In Amerika

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In Amerika.

Amerikanisches Lebensbild aus neuerer Zeit.

Im Anschluss an „Nach Amerika!“

von

Friedrich Gerstäcker

Gesammelte Schriften

Zweite Serie. 19. Band

Volks- und Familien-Ausgabe

H. Costenoble, Jena

Friedrich-Gerstäcker-Gesellschaft e.V., Braunschweig

Ungekürzte Ausgabe nach der von Friedrich Gerstäcker für die Gesammelten Schriften, H. Costenoble Verlag, Jena, eingerichteten Ausgabe „letzter Hand“ herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von Thomas Ostwald und Prof. Dr. Wolfgang Hochbruck.

Ausgabe letzter Hand, ungekürzt, mit den Seitenzahlen der Vorlage

Gefördert durch die Richard-Borek-Stiftung und

Stiftung Braunschweigischer Kuilturbesitz

Friedrich-Gerstäcker-Gesellschaft e.V., u. Edition Corsar 2020

Geschäftsstelle Am Uhlenbusch 17, 38108 Braunschweig

Alle Rechte vorbehalten © 2020

ERSTES KAPITEL
Eine Menschenjagd.

„Hupih! Hu! Meine Hunde – huh! Huh! Fass’! fass’. So recht, Bull! Such’, mein Tier – so recht, Nigger! Such’, mein Hund! Lass’ ihn nicht aus. Die Kanaille kann nicht mehr weit sein, Gentlemen – er scheint hier Kreuz- und Quersprünge gemacht zu haben, um uns irre zu führen. Das ist immer ein gutes Zeichen. In einer Stunde haben wir ihn.“

„Glaubt Ihr, Sherard?“, rief ein junger Mann in einem breitrandigen Panamahut, eine riesige Peitsche in der Hand, und zwei Revolver mit Elfenbeingriffen in seinem Gürtel steckend, indem er seinen braunen Hengst unmittelbar neben jenem einzügelte. „Zehn Dollar leg’ ich Euch noch zu, wenn Ihr wahr sprecht!“

„Habt keine Angst, Mr. Harper“, lachte der erste der Reiter, der aber eigentlich gar nicht einem südlichen Pflanzer glich, sondern eher, im Aussehen wie seinem Dialekt nach, den Yankeestaaten entstammt schien. „I guess we’ll tree him directly1. – Da geht Nigger wieder. By God, er ist rechts abgesprungen.“

„Aber die Hunde haben die Spur schon wieder verloren!“ rief der junge Harper, indem er den Boden überall mit den Blicken absuchte, als ob er selber da im Stande wäre, eine Fährte zu erkennen.

„Halt, Gentlemen, halt!“, rief da der Yankee, indem er den Arm empor hob und vier oder fünf Reiter, die jetzt angesprengt kamen und augenscheinlich zu dem Zug gehörten, zurückzuhalten suchte. „Wir dürfen nicht weiter reiten oder wir machen die Hunde irre. Nur einen Augenblick Geduld, sie werden die Spur gleich wieder haben.“

Waren es Jäger? Keiner von ihnen trug eine Büchse oder ein sonstiges Gewehr; auch die Hunde waren keine eigentlichen Bracken, wie man sie sonst so häufig zur Hetzjagd in diesen Wäldern benutzt, sondern ein paar, übrigens prachtvolle, Rüden, mit einer Form, ähnlich wie unsere deutschen glatthaarigen Hühnerhunde, nur von schwererem Behäng und etwas höheren Läufen, wie mehr eingedrückter Nase und fast „Bulldog“-artigem Gebiß.

Der eine von ihnen, ,Nigger’, mit dem Schimpfwort der Neger genannt, war rabenschwarz, nur mit einem kleinen weißen Stern vorn an der Stirn, wie einem weißen Vorderfuß; Bull, der zweite, rotbraun und schwarz gefleckt, hatte merkwürdigerweise ebenfalls das Abzeichen am linken Vorderfuß. Es schienen ein paar wilde Bestien, das sah man ihnen auf den ersten Blick an; die rotfunkelnden Augen blitzten ordentlich in Hass gegeneinander, wenn sie sich auf der jetzt wirren Suche einmal in Haß und Gier kreuzten, und schärfer als ein Wolfsgebiß kamen dann die weißen langen Fänge zum Vorschein.

