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Pfarre und Schule. Zweiter Band.

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Wieder mit seinen Fragen wechselnd, kam Hennig jetzt auch auf die Bewegung der Erde um ihre eigene Axe und um die Sonne herum zu sprechen, und darüber waren denn freilich die Begriffe der Knaben noch sehr verworren. Er wollte ihnen das allerdings damit beweisen, daß er anführte, wie ein in einen Reif gestelltes Glas Wasser ebenfalls um den Kopf geschwenkt werden könne, ohne einen einzigen Tropfen Wasser zu verlieren, ein paar der Knaben hatten das aber schon versucht und meinten, sie hätten das Glas mit dem Wasser durch die Fensterscheibe »geschlengert«. Er mußte es ihnen – und hierfür fing sich auch Gottlob an zu interessiren – endlich vormachen, und wie er das bewiesen, frug er den ihm nächst Sitzenden, woher seiner Meinung nach das Drehen der Erde herrühre.

Müller saß mäuschenstill, antwortete keine Sylbe und starrte nur in eifrigem Nachdenken stier vor sich nieder. –

»Nun, Müller, was glaubst Du, ist die Ursache, daß sich die Erde dreht?« frug der Lehrer noch einmal.

»Hahaha,« sagte der endlich – »ich wißt's wohl.«

»Nun heraus mit der Sprache; wenn Du's weißt, brauchst Du Dich doch nicht zu scheuen, es zu sagen? Also was dreht die Erde?«

»Das Wasser« – erwiederte verschämt der Knabe.

»Hm,« erwiederte ihm Hennig lächelnd, während die anderen Schüler hochaufhorchten, als ob ihnen jetzt auf einmal ein großes Geheimniß klar geworden wäre – »das klingt gar nicht so übel, und Du hast das für Dich, daß Dir hier im Dorfe wohl kaum einer den Gegenbeweis würde liefern können. Was aber hat Dich auf den Gedanken gebracht, und wie willst Du mir für diese Vermuthung einen Grund angeben?«

»Ih nu siahn Se, Herr Hennig –« sagte der Junge und sah verschämt vor sich nieder, »unsere Rausche, die fließt gerade su, wie mein Vater sin Mühlwehr, un das treibt ooch en Rad, wo's driber hinleeft. – Nu leeft doch die Rausche über de Erde hin un Sie han uns neilich verzehlt, daß es noch veele greßere Flisse gebe, un daß das Meer ooch so flesse wie de Rausche, nur daß man's draußen nich so siahn kennte, un da – da han ich mir gedacht, das triebe de Iharde.« (Erde.)

»Die Erklärung ist allerdings gar nicht so übel,« erwiederte ihm Hennig, »dennoch aber nicht richtig, denn –«

Die Thüre wurde in diesem Augenblicke aufgerissen und einer der Schüler, der vor wenigen Minuten darum gebeten hatte, einmal herausgehen zu dürfen, stürzte wieder herein und schrie mit verdutztem und erschrecktem Gesicht:

»Der Härr Suprindent un der Härr Paster!«

Die Jungen fuhren sämmtlich wie durch einen elektrischen Schlag getroffen, von ihren Sitzen in die Höhe, des Lehrers donnerndes »Ruhe!« bannte sie aber bald wieder auf ihre Plätze nieder, und der, der mit solcher Nichtachtung jeder Sitte und jeden Respects hereingebrochen war, mußte zu seinem Entsetzen und gerade in solchem entscheidenden Augenblicke auf dem Strafplatze neben dem Ofen stehen bleiben.

Im gleichen Angenblicke ging aber die Thüre auf und der Superintendent, welchem die gewöhnliche Schulinspection oblag, trat mit dem, sonst so ernsten und stolzen, jetzt aber auf einmal ungemein freundlichen und geschmeidigen Pastor in's Schulzimmer. Er grüßte den Schullehrer höchst herablassend, aber nur mit etwas vornehmem Kopfnicken, winkte den Kindern, die sich erst niedergesetzt, und die, wie aus der Pistole geschossen, von ihren Sitzen wieder emporfuhren und in den gewöhnlichen monotonen Lauten ihr »Guten Morgen Härr Suprindent!« – und dann nach kaum athemlanger Pause in demselben Tone »guten Morgen Härr Paster!« riefen, freundlich sich niederzulassen, und sagte dann, die Hand gegen den von seinem niederen Katheder herunter tretenden Schullehrer schwenkend, ziemlich ernst:

»Fahren Sie fort, Herr Hennig – lassen Sie sich nicht stören rrrrrr.« – Der Herr Superintendent schnarrten ein wenig hinter jedem Satze und die Jungen hätten gern gelacht, nur der Respect und die übergroße Angst verboten das.

