Einsamkeit mich unter dem Andrang dieser liebenden Natur vor Wollust vergehen, und ich rief nach Liebe! Meine Lippen bebten und suchten, als hätten sie den Atem eines anderen Mundes gespürt; meine Hände wollten etwas betasten, meine Blicke suchten in der Furche jeder Woge, in den Umrissen der geblähten Wolken irgendeine Form, eine Lust, eine Offenbarung. Der Wunsch drang aus allen meinen Poren, mein Herz war weich und von verhaltener Harmonie erfüllt. Ich schüttelte mein Haar, es koste mein Gesicht. Mit Wonne sog ich seinen Duft ein. Ich streckte mich auf das Moos unter die Bäume. Ich wünschte mir noch tiefere Sehnsüchte. Ich hätte unter Rosen ersticken, unter Küssen vergehen mögen. Ich sehnte mich, die Blume zu sein, die der Wind schüttelt, das Ufer, das der Fluß netzt, die Erde, die von der Sonne befruchtet wird.

Es ging sich sanft über das Gras. Ich schritt weiter, jeder Schritt brachte neue Lust, und meine Fußsohle berührte mit Wonne den weichen Rasen. Die Wiesen in der Ferne wimmelten von Tieren, von Pferden und Füllen. Der Horizont hallte wider von Gewieher und Galoppieren, das Gelände hob und senkte sich in sanften, weiten Wellen, die von den Hügeln herabkamen, der Fluß beschrieb seine Schlangenlinie, verschwand hinter den Inseln und tauchte schließlich zwischen Gras und Schilf wieder auf. Das war alles schön, schien glücklich, ging seinem Gesetz, seinem natürlichen Lauf nach. Ich allein war krank und siechte dahin, vor Sehnsucht verzehrt.

Ganz plötzlich raste ich davon, zur Stadt zurück. Ich kam über die Brücken. Ich ging durch die Straßen, über die Plätze. Die Frauen kamen an mir vorüber. Es waren ihrer viele; sie gingen schnell. Alle waren wunderbar schön. Niemals hatte ich ihnen so tief in die glänzenden Augen geschaut, noch so sehr ihren gazellenhaft leichten Gang bewundert. Herzoginnen lehnten sich auf ihren wappengeschmückten Wagenschlag und schienen mir zuzulächeln und mich zu Liebkosungen auf seidenen Kissen einzuladen. Über ihre Balkons beugten sich Damen, in Schals gehüllt, um mich zu sehen, und sie blickten mich bittend an: »Liebe uns! Liebe uns!« Aus ihrer aller Haltung, aus ihren Augen, sogar aus ihrer Regungslosigkeit sprach Liebe zu mir, das sah ich deutlich! Und dann traf man die Frauen überall, im Gedränge war man neben ihnen. Ich streifte sie, ich sog ihren Duft ein, die Luft war davon erfüllt. An ihrem Hals sah ich Schweißperlen zwischen den Schalenden, sah die Federn ihrer Hüte bei jedem Schritte nicken. Ihr Hacken hob den Rock beim Gehen vor mir. Wenn ich an einer vorüberging, zuckte ihre behandschuhte Hand. Weder diese noch jene wünschte ich mir, die eine nicht mehr als die andere, doch alle zusammen, doch jede, in der unendlichen Mannigfaltigkeit ihrer Formen und des entsprechenden Verlangens. Waren sie auch bekleidet, ich schmückte sie sogleich mit prächtiger Nacktheit, und so standen sie vor meinen Augen. Indem ich möglichst nahe an ihnen vorüberging, nahm ich, soviel ich konnte, wollüstige Vorstellungen mit, Düfte, liebeerregende Düfte, aufreizendes Rascheln und anziehende Formen.

Ich wußte wohl, wohin ich ging. Es war ein Haus in einer kleinen Straße, durch die ich oft gegangen, um mein Herz schlagen zu fühlen. Es hatte grüne Läden, man stieg drei Stufen empor. Ach, ich kannte das alles genau. Ich hatte es oft betrachtet, da ich häufig einen Umweg gemacht hatte, nur um die geschlossenen Fenster zu sehen. Schließlich kam ich nach einem Lauf, der mir eine Ewigkeit zu dauern schien, in die Straße. Ich glaubte zu ersticken. Niemand ging vorüber. Ich wagte mich weiter, weiter. Ich fühle noch die Berührung der Tür, die ich mit der Schulter aufstieß. Sie gab nach. Ich hatte gefürchtet, sie möchte fest in der Mauer sitzen; aber nein, sie drehte sich in ihren Angeln, sackte, ohne Geräusch.

