Das thaten sie: sie führten ihn
Und den Kahn auch mit sich hin
Der Stadt zu, wie er sichs erbat,
Banden das Schifflein ans Gestad
Und sprachen zu ihm: »Sieh, Spielmann,
Nimm wahr und sieh die Burg dir an
Und diese schöne Stadt dabei.
Weist du, welche Stadt es sei?«
»Nein, Herr, ich weiß nicht was es ist.«
»So sagen wir dir denn, du bist
Zu Develin in Irland.«
»Des lob ich meinen Heiland,
Daß ich doch unter Leuten bin.
Denn Jemand find ich wohl darin,
Der ein gutes Werk an mir begeht
Und mir als Arzt zur Seite steht.«
Die Boten fuhren nun dahin
Und huben an in Develin
Von dieses Spielmanns Sachen
Das Wunder groß zu machen.
Sie sagten, ihnen wäre
Gar seltsame Märe
Widerfahren an dem Mann;
Nach seinem Aussehn möge man
Sich nimmer Des zu ihm versehn.
Sie hätten, und so wars geschehn,
Schon eh sie hingekommen,
Aus der Ferne vernommen
Also süßen Harfenklang
Und zu der Harfe solchen Klang,
Gott möcht ihn gerne hören
In seinen Himmelschören;
Und sagten: »In dem Schifflein saß
Ein armer Märtrer leichenblaß,
Ein todwunder Spielmann:
Geht hin, ihr seht es ihm wohl an,
Er stirbt morgen oder heute noch,
Und in der Marter hat er doch
Sich so frischen Muth bewahrt,
Wenn ihr durch alle Reiche fahrt,
Ihr findet doch wohl nicht den zweiten,
Der so viel Widerwärtigkeiten
Erträgt mit so gelaßnem Sinn.«
Nun, die Bürger eilten hin
Und trieben mit Tristanden viel
Gespräches, wie es eben fiel,
Und fragten ihn die Kreuz und Quer:
Und wie die Boten vorher
Und mit denselben Reden
Beschied er einen Jeden.
Auf ihre Bitte harft' er ihnen,
Und fliß sich Jeglichem zu dienen
Und zu thun, was man ihn hieß;
Mit gutem Willen that er dieß,
Und wie ers mocht erzielen
Mit Singen oder Spielen,
Ihre Gunst sich zu gewinnen,
Das war sein Trachten und sein Sinnen.
Und als der arme Spielmann
Über seine Kraft begann
In sein Harfen und sein Singen
Süßigkeit zu bringen,
Da must er sie erbarmen.
Da ließen sie den Armen
Aus seinem Schifflein tragen
Und einem Arzte sagen,
Daß er ihn zu sich nähme
Und was ihm wohlbekäme,
Damit sollt' er ihn letzen:
Sie wollten ihm ersetzen
Die Kosten, und die Müh bezahlen.
Nun dieß geschah auch allzumalen;
Doch als er ihn heimbrachte
Und da zu heilen dachte
Und Alles auf ihn wandte
Was er nur wust und kannte,
Da wollt es all nicht frommen.
Diese Kunde ward vernommen
In der ganzen Stadt zu Develin;
Man sah sie scharenweise ziehn
Und sein Ungemach beklagen.
Nun geschahs in diesen Tagen,
Daß ein Pfaffe zu ihm kam
Und seine große Kunst vernahm
Im Spielen und im Singen;
Er selbst war in den Dingen
Nicht so ohne Meisterschaft:
Denn er versuchte seine Kraft
An jeglichem Saitenspiel
Und konnt auch fremder Sprachen viel.
An Kunst und höfischem Fug
Hatt er seiner Zeit genug
Verwandt und allen feinen Sinn.
Er war Isold, der Königin,
Meister und ihr Ingesind
Und hatte sie schon früh als Kind
Gewitzigt nach Begehren
In allen guten Lehren,
Und manche fremde Wißenschaft
Hatt ihr sein Unterricht verschafft.
