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Wird naß! Der Degen kommt nicht aus der Scheide,
Der Witz, der Scharfsinn aber muß heraus.
– Brigella, die versteht's! Die hat's gefunden,
Wie man die Narren sich vom Leibe hält!
Brigella. 's kann Einer ein rechtschaffner Kavalier
Und Ehmann sein und doch die spitz'gen Dinger,
Die Räthsel, just nicht handzuhaben wissen.
Truffaldin. Da siehst du, Kamerad, wie gut und ehrlich
Es die Prinzeß mit ihrem Freier meint,
Daß sie die Räthsel vor der Hochzeit aufgibt.
Nachher war's noch viel schlimmer. Löst er sie
Jetzt nicht, ei nun, so kommt er schnell und kurz
Mit einem frischen Gnadenhieb davon.
Doch, wer die stachelichten Räthsel nicht
Auflöst, die seine Frau ihm in der Eh'
Aufgibt, der ist verlesen und verloren!
Brigella. Ihr seid ein Narr, mit Euch ist nicht zu reden.
– So mögen's denn meintwegen Räthsel sein,
Wenn sie einmal die Wuth hat, ihren Witz
Zu zeigen – Aber muß sie denn die Prinzen
Just köpfen lassen, die nicht sinnreich gnug
Für ihre Räthsel sind – Das ist ja ganz
Barbarisch, rasend toll und unvernünftig.
Wo hat man je gehört, daß man den Leuten
Den Hals abschneidet, weil sie schwer begreifen?
Truffaldin. Und wie, du Schafskopf, will sie sich der Narren
Erwehren, die sich klug zu sein bedünken,
Wenn weiter nichts dabei zu wagen ist,
Als einmal sich im Divan zu beschimpfen?
Auf die Gefahr hin, sich zu prostituieren
Mit heiler Haut, läuft Jeder auf dem Eis.
Wer fürchtet sich vor Räthseln? Räthsel sind's
Gerad, was man fürs Leben gern mag hören.
Das hieß' den Köder statt des Popanz's brauchen.
Und wäre man auch wegen der Prinzessin
Und ihres vielen Gelds daheim geblieben,
So würde man der Räthsel wegen kommen.
Denn Jedem ist sein Scharfsinn und sein Witz
Am Ende lieber, als die schönste Frau!
Brigella. Was aber kommt bei diesem ganzen Spiel
Heraus, als daß sie sitzen bleibt? Kein Mann,
Der seine Ruh liebt und bei Sinnen ist,
Wird so ein spitz'ges Nadelkissen nehmen.
Truffaldin. Das große Unglück, keinen Mann zu kriegen!
(Man hört einen Marsch in der Ferne.)
Brigella. Der Kaiser kommt.
Truffaldin. Marsch ihr in eure Küche!
Ich gehe, meine Hoheit herzuholen. (Gehen ab zu verschiedenen Seiten.)
Zweiter Auftritt.
Ein Zug von Soldaten und Spielleuten. Darauf acht Doctoren, pedantisch herausstaffiert; alsdann Pantalon und Tartaglia, beide in Charaktermasken. Zuletzt der Großkhan Altoum in chinesischem Geschmack mit einiger Übertreibung gekleidet. Pantalon und Tartaglia stellen sich dem kaiserlichen Thron gegenüber, die acht Doctoren in den Hintergrund, das übrige Gefolge auf die Seite, wo der kaiserliche Thron ist. Beim Eintritt des Kaisers werfen sich alle mit ihren Stirnen auf die Erde und verharren in dieser Stellung bis er den Thron bestiegen hat. Die Doktoren nehmen auf ihren Stühlen Platz. Auf einen Wink, den Pantalon gibt, schweigt der Marsch.
Altoum. Wann, treue Diener, wird mein Jammer enden?
Kaum ist der edle Prinz von Samarcand
Begraben, unsre Thränen fließen noch,
Und schon ein neues Todesopfer naht,
Mein blutend Herz von neuem zu verwunden.
Grausame Tochter! Mir zur Qual geboren!
Was hilft's, daß ich den Augenblick verfluche,
Da ich auf das barbarische Gesetz
Dem furchtbaren Fohi den Schwur gethan.