 

Ich stieg die Stufen empor, auf der Treppe war es dunkel. Die Stiegen waren ausgetreten, sie schwankten unter meinen Tritten. Ich stieg immer höher. Man sah nichts; mir schwindelte. Ich hörte niemanden; mein Atem setzte aus. Endlich kam ich in ein Zimmer; es schien mir groß; das lag an seiner Dunkelheit. Die Fenster standen auf, doch große, gelbe, bis zur Erde reichende Vorhänge hielten das Tageslicht ab. Der Raum schwamm in blaßgoldigem Widerschein. Weiter hinten am rechten Fenster saß eine Frau. Sie mußte mich nicht gehört haben, denn sie wandte sich nicht um, als ich eintrat. Ich stand, ohne näher zu kommen, mit ihrem Anblick beschäftigt.

Sie trug ein weißes Kleid mit kurzen Ärmeln. Mit dem Ellenbogen stützte sie sich auf das Fensterbrett. Eine Hand lag am Munde; ihr Blick hing vage und unbestimmt draußen am Boden. Ihr schwarzes Haar lag glatt und geknotet an den Schlafen und glänzte wie die Schwinge eines Raben. Sie hielt den Kopf ein wenig vornüber geneigt. Im Nacken hatten sich ein paar Haare gelöst und kräuselten sich am Halse. Ihr großer gebogener Kamm war oben mit Korallen besetzt.

Sie stieß einen Schrei aus, als sie mich bemerkte, und sprang auf. Ich fühlte mich von dem glänzenden Blick ihrer Augen getroffen. Als ich, vom Gewicht dieser Blicke bedrückt, meine Stirn wieder zu heben vermochte, sah ich in ein Gesicht von wunderbarer Schönheit: eine gerade Linie lief, vom Scheitel beginnend, zwischen ihren großen geschweiften Augenbrauen hindurch auf ihre Adlernase, deren zitternde Flügel emporgezogen waren, wie man es auf antiken Kameen sieht, und teilte ihre sinnliche Lippe, die ein bläulicher Flaum beschattete. Dann kam der Hals, der volle, weiße, rundliche Hals. Durch ihr zartes Gewand sah man die Rundungen ihrer Brüste beim Atmen steigen und fallen. So stand sie mir gegenüber, inSonnenlicht gehüllt, das durch den gelben Vorhang fiel und das weiße Kleid und den dunklen Kopf hob.

Schließlich fing sie an zu lächeln, fast mitleidig und sanft, und ich kam näher. Ich weiß nicht, womit sie ihr Haar parfümiert hatte, doch duftete sie wunderbar, und mein Herz war weicher und hingebender als ein Pfirsich, der auf der Zunge zerschmilzt. Sie sagte zu mir:

»Was möchten Sie denn? Kommen Sie!«

Und sie setzte sich auf ein langes Sofa, das mit grauem Stoff überzogen war und an der Wand stand. Ich nahm an ihrer Seite Platz, sie faßte meine Hand; die ihrige war heiß. So verharrten wir lange schweigend, einer den andern anschauend.

Niemals hatte ich eine Frau aus solcher Nähe gesehen; ihre ganze Schönheit drang auf mich ein, ihr Arm berührte den meinigen, die Falten ihres Gewandes fielen über meine Knie, die Wärme ihrer Hüften setzte mich in Flammen. Ich fühlte bei dieser Berührung ihre wogenden Körperformen, ich betrachtete die Rundung ihrer Schulter und die blauen Adern ihrer Schläfen. Sie sagte:

»Nun?«

»Nun?« erwiderte ich vergnügt, den Zauber gewaltsam abschüttelnd, der mich einschläferte.

