Nietzsche contra Wagner

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LUNATA


Nietzsche contra Wagner

Nietzsche contra Wagner

Aktenstücke eines Psychologen

© 1895 Friedrich Wilhelm Nietzsche

Überarbeitete Neuauflage

© Lunata Berlin 2020

Inhalt

Vorwort

Wo Ich Bewundere

Wo Ich Einwände Mache

Wagner Als Gefahr

Eine Musik Ohne Zukunft

Wir Antipoden

Wohin Wagner Gehört

Wagner Als Apostel Der Keuschheit

Wie Ich Von Wagner Loskam

Der Psycholog Nimmt Das Wort

Epilog

Über den Autor

Vorwort

Die folgenden Kapitel sind sämtlich aus meinen älteren Schriften nicht ohne Vorsicht ausgewählt – einige gehn bis auf 1877 zurück –, verdeutlicht vielleicht hier und da, vor allem verkürzt. Sie werden, hintereinander gelesen, weder über Richard Wagner noch über mich einen Zweifel lassen: wir sind Antipoden. Man wird auch noch andres dabei begreifen, zum Beispiel, daß dies ein Essay für Psychologen ist, aber nicht für Deutsche... Ich habe meine Leser überall, in Wien, in St. Petersburg, in Kopenhagen und Stockholm, in Paris, in New York – ich habe sie nicht in Europas Flachland Deutschland... Und ich hätte vielleicht auch den Herrn Italienern ein Wort ins Ohr zu sagen, die ich liebe, ebenso sehr als ich... Quousque tandem, Crispi... Triple alliance: mit dem »Reich« macht ein intelligentes Volk immer nur eine mésalliance...

Turin, Weihnachten 1888

Friedrich Nietzsche

Wo Ich Bewundere

Ich glaube, daß die Künstler oft nicht wissen, was sie am besten können: sie sind zu eitel dazu. Ihr Sinn ist auf etwas Stolzeres gerichtet als diese kleinen Pflanzen zu sein scheinen, welche neu, seltsam und schön, in wirklicher Vollkommenheit auf ihrem Boden zu wachsen wissen. Das letzthin Gute ihres eignen Gartens und Weinbergs wird von ihnen obenhin abgeschätzt, und ihre Liebe und ihre Einsicht sind nicht gleichen Ranges. Da ist ein Musiker, der mehr als irgendein Musiker seine Meisterschaft darin hat, die Töne aus dem Reich leidender, gedrückter, gemarterter Seelen zu finden und auch noch dem stummen Elend Sprache zu geben. Niemand kommt ihm gleich in den Farben des späten Herbstes, dem unbeschreiblich rührenden Glück eines letzten, allerletzten, allerkürzesten Genießens, er kennt einen Klang für jene heimlich-unheimlichen Mitternächte der Seele, wo Ursache und Wirkung aus den Fugen gekommen zu sein scheinen und jeden Augenblick etwas »aus dem Nichts« entstehen kann. Er schöpft am glücklichsten von allen aus dem untersten Grunde des menschlichen Glücks und gleichsam aus dessen ausgetrunkenem Becher, wo die herbsten und widrigsten Tropfen zu guter und böser Letzt mit den süßesten zusammen gelaufen sind. Er kennt jenes müde Sichschieben der Seele, die nicht mehr springen und fliegen, ja nicht mehr gehen kann; er hat den scheuen Blick des verhehlten Schmerzes, des Verstehens ohne Trost, des Abschiednehmens ohne Geständnis; ja als Orpheus alles heimlichen Elends ist er größer als irgendeiner, und manches ist durch ihn überhaupt erst der Kunst hinzugefügt worden, was bisher unausdrücklich und selbst der Kunst unwürdig erschien – die zynischen Revolten zum Beispiel, deren nur der Leidendste fähig ist, insgleichen manches ganz Kleine und Mikroskopische der Seele, gleichsam die Schuppen ihrer amphibischen Natur –, ja er ist der Meister des ganz Kleinen. Aber er will es nicht sein! Sein Charakter liebt vielmehr die großen Wände und die verwegene Wandmalerei!.. Es entgeht ihm, daß sein Geist einen andren Geschmack und Hang – eine entgegengesetzte Optik – hat und am liebsten still in den Winkeln zusammengestürzter Häuser sitzt: da, verborgen, sich selber verborgen, malt er seine eigentlichen Meisterstücke, welche alle sehr kurz sind, oft nur einen Takt lang – da erst wird er ganz gut, groß und vollkommen, da vielleicht allein. – Wagner ist einer, der tief gelitten hat – sein Vorrang, vor den übrigen Musikern. Ich bewundere Wagner in allem, worin er sich in Musik setzt. –