Die Hunde schweiften eine Strecke rechts ab, aber keineswegs auf der Spur, die da jedenfalls wieder verlief, als der eine der alten Ansiedler, der die Hetze begleitete, einer der reichsten Plantagenbesitzer hier in der ganzen Nachbarschaft, ausrief:

„Hallo, Mr. Sherard – sehen Sie einmal hier die niederhängende Rebe. Ist der Schuft dort hinüber gelaufen und hat die Rebe ein Stück mitgenommen, so kann er sich recht gut einen Schwung nach d e r Richtung gegeben haben. Die Kanaillen sind mit allen Teufeln gehetzt.“

„By God! Das ist möglich!“, rief der Yankee, indem er näher an die Stelle hinanritt.

„Dann ruft Eure Hunde zurück und bringt sie dort hinüber, denn wir vertrödeln zuviel Zeit, und gewinnt er das Wasser, so können wir nur ruhig nach Hause zurückreiten.“

Die Hunde kamen schon von selber; sie hatten in einem Kreis dort doppelt abgesucht und sich vollständig überzeugt, dass nach jener Seite hin keine Fährte weiter lag: kaum aber mochten sie zwanzig Schritt über den Kreis, nach der anderen Richtung hinaus sein, an dem sie vorhin irre geworden, als der eine von ihnen, Nigger, ein kurzes Brummen ausstieß und mit der Nase dicht am Boden hinfuhr.

„Hupih! Fass’ ihn, mein Hund! Hupih!“, schrie der Yankee, sich hoch im Sattel aufrichtend. „Huh! Huh!“, setzte er mit seiner gellenden und weithin durch den Wald schallenden Stimme hinzu. „Hupih! J e t z t haben wir ihn, Gentlemen – vorwärts – hupih! Meine Hunde....“. Und seinem Tier den nur am linken Hacken angeschnallten Sporen einsetzend, flog er, von den Gefährten dicht gefolgt, jetzt wieder in voller Hetze hinter den flüchtig davongehenden Hunden her.

Der Wald von Georgia, einem der südlichen, damals mit der Union noch im Kampf befindlichen Staaten von Nordamerika2, lag in der vollen Pracht seiner herbstlichen Färbung, und so still und scheinbar unberührt, als ob jetzt nicht da droben im Norden, in dem ganzen weiten Land die Kriegsfurie wütete, und die blutgetränkten Berge das Echo donnernder Feuerschlünde wiedergäben.

Es war der leise zum Savannafluß abdachende Hang, der sich nach Südost und dem Meer zu, später zu weiten, ausgedehnten Mooren und Sümpfen breitete, hier aber noch, bei trockenerem Boden, in aller Pracht einer schon halbtropischen Welt lag und trotz der vorgerückten Jahreszeit (Dezember des Jahres 18633) dem Wald durch seine immergrünen Magnolien den Glanz und die Zier des Frühlings lieh.

Weite Strecken füllte hier dieser prachtvolle Baum mit seinen silbergrauen Stämmen, und wenn er auch jetzt gerade nicht mit den herrlichen weißen und duftenden Blumen in Blüte stand, sondern nur die tannzapfartigen Fruchtkolben mit ihren herausquellenden purpurroten Kernen von den Zweigen niederhingen, so boten doch die dickfleischigen, glänzend grünen Blätter einen gar so freundlichen Anblick, und dazwischen wehte dann in zierlichen Festons4 das silbergraue Moos, der sogenannte „Spanische Bart“, und füllte manche von den Wipfeln so vollkommen aus, dass auch kein Sonnenstrahl zwischen den Zweigen durch zur Erde fallen konnte.

Gewaltige Schlingpflanzen zogen sich dabei in die Wipfel hinein und rankten oft in weiten Schwingungen von einem Stamm zum anderen, und den Boden deckte leichtes Unterholz mit hie und da an den niederen Stellen emporwuchernden und fächerartigen Palmito-Blättern.

Und stille Ruhe herrschte in dem herrlichen Wald; hie und da huschte wohl dann und wann einmal ein kleines graues Eichhörnchen durch das trockene, über den Boden gestreute Laub, oder ein blauer Häher spottete den Ruf des Falken nach, der hoch in der Luft über die Hänge strich.