Doch weiter kam ich nicht, ich war ganz damit beschäftigt, sie mit Blicken zu verzehren. Schweigend legte sie einen Arm um mich und zog mich in stummer Umschlingung an sich. Da schlang ich meine beiden Arme um sie und preßte meinen Mund auf ihre Schulter. Ich trank wonnevoll den ersten Kuß der Liebe. Ich trank darin die lange Sehnsucht meiner Jugend und die verwirklichte Wollust aller meiner Träume, und dann warf ich den Kopf zurück, um ihr Gesicht besser zu sehen. Ihre Augen leuchteten, sie setzten mich in Flammen. Ihr Blick faßte mich fester als ihr Arm. Ich war in ihre Augen versunken, und unsere Finger verstrickten sich ineinander; die ihrigen waren lang und zart, sie spielten in meiner Hand mit lebhaften, bebenden Bewegungen; mit geringer Anstrengung hätte ich sie zerbrechen können; ich drückte sie in dem Wunsche, sie besser zu fühlen.

Ich erinnere mich jetzt nicht mehr genau, was sie mir sagte und was ich ihr antwortete. Lange verharrte ich so, versunken, schwebend, gewiegt in dem Klopfen meines Herzens. Mit jeder Minute wuchs mein Taumel, in jedem Augenblick fluteten neue Ströme in meine Seele. Mein ganzer Leib erschauerte vor Ungeduld, vor Verlangen, vor Lust. Und doch war ich schwer gestimmt, eher düster als froh, ernst, in etwas Göttlichem und Höchstem vergehend. Sie drückte mit der Hand meinen Kopf an ihr Herz, aber zart, als wenn sie gefürchtet hätte, ihn an ihrer Brust zu zerbrechen.

Mit einer Bewegung der Schulter schlüpfte sie aus dem Ärmel. Ihr Kleid ging auf; sie trug kein Korsett; ihr Hemd stand offen. Ein prächtiger Busen wurde sichtbar, an dem man in Liebe hätte vergehen mögen. In kindlicher, träumerischer Haltung saß sie auf meinen Knien. Ihr schönes Profil zeichnete sich in reinen Linien ab. Unter der Achsel bildete die Haut eine Falte von wundervollem Schwung, die wie das Lächeln der Schulter war. Ihr weißer Rücken war leicht gekrümmt, als sei sie müde, und ihr herabgesunkenes Kleid fiel in weiten Falten auf den Boden. Sie blickte zum Himmel und summte eine traurige, sehnsuchtsvolle Melodie durch die Zähne.

Ich faßte ihren Kamm und zog ihn heraus. Ihre Haare umflossen sie wie eine Woge, und die langen, schwarzen Strähne fielen zitternd auf ihre Hüften. Ich fuhr mit der Hand zuerst darüber, dann hinein, darunter. Ich tauchte meine Arme hinein, ich badete mein Gesicht darin, ich wollte vergehen. Zuweilen belustigte ich mich damit, sie hinten zu teilen und nach vorn zu legen, sodaß ihre Brüste davon verhüllt waren; dann wieder faßte ich sie wie ein Netz zusammen und zog daran, um ihren nach hinten geneigten Kopf und den zarten vorgestreckten Hals zu sehen. Sie ließ es geschehen wie eine Tote.

Plötzlich machte sie sich von mir frei, zog die Füße aus dem Kleide und sprang mit der Behendigkeit einer Katze auf das Bett. Die Matratze sank unter ihren Füßen ein, das Bett krachte, sie zog mit brüsker Bewegung die Vorhänge zurück und legte sich nieder. Sie streckte ihre Arme nach mir aus und umfaßte mich. Oh, selbst die Laken schienen noch warm von den Liebkosungen, die dort ausgetauscht waren.

Ihre sanfte feuchte Hand betastete meinen Leib. Sie gab mir Küsse auf das Gesicht, auf den Mund, auf die Augen. Jede einzelne ihrer hervorstürzenden Liebkosungen nahm mir die Besinnung. Sie streckte sich auf dem Rücken aus und seufzte. Bald schloß sie die Augen halb und blickte mich mit wollüstiger Ironie an, dann wieder stützte sie sich auf den Arm, drehte sich herum, streckte die Füße empor und war voll bezaubernder Schäkereien, raffinierter und unverdorbener Bewegungen. Schließlich gab sie sich mir hin, sah empor und stieß einen tiefen Seufzer aus, der durch ihren ganzen Leib ging … Ihr warmes, zitterndes Fleisch breitete sich erschauernd unter mir. Von Kopf zu Füßen fühlte ich mich von Wollust umfangen. Ich preßte meinen Mund auf den ihrigen. Unsere Finger waren ineinander verschlungen, im selben Beben zuckend, in einer Verstrickung verschränkt. Während ich den Duft ihres Haares und den Hauch ihrer Lippen einsog, fühlte ich mich vor Wonne vergehen. Einige Zeit verharrte ich noch gespannt, das Klopfen meines Herzens und das letzte Zittern meiner Nerven genießend; dann schien alles zu erlöschen und zu versinken.