»Die Stunde ist beendet, Herr Superintendent,« erwiederte aber Hennig, »ich glaube sogar, daß ich schon einige Minuten darüber gehalten habe.«

»Ah – und was ist Ihre nächste Lection? – dürft' ich um Ihren Unterrichtsplan bitten – rrrrr?«

»Mit Vergnügen,« sagte Hennig, schob den schrägen Deckel seines Schreibpultes empor, nahm ein zusammengelegtes Papier heraus und übergab es dem frommen Herrn.

»Hm – gut – nicht übel – hm – ja – Verstandesübungen – Verstandesübungen rrrrrrr – Verstandesübungen – die haben Sie ja alle Tage, und Religionsstunden nur eins, zwei, drei, vier Mal – etwas ungleich vertheilt, Herr Hennig, etwas ungleich vertheilt – Sie ändern das vielleicht – rrrrrre!«

Hennig biß sich auf die Lippen, erwiederte aber Nichts. –

»Sie haben also jetzt Schreibestunde?«

Der Lehrer verneigte sich.

»Bitte, dürft' ich Sie einmal um die Schreibebücher ersuchen – ah, da kommen sie schon; sehr schön, mein Knabe – leg' sie nur daher – wie heißt Du – rrrrrrr?«

»Iche?« – lautete die Gegenfrage als Antwort.

»Ja, Du.«

»Berner's Christoff.«

»Hm – gut – das ist die erste Klasse, nicht wahr – rrrrrr? – hm, hm, hm, das sieht nicht zum Besten, hm, hm – sehr flüchtig geschrieben – hm – sehr flüchtig, und gar nicht sauber – rrrrrrrr! – hm – wem gehört denn das Buch hier – rrrrr? – Hans Müller? – Hans Müller, komm einmal her zu mir! – wer hat denn hier den Kleks auf die Zeile gemacht, he – rrrrrr? – und wer denn da, rrrrrrrr? – und wer denn da, rrrrrrrrrrrr? – Hans Müller, stell' Dich einmal dahinter an den Ofen zu dem anderen bösen Knaben, und bleib da stehen, bis ich wieder fort bin, rrrrrr – und wie ist das geschrieben – rrrrrrr? – sieht das nicht aus, als ob die Hühner und Gänse darauf herumgekrappelt hätten, he – rrrrrrrr?«

Hans Müller stand wie aus den Wolken gefallen – Herr Hennig hatte ihn bis jetzt vor allen Uebrigen, gerade seines Schreibens wegen, immer gelobt und ausgezeichnet, und jetzt –

»Nun wird es – he?« – fuhr ihn da der gestrenge Herr Superintendent an – »Herr Hennig, ich muß gestehen, daß ich mehr Gehorsam in ihrer Schule erwartet hätte, rrrrrrr – wir haben noch keine Emancipation Herrrrrrrr, daß wir jetzt schon oben hinausthäten, als ob wir alleiniger Meister in der Schule wären, rrrrrr – noch keine Emancipation Herr Hennig, noch keine Emancipation, und werden sie auch, mit Gottes Hülfe, im Leben nicht kriegen – rrrrrr. – Hm – das sieht etwas besser aus, aber auch eine unbestimmte flüchtige Hand – keine Methode – keine Methode – muß besser werden, viel besser werden, hm, hm, hm rrrrrrrrr.«

Die Schreibbücher wurden einer höchst scharfen Kritik unterworfen, beinahe in jedem sah Sr. Ehrwürden etwas zu tadeln und zu rügen, und nur Einer – ein Einziger fand Gnade vor seinen Augen, und dieser – Hennig konnte ein Lächeln, das sich auf seine Lippen stahl, kaum zurückhalten, als der Herr Superintendent dem dümmsten Jungen seiner Klasse so freundlich die runde apfelrothe Backe streichelte. Es war der älteste in der Klasse, ein Bengel, der, trotz Ermahnungen und Schlagen, in seinem dreizehnten Jahre kaum eine erkennbare, aus Nichts als Grundstrichen bestehende Schrift schrieb, das aber gefiel dem frommen Herrn; er sah darin eine feste männliche Hand, klopfte dem Jungen – sein Vater war zufällig der reichste Bauer in Horneck und stand mit dem Herrn Superintendenten in ziemlich naher Geschäftsverbindung – freundlich auf die Schulter, und ermahnte ihn, in Fleiß und Eifer so fortzufahren wie bisher, rrrrrrrrrrrrr.

