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Ein einfaltig Herz

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Vierzehn Tage später ereignete es sich, daß Liébard wie gewöhnlich zur Marktzeit zu ihr in die Küche kam und ihr einen Brief von ihrem Schwager übergab. Da keines von beiden lesen konnte, nahm sie ihre Zuflucht zu ihrer Herrin.

Frau Aubain zählte eben die Maschen eines Strickstrumpfes, legte ihn beiseite, machte den Brief auf, fuhr zusammen und sagte mit leiser Stimme und geheimnisvollem Blick:

»Es wird dir da ein Unglück mitgeteilt. Dein Neffe … «

Er war tot. Mehr ward ihr nicht berichtet.

Felicitas sank auf einen Stuhl, drückte den Kopf an die Wand und schloß die Lider, die mit einemmal rot wurden. Dann senkte sie die Stirn, ließ die Hände hängen und wiederholte, starr vor sich hinblickend, von Zeit zu Zeit:

»Armes Kerlchen! Armes Kerlchen!«

Liébard sah sie an und seufzte. Frau Aubain zitterte leicht.

Sie schlug ihr vor, ihre Schwester in Trouville aufzusuchen.

Felicitas antwortete durch eine Gebärde, das sei nicht nötig.

Eine Weile redete niemand. Der treffliche Liébard hielt es für angemessen, sich zu entfernen.

Da sagte sie:

»Denen ist das gleich!«

Der Kopf fiel ihr zurück; und mechanisch hob sie ab und zu die langen Nadeln in die Hand, die auf dem Nähtische lagen.

Im Hof gingen Frauen mit einer Trage vorbei, auf der Wäsche triefte.

Sie sah das durch die Scheibe und erinnerte sich ihrer Wäsche. Sie hatte sie gestern eingeweicht und mußte sie heute spülen. Da verließ sie das Zimmer.

Ihr Brett und ihr Waschfaß standen am Ufer der Toucques. Sie warf einen Haufen Hemden auf die Böschung, krämpelte sich die Ärmel auf, ergriff den Bleuel, und ihre starken Schläge hallten in den umliegenden Gärten wieder. Die Wiesen waren verlassen. Der Wind kräuselte die Flut; in ihrem Grunde trieben lange Grasbüschel wie Haar von Leichen. Sie unterdrückte ihren Schmerz und hielt sich tapfer bis zum Abend. Aber dann in ihrer Kammer ergab sie sich ihm, warf sich lang hin auf die Matratze, preßte das Gesicht ins Kissen und preßte beide Fäuste an die Schläfen.

Erst lange darnach erfuhr sie, durch Viktors Kapitän, die näheren Umstände seines Todes. Er war am Gelben Fieber erkrankt, und man hatte ihn im Krankenhaus zu stark zur Ader gelassen. Vier Ärzte hatten ihn gehalten. Er war sogleich gestorben, und der Chefarzt hatte gesagt:

»Schön! Wieder einer!«

Seine Eltern hatten ihn immer schlecht behandelt. Sie wollte sie lieber nicht sehen; und sie wiederum kamen ihr nicht entgegen, sei es aus Vergeßlichkeit, sei es aus der Verhärtung, die das Unglück mit sich bringt.

Virginia wurde schwächer und schwächer.

Beklemmungen, Husten, beständiges Fieber und rote Flecken auf den Wangen verrieten eine tiefere Erkrankung. Herr Poupart riet zu einem Aufenthalt in der Provence. Frau Aubain entschloß sich dazu und hätte Virginia sofort nach Hause genommen, wenn das Klima von Pont-l'Évêque nicht zu rauh gewesen wäre.

Sie traf ein Abkommen mit einem Wagenvermieter, der sie nun an jedem Dienstag nach dem Kloster fuhr. Von einer Terrasse im Garten war die Seine zu sehen. Dort ging Virginia am Arme der Mutter über gefallenes Weinlaub auf und nieder. Man sah die Segel in der Ferne und den ganzen Himmelsrand vom Schloß Tancarville bis zu den Leuchttürmen von Le Havre. Manchmal, wenn die Sonne durch die Wolken brach, mußte sie die Lider halb schließen. Später wurde in der »Laube« gerastet. Die Mutter hatte ein Fäßchen vorzüglichen Malaga angeschafft. Mit dem Scherz, sie werde sich berauschen, trank die Kranke einen Schluck, aber nicht mehr.