Da – schwere, sprungartige Schritte im Laub, die näher und näher kommen; und aus dem Dickicht bricht, Angst und Entsetzen in den braunen, jetzt aber fast aschgrauen Zügen, ein Mensch, ein gehetzter Mensch hervor, der wohl kein weiteres Verbrechen begangen hatte, als dass er eine schwarze statt einer weißen Haut im Leben trug. Es war ein Mann vielleicht in den vierziger Jahren, kein echter Vollblutneger mit breit gedrückter Nase und wulstigen Lippen, sondern ein Mulatte, von ziemlich dunkler Färbung allerdings, aber mit einem sonst ganz intelligenten, jetzt freilich von Angst und Todesfurcht entstellten Gesicht.


Steckbrief eines gesuchten Sklaven

Es schien eine kräftige, muskulöse Gestalt, die aber wohl fast Übermenschliches geleistet hatte, denn jetzt hielt der Unglückliche und stützte sich mit der Hand an einen der Magnolienstämme, wie um einen Moment zu rasten und nur erst wieder einmal frischen Atem zu schöpfen. So lange seine Muskeln und Sehnen in Bewegung geblieben waren, mochte ihn die Aufregung mit fast unnatürlicher Anstrengung in Gang gehalten und die Sehnen gewissermaßen gezwungen haben, ihren Dienst zu leisten. Jetzt dagegen, wo ihnen, wenn auch nur auf kurze Frist, Ruhe gegönnt wurde, erschlafften sie, und halb bewusstlos sank der Verfolgte in sich am Fuß des Stammes, an dem er lehnte, zusammen.

Wohl eine Viertelstunde mochte er so gelegen haben; die abgearbeitete Brust begann etwas ruhiger zu atmen, und aus einem neben ihm liegenden Rindenstück, in dem der letzte Regen etwas Wasser zurückgelassen, schlürften die trockenen Lippen die Feuchtigkeit auf. Da fuhr er plötzlich jäh und scheu empor – die blutunterlaufenen Augen wandten sich angstvoll der Gegend zu, von der er gekommen, und sekundenlang horchte er mit peinlicher Spannung dem geringsten Geräusch und wandte nur einmal rasch und erschreckt den Kopf, als dicht neben ihm, im nächsten Busch, eine kleine Eidechse blitzschnell über die Wurzel des Baumes hinglitt und unter dieser verschwand.

Da – wieder der lang gezogene, wenn auch noch weit entfernte Laut.

„Oh Du großer Gott!“ stöhnte der unglückliche Mulatte und barg sein Antlitz für kurze Sekunden in den Händen – aber auch nur für Sekunden, denn wieder klang der Ton durch den Wald, der ihm das innere Herzblut erstarren machte, und sich vom Boden emporraffend, floh er noch einmal in wilder Hast in das Dickicht hinein.

 

Momentan lag der Wald jetzt wieder so still als vorher – die Grillen zirpten in den Bäumen, der Häher kreischte, und oben aus dem Wipfel eines Pecannußbaumes5 fielen die Schalen der Früchte in das dürre Laub nieder, die sich ein Eichhorn dort oben gepflückt und aufgeknackt hatte. Aber deutlicher schallten jetzt die Menschenstimmen durch die Wildnis – das laut ausgestoßene „Hupih!“ der Verfolgenden ließ sich schon bis hierher vernehmen, ja bald sogar das gierige Winseln der auf der Fährte heranhetzenden Bluthunde unterscheiden.

Und nun brachen und knackten die Büsche – der Häher strich kreischend ab und ließ seinen ängstlichen Warnungsruf erschallen: das Eichhörnchen hielt mitten im Knacken ein und horchte erstaunt nach den fremdartigen Lauten nieder, und aus dem Dickicht hervor sprangen die Hunde, die stumpfen Nasen dicht am Boden, bis zu dem Baum, unter welchem der Mulatte gelegen. Hier aber hielten sie plötzlich; die Spur wurde zu frisch und warm, und ordentlich gierig bohrten sie ihr Gefänge in das Laub hinein, als ob sie darunter hervor das Opfer wühlen könnten.

Dicht hinter ihnen kamen die Reiter.