Auch lehrt' er ihre holde
Tochter Isolde,
Die erwünschteste Magd,
Von der die Welt viel Wunder sagt
Und von der auch diese Mären sind.
Sie war ihr einziges Kind:
Drum hatte sie von Anbeginn
Auf sie verwendet Fleiß und Sinn,
Daß sie mit Hand und Munde
Erlerne gute Kunde;
Die hatt er auch in seiner Pflege
Und gab ihr Unterricht allwege
In Büchern und im Saitenspiel.
Als der an Tristan so viel Fug
und höfsche Kunst ersah,
Sein Ungemach erbarmt' ihn da
Von ganzem Herzen inniglich.
Da säumt' er auch nicht länger sich,
Er gieng die Königin an
Und sagt' ihr, wie ein Spielmann
Bei einem Arzt verkehre,
Der recht ein Märtrer wäre
Und lebendgen Leibes todt
Und doch so heiter in der Noth
Und in allen Künsten auserkoren
Wie je ein Mann vom Weib geboren.
»Doch«, sprach er, »edle Königin,
Brächt ichs mit Bitten doch dahin,
Daß wir darauf gedächten,
Wie wir dahin ihn brächten,
Wohin ihr schicklich kämet
Und das Wunder vernähmet,
Daß ein sterbender Mann
Noch so lieblich spielen kann
Und süße Lieder singen,
Und nichts doch will gelingen
Was man zu seinem Heil ersinnt,
Denn er ist des Todes Kind.
Der Arzt, in dessen Haus er lag
Und der sein pflag bis diesen Tag,
Der hat ihn aufgegeben,
Denn er fristet ihm das Leben
Nicht mit allem Fleiß und Sinn.«
»Sieh«, sprach die weise Königin,
»Ich will den Kämmerlingen sagen
(Kann er anders es vertragen,
Wenn Hände ihn berühren
Und von der Stelle führen),
Daß man ihn zu uns bringe,
Ob bei dem Stand der Dinge
Vielleicht noch Hülfe fromme,
Daß er zu Kräften komme.«
Dieß ward gethan und dieß geschah.
Als da die Königin ersah,
Wie es um sein Übel stand,
Und der Wunde Farbe hatt erkannt,
Da sah sie wohl das Gift daran.
»Ach, armer Spielmann«, hub sie an.
»Von Gifte bist du also wund.«
»Ich weiß nicht«, sprach des Kranken Mund:
»Ich kann nicht wißen, was es sei;
Doch da mir alle Arzenei
Nicht helfen mag, daß ich entrinne,
So weiß ich nicht was ich beginne
Als daß ich mich Gott ergebe
Und so lang ich möge, lebe.
Wer aber Gnad an mir begeht,
Da es so ängstlich um mich steht,
Dem lohne Gott. Hülf ist mir Noth:
Ich bin lebendgen Leibes todt.«
Die Weise sprach ihm wieder zu:
»Sag an, Spielmann, wie heißest du?«
»Frau, ich heiße Tantris.«
»Tantris, so wiße für gewiss,
Daß meine Hand dich heilen soll.
Sei fröhlich und gehab dich wohl,
Ich selbst bin deine Ärztin.«
»Dank dir, süße Königin:
Deine Zunge grüne immer,
Dein Herz ersterbe nimmer,
Deine Weisheit möge ewig leben,
Den Hülflosen Hülfe geben;
Dein Name mög auf Erden
Allzeit gefeiert werden.«
»Tantris«, sprach zu ihm Isot,
»Wärs dir möglich in der Noth,
Da du so sehr entkräftet bist,
Wie kein Wunder an dir ist,
So hört ich gerne Harfenspiel;
Des kannst du, hör ich sagen, viel.«
»Nein, Herrin, sprechet also nicht:
Wie sehr mir auch die Kraft gebricht,
Doch thu und kann ich Alles wohl,
Womit ich euch gefallen soll.«
Nach seiner Harfe ward gesandt,
Auch besandte man zuhand
Die junge Königin Isot,
Der Minne Siegel frisch und roth,
Mit dem seitdem versiegelt
Sein Herz ward und verriegelt
Vor der Welt insgemein,
Nur vor ihr nicht ganz allein.