Sie kam etwas zu Kräften. Der Herbst ging gemächlich hin. Felicitas sprach Frau Aubain Mut ein. Aber eines Abends, als sie in der Nachbarschaft eine Besorgung gemacht hatte, fand sie Herrn Pouparts Dogcart vor der Tür; er selber stand im Flur. Frau Aubain band ihren Hut.

»Bring Sie mir meine Wärmflasche, meine Börse, meine Handschuhe! Rasch, rasch!«

Virginia hatte Lungenentzündung. Ob es hoffnungslos wäre?

»Noch nicht!« sagte der Arzt; und die beiden stiegen in wirbelndem Schneegestöber in den Wagen. Die Nacht brach an. Es war bitterkalt.

Felicitas lief in die Kirche, um eine Kerze anzuzünden. Dann rannte sie dem Wagen nach, erreichte ihn in einer Stunde, sprang flink hintenauf und hielt sich an den Federn fest. Plötzlich kam ihr der Gedanke: »Der Hof ist nicht abgesperrt! Wenn Diebe kämen!« Und sie sprang wieder ab.

Am andern Morgen, bei Tagesanbruch, begab sie sich zum Doktor. Er war bereits zu Haus gewesen und wieder aufs Land gefahren. Dann hielt sie sich im Gasthof auf, weil sie sich einbildete, Fremde würden ihr einen Brief bringen. Schließlich, schon gegen Abend, stieg sie in die Post nach Lisieux.

Das Kloster lag am Ende einer abschüssigen Gasse. Als sie in der Mitte war, hörte sie seltsame Klänge, Totengeläut.

»Das ist für jemand anders!« dachte sie und ließ heftig den Klopfer schlagen.

Nach ein paar Minuten schlürften Schlappschuhe heran. Die Tür ging halb auf, und eine Nonne erschien.

Die gute Schwester sagte in trübseligem Tone: »Sie ist eben verschieden!«

Zugleich setzte das Glöcklein von Sankt Leonhard doppelt laut ein.

Felicitas ging die Treppe hinauf.

Schon an der Schwelle des Zimmers sah sie Virginia liegen, auf dem Rücken, die Hände gefaltet, den Mund offen und den Kopf hintenüber, unter einem schwarzen Kreuz, das sich über sie neigte, und zwischen starren Gardinen, die weniger weiß waren als ihr Gesicht. Frau Aubain kniete zu Füßen des Bettes, hielt es mit den Armen umklammert und schluchzte krampfhaft. Die Oberin stand zur Rechten. Drei brennende Kerzen auf der Kommode schimmerten wie rote Flecke, und vor den Fenstern wallte weißer Nebel. Nonnen führten Frau Aubain hinaus.

Zwei Nächte lang wich Felicitas nicht von der Toten. Sie betete immer wieder von neuem dieselben Gebete, sprengte Weihwasser auf das Bett, setzte sich wieder und schaute sie an. Am Ende der ersten Nachtwache bemerkte sie, daß das Gesicht gelb geworden war, die Lippen blau, daß sich die Nase zuspitzte und die Augen einsanken. Sie küßte sie mehrere Male, und sie wäre gar nicht weiter verwundert gewesen, wenn Virginia sie wieder aufgeschlagen hätte. Für ein solch Gemüt ist das Übernatürliche ureinfach. Sie kleidete sie an, hüllte sie in ihr Totenhemd, legte sie in den Sarg, setzte ihr einen Kranz auf und löste ihr das Haar. Es war blond und ungemein lang. Felicitas schnitt sich eine dicke Strähne ab und steckte die Hälfte davon in ihren Busen, entschlossen, sich nie davon zu trennen.

Der Sarg Wurde nach Pont-l'Évêque überführt. So hatte es Frau Aubain angeordnet. Sie folgte dem Leichenwagen in einer geschlossenen Kutsche.