Nicht brechen darf ich meinen Schwur, nicht rühren
Läßt sich die Tochter, nicht zu schrecken sind
Die Freier! Nirgends Rath in meinem Unglück!
Pantalon. Rath, Majestät? Hat sich da was zu rathen!
Bei mir zu Hause, in der Christen Land,
In meiner lieben Vaterstadt Venedig,
Schwört man auf solche Mordgesetze nicht,
Man weiß nichts von so närrischen Mandaten.
Da hat man gar kein Beispiel und Exempel,
Daß sich die Herrn in Bilderchen vergafft
Und ihren Hals gewagt für ihre Mädchen.
Kein Frauensmensch bei uns geboren wird,
Wie Dame Kieselstein, die alle Männer
Verschworen hätte – Gott soll uns bewahren!
Das fiel uns auch im Traum nicht ein. Als ich
Daheim noch war, in meinen jungen Jahren,
Eh mich die Ehrensache, wie Ihr wißt,
Von Hause trieb und meine guten Sterne
An meines Kaisers Hof hieher geführt,
Wo ich als Kanzler mich jetzt wohl befinde,
Da wußt' ich nichts von China, als es sei
Ein trefflichs Pulver gegen's kalte Fieber.
Und jetzt erstaun' ich über alle Maßen,
Daß ich so curiöse Bräuche hier
Vorfinde, so curjose Schwüre und Gesetze
Und so curjose Fraun und Herrn.
Erzählt' ich in Europa diese Sachen,
Sie würden mir unter die Nase lachen.
Altoum. Tartaglia, habt Ihr den neuen Wagehals
Besucht?
Tartaglia. Ja, Majestät. Er hat den Flügel
Des Kaiserschlosses inn', den man gewöhnlich
Den fremden Prinzen anzuweisen pflegt.
Ich bin entzückt von seiner angenehmen
Gestalt und seinen prinzlichen Manieren.
's ist Jammerschade um das junge Blut,
Daß man es auf die Schlachtbank führen soll.
's Herz bricht mir! Ein so angenehmes Prinzchen!
Ich bin verliebt in ihn. Weiß Gott! Ich sah
In meinem Leben keinen hübschern Buben!
Altoum. Unseliges Gesetz! Verhaßter Schwur!
– Die Opfer sind dem Fohi doch gebracht,
Daß er dem Unglückseligen sein Licht
Verleihe, diese Räthsel zu ergründen!
Ach, nimmer geb' ich dieser Hoffnung Raum!
Pantalon. An Opfern, Majestät, ward nichts gespart.
Dreihundert fette Ochsen haben wir
Dem Tien dargebracht, dreihundert Pferde
Der Sonne und dem Mond dreihundert Schweine.
Altoum. So ruft ihn denn vor unser Angesicht!
(Ein Theil des Gefolges entfernt sich.)
– Man such' ihm seinen Vorsatz auszureden.
Und ihr, gelehrte Lichter meines Divans,
Kommt mir zu Hilfe – nehmt das Wort für mich,
Laßt' s nicht an Gründen fehlen, wenn mir selbst
Der Schmerz die Zunge bindet.
Pantalon. Majestät!
Wir werden unsern alten Witz nicht sparen,
Den wir in langen Jahren eingebracht.
Was hilft's? Wir predigen und sprechen uns
Die Lungen heiser, und er läßt sich eben
Den Hals abstechen, wie ein wälsches Huhn.
Tartaglia. Mit Eurer Gunst, Herr Kanzler Pantalon!
Ich habe Scharfsinn und Verstand bei ihm
Bemerkt, wer weiß! – Ich will nicht ganz verzagen.
Pantalon. Die Räthsel dieser Schlange sollt' er lösen?
Nein, nimmermehr!
Dritter Auftritt.
Die Vorigen. Kalaf, von einer Wache begleitet. Er kniet vor dem Kaiser nieder, die Hand auf der Stirn.
Altoum (nachdem er ihn eine Zeit lang betrachtet).
Steh auf, unkluger Jüngling!
(Kalaf steht auf und stellt sich mit edelm Anstand in die
Mitte des Divans.)
– Die reizende Gestalt! Der edle Anstand!
Wie mir's ans Herz greift! – Sprich, Unglücklicher!
Wer bist du? Welches Land gab dir das Leben?