Als die Königin gekommen war,
Da nahm sie fleißiglich wahr
Wie Tristan saß am Harfenspiel.
Da harft' er auch noch beßer viel
Als er je zuvor gethan,
Denn ihm verhieß ein lieber Wahn
Seines Unheils baldges Ende.
Er sang und harfte so behende,
Nicht wie ein lebloser Mann.
Er fieng es lebenskräftig an
Und wie der Wohlgemuthe thut,
Und macht' es vor den Zwein so gut
Mit Händen und mit Munde,
Daß er in kurzer Stunde
Ihre Huld so völliglich gewann,
Daß ihm ward, worauf er sann.
Doch, wurden sie des Spieles froh
Hier sowohl als anderswo,
So blieb die leidge Wunde doch,
Die so unerträglich roch,
Daß vor der Widerwärtigkeit
Niemand aushielt lange Zeit.
Wieder sprach die Königin:
»Tantris, kommt es erst dahin,
Daß es also mit dir steht,
Daß der Geruch an dir vergeht,
Und Jemand bei dir bleiben kann,
So befehl ich dir an
Isolden hier, die junge Maid.
Sie hat viel Müh verwandt und Zeit
Auf Bücher und auf Saitenspiel,
Und kann von beiden ziemlich viel.
Gemäß der Zeit und kurzen Frist
Die sie dabei gewesen ist:
Hast du nun größre Meisterschaft
In Kunst oder Wißenschaft
Als ihr Meister oder ich,
Die lehre sie, so freust du mich.
Dafür will ich dir Leben
Und Leib zu Lohne geben,
Daß sie gesund und blühend sei'n:
Das kann ich geben und verleihn,
Beides steht in meiner Hand.«
»Ja, ist es also bewandt«,
Sprach der sieche Spielmann,
»Daß ich mich also fristen kann,
Und durch mein Spiel genesen soll,
Ob Gott will, so genes ich wohl.
Herrin, selge Königin,
Wenn euch also der Sinn
Steht, wie ihr mir habt gesagt,
Und eurer Tochter, der Magd,
So getrau ich wohl noch zu genesen.
Der Bücher hab ich gelesen
In solcher Maß und also viel,
Daß ich mir getrauen will,
Ich dien euch wohl zu Dank an ihr.
Dazu so weiß ich auch an mir,
Daß meines Alters kaum ein Mann
Mehr edler Saitenspiele kann.
Was sonst noch euer Wunsch geruht,
So wie ihr mirs zu wißen thut
Ist es alsobald gethan,
Mich hindre denn die Unmacht dran.«
Da beschied man ihm ein Kämmerlein
Und schuf ihm alle Tage drein
All das Gemach und all die Pflege,
Die er nur wünschen mocht allwege.
Nun sah er erst sich kommen
Zu Statten und zu Frommen
Die Klugheit, die er nach dem Streite
Bewies, als er den Schild zur Seite
Hieng und barg die Wunde,
Daß sie nicht erkunde
Das Volk der Iren allzumal,
Bevor es schied von Cornewal:
So konnten sie daheim mit Nichten,
Daß er verwundet ward, berichten.
Denn hätte man zu jener Zeit
Erfahren, wie er schied vom Streit,
So wohl als Allen war bekannt
Wie es um die Wunden stand,
Die Morold mit dem Schwerte schlug,
Das er in allen Nöthen trug,
Es wär Tristanden nimmer ja
So wohl geschehn als ihm geschah
Nun half ihm zu genesen,
Daß er so klug gewesen.