Als dies beseitigt war, flüsterte der Pastor dem frommen Herrn etwas in's Ohr, dieser nickte beifällig mit dem Kopfe, wandte sich dann an den Schullehrer und sagte:

»Dürfte ich Sie bitten, Herr Hennig – Ihr Buch – ich wünschte eine kleine Religionsstunde zu halten – hm.«

»Wir haben heute Morgen schon Religionsunterricht –«

»Ich weiß es, ich weiß es – bitte – so schön – hm.« –

Und der Herr Superintendent ließ sich, die Klemmbrille fest auf die Nase gedrückt, hinter dem Katheder nieder, faltete die Hände über den aufgeschlagenen Katechismus, warf einen andächtigen Blick zur getünchten Decke empor – hustete und räusperte sich und sprach dann mit weicher, andächtiger Stimme:

»Betet, lieben Kinder – Vater unser, der Du bist im Himmel –«

»Geheiliget werde Dein Name!« fiel das Chor, den gewonnenen Anlauf rasch benutzend, ein, und das Gebet des Herrn sagten sie mit so richtigem Ausdruck und so guter ruhiger Ordnung her, daß sich der Herr Superintendent nicht erwehren konnte, einige Male beifällig mit dem Kopfe zu nicken.

Nachdem dies beendet, ging er auf den Katechismus über, und that hier die wunderlichsten Kreuz- und Querfragen, so daß die Schüler, in dem Fach überdies nicht ganz fest, da Hennig es nicht für nöthig hielt, mit dem Auswendiglernen einer Masse von Sprüchen zu quälen und zu ermüden, anfingen, ängstlich zu ihrem Lehrer aufzuschauen und eins um's andere mit Glanz feststaken. Die Stirn des Herrn Superintendenten umfinsterte sich dabei mehr und mehr, auch der Herr Pastor schüttelte ein paar Mal sehr bedenklich mit dem Kopfe und einem losbrechenden Unwetter wurde wohl nur durch ein paar gute Antworten der ersten Mädchenklasse vorgebeugt, von denen besonders die eine, des Wirths Tochter aus Horneck, eine so fatale Rückfrage that, daß sich der Herr Pastor und der Superintendent verlegen dabei ansahen, und rasch auf ein anderes Kapitel übersprangen.

»Gott ist ewig!« sagte der Herr Superintendent und wandte sich damit an einige Kleineren in der Klasse – »wißt Ihr was das heißt – Du da – hm.«

»Er hat keenen Anfang gehabt,« sagte der, auf dem sein Blick ruhte, indem er mit Zittern von seinem Sitze aufstand – »so kann er auch kein Ende haben, und was keinen Anfang und kein Ende nich hat, das ist ewig.«

»Gut – hm,« nickte der fromme Herr und wandte sich gleich darauf mit freundlichem Blick zu demselben, dessen Schreiben er vorher gelobt. –

»Nun sage mir einmal, Peter Schwelbe, wenn also Gott keinen Anfang gehabt haben soll, wann ist er denn da eigentlich geboren?«

 

Der Junge sah stier und verdutzt vor sich hin, kratzte sich erst mit der Rechten, dann mit der Linken in dem struppigen Kopf, wischte sich die Nase mit dem Aermel, sah erst den Superintendenten und dann den Ofen an und sagte endlich:

»Davon haben wir keene Kenntniß niche.«

»Sieh, lieber Schwelbe,« entgegnete darauf der Superintendent, ohne, wie er das bei anderen Fragen gleich gethan, zu dem Nachbar überzugehn, »wenn Gott gar keinen Anfang gehabt hat, was kann er denn auch also nicht sein? –«

»Das wissen wir noch nicht!« erwiederte Peter abermals unerbittlich, während sich die kleineren Jungen unter einander zuflüsterten:

»Geboren – geboren – geboren.«

»Geboren, Peter, geboren kann er nicht sein,« sagte der Herr Superintendent und nickte dem Bengel wohlwollend zu, als ob er die Frage beantwortet habe. »Ah Du da – hm – der Nächste – Du zeigst mir wohl einmal Dein – hm – Dein Thema von der letzten Predigt – komm, schnell« – und er streckte den Arm gegen den verdutzt dasitzenden Jungen aus und winkte dazu mit den Fingern. »Nun? – hm – wird's bald – hm, rrrrrr?« wiederholten Sr. Ehrwürden, »ich habe doch deutlich genug gesprochen – Dein Thema rrrrr – wo hast Du's?«

»Sie entschuldigen,« nahm sich hier Herr Hennig des Jungen an, »ich lasse die Knaben das Thema in der Kirche nicht aufschreiben, weil –«

»Sie lassen das Thema nicht aufschreiben, Herr Hennig, rrrrrrrr?« sagte, sich in unbegrenztem Erstaunen nach ihm umwendend, der fromme Herr – »Sie lassen das Thema nicht aufschreiben? rrrrr.«

»Ich habe gefunden, daß –«

»Ich bitte, daß Sie gar Nichts finden – hm – Herr Hennig, rrrrrr« – unterbrach ihn aber mit scharf verweisender Stimme der Superintendent – »gar Nichts finden, hm – rrrrrrrr – sondern den von mir – hm – von mir verordneten Regeln – ja Regeln rrrrr – folgen, wie sie Ihnen vorgeschrieben sind rrrrr. – Ich hoffe, daß ich das nächste Mal ein Thema finde, Herr Hennig – rrrrrr – hm – hm – daß ich das nächste Mal ein Thema finde rrrrrrrr.«

Der Superintendent schwieg einen Augenblick und sah mit etwas erhitztem Angesicht die ängstlich dasitzenden Knaben an, endlich wandte er sich wieder an den, von dem er das Thema zuerst gefordert und sagte:

»Also weißt Du auch gar nicht, was gestern gepredigt worden ist? rrrrr und«

»O ja,« fiel der Junge, der sich hier auf festem Grunde wußte ein – »das weeß ich!«

»So? – hm – und was? hm – wenn man fragen darf rrrr?«

»Wie viel es nütze,« sagte der Knabe, einer der besten Köpfe in der Klasse – »wenn wir den Ausspruch des Gamaliels, Apostelgeschichte 5, 34-42. ›Menschenwerk vergeht, Gotteswerk besteht‹ zu unseren Grundsätzen nehmen.

a. dann werden wir vielen Zweifeln entgehn.

b. wir werden uns vor so manchen verkehrten Urtheilen bewahren.

c. wir werden unsere Tugend vor vielen Gefahren schützen.«

»Hm – gut – hm – gut geantwortet,« sagte der Herr Superintendent, vielleicht nicht einmal ganz zufrieden, bei dieser Gelegenheit keinen weiteren Anlaß zum Tadel gefunden zu haben. Die übrigen Knaben, die er frug, waren übrigens fast eben so taktfest und er begann jetzt, biblische Sprüche zu examiniren, von denen ihm die Kinder immer gleich aus dem Kopfe die Quellen angeben mußten. Hierin fand er sie ebenfalls wieder nicht besonders geübt, denn Hennig hielt es für nützlicher, seinen Zöglingen den Sinn der Sprüche als den Ort, wo sie in der Bibel standen, einzuprägen, der Herr Superintendent waren aber anderer Meinung, fuhren jetzt die Kreuz und Quer im alten und neuen Testament herum und citirte und tadelte so lange, bis zufällig ein kleiner Bursche aus einer Ecke heraus einen der von dem gestrengen Examinator angegebenen Sprüche nachschlug und augenblicklich triumphirend – natürlich aber in aller Unschuld, verkündete, daß der bezeichnete Spruch nicht da – sondern da und da zu finden wäre.

Die Knaben flüsterten unter einander, der Herr Superintendent aber, der sich nicht wenig ärgerte, hier eine so fatale Blöße gegeben zu haben, und den Eindruck doch gern verwischen wollte, ging rasch auf die biblische Geschichte über, in der er sehr bewandert war, und sogar ohne Buch die Fragen scharfsinnig genug stellen konnte, um selbst den Pastor und Schulmeister, worauf es jetzt besonders angelegt war, in Erstaunen zu setzen. Zu seiner Ueberraschung fand er die Kinder jedoch darin viel fester als er erwartet, und bekam ganz gute Antworten. Das böse Geschick trieb ihn jedoch, mit unerbittlicher Strenge gerade auf einen Punkt hin, an dem er scheitern mußte – ein unglücklicher Zufall brachte ihm die Familie Noah auf die Lippen und kaum war die Frage heraus, wer Japhets Vater gewesen, als die ganze Classe in ein unwiderstehlich schallendes Gelächter ausbrach.