Doch sie, sie sagte ebenfalls nichts. Sie lag unbeweglich wie eine Bildsäule aus Fleisch. Ihr schwarzes, reiches Haar umrahmte ihr bleiches Gesicht, und ihre gelösten Arme ruhten lässig ausgestreckt. Von Zeit zu Zeit lief ein krampfhaftes Zucken über ihre Knie und Hüften. Auf ihrer Brust brannte an der Stelle meiner Küsse ein roter Fleck. Ein heiserer, kläglicher Ton kam aus ihrer Kehle; wie wenn jemand einschläft, nachdem er lange geweint und geschluchzt hat. Plötzlich hörte ich sie dies vor sich hinsagen: »Wenn du im Taumel der Sinne Mutter würdest!« Und was dann noch folgte, weiß ich nicht mehr. Sie schlug die Beine übereinander und wiegte sich von der einen Seite auf die andere, als wenn sie in einer Hängematte gelegen hätte.

Spielend fuhr sie mir mit der Hand durchs Haar, als wäre ich ein Knabe gewesen, und fragte mich, ob ich schon eine Geliebte gehabt. Ich antwortete bejahend, und da sie mich weiter fragte, erzählte ich, sie sei schön und verheiratet. Sie tat noch andere Fragen, nach meinem Namen, meinem leben, meiner Familie.

»Und du,« sagte ich, »hast du geliebt?«

»Geliebt? Nein!«

Und sie lachte gezwungen auf, was mich aus der Fassung brachte.

Sie fragte mich noch, ob meine Geliebte wirklich schön sei, und nach einer Weile fuhr sie fort:

»Ach, wie sie dich lieben muß! Sage mir deinen Namen, ach, deinen Namen.«

Ich wiederum wollte den ihrigen wissen.

»Marie,« antwortete sie, »doch ich hatte noch einen anderen, zu Hause nannte man mich nicht so.« Und weiter geht meine Erinnerung nicht. Alles das ist vergangen und schon so lange her. Indessen steht manches noch vor mir, als hätte ich es gestern gesehen, zum Beispiel ihr Zimmer: ich sehe noch den Teppich vor dem Bett, der in der Mitte abgetreten war, das Bett aus Mahagoniholz mit Verzierungen von Kupfer und die Vorhänge aus roter Moiréseide; sie knisterten bei jeder Berührung; ihre Fransen waren verschlissen. Auf dem Kamin standen zwei Vasen mit künstlichen Blumen. In der Mitte die Stutzuhr, deren Zifferblatt zwischen vier Alabastersäulen saß. Hier und dort hingen alte Stiche in Rahmen von schwarzem Holz an den Wänden; sie stellten Frauen im Bade, Winzer oder Fischer dar.

Und sie! Sie! Manchmal kommt mir die Erinnerung an sie so lebhaft, so deutlich zurück, daß alle Einzelheiten ihres Gesichtes mir wieder erscheinen mit jener wunderbaren Treue des Gedächtnisses, die wir nur aus Träumen kennen, wenn wir unsere alten, längst verstorbenen Freunde in denselben Kleidern und mit demselben Ton der Stimme wiederfinden und darüber erschrecken. Ich erinnere mich, daß sie auf der linken Seite der Unterlippe ein Korn hatte, das beim Lächeln in einer Falte der Haut lag. Sie hatte keine Frische mehr, und ihre Mundwinkel zogen sich bitter und müde zusammen.

Als ich mich anschickte, fortzugehen, sagte sie mir Lebewohl.