Erkenne Jeder nun hieran,
Wie seine Sachen oft ein Mann
Mit gutem Vorbedenken
Zu gutem Ziel mag lenken,
Ist ihm zu rechter Stunde
Die Fürsicht nur im Bunde.
Isot, die weise Königin,
Wandte allen Fleiß und Sinn
Und alle Wißenschaft darauf,
Daß sie dem Manne wieder auf
Helfe, wider dessen Leben
Sie doch gern ihr Leben geben
Möchte, ja die Ehre gar.
Sie must ihn stärker fürwahr
Haßen als sich selber minnen,
Und doch, was sie nur konnt ersinnen,
Sein Sterben zu verhindern
Und seine Qual zu lindern,
Darauf war sie bei Tag und Nacht
Allein beflißen und bedacht.
Das ist kein Wunder wie es scheint,
Denn sie erkannte nicht den Feind.
Doch konnte sie es wißen,
Für Wen sie war beflißen
Und Wem sie half aus Todesnoth,
Gäb es Ärgres als den Tod,
Sie hätt es ihm gegeben
Viel lieber als das Leben.
Nun wuste sie von ihm nur Gutes
Und war ihm gut und holdes Muthes.
Sagt' ich euch nun noch so viel
In langen Reden ohne Ziel
Von meiner Frauen Meisterschaft,
Und wie wunderbare Kraft
Zu des Siechen Gedeihen
Lag in ihren Arzeneien,
Das wär doch allzumal verloren.
Viel beßer klingt in edeln Ohren
Ein Wort, das schön zur Sache stimmt
Als das man aus der Büchse nimmt.
Sofern ich es vermeiden kann
Will ich mich hüten auch fortan,
Daß ich nicht Worte möge sagen
Die euern Ohren missbehagen
Und euern Herzen widerstehn.
Ich schweige, wills nicht anders gehn,
Lieber still von einer Sache,
Eh ich euch zuwider mache
Und unleidlich meine Märe
Mit Rede, die nicht höfisch wäre.
Von meiner Frauen Heilkunde
Und wie davon genas der Wunde
Will ich in der Kürze sagen:
Sie half ihm binnen zwanzig Tagen,
Daß man gerne bei ihm blieb
Und die Wunde Niemand vertrieb,
Kam er anders gern dahin.
So gieng die junge Königin
Nun stäts zu seinem Unterricht,
Und Fleiß und Zeit gereut' ihn nicht
Auf seine Schülerin zu wenden.
Die Fertigkeit in den Händen
Sowohl als schulgerechtes Spiel,
Was ich nicht schärfer sondern will,
Zeigt' er gern ihr allzumal,
Daß sie nach eigener Wahl
Daraus zur Lehre nähme
Was ihr zu Statten käme.
Isot. die schöne, war wohl klug,
Ihr war das Beste gut genug,
Was sie unter seinen Künsten fand:
Des unterwand sie sich zuhand
Und wandte Fleiß bei Allem an
Was sie in der Welt begann.
Auch mocht ihr wohl frommen
Was sie früher vernommen
Und von Künsten hatt erfahren
Und höfischem Gebahren.
Sie war geschickt mit Mund und Hand.
Das schöne Mägdlein verstand
Ihre Develiner Sprache fein,
Dazu Französisch und Latein;
Sie konnt in welscher Weise
Fiedeln laut und leise;
Mit den Fingern konnte
Isot, wenn sies begonnte,
Gar wohl die Leier rühren
Und auf der Harfe führen
Den Ton, daß er das Herz beschlich;
Auf und ab behendiglich
Ließ sie die Noten gleiten;
Auch sang sie in die Saiten
Gar wohl aus süßem Munde.
Jedoch zu all der Kunde
Mocht ihr noch sehr zum Frommen
Des Spielmanns Lehre kommen,
Ihr Kunst und Wißen mehren.