Der Herr Superintendent stand erstaunt und schoß dabei einen so strengen, Unheil kündenden Seitenblick auf den Lehrer dieser Schule, daß Hennig, wäre er von anderem Stoff als er gerade war, gewesen, jedenfalls hätte in die Erde sinken müssen, so aber biß er selbst, das Komische des ganzen Auftritts mehr, als irgend einen bedeutungsvollen Ernst fühlend, die Lippen zusammen und sah still vor sich nieder.

Der Pastor glich einer Statue stummen Entsetzens, und stand da, wie wenn der Himmel sich jetzt wirklich unmittelbar genöthigt sehen würde, auf sie alle herunterzukommen, und mit Mann und Maus in der Schulstube zusammen zu quetschen und zu begraben.

»Herr Hennig,« brach sich da endlich der bis jetzt nur allem Anschein nach, durch seine Ueberraschung zurückgehaltene Zorn und Unwille des frommen Herrn die Bahn, und damit auch eine Pause, in der selbst die ausgelassensten der Schuljugend das fürchterliche Vergehen, dessen sie sich schuldig gemacht, zu begreifen anfingen, und still und verlegen, bald den Herrn Pastor, bald ihren Lehrer anschauten. »Herr Hennig – dürft ich Sie vielleicht um eine Erklärung dieses Auftritts, rrrrrrr – an dem Sie sich selbst, wie mir fast vorkommen will, zu ergötzen scheinen, ersuchen rrrrrrrrrr?« – und er sprach das letzte Wort mit einem so beißenden Nachdruck, daß Hennig bald merken mußte, in wie hohem Grade sein mächtiger Vorgesetzter über ihn erbittert sei.

»Herr Superintendent,« nahm er deshalb um nicht selber noch muthwillig den Groll zu erhöhen, das Wort, »die Kinder sind ungezogen gewesen, während des Religionsunterrichtes zu lachen, gerade heute und bei dieser Frage würden Sie es aber auch entschuldigen, wenn Sie den »Verstandesübungen« mit beigewohnt hätten, wo Einer von den Kleineren eine, ebenfalls sich auf Noah beziehende Frage so komisch beantwortete, daß wir Alle lachen mußten. – Die neue Nennung des Namens ruft dies jetzt in das Gedächtniß der Kinder zurück, und es ist wohl natürlich, daß sie dabei nicht ernsthaft bleiben konnten; kam mir doch selbst das Lachen an, und mußte ich mir Mühe geben, es zu unterdrücken.«

»Das ist recht hübsch von Ihnen, Herr Hennig, sehr hübsch, Herr Hennig – rrrrrr – und Sie mögen das, wie ich gar nicht bezweifeln will – wenn Sie allein mit den Kindern sind, Herr Hennig rrrrrrrr, auch so halten – obgleich es mir – der guten Sache wegen, versteht sich, eigentlich lieber wäre, wenn es nicht geschähe – rrrrrr – in meiner Gegenwart aber, und in den wenigen Minuten, die ich hier in Ihrer Schulstube gegenwärtig bin, rrrr, möcht' ich mir das in Zukunft höflichst verbeten haben, Herr Hennig – rrrrrrrrrr.«

»Herr Superintendent, ich versichere Sie –«

»Und noch außerdem möchte ich Ihnen bemerken, Herr Hennig, daß ich in Ihrer Classe überhaupt, und mit großem Misfallen eine Unaufmerksamkeit finden muß, die nie, am allerwenigsten aber in einem Religionsunterricht statt finden sollte – rrrrrrr.« –

»Herr Superintendent –«

»Wir haben noch keine Emancipation, Herr Hennig, rrrr« – unterbrach ihn der fromme Herr, der fest entschlossen schien, den Schullehrer gar nicht zu Worte kommen zu lassen, »auf's Neue wir haben noch keine Emancipation, sage ich Ihnen, und es thut mir ungemein leid, rrrrrr – Nichts günstigeres über Sie und die Ihnen anvertraute Schule an ein hohes Consistorium berichten zu können – wir haben noch keine Emancipation, Herr Hennig rrrrrrrrrrr.«