»Lebe wohl!«

»Wird man sich wiedersehen?«

»Vielleicht!«

Und ich verließ das Haus. Die Luft belebte mich. Ich kam mir ganz verwandelt vor. Es schien mir, als müsse man auf meinem Gesichte lesen, daß ich nicht mehr derselbe Mensch war. Ich ging leicht, stolz, zufrieden, frei dahin. Ich hatte nichts mehr zu lernen, nichts mehr zu erfahren, nichts mehr zu wünschen im Leben. Ich kam heim. Eine Ewigkeit war verstrichen, seit ich fortgegangen. Ich stieg in mein Zimmer und setzte mich auf mein Bett, von dem ganzen Tag ermüdet, der mit unglaublicher Schwere auf mir lastete. Es war vielleicht sieben Uhr abends. Die Sonne sank, der Himmel stand in Feuer, ein tiefroter Horizont flammte über den Dächern der Häuser. Der Garten, schon im Dämmer liegend, war voll von Melancholie. Gelbe und orangefarbene Kreise tanzten an den Mauerecken, sanken und stiegen im Gebüsch; die Erde lag trocken und grau. Auf der Straße zogen ein paar Leute aus dem Volke am Arme ihrer Frauen singend vorüber und gingen den Stadttoren zu.

Ich dachte immer wieder an das, was geschehen war, und eine unsagbare Traurigkeit erfaßte mich. Ich war voll Widerwillen, ich war gesättigt, ich war müde. »Aber heute morgen noch war das anders,« sagte ich mir, »ich war frischer, glücklicher, woran liegt das?« Und im Geiste ging ich wieder durch all die Straßen, die ich betreten hatte; ich sah die Frauen wieder, die ich getroffen, alle Pfade, die ich zurückgelegt. Ich kehrte zu Marie zurück, und ich verweilte bei jeder Kleinigkeit, die mir die Erinnerung bot. Ich preßte mein Gedächtnis aus zu einem möglichst reichen Ertrag. Der ganze Abend ging damit bin. Die Nacht kam, und wie ein Greis blieb ich an diese bezaubernden Gedanken gefesselt. Ich fühlte, daß ich nichts wieder davon erleben würde; daß andere Abenteuer sich einstellen könnten, doch daß sie jenem nicht ähneln würden. Dieser erste Duft war genossen, dieser Klang war verflogen, ich wünschte mir mein Verlangen wieder und ersehnte meine Lust zurück.

Wenn ich mein vergangenes und mein gegenwärtiges Dasein überschaute, ich meine das Harren der verflossenen Tage und die Mattigkeit, die auf mir lastete, dann wußte ich nicht mehr, wie mein Inneres sich zu meinem Leben verhielt, ob ich träumte oder handelte, ob ich voll Überdruß oder Verlangen war, denn ich empfand zugleich den Ekel der Übersättigung und die brennende Begierde hoffnungsvoller Erwartung.

Die Liebe war also weiter nichts als das! Ein Weib war weiter nichts! Warum, mein Gott, haben wir noch Hunger, wenn wir uns satt gegessen? Wozu so viel Sehnsucht und so viel Enttäuschung? Warum ist das Herz des Menschen so weit und das leben so eng? Es gibt Tage, wo selbst die Liebe der Engel ihm nicht genügen würde, und nach einer Stunde ist es aller Liebkosungen der Erde müde.

 

Doch die entschwundene Illusion läßt ihren Feenduft zurück, und wir suchen ihre Spur auf allen Pfaden, über die sie geflohen ist. Man gefällt sich in dem Gedanken, daß alles noch nicht so bald vorbei sei, daß das Leben erst anfange und eine Welt sich vor uns auftue. Soll man in der Tat so viel glänzende Träume und so viel glühende Wünsche verschwendet haben, um hier zu enden? Nun wollte ich auf all die schönen Dinge, die ich mir erdichtet, nicht verzichten. Ich hatte mir nach Verlust meiner Unschuld andere, weniger bestimmte, doch schönere Gestalten geschaffen, andere Wonnen, die nicht so deutlich waren als mein bis dahin empfundenes Verlangen, doch himmlisch und grenzenlos. Mit den Phantasiegebilden, mit denen ich mich unlängst umgeben und die ich wieder wachzurufen suchte, verband sich die intensive Erinnerung an meine jüngsten Erfahrungen. Und während alles, Phantom und Körper, Traum und Wirklichkeit, ineinander verschmolz, wurde die Frau, die ich eben verlassen, ein Symbol, in dem alles Vergangene zusammenfloß und von dem alles Künftige ausging. Ich dachte in der Einsamkeit an sie, betrachtete sie von allen Seiten, um noch etwas Neues an ihr zu entdecken, etwas, das mir beim ersten Male entgangen und noch unerforscht war. Die Lust, sie wieder zu sehen, faßte mich, nahm von mir Besitz, es war wie ein Verhängnis, das mich fortriß, wie ein Abhang, den ich herunterglitt.