Unter allen diesen Lehren
Hielt er sie zu Einer an,
Die man Moral benennen kann:
Sie lehrt uns schöne Sitten.
Sich der zu fleißen bitten
Soll man die Jungfraun allzumal.
Die süßen Lehren der Moral
Sind so selig und rein,
Daß sie mit Gott so viel gemein
Haben als mit dieser Welt.
Wer der Moral Gebote hält
Mag der Welt und Gott gefallen.
Sie ist den edeln Herzen allen
Zu einer Amme gegeben,
Daß sie Nahrung und Leben
Schöpfen aus ihrer Lehre,
Denn sie haben Gut noch Ehre,
Wenn sie Moral nicht unterweist.
Der Lehre fliß sich zumeist
Isot die junge Königin:
Damit schulte sie den Sinn
Und die Gedanken immerdar,
Bis sie gar wohl gesittet war,
Rein ihr Herz und schön ihr Muth
Und ihr Gebahren süß und gut.
So kam die junge süße Maid
Zu solcher Vollkommenheit
In Wißen und Betragen
In des halben Jahres Tagen,
Daß von ihrer Seligkeit
Das Land erfüllt war weit und breit,
Und ihr Vater daran
Sich höchlich zu erfreun begann;
Auch die Mutter freut' es inniglich.
Nun fügt' es unterweilen sich,
Wenn ihr Vater fröhlich war,
Oder fremder Ritter Schar
Zu Hofe vor dem König saß,
Daß Isot in den Pallas
Vor ihrem Vater ward gesandt.
Was da der Schönen war bekannt
Von schöner Kunst und Höfischkeit,
Damit kürzte sie die Zeit
Ihm und dem ganzen Kreiß der Leute:
Denn womit sie ihren Vater freute,
Des freuten sie sich all zugleich.
Hoch und Nieder, Arm und Reich
Hatten an ihr beide
Eine selge Augenweide,
Der Ohren wie der Herzen Lust:
Außer- und innerhalb der Brust
War ihre Lust Isolde.
Die reine, die holde,
Sie schrieb und las, sie sang und spielte:
Der Andern Freude nur erzielte
Sie mit den Melodieen.
Sie fiedelt' ihre Stampenieen,
Ihre Leich' und fremden Nötelein,
Die nicht fremder konnten sein,
In französischer Weise
Sanz und St. Denis zu Preise;
Der Leiche wuste sie gar viel.
Ihr Leier- und ihr Harfenspiel
Schlug sie zu beiden Seiten hin
Mit den Händen blank wie Hermelin,
Daß alle Welt sie priese:
In Lut und in Thamise
Schlugen Frauenhände nie
Die Saiten süßer als sie.
La duze Isot la bele
Sang ihre Pastorele,
Ihr Rotruwansch, Rundate,
Schanzun, Refloit, Folate
Wohl und wohl und allzu wohl,
Denn viel der Herzen wurden voll
Mit sehnlichem Trachten:
Viel Trachten ward und Schmachten
Von ihrem Spiel hervorgebracht,
Und Gedanken wunderviel gedacht,
Wie ihr wohl wißet, daß geschieht,
Wo man ein solches Wunder sieht
Von Schönheit und von Höfischkeit
Wie an Isold der schönen Maid.
Wen soll ich ihr vergleichen,
Der schönen, wonnereichen,
Als der Sirenen eine,
Die mit dem Wundersteine
Die Kiele ziehen zu sich?
So zog Isolde, dünket mich,
Viel Herzen und Gedanken an,
Die sich sicher schon, o Wahn!
Deuchten gegen Liebesschlingen.
Auch sind wohl in Vergleich zu bringen
Kiel' ohne Anker auf der Flut,
Und der Männer loser Muth.
Selten wißen die Beiden
Sich des Wegs zu bescheiden,
Schweben so oft auf fremdem Meer:
Die Woge wirft sie hin und her
Mit Wanken und mit Schwanken.