»Wollte Gott wir hätten sie, Herr Superintendent,« fiel ihm aber jetzt Hennig, dem das Blut auch überzuwallen begann, vor all den Kindern so unwürdig behandelt zu werden, in's Wort – »dann hätte dieser Auftritt, der nur bestimmt zu sein scheint, den Lehrer um die Achtung der Kinder zu bringen, nie und nimmer statt finden können. –«

»Herr Hennig!« riefen der Herr Superintendent und der Herr Pastor in einem Chor, voll starren staunenden Entsetzens. –

»Wollte Gott wir hätten sie« wiederholte aber, jetzt von seinen Gefühlen ganz hingerissen und bewältigt, und unbekümmert um irgend einen der Vorgesetzten, der junge Mann, »daß der Geist des Lehrers frei und stark die von ihm erfaßte Bahn festhalten und verfolgen könnte, und segensreich auf das Schicksal seiner ihm anvertrauten Zöglinge, auf das Schicksal künftiger Geschlechter einwirken dürfte – kein Heil ist für Deutschland zu erwarten, so lange der Lehrer unter die Oberaufsicht von Leuten erniedrigt wird, die vom Schulwesen Nichts verstehn, und sich doch ein Urtheil über ihn anmaßen, und in deren Händen es noch überdieß liegt durch heimliche Conduitenlisten den so schon genug Unterdrückten noch gänzlich zu verderben, indem sie Beschuldigungen auf ihn häufen, oder ihn durch Anklagen verdächtigen, gegen die er sich nicht vertheidigen kann, weil er sie nicht einmal erfährt, und erst in ihrer verderblichen Wirkung kennen lernt.« –

»Herr Hennig rrrrrrr« – riefen aber jetzt der Herr Superintendent, der in seinem Grimm und Staunen bald roth und bald blaß geworden war, und dem also Aufgeregten, der nicht einmal seinen Stand mehr achtete, und es, mit einer Kühnheit, die ihm beispiellos dastand, wagte, vor der ganzen Schule in solcher Art gegen ihn aufzutreten, auch am Ende gar noch etwas Schlimmeres – vielleicht gar Thätlichkeiten zutraute – »Herr Hennig, rrrrrrr – wir werden uns rrrrrrrr – wir werden uns wieder sprechen, rrrrrrrrr – 'pfehle mich Ihnen Herr Hennig – rrrrrrrrr – 'pfehle mich Ihnen Herr Hennig – rrrrrrrrrrrrr.«

Durch den Schwarm der ängstlich und schnell Raum gebenden Knaben brach er sich Bahn, und verließ, von dem Pastor gefolgt, rasch die Schule. – Etwa hundert Schritt von deren Thür entfernt, hielt sein Wagen, denn er war mit Willen nicht ganz vorgefahren, um den Lehrer besser überraschen zu können. Nach einigen, mit Pastor Scheidler nur noch flüchtig gewechselten Worten, stieg er ein, rief dem Kutscher den Namen des Orts zu, den er besuchen wollte, und rollte gleich darauf, von den neugierigen Blicken der Dorfbewohner verfolgt, den Weg entlang, der auf das nur etwa anderthalb Stunden entfernte Bachstetten zuführte.

Hennig war indessen, die sich schüchtern zusammendrängenden Kinder nicht weiter betrachtend, in dem engen Raum, der ihm vor den Bänken frei blieb, mit raschen Schritten und verschränkten Armen auf und abgegangen, als sich die Thür wieder öffnete, und Pastor Scheidler noch einmal herein trat. Er blieb jedoch auf der Schwelle stehn und als Hennig zu ihm auf, und die Kinder nach ihm umschauten – sagte er zu diesen mit freundlicherer Stimme als sie es vielleicht erwartet:

»Ihr könnt zu Hause gehn – es wird gleich zwölf schlagen – haltet hübsch Ordnung.«

Still und geräuschlos glitten Knaben und Mädchen, denen es anfing unheimlich in dem Raum zu werden, an ihm vorüber, ins Freie hinaus und der Pastor wandte sich, als auch der Letzte das Zimmer verlassen, mit wohl ernsten, aber nichtsdestoweniger herzlichen Worten an den gereizten jungen Mann, der im Anfang schon eine zweite Strafpredigt erwartet hatte, und – jedes eigene Interesse hintenansetzend, fest entschlossen schien, sich keiner gewaltigen Hand mehr zu beugen, jetzt aber, durch die freundliche Stimme erst überrascht, bewegt wurde – einen Augenblick schwieg und dann, ihre sonstige Stellung ganz vergessend, des Pastors Hand ergriff und mit leiser, fast bittender Stimme sagte:

»Sein Sie mir nicht böse, Herr Pastor, daß ich mich eben von meiner Heftigkeit so hinreißen ließ, gegen den Herrn Superintendenten so harte Worte auszustoßen. Ich will allerdings nicht leugnen, daß sie ernstlich gemeint waren, ich müßte sonst, wollte ich das, mein eignes Selbst mit abschwören, aber sie sollten den alten Herrn nicht beleidigen, und ich fürchte fast, daß das geschehen ist – darf ich auf Ihre Güte rechnen, darin ein freundliches Wort für mich einzulegen?«

»Lieber Hennig,« erwiederte ihm hierauf der Pastor – »Sie haben ein Versehen gemacht, das Ihnen, fürchte ich, nicht so leicht vergeben werden wird, als Sie jetzt zu denken scheinen – der Herr Superintendent fuhr in äußerster Entrüstung fort, und – es thut mir leid, es sagen zu müssen – er hatte in der That recht.«

 

»Herr Pastor.«

»Ja ja, lieber Hennig, ich habe sonst, wie Sie recht gut wissen, nur sehr wenig gegen die Art einzuwenden, wie Sie Ihre Schule halten – gar nichts dabei gegen Ihren eignen Fleiß und Eifer, die Unaufmerksamkeit Ihrer Classe war aber heute wirklich auffallend, und ich kann es dem Herrn Superintendenten gar nicht verdenken, daß er ein paar tadelnde Worte darüber sprach, ja ich glaube, es ist sogar, was er gethan, nur seine Pflicht und Schuldigkeit gewesen.«

»Herr Pastor,« nahm da Hennig ernst und ruhig das Wort, »ich glaube, daß Sie es gut mit der Schule – und auch mit mir meinen; ich will es wenigstens hoffen, denn ich habe gerade Ihnen noch nie Gelegenheit zum Gegentheil gegeben. Das Herz in der Brust thut Einem aber weh, wenn man sich nun das ganze Jahr in der Schule müht und quält, seine besten Kräfte, seine besten Lebensjahre daran wendet, etwas Tüchtiges und Ordentliches aus den Kindern zu ziehen – wenn man den richtigen Saamen in ihre Seele gelegt, und dafür auch deren leiseste fernste Seelenkräfte kennen gelernt hat, und nun einen Mann hereinkommen sieht, den Gott – Sie verzeihen mir den Ausdruck – zufällig zum Superintendenten gemacht, der von der Schule nur wenig, von der Behandlung der Kinder gar Nichts versteht, seine eigenen selbstsüchtigen Ansichten mit herein bringt, überall anstößt, von den Kindern heimlich ausgelacht wird, da sie, bei den Blößen, die er giebt, bald durchschauen müssen, was eigentlich hinter ihm steckt, und der denn doch Macht und Gewalt genug hat, gerade den, den die Schüler am höchsten achten sollten, ihren Lehrer, in den Staub nieder zu treten und zu vernichten. Gerade der Uebermuth, Herr Pastor, ist es, der endlich selbst einem armen Dorfschulmeister hat den Nacken heben, und das unerträgliche Joch fühlen lassen, und das muß abgeschüttelt werden, Herr Pastor, oder nicht allein wir, das wäre das wenigste, und Deutschland brauchte nicht zu trauern, nein, die ganze künftige Generation geht zu Grunde, und muß zu Grunde gehen. Der Fluch komme dann auf die Häupter derer, die es verschuldet.«

»Daß die Kinder unaufmerksam wurden,« fuhr er nach einer Pause von wenigen Secunden fort, »ist kein Wunder – sie waren abgespannt – der Religionsunterricht vorher, dann die Verstandesübungen, dann wieder Religionsunterricht, wo soll da die Aufmerksamkeit herkommen? Danach aber fragt der Superintendent nicht – wie sein Wort die Dienste des Lehrers fesseln kann, glaubt er auch den Geist der Kinder in der Hand zu haben; der aber ist leicht und fröhlich, und wenn ihn die Krause auch schrecken kann, fassen und unterdrücken wird sie ihn nur langsam und nur – nach einem systematischen Mordplan – dem er endlich unterliegen muß.«