Nach der Messe ging es auf den Friedhof. Man brauchte dreiviertel Stunden dahin. Paul eröffnete den Zug. Er schluchzte. Herr Bourais folgte ihm; dann kamen die angesehensten Einwohner, die Frauen in schwarzen Schleiern. Zuletzt Felicitas. Sie dachte an ihren Neffen, und da sie ihm die letzte Ehre nicht hatte erweisen können, war ihre Trübsal doppelt groß, als begrübe man beide zugleich.

Frau Aubains Verzweiflung war grenzenlos.

Zuerst klagte sie Gott an, nannte es Ungerechtigkeit, daß er ihr die Tochter genommen, ihr, die nie etwas Böses getan habe, deren Gewissen so rein sei! Aber nein! Sie hätte sie nach dem Süden bringen sollen. Andere Ärzte hätten sie gerettet! Sie machte sich Vorwürfe, wollte ihr folgen, schrie in ihren Träumen vor Angst auf. Einer vor allem quälte sie. Ihr Mann, in Matrosentracht, kehrte von einer langen Seefahrt zurück und sagte ihr unter Tränen, daß er den Auftrag habe, Virginia mitzunehmen. Dann beratschlagten sie miteinander, um ein Versteck für sie ausfindig zu machen.

Einmal kam sie ganz verstört aus dem Garten ins Haus zurück. Eben waren ihr – und sie zeigte die Stelle – Vater und Tochter erschienen, eins neben dem anderen. Sie hatten nichts getan, sie nur angeblickt.

Während mehrerer Monate blieb sie teilnahmlos in ihrem Zimmer. Felicitas redete ihr sanft zu. Sie müsse sich erhalten, ihrem Sohne zuliebe und auch zu »ihrem« Gedächtnis.

»Ihrem?« wiederholte Frau Aubain, als erwache sie aus einem Traum. »Ach! Das besorgst du ja! Du vergißt sie nicht!«

Damit meinte sie den Friedhof, den zu besuchen ihr aufs strengste untersagt war.

Felicitas pilgerte Tag für Tag hin.

Schlag vier Uhr ging sie die Häuser entlang, erstieg die Anhöhe, öffnete das Gittertor und trat vor Virginias Grab. Das war eine kleine Säule aus hellrotem Marmor, eine Platte darunter, davor ein von Ketten umfriedetes Gärtchen. Die Steine der Gruft verschwanden unter Blumen. Sie begoß die Pflanzen, streute frischen Sand auf, kniete nieder, um die Erde besser lockern zu können. Für Frau Aubain war es eine Erleichterung, eine Art Trost, als sie selber hingehen durfte.

Dann verstrichen die Jahre, eins wie das andere, ohne andere Ereignisse als die Wiederkehr der großen Feste: Ostern, Himmelfahrt, Allerheiligen. Häusliche Geschehnisse gaben Daten ab, auf die man sich später bezog. So verkitteten 1825 zwei Glaser die Fenster im Flur; 1827 stürzte ein Stück vom Dach in den Hof und hätte beinahe einen Mann erschlagen. Im Sommer 1828 hatte die gnädige Frau das »Heilige Brot« zu spenden. Seit dieser Zeit unternahm Bourais geheimnisvolle Reisen, und die alten Bekannten traten eines nach dem anderen vom Schauplatz ab: Guyot, Liébard, Frau Lechaptois, Robelin, der Onkel Gremanville, der seit langem vom Schlage gelähmt war.

Eines Nachts brachte der Postschaffner nach Pont-l'Évêque die Nachricht von der Juli-Revolution (1830). Wenige Tage darnach wurde ein neuer Unterpräfekt ernannt: der Baron von Larsonnière, der Konsul in Amerika gewesen war und außer seiner Frau seine Schwägerin mit drei schon ziemlich großen Töchtern mitbrachte. Man sah sie in flatternden Blusen auf ihrem Rasenplatz. Sie hatten einen Neger und einen Papagei. Frau Aubain empfing ihren Besuch und verfehlte nicht, ihn zu erwidern. Wenn sie sich von ferne zeigten, meldete Felicitas es schleunigst ihrer Herrin. Aber nur eines vermochte sie zu erregen: die Briefe ihres Sohnes.