Der Männer irrende Gedanken,
Sie möchten minnen ohne Ziel,
Wie ein ankerloser Kiel
Reist ohne Ziel der Reise.
Isot, die höfsche, weise,
Die junge süße Königin,
Zog also die Gedanken hin
Aus manches Herzens Schiffe,
Wie der Magnet zum Riffe
Die Barke bei Syrenensang.
Ihr Singen in die Herzen drang
Laut und offen durch das Ohr
Und heimlich durch der Augen Thor.
Jener offene Gesang,
Mit dem sie allerwärts bezwang,
Das war ihr süßes Singen,
Ihr sanftes Saitenklingen,
Das laut zu offnen Thoren
Durchs Königreich der Ohren
Nieder in die Herzen klang;
So war der heimliche Gesang
Ihre wunderbare Schöne,
Die mit bethörendem Getöne
Heimlich und verborgen sich
Durch der Augen Fenster schlich
In manches edeln Herzens Schrein
Und stellt' ihr Zaubernetz hinein,
Das die Gedanken zuhand
Fieng und mit Stricken band
Des Sehnens und sehnlicher Noth.
So ward die schöne Magd Isot
Seit sie in Tristans Lehre war
Gefördert in dem halben Jahr:
Rein und schön war nun ihr Muth
Und ihr Gebahren süß und gut.
Sie konnte fertig schönes Spiel,
Sie konnte Fertigkeiten viel,
Briefe und Schanzonen dichten,
Die Gedichte sauber schlichten,
Sie konnte schreiben und lesen.
Nun war auch Tristan genesen
Seines Übels ganz und gar,
Daß seine Farbe wieder klar
Und lauter ward sein Angesicht.
Da ließ von ihm die Sorge nicht,
Daß Einer aus dem Heere
Erkennte wer er wäre;
Und lag ihm stäts im Sinne,
Wie er es nun beginne,
Daß er Urlaub nähme
Und aus den Sorgen käme.
Er dachte, würden sie es innen,
Ihm möchten beide Königinnen
Schwerlich jemals Urlaub geben,
Und wuste also, daß sein Leben
Stäts in der Ungewissheit Noth
Bangen müße vor dem Tod.
Da gieng er zu der Königin
Und begann der Rede Sinn
So schön zu zieren dorten
Als stäts vorher mit Worten.
Er kniete vor sie hin und sprach:
»Frau, die Hülf und das Gemach,
Die eure Gnade mir erwies,
Die laß euch Gott im Paradies
Zu Statten kommen immerdar.
Ihr habt so seliglich fürwahr
An mir gehandelt und so wohl,
Daß es Gott euch immer lohnen soll
Und ichs euch stäts gedenken will
Bis an meines Lebens Ziel,
Wo und wie ich armer Mann
Nur eure Ehre fördern kann.
Mag es, selge Köngin, rein
Nun mit euern Hulden sein
So kehr ich heim zu meinem Land,
Denn so ists um mich bewandt,
Daß ich nicht länger bleiben kann.«
Da lachte ihn die Herrin an:
»Wie dein Mund auch schmeichelnd spricht«,
Sprach sie, » Urlaub wird dir nicht.
Du kommst von hinnen fürwahr
Nicht ehe sich erfüllt das Jahr.«
»Nein!« sprach er, »edle Königin,
Seht gnädig an in euerm Sinn,
Wie es um Gottes Ehe
Und Herzensliebe stehe!
Daheim hab ich ein ehlich Weib,
Die minn ich wie den eignen Leib,
Und weiß, daß sie gewisslich glaubt
Und kaum zu zweifeln sich erlaubt,
Ich sei gestorben längst und todt;
Das schafft mir Angst und große Noth:
Denn wird sie anderm Mann gegeben,
So ist mein Trost und mein Leben
Und all die Freude dahin,
Nach der sich sehnt mein Herz und Sinn,
Und werd ich nimmer wieder froh.«
»In Treuen«, sprach sie, » steht es so,
Tantris, das ist ehhafte Noth:
Es soll nach Gottes Gebot
Solche Liebe Niemand scheiden.