Kalaf (schweigt einen Augenblick verlegen, dann mit einer edeln Verbeugung). Monarch, vergönne, daß ich meinen Namen Verschweige.
Altoum. Wie? Mit welcher Stirn darfst du,
Ein unbekannter Fremdling, namenlos,
Um unsre kaiserliche Tochter werben?
Kalaf. Ich bin von königlichem Blut, ein Prinz, geboren.
Verhängt der Himmel meinen Tod, so soll
Mein Name, mein Geschlecht, mein Vaterland
Kund werden, eh' ich sterbe, daß die Welt
Erfahre, nicht unwürdig hab' ich mich
Des Bundes angemaßt mit deiner Tochter.
Für jetzt geruhe meines Kaisers Gnade
Mich unerkannt zu lassen.
Altoum. Welcher Adel
In seinen Worten! Wie beklag' ich ihn!
– Doch wie, wenn du die Räthsel nun gelöst,
Und nicht von würd'ger Herkunft —
Kalaf. Das Gesetz,
Monarch, ist nur für Könige geschrieben.
Verleihe mir der Himmel, daß ich siege,
Und dann, wenn ich unköniglichen Stamms
Erfunden werde, soll mein fallend Haupt
Die Schuld der kühnen Anmaßung bezahlen,
Und unbeerdigt liege mein Gebein,
Der Krähen Beute und der wilden Thiere.
Schon eine Seele lebt in dieser Stadt,
Die meinen Stand und Namen kann bezeugen.
Für jetzt geruhe meines Kaisers Gnade
Mich unerkannt zu lassen.
Altoum. Wohl! Es sei!
Dem Adel deiner Mienen, deiner Worte,
Holdsel'ger Jüngling, kann ich Glauben nicht,
Gewährung nicht versagen – Mögst auch du
Geneigt sein, einem Kaiser zu willfahren,
Der hoch von seinem Thron herab dich fleht!
Entweiche, o entweiche der Gefahr,
Der du verblendet willst entgegen stürzen,
Steh ab und fordre meines Reiches Hälfte!
So mächtig spricht's für dich in meiner Brust,
Daß ich dir gleichen Theil an meinem Thron
Auch ohne meiner Tochter Hand verspreche.
O, zwinge du mich nicht, Tyrann zu sein!
Schon schwer genug drückt mich der Völker Fluch,
Das Blut der Prinzen, die ich hingeopfert;
Drum, wenn das eigne Unglück dich nicht rührt,
Laß meines dich erbarmen! Spare mir
Den Jammer, deine Leiche zu beweinen,
Die Tochter zu verfluchen und mich selbst,
Der die Verderbliche gezeugt, die Plage
Der Welt, die bittre Quelle meiner Thränen!
Kalaf. Beruhige dich, Sire! Der Himmel weiß,
Wie ich im tiefsten Herzen dich beklage.
Nicht, wahrlich, von so mildgesinntem Vater
Hat Turandot Unmenschlichkeit geerbt.
Du hast nicht Schuld, es wäre denn Verbrechen,
Sein Kind zu lieben und das Götterbild,
Das uns bezaubert und uns selbst entrückt,
Der Welt geschenkt zu haben – Deine Großmuth
Spar' einem Glücklicheren auf. Ich bin
Nicht würdig, Sire, dein Reich mit dir zu theilen.
Entweder ist's der Götter Schluß und Rath,
Durch den Besitz der himmlischen Prinzessin
Mich zu beglücken – oder enden soll
Dies Leben, ohne sie mir eine Last!
Tod oder Turandot! Es gibt kein Drittes.
Pantalon. Ei, sagt mir, liebe Hoheit! Habt Ihr Euch
Die Köpfe überm Stadtthor wohl besehn?
Mehr sag' ich nicht. Was, Herr, in aller Welt
Treibt Euch, aus fernen Landen herzukommen
Und Euch frisch weg, wie Ihr vom Pferd gestiegen,
Mir nichts, dir nichts, wie einen Ziegenbock
Abthun zu lassen? Dame Turandot,
Das seid gewiß, dreht Euch drei Räthselchen,
Daran die sieben Weisen Griechenlands,
Mit sammt den siebenzig Dolmetschern sich
Die Nägel Jahre lang umsonst zerkauten.
Wir selbst, so alte Practici und grau
Geworden über Büchern, haben Noth,
Das Tiefe dieser Räthsel zu ergründen.