Oh, die herrliche Nacht! Es war warm; ich kam in Schweiß gebadet vor ihrer Tür an. Ihr Fenster war erleuchtet. Gewiß wachte sie. Ich blieb stehen, hatte Furcht. Ich harrte lange unschlüssig, was ich tun solle, voll von tausend unbestimmten Ängsten. Noch einmal trat ich ein; zum zweiten Male glitt meine Hand über das Geländer ihrer Treppe und drehte den Schlüssel im Schloß.

Sie war allein wie an jenem Morgen. Sie saß an demselben Platze, fast in derselben Haltung, doch trug sie ein anderes Kleid. Dieses war schwarz; der Spitzenbesatz oben am Ausschnitt zitterte auf ihrer weißen Brust; ihre Haut strahlte, ihr Gesicht hatte eine unzüchtige Blässe, wie Kerzen sie geben. Ihr Mund war halb geöffnet. Ihr Haar hing lose auf die Schultern herab. Ihre Augen waren zum Himmel gehoben. So schien sie mit dem Blick einem entschwundenen Stern nachzuhängen.

Hurtig sprang sie mit einem fröhlichen Satz auf mich zu und schloß mich in die Arme. Da hielten wir uns bebend umschlungen wie Liebende beim nächtlichen Stelldichein, wenn sie lange ihr Auge in die Finsternis gebohrt, auf jedes Rascheln des Laubes gehört, jede unbestimmte, durch die Lichtung kommende Gestalt erspäht haben und endlich einander treffen und sich umarmen können.

Sie sagte mit hastiger und zugleich sanfter Stimme:

»Ach, du liebst mich also, da du wiederkommst? Sag, o sag, mein Herz, liebst du mich?«

Ihre Worte hatten einen klaren, weichen Klang wie die höchsten Töne der Flöte. Halb auf den Knien kauernd und mich in ihren Armen haltend, schaute sie mich in düsterer Trunkenheit an. Mochte ich auch noch so erstaunt über diese so plötzlich hervorbrechende Leidenschaft sein, so war ich doch entzückt und stolz darauf.

Ihr Atlaskleid knisterte unter meiner Berührung wie sprühende Funken. Zuweilen fühlte ich die warmen, zarten, nackten Arme durch den weichen Stoff hindurch. Ihr Kleid schien ein Teil von ihr zu sein. Es strömte die Verführungskraft der üppigsten Nacktheit aus. Sie wollte sich durchaus auf meine Knie setzen, und sie fing mit ihrer gewöhnlichen Liebkosung an, die darin bestand, mir mit der Hand durchs Haar zu fahren, während sie mich starr ansah. Ihr Gesicht befand sich dem meinen gegenüber, ihre Augen sprühten in die meinen. In dieser regungslosen Haltung schien sich ihre Pupille zu weiten. Ein Strom entquoll ihr, den ich in mein Herz dringen fühlte. Jede Welle dieses starrenden Blicks, die den ununterbrochenen Kreisen des Fischadlers glich, brachte mich mehr und mehr unter diesen schrecklichen Zauber.

»Ach, so liebst du mich denn,« fuhr sie fort, »so liebst du mich denn, da du ja wieder bei mir bist, da du meinetwegen zurückkehrst! Aber was ist dir? Du sagst nichts, du bist traurig! Magst du mich nicht mehr?«

Sie machte eine Pause und fuhr dann fort:

»Wie schön du bist, mein Engel! Du bist schön wie der Tag! Küsse mich doch, liebe mich! Einen Kuß, einen Kuß, schnell!«

Sie hing an meinem Munde, und während sie wie eine Taube girrte, schwoll ihre Brust unter dem sehnenden Seufzer, der daraus hervordrang.