»Sie gebrauchen etwas starke Ausdrücke, lieber Hennig, aber ich will das Ihrer jetzigen Aufregung zu Gute halten, und Ihnen einen Vorschlag machen, der vielleicht nicht allein die ganze eben vorgefallene Geschichte mit dem Herrn Superintendenten, und zwar selbst bei diesem in Vergessenheit bringt, sondern Ihnen auch von wesentlichem Nutzen sein kann. Ich wenigstens weiß nichts auf der Welt, was ich Ihnen abschlagen könnte, wenn Sie nur dieß eine Mal diesem, meinem Rathe folgen wollten.«

»Und der wäre?« sagte Hennig aufmerksam werdend und gespannt – »ich habe doch sonst in allen Stücken, Herr Pastor, gerade Ihrem Rathe so gern und willig Folge geleistet.«

»Ja – allerdings – in fast allen Stücken – nur in dem einen nicht, und doch könnte gerade dieses eben jetzt die Folge recht böser und unangenehmer Folgen für Sie sein – Sie verstehen was ich meine?«

Der Lehrer nickte traurig und schweigend mit dem Kopfe, und sagte endlich, nachdem er lange und sinnend vor sich niedergestarrt:

»Aus dem Herzen soll ich all' meine Hoffnung, mein festes heiliges Vertrauen auf eine Zukunft reißen, elend und arm soll ich, mich selbst verachtend, dastehen in der Welt, und – dafür wollen Sie ein hastig gesprochenes Wort vergessen, und mir wieder gnädige – Herren sein.«

»Herr Hennig!«

»Zürnen Sie mir nicht, Herr Pastor, daß ich nicht anders handle, als ich es eben thue – wäre ich hier schwankend, wer bürgte Ihnen dann dafür, daß ich in meinem Eifer, in meiner Liebe zu den mir anvertrauten Kindern nicht auch schwankend würde? Lassen Sie mich auf meiner Bahn fortschreiten, und Alles über mich ergehen, was da ergehen soll – ich fürchte überdieß, daß ich den Leidenskelch noch nicht geleert. – Mag der Herr Superintendent sein Aeußerstes thun, was jedenfalls geschehen wird, wenn ich ihm nicht morgen spätestens zu Füßen falle und um Verzeihung bitte – mag er die Blitze des Consistoriums auf mich herab beschwören, ich bleibe meinen Ansichten treu, und gerade Sie, Herr Pastor, zu dessen besten Eigenschaften seltne Charakterfestigkeit gehört, werden mir darüber am wenigsten zürnen dürfen.«

»Ich weiß nicht recht,« sagte der geistliche Herr, keinesfalls mit dem Resultat zufrieden, und halb verlegen lächelnd, »ob die ›beste Eigenschaft‹ eine Schmeichelei oder eine – Grobheit für mich sein soll, will sie jedoch im besten Sinne nehmen. Damit kommen Sie übrigens nicht durch, Hennig – damit kommen Sie nicht durch. – Wenn ein vernünftiger Mensch mit dem Kopfe absolut durch eine Wand fahren will, so prüft er wenigstens vorher, ob sie aus Stein oder Lehm besteht, und ist das erstere der Fall, so giebt er es auf – oder er ist eben kein vernünftiger Mann mehr. Sie, lieber Hennig, wollen mit dem Kopfe durch eine solide Steinwand brechen, erlauben Sie mir aber die Bemerkung, daß der Stein doch noch etwas härter ist, als Ihr Kopf, und das Resultat kann da, nach allen Gesetzen der gesunden Vernunft, auch nicht im Mindesten mehr zweifelhaft sein. Ich meine es gut mit Ihnen, und würde Ihre Beförderung zu einer besseren Stelle mit Freuden gesehen haben, stoßen Sie aber jede Hand, die Ihnen Hülfe bietet, gewaltsam von sich, so wundern Sie sich auch nicht, wenn sich Ihr Schicksal, wenigstens nicht in nächster Zeit so günstig gestalten sollte, als Sie es vielleicht wünschen. Ich will Sie jetzt mit Ihren Gedanken allein lassen – überlegen Sie sich noch einmal, was ich Ihnen gesagt – auch nicht einmal ein Zugeständniß verlange ich dann von Ihnen, nur Ihr Betragen, nur Ihre ganze Handlungsweise mag mir in nächster Zeit beweisen, ob Sie zur Vernunft gekommen sind, ob Sie den Versuch mit der Mauer noch wirklich machen wollen.«

Er verließ die Schule, und Hennig stand in dem öden, leeren Raum allein.

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