„Hallo!“, rief Harper, indem er sich hoch im Sattel emporrichtete. „Hat der Schuft da aufgebaumt?“ Der Yankee schüttelte mit dem Kopf.

„Nein“, sagte er. „Nur hier im Laub gelegen; ich denke, er wird matt und ist auch wohl nur frisch aufgesprungen, als er uns in der Ferne hörte. Jetzt haben wir ihn bald, Gentlemen – ich garantiere Ihnen, dass es keine Viertelstunde mehr dauert; und nun ist er auch nicht mehr imstande, den Fluss zu erreichen, ehe wir ihm auf den Hacken sitzen. Hupih! Meine Hunde! Vorwärts! Huh! Huh!“

Bull hatte schon, während Nigger noch mit augenscheinlicher Gier den warmen Geruch des Feindes einschnüffelte, den Kreis um den Baum abgesucht, aber auch rasch wieder die Fährte gefunden, und wie er nur den ersten Laut gab, war auch Nigger an seiner Seite. Dorthin schossen sie, und hinter ihnen her mit jauchzendem und gellendem Jubelruf, die berittenen Truppen der – Henker.

Die Jagd dauerte in der Tat nicht mehr lange. Das abgehetzte menschliche Wild konnte seinen schnellfüßigen Verfolgern nicht mehr lange ausweichen, so oft es auch noch versucht zu haben schien, an passenden Plätzen seitab zu springen und dadurch jene entsetzlichen blood hounds – wenigstens auf eine Zeit lang – irre zu führen. Nach ein paar Kreuz- und Quersprüngen trafen sie immer gleich wieder den richtigen Punkt und brachen, je wärmer die Fährte wurde, nur so viel wütender hinterdrein.

„Wenn die Hunde mit ihm aufkommen“, sagte der junge Harper, der mit dem alten Mr. Taylgrove an Sherards Seite galoppierte, „so werden wir doch nichts von ihm haben, denn sie reißen ihn jedenfalls in Stücke.“

„Tot oder lebendig war der Contract, Gentlemen“, sagte der Yankee, der sich hier in den südlichen Staaten anfangs mit Sklavenhandel, d.h. mit dem Detailgeschäft6, befasst hatte und jetzt, da es damit nicht mehr so gut ging wie früher, ein halb Dutzend echte Bloodhounds hielt.7 Es war auf die Neger kein rechter Verlass mehr, und deshalb ratsam, etwaigen Fluchtgelüsten derselben stets so rasch als möglich zu begegnen.

„Tot oder lebendig?“, rief Harper lachend. „Ei gewiss, Sherard, das war der Contract und soll so bleiben; glaubt Ihr, dass ich mich um dessen braune Haut sorge?“

„Es ist auch nur ein freier Neger“, warf Taylgrove ein, „der überhaupt in diesen Distrikten gar nichts zu suchen hat – es geschieht deshalb keinem Menschen ein Schaden, als ihm selber. Aber was haben die Hunde? – Doch nicht wieder die Spur verloren?“

„Sie sind unsicher geworden“, erwiderte Sherard, der zu den Bloodhounds jetzt hinangaloppierte. „Was gibt’s, Nigger? – Was habt ihr Bestien? – Komm, Bull, such’ hübsch, huß, fass’, mein Hund – Du sollst Dir auch ein richtiges Maul voll aus ihm herausnehmen dürfen.“

Die Hunde schienen aber wirklich die Fährte wieder verloren zu haben, und Sherard winkte seinen Begleitern, die vorher zurückgeblieben, mit aufgehobenem Arm, damit sie die hier unsicher gewordenen Spuren nicht zerstörten. Da richtete sich Nigger plötzlich mit beiden Vorderfüßen an dem nächsten Baume empor und zog die Luft ein; in demselben Moment schrie auch einer der jetzt herankommenden Reiter:

„Dort ist er! Da oben sitzt er – hip hip hip Hurra! Wir haben die Kanaille!“

Im Nu warfen die Reiter ihre Pferde herum und ritten ein Stück zurück, um einen besseren Überblick über den bezeichneten Baum zu gewinnen. Es dauerte denn auch nur sehr kurze Zeit, bis sie in dem Wipfel eines wilden Maulbeerbaumes die dunkle, zusammengekauerte Gestalt des Mulatten erkannten. Der Stamm des Maulbeers war allerdings ziemlich stark, und es würde selbst einem jungen und unerschöpften Menschen schwer geworden sein, soweit daran hinaufzuklettern, um die ersten, unten auszweigenden Äste zu erreichen. Dicht darunter stand aber ein niedriger Dogwoodbaum , der sich ziemlich leicht ersteigen ließ, während der eine Ast des Maulbeers unmittelbar über dessen Wipfel hinlag und von dort nicht allein sehr leicht erreicht werden konnte, sondern auch noch durch eine niederhängende Rebe die beste und sicherste Hilfe bot, sich hinauf zu schwingen.