»Ach, aber für die Nacht, nicht wahr, für die Nacht bist du gekommen; die ganze Nacht soll uns beiden gehören! Ich möchte einen Geliebten haben wie dich, einen jungen, frischen Geliebten, der mich glühend liebte, der nur an mich dächte! Ach, wie würde ich ihn lieben!«

Und sie erregte meinen Wunsch in einer Weise, daß mir die Gottheit vom Himmel herabzusteigen schien.

»Aber hast du denn keinen?« fragte ich.

»Wer? Ich? Liebt man uns denn, uns? Denkt man an uns? Wer will von uns wissen? Wirst selbst du morgen noch an mich denken? Vielleicht wirst du dir morgen sagen: ›Ei, ja, gestern habe ich bei einem Mädchen geschlafen, doch brr, la la la‹« (und sie fing mit unzüchtigen Bewegungen an zu tanzen, die Fäuste in die Taille gestemmt), »ich tanze nämlich gut! Halt, betrachte mein Kostüm.«

Sie öffnete ihren Kleiderschrank, und ich sah in einem Fach eine schwarze Maske und blaue Bänder mit einem Domino; an einem Nagel hing eine Hose aus schwarzem Samt mit Goldlitzen, zerknitterte Reste vom letzten Karneval.

»Mein armes Kostüm,« sagte sie, »wie oft bin ich darin zu Ball gegangen! Ja, ich habe diesen Winter tüchtig getanzt!«

Das Fenster stand offen und das Kerzenlicht zitterte im Winde. Sie nahm den Leuchter vom Kamin und stellte ihn auf das Nachttischchen. Am Bett angekommen, setzte sie sich darauf und verfiel in tiefes Sinnen, während ihr Kopf auf die Brust sank. Ich sagte ebenfalls nichts; ich wartete. Der warme Hauch der Augustnacht stieg bis zu uns empor. Wir hörten von hier das Rauschen der Bäume auf den Boulevards. Der Vorhang des Fensters schwankte. Die ganze Nacht hindurch gewitterte es; oft sah ich im Scheine der Blitze ihr bleiches Gesicht, das sich in einem Ausdruck leidenschaftlicher Trauer zusammenkrampfte. Die Wolken zogen schnell, dann und wann blickte der halbversteckte Mond aus einem klaren Winkel des Himmels herab, von düsterem Gewölk umgeben.

Sie kleidete sich langsam aus, mit regelmäßigen, automatischen Bewegungen. Als sie im Hemde war, kam sie barfuß über den Boden zu mir gelaufen, faßte meine Hand und führte mich zum Bett. Sie sah mich nicht an, ihre Gedanken waren fern. Ihre Lippe schimmerte rosig und feucht. Ihre Nasenflügel blähten sich, das Auge glühte, und sie schien noch unter der Fülle der Gedanken zu vibrieren, wie ein klingendes Instrument noch einen heimlichen Hauch entschlafener Töne von sich gibt, wenn der Künstler es schon verlassen.

Erst als sie neben mir lag, breitete sie mit dem Stolz der Kurtisane allen Glanz ihres Leibes vor mir aus. Ich hatte ihre feste und stets wie von Gewittermurmeln geschwellte Brust nackend vor mir. Ich sah ihren perlmutterglänzenden Leib mit dem tiefen Nabel, ihren elastischen, zuckenden Leib. Er war weich, daß man Lust bekam, seinen Kopf darin einzuwühlen, wie auf einem Kissen von warmem Atlas. Sie hatte prachtvolle Hüften, wahre Frauenhüften; von rundlichen Schenkeln fortgesetzt, erinnerten mich ihre Linien an irgendwelche geschmeidige und lasterhafte Formen von Schlangen oder Dämonen. Der Schweiß, der auf ihrer Haut perlte, machte sie frisch und klebrig. Ihre Augen blitzten furchtbar durch die Nacht, und das Bernsteinarmband an ihrem rechten Arme klang, wenn sie an das Tafelwerk des Alkovens kam. In jener Stunde sagte sie zu mir, während sie meinen Kopf an ihr Herz gedrückt hielt:

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