 

Er kam nicht dazu, sich einem Berufe zu widmen, weil ihn die Wirtshäuser in Beschlag nahmen. Sie bezahlte seine Schulden; er machte neue. Und wenn Frau Aubain am Fenster bei ihrem Strickzeug seufzte, konnte es Felicitas, die in der Küche ihr Spinnrad drehte, hören.

Sie gingen zusammen am Spalier auf und ab und sprachen immer von Virginia. Sie fragten einander, ob dies oder jenes ihr gefallen hätte; was sie bei der oder jener Gelegenheit wohl gesagt haben würde.

Ihre kleine Hinterlassenschaft war im Stübchen mit den zwei Betten in einem Wandschrank untergebracht. Frau Aubain sah so selten wie möglich nach. Eines Sommertags bequemte sie sich dazu – und Schmetterlinge flogen aus dem Spind.

Virginiens Kleider hingen aneinandergereiht unter einem Brett, worauf drei Puppen, Spielreifen, ein Besteck und der Napf, den sie in Gebrauch gehabt, ihren Platz hatten. Sie nahmen auch die Unterröcke, die Strümpfe, die Taschentücher vor und breiteten sie auf den beiden Betten aus, ehe sie sie wieder zusammenlegten. Die Sonne schien auf diese armseligen Sachen und zeigte die Flecken und Falten, die sich durch die Körperbewegungen gebildet hatten. Die Luft war warm und blau. Eine Amsel zwitscherte. Ringsum war wonniger Frieden. Sie fanden einen kleinen Hut aus langhaarigem kastanienbraunem Plüsch; aber er war ganz von Motten zerfressen. Felicitas bat ihn sich aus. Beider Augen blickten starr ineinander und füllten sich mit Tränen. Da öffnete die Herrin die Arme, und die Magd warf sich hinein; sie umschlangen sich und stillten ihren Schmerz in einem Kuß, der sie einander gleich machte.

Das war das erstemal in ihrem Leben, denn Frau Aubain war keine mitteilsame Natur. Felicitas war ihr dafür dankbar wie für eine Wohltat und liebte sie von da an mit der Treue eines Hundes und in frommer Verehrung.

Ihre Herzensgüte entfaltete sich.

Wenn sie auf der Straße die Trommeln eines durchmarschierenden Regiments vernahm, trat sie vor die Türe mit einem Krug Apfelwein und gab den Soldaten zu trinken. Sie pflegte Cholerakranke. Sie nahm sich polnischer Flüchtlinge an, und einer von ihnen erklärte sogar, er wolle sie heiraten. Aber sie entzweiten sich; denn eines Morgens, als sie von Angelus heimkam, fand sie ihn in ihrer Küche, wo er sich eingeschlichen hatte, bei einer Schüssel kalter Essigtunke, die er in Gemütsruhe auslöffelte.

Nach dem Polen kam Vater Colmiche, ein alter Mann, von dem es hieß, er habe Anno 93 Schandtaten verübt. Er lebte am Ufer des Flusses in einem verfallenen Schweinekoben. Die Gassenjungen belauerten ihn durch die Risse im Mauerwerk und warfen Steine hinein, die auf sein erbärmliches Bett fielen. Dort lag er, von beständigem Katarrh geschüttelt, mit überlangem Haar, entzündeten Lidern und einer Geschwulst am Arm, die größer war als sein Kopf. Sie versah ihn mit Wäsche, reinigte seinen Stall, so gut es ging, und träumte davon, ihn in der Backstube unterzubringen, ohne daß er die gnädige Frau belästige. Als das Geschwür aufgegangen war, verband sie ihn Tag für Tag, brachte ihm manchmal Kuchen, setzte ihn auf ein Bund Stroh in die Sonne, und der arme Alte dankte ihr sabbernd und zitternd mit seiner erloschenen Stimme. Vor Angst, sie zu verlieren, streckte er die Hände aus, sowie er sie fortgehen sah. Er starb. Sie ließ eine Messe für die Ruhe seiner Seele lesen.

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