Diese Hilfsmittel musste der zum Tod Erschöpfte benutzt haben, um einen Platz zu erreichen, der ihn wenigstens außer den unmittelbaren Bereich der gefürchteten Hunde brachte, denn dass er den Verfolgern damit nicht entrinnen konnte, wusste er gut genug. Er war seinem Geschick verfallen – und Gerechtigkeit? – Du großer Gott, er hatte als N e g e r die Meute der W e i ß e n hinter sich, die durch den Krieg mit den Nordstaaten und durch die Proklamierung der Negerfreiheit kurz vorher , an ihrem sämtlichen Vermögen und ,Eigentum’ bedroht und wütend und erbittert waren, und dass er von denen kein Erbarmen hoffen durfte, lag auf der Hand. Wie er da oben, zum Tode ermattet, und mit kaum noch Kräften genug, sich nur an den Zweigen festzuhalten, in dem Baume hing, kam ihm auch wohl der Gedanke, ob es nicht besser sei, rasch unter den scharfen Fängen der mordgierigen Bestien zu verbluten, als sich erst noch langsam zum Galgen schleppen zu lassen; aber es war das wenigstens a u g e n b l i c k l i c h e Rettung, und wer hinge nicht so am Leben, dass er die Stunde seines Todes, so lange es in seinen Kräften steht, nicht hinauszögerte!



Ein nordamerikanischer Sklave mit den Narben von Peitschenhieben

„Haha, mein Bursch!“, rief da Taylgrove, indem er einen seiner Revolver rasch aus dem Halfter riss und mit der gespannten Waffe nach dem also Gestellten zielte. „Soll ich Dich von droben wie einen wilden Truthahn herunter schießen, oder willst du gutwillig herabsteigen und Dich in Dein Schicksal ergeben? Du siehst, Du kannst nicht mehr fort, und Widerstand ist eben so nutzlos.“


Sklavenauktionshaus in Atlanta, Georgia

„Oh Massa, Massa!“, bat der Unglückliche, oben im Baume mit matter, flehender Stimme. „ W a s habe ich denn getan, dass Ihr mich hier durch den Wald mit den schrecklichen Hunden hetzt, als ob ich einen Menschen totgeschlagen hätte – was habe ich denn getan, was verbrochen?“

„Was Du verbrochen hast, mein Bursche?“, rief der junge Harper, indem er jetzt ebenfalls mit seinem Revolver unter dem Baume Posto fasste. „Hast Du nicht den Aufruhr unter unseren Negern in Belleville gepredigt; hast Du ihnen nicht erzählt, dass sie frei wären und machen könnten, was sie wollten, also auch ihre bisherigen Herren totschlagen und ihre Pflanzungen plündern?“

„Oh no, no, no, Massa!“, rief der Mulatte entsetzt aus. „Gepredigt habe ich zu ihnen gestern, am heiligen Sonntag, aber nur gute Worte. Ich habe ihnen gesagt, dass die weißen Männer im Norden erklärt hätten, sie sollten frei sein.“

„Nun siehst Du, Schuft!“, schrie Taylgrove voller Wut. „Und Du fragst noch, was Du getan hast?“

„Aber ich habe sie ermahnt, Massa, dass sie ruhig ausharren und gehorsam ihre Arbeit tun sollten, bis das Gesetz im Land geregelt ist.“

„Das lügst Du, Schuft!“, rief da der junge Harper. „Du hast ihnen gesagt, es könnte sie Niemand mehr z w i n g e n zu unbezahlter Arbeit.“

„Aber trotzdem sollten sie sie verrichten, Massa, habe ich ihnen gesagt“, rief der arme Teufel in Todesangst, „um keine Ursache zur Klage zu geben und in Frieden mit ihrem bisherigen Herrn zu leben.“