Wo Ich Einwände Mache

Damit ist nicht gesagt, daß ich diese Musik für gesund halte, am wenigsten gerade da, wo sie von Wagner redet. Meine Einwände gegen die Musik Wagners sind physiologische Einwände: wozu dieselben erst noch unter ästhetische Formeln verkleiden? Ästhetik ist ja nichts als eine angewandte Physiologie. – Meine »Tatsache«, mein »petit fait vrai« ist, daß ich nicht mehr leicht atme, wenn diese Musik erst auf mich wirkt; daß alsbald mein Fuß gegen sie böse wird und revoltiert: er hat das Bedürfnis nach Takt, Tanz, Marsch – nach Wagners Kaisermarsch kann nicht einmal der junge deutsche Kaiser marschieren-, er verlangt von der Musik vorerst die Entzückungen, welche in gutem Gehn, Schreiten, Tanzen liegen. Protestiert aber nicht auch mein Magen? mein Herz? mein Blutlauf? betrübt sich nicht mein Eingeweide? Werde ich nicht unversehens heiser dabei... Um Wagner zu hören, brauche ich pastilles Gérandel... Und so frage ich mich: was will eigentlich mein ganzer Leib von der Musik überhaupt? Denn es gibt keine Seele... Ich glaube, seine Erleichterung: wie als ob alle animalischen Funktionen durch leichte, kühne, ausgelassne, selbstgewisse Rhythmen beschleunigt werden sollten; wie als ob das eherne, das bleierne Leben durch goldne zärtliche ölgleiche Melodien seine Schwere verlieren sollte. Meine Schwermut will in den Verstecken und Abgründen der Vollkommenheit ausruhn: dazu brauche ich Musik. Aber Wagner macht krank. – Was geht mich das Theater an? Was die Krämpfe seiner »sittlichen« Ekstasen, an denen das Volk – und wer ist nicht »Volk«! – seine Genugtuung hat! Was der ganze Gebärden-Hokuspokus des Schauspielers! – Man sieht, ich bin wesentlich antitheatralisch geartet, ich habe gegen das Theater, diese Massen-Kunst par excellence, den tiefen Hohn auf dem Grunde meiner Seele, den jeder Artist heute hat. Erfolg auf dem Theater – damit sinkt man in meiner Achtung bis auf Nimmer-wieder-sehn; Misserfolg – da spitze ich die Ohren und fange an zu achten... Aber Wagner war umgekehrt, neben dem Wagner, der die einsamste Musik gemacht hat, die es gibt, wesentlich noch Theatermensch und Schauspieler, der begeistertste Mimomane, den es vielleicht gegeben hat, auch noch als Musiker... Und, beiläufig gesagt, wenn es Wagners Theorie gewesen ist »das Drama ist der Zweck, die Musik ist immer nur das Mittel« –, seine Praxis dagegen war, von Anfang bis zu Ende, »die Attitüde ist der Zweck; das Drama, auch die Musik, ist immer nur ihr Mittel«. Die Musik als Mittel zur Verdeutlichung, Verstärkung, Verinnerlichung der dramatischen Gebärde und Schauspieler-Sinnenfälligkeit; und das Wagnersche Drama nur eine Gelegenheit zu vielen interessanten Attitüden! – Er hatte, neben allen andren Instinkten, die kommandierenden Instinkte eines großen Schauspielers in allem und jedem: und, wie gesagt, auch als Musiker. – Dies machte ich einmal, nicht ohne Mühe, einem Wagnerianer pur sang klar – Klarheit und Wagnerianer! ich sage kein Wort mehr. Es gab Gründe, noch hinzuzufügen »seien Sie doch ein wenig ehrlicher gegen sich selbst! wir sind ja nicht in Bayreuth. In Bayreuth ist man nur als Masse ehrlich, als Einzelner lügt man, belügt man sich. Man läßt sich selbst zu Hause, wenn man nach Bayreuth geht, man verzichtet auf das Recht der eignen Zunge und Wahl, auf seinen Geschmack, selbst auf seine Tapferkeit, wie man sie zwischen den eignen vier Wänden gegen Gott und Welt hat und übt. In das Theater bringt niemand die feinsten Sinne seiner Kunst mit, am wenigsten der Künstler, der für das Theater arbeitet – es fehlt die Einsamkeit, alles Vollkommne verträgt keine Zeugen... Im Theater wird man Volk, Herde, Weib, Pharisäer, Stimmvieh, Patronatsherr, Idiot – Wagnerianer: da unterliegt auch noch das persönlichste Gewissen dem nivellierenden Zauber der großen Zahl, da regiert der Nachbar, da wird man Nachbar...«

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