So gnade Gott euch Beiden,
Deinem Weibe denn und dir.
Gar ungern laß ich zwar von dir,
Doch will ich dein um Gott entbehren.
Ich muß dir Urlaub gewähren
Und bleibe dir geneigt und hold.
Ich und die junge Isold
Wir geben dir zur Reise
Und zu deines Leibes Speise
Zwei Mark von rothem Golde:
Die nimm dir von Isolde.«
Da dankt' er für die Spende
Und faltete die Hände
(Des Leibes und der Sinnen)
Den beiden Königinnen,
Der Mutter und der jungen Magd.
»Euch Beiden«, sprach er, »sei gesagt
Ehr und Dank von Gott und mir.«
Da säumt' er auch nicht länger hier:
Er fuhr alsbald gen Engelland
Und von England allzuhand
Wandt er sich gen Cornwal heim.
Als Marke nun, sein Oheim,
Und all das Volk im Land vernahm,
Daß er genesen wiederkam,
Sie wurden alle zumal,
So weit der König befahl,
Von Herzen froh und freudenreich.
Sein Freund der König fragt' ihn gleich
Wie es ihm ergangen wäre;
Da sagt' er ihm die Märe
Aus dem beredtem Munde
Von Oben bis zu Grunde.
Des nahm sie Wunder Alle
Und begannen in der Halle
Zu scherzen und zu lachen
Und ein großes Fest zu machen,
Aus seiner Fahrt nach Irland,
Und wie ihn seiner Feindin Hand
Gesund müßen machen
Und von allen Sachen,
Die ihm begegnet waren.
Sie hätten nie erfahren
So ergetzliche Geschichte.
Nach diesem Berichte,
Da seine Heilung, seine Reise
Sattsam belacht war in dem Kreise,
Da waren sie zu wißen
Auch von Isot beflißen.
Er sprach: »Isot ist eine Magd,
Was alle Welt von Schönheit sagt
Ist gegen sie nur eitel Wind.
Isot, die lichte, ist ein Kind
So schön von Leib und von Geberden,
Kein Maid noch Knabe wird je werden
So lieblich und so auserkoren,
Und ward auch nimmer noch geboren;
Die lichte, lautere Isold
Ist lauter wie arabisch Gold.
Wenn ich zu wähnen mich vermaß,
Weil ich es in den Büchern las,
Die ihr zu Lob geschrieben sind,
Aurorens Tochter und ihr Kind,
Tyndarides, die hehre,
An ihr alleine wäre
Die Schönheit aller Frauen
In einem Kranz zu schauen,
Von dem Wahn bin ich gekommen:
Isot hat mir den Wahn benommen.
Ich muß ab von dem Glauben stehn,
Die Sonne komme von Mycen:
Der Schönheit Füll ertagte nie
In Griechenland, sie tagte hie.
Aller Männer Sinnen sollen
Nur nach Irland schauen wollen:
Da finden Augen Wonne,
Sehn sie die neue Sonne
Nach ihrem Morgenrothe,
Isote nach Isote
Sich von Develin erheben
Und allen Herzen Freude geben.
Die lichte, wonnereiche,
Erleuchtet alle Reiche.
Was sie da Lob von Frauen sagen,
Von Frauen sich mit Mären tragen,
Gilt Alles vor Isolden nicht.
Wer Isolden schaut ins Angesicht,
Der fühlt geläutert Herz und Muth
Wie die Glut dem Golde thut:
Ihm wird erst werth das Leben.
Beschämt wird Keine neben
Isolden und vernichtet,
Wie Mancher falsch berichtet:
Ihre Schöne verschönt,
Mit ihren Tugenden krönt
Sie den Namen aller Frauen;
Man soll nicht neidisch nach ihr schauen.
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