„Und brauchen wir D i c h dazu, Lump!“, rief einer der anderen Pflanzer. „Um unsere Leute gegen uns aufzuhetzen und ihnen Albernheiten und Lügen vorzuerzählen? Kümmert u n s das, was die schuftigen Yankees droben im Norden befehlen? Verdammt der Neger, der seinen Gehorsam weigert – an dem nächsten Baum hängt sein Strick, und gerade solche Kanaillen, wie Du eine bist, sind es, die unsere Leute zu Rebellen machen wollen.“

„Oh, Massa, Massa“, bat der Unglückliche, „ich habe es ja nicht so bös’ gemeint und gerade geglaubt, dass ich Gutes damit stifte. Ich sprach ja doch auch zu ihnen vom lieben Gott, wie der so lange die Sklaverei geduldet habe, und dass sie nicht mit eigener, frevelnder Hand seinem Willen und Endziel vorgreifen sollten.“

„Herunter mit Dir, Schuft!“, schrie Taylgrove, den Revolver wieder gegen ihn hebend. „Oder ich schieße Dich dort herunter wie ein faules Coon.“8

Die Hunde hatten, wie der Mulatte nur den ersten Laut von sich gab, in wilder Wut, wenn auch nur vergebliche Versuche gemacht, an dem Baum hinauf zu springen; jetzt kratzten sie die Rinde, bissen vor Ingrimm in die Wurzeln und verrieten deutlich genug, wie sie den Verfolgten behandeln würden, wenn er in ihren Bereich käme.

„Oh, Massa“, bat da der Mulatte, „ich will ja herunter kommen; ich weigere mich ja nicht, aber nehmt nur erst die schrecklichen Hunde fort.“

Über Taylgroves Züge zuckte ein verächtliches Lächeln, und seinen Revolver wieder in den Holfter zurückschiebend, sagte er:

„Wir müssen den Burschen lebendig mit nach Belleville hineinbringen; so nehmt Eure Hunde an die Leine, Sherard, oder sie reißen ihn in Stücke und wir haben nachher nicht den Spaß, ihn hängen zu sehen.“

„Und sollen wir uns mit der Bestie noch lange herumschleppen?“, rief Urguard, einer der anderen Pflanzer.

„Schon des Beispiels für unsere Leute wegen“, erwiderte Taylgrove, „wenn er vor ihren Augen gehangen wird, macht das einen viel besseren Eindruck auf sie, als wenn wir ihn hier am Wald abfertigen, so dass sie ihn nicht mehr sehen und es am Ende nicht einmal glauben.“

„Es wird schwer sein, die Hunde jetzt zurückzuhalten“, meine Sherard. „Wir haben sie gehetzt und angefeuert, und wenn man ihnen dann einmal ihren freien Willen lässt, gehen sie das nächste Mal auch um so viel feuriger auf eine frische Fährte.“

„Das geht uns aber nichts an, Mr. Sherard“, sagte Taylgrove finster; „wir sind nicht hier herausgekommen und zahlen Euch nicht dafür, um Eure Hunde zu dressieren, sondern wir wollen so handeln, wie es unseren Interessen am besten zusagt, und die erfordern diesmal, dass wir den Burschen lebendig nach Belleville hineinschaffen. Hätten sie ihn im offenen Walde erwischt und niedergerissen, nun gut, dann ließ’ sich eben an der Sache nichts mehr ändern, und wir würden uns mit dem Kadaver begnügt haben, jetzt aber ist’s besser so, und ich bitte Euch deshalb, die Hunde festzunehmen.“

Die Bitte war mit einem so befehlenden Ausdruck gegeben, dass sie keinen Widerspruch duldete. Sherard, der nur ärgerlich die Zähne zusammenbiss, wusste recht gut, dass die hochmütigen Pflanzer mit Verachtung auf ihn herabsahen, und es wäre z.B. keinem von ihnen allen eingefallen, ihn je in ihr Haus einzuladen und an ihren Tisch zu ziehen. Er wurde nur benutzt, wenn man ihn brauchte – aber gleiches Interesse leitete ja auch ihn. Was kümmerte ihn das stolze, eingebildete Aristokratenpack, wie er es nannte; stak denn auch nur für einen Cent Wert republikanischer Geist in ihnen? Gott bewahre, die hätten am liebsten einen Kaiser oder König für das ganze Reich gehabt, wenn sie nur den richtigen Mann gefunden, der sie in ihren Privilegien schützte – aber auch er brauchte und benutzte sie zu seinem Zweck: Geld zu verdienen, und die Gelegenheit dafür war jetzt überhaupt nicht mehr so günstig, als dass er ihnen gerade in dieser Zeit hätte den Stuhl vor die Tür setzen dürfen.

 

Einen Moment zögerte er allerdings noch, aber er sah auch keinen anderen Ausweg; und endlich langsam von seinem, mit weißem Schaum bedeckten, Tier absteigend, warf er dessen Zügel um einen Busch, knüpfte dann von seinem Sattel die darangeschnürten Leinen los und suchte jetzt die Hunde wieder fest zu bekommen, was sich aber als eben kein so leichtes Stück Arbeit zeigte. Die Bestien waren in voller Aufregung und Wut; sie witterten ihre Beute da oben in den Zweigen und sie wussten, dass er von da oben herunter musste, denn wie viele unglückliche Opfer hatten sie schon so gestellt. Die bereitgehaltenen Leinen kannten sie aber eben so genau, und als sich Sherard dem ersten, Nigger, näherte, wandte sich dieser gegen ihn, fletschte die Zähne und nahm eine entschieden drohende Haltung ein – und wie ingrimmig die blutunterlaufenen, tückischen Augen dabei den eigenen Herrn anblitzten!

Sherard wandte sich jetzt zu dem anderen und es gelang ihm endlich den etwas mehr phlegmatischen Bull fest und an die Leine zu bekommen. Nigger wollte sich aber trotzdem noch nicht fügen, und der Yankee musste zuletzt wirklich erst in den Sattel steigen und Bull mit fortführen, wonach dann endlich dessen Gefährte, wenn er auch noch verlangende Blicke nach dem Baum hinaufwarf, folgte und später, eine Strecke weit drinnen im Wald und aus der Sicht seines Opfers, ebenfalls angelegt werden konnte. Es war ein gefährliches Hantieren mit diesen Bloodhounds.

Der Mulatte getraute sich indessen noch immer nicht herunter, denn der Hund konnte noch zurückkehren; Taylgrove hatte aber die Geduld verloren und auf seine erneute Drohung ließ sich denn endlich der unglückliche Neger, der sich rettungslos in der Gewalt seiner erbarmungslosen Feinde sah, an einer der an dem Baum niederhängenden Reben zu Boden nieder, wo er ohne Weiteres von Zweien der Abgesessenen gefasst und gebunden wurde und jetzt mit auf den Rücken geschnürten Armen seinen Heimweg zwischen zweien der Pferde antreten musste.

Allerdings rissen die Hunde, als sie von ihm die Witterung bekamen, wieder heftig an der Leine und Sherard selber wäre im Sattel wohl kaum imstande gewesen, die starken Tiere, die mit vereinter Kraft anzogen, zurückzuhalten, hätte er nicht schon gleich von vornherein die Vorsicht gebraucht, das Ende der Leine in dem großen Ring seines spanischen Sattelgurts zu befestigen. Jetzt lehnte sich das Pferd selber gegen den Druck, und die beiden Tiere waren nicht mehr imstande, auch nur einen Fuß breit Raum zu gewinnen.

Für den Augenblick war der gefangene Mulatte der Gefahr entgangen – aber auch nur für den Augenblick, denn was ihn in Belleville erwartete, wenn er dort eingebracht und von einer Jury der Sklavenhalter abgeurteilt wurde, wusste er gut genug. Was lag diesen Herren des Südens an einem Menschenleben, wo in der Sklavenfrage ihre ganze Existenz, ihr ganzes Eigentum auf dem Spiele stand – und nun erst gar das Leben eines Schwarzen oder von Negerblut Abstammenden. Es war nicht der Rede, kaum eines Gedankens wert, da nicht einmal ein bestimmter Eigentümer des Burschen pekuniären Verlust durch seinen Tod erlitt – er trug ja seinen Freipass und das Zeugnis, dass er sich durch fleißige Extraarbeit losgekauft, bei sich.

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