Es sind nicht Räthsel aus dem Kinderfreund,
Nicht solches Zeug, wie das:
"Wer's sieht, für den ist's nicht bestellt,
"Wer's braucht, der zahlt dafür kein Geld,
"Wer's macht, der will's nicht selbst ausfüllen,
"Wer's bewohnt, der thut es nicht mit Willen,"
Nein, es sind Räthsel von dem neusten Schnitt,
Und sind verfluchte Nüsse aufzuknacken.
Und wenn die Antwort nicht zum guten Glück
Auf dem Papier, das man den Herrn Doktoren
Versiegelt übergibt, geschrieben stünde,
Sie möchten's auch mit allem ihrem Witz
In einem Säculum nicht ausstudieren.
Darum, Herr Milchbart, zieht in Frieden heim!
Ihr jammert mich, seid ein so junges Blut,
Und Schade wär's um Eure schönen Haare.
Beharrt Ihr aber drauf, so steht ein Rettich
Des Gärtners fester, Herr, als Euer Kopf.
Kalaf. Ihr sprecht verlorne Worte, guter Alter.
Tod oder Turandot!
Tartaglia (stotternd). Tu – Turandot!
Zum Henker, welcher Steifsinn und Verblendung!
Hier spielt man nicht um wälsche Nüsse, Herr,
Noch um Kastanien – 's ist um den Kopf
Zu thun – den Kopf – bedenkt das wohl! Ich will
Sonst keinen Grund anführen als den einen;
Er ist nicht klein – den Kopf! Es gilt den Kopf.
Die Majestät höchstselbst, auf ihrem Thron,
Läßt sich herab, Euch väterlich zu warnen
Und abzurathen – Dreihundert Pferde sind
Der Sonne dargebracht, dreihundert Ochsen
Dem höchsten Himmelsgott, dreihundert Kühe
Den Sternen und dem Mond dreihundert Schweine.
Und Ihr seid störrig gnug und undankbar,
Das kaiserliche Herz so zu betrüben?
Wär' überall auch keine andre Dame
Mehr in der Welt, als diese Turandot,
Blieb's immer doch ein loser Streich von Euch,
Nehmt mir's nicht übel, junger Herr. Es ist,
Weiß Gott! die pure Liebe und Erbarmniß,
Die mich so frei läßt von der Leber sprechen.
Den Kopf verlieren! Wißt Ihr, was das heißt?
Es ist nicht möglich —
Kalaf. So in Wind zu reden!
Ihr habt in Wind gesprochen, alter Meister!
Tod oder Turandot!
Altoum. Nun denn, so hab' es!
Verderbe dich, und mich stürz' in Verzweiflung! (Zu der Wache)
Man geh' und rufe meine Tochter her. (Wache geht hinaus.)
Sie kann sich heut am zweiten Opfer weiden.
Kalaf (gegen die Thüre gewendet, in heftiger Bewegung).
Sie kommt! Ich soll sie sehen! Ew'ge Mächte,
Das ist der große Augenblick! O, stärket
Mein Herz, daß mich der Anblick nicht verwirre,
Des Geistes Helle nicht mit Nacht umgebe!
Ich fürchte keine als der Schönheit Macht.
Ihr Götter, gebt, daß ich mir selbst nicht fehle!
Ihr seht es, meine Seele wankt; Erwartung
Durchzittert mein Gebein und schnürt das Herz
Mir in der Brust zusammen. – Weise Richter
Des Divans! Richter über meine Tage!
O, zeiht mich nicht strafbaren Übermuths,
Daß ich das Schicksal zu versuchen wage!
Bedauert mich! Beweint den Unglücksvollen!
Ich habe hier kein Wählen und kein Wollen!
Unwiderstehlich zwingend reißt es mich
Von hinnen, es ist mächtiger, als ich.
Vierter Auftritt.
Man hört einen Marsch.
Truffaldin tritt auf, den Säbel an der Schulter, die Schwarzen hinter ihm, darauf mehrere Sklavinnen, die zu den Trommeln accompagnieren. Nach diesen Adelma und Zelima, jene in tartarischem Anzug, beide verschleiert. Zelina trägt einen Schüssel mit versiegelten Papieren. Truffaldin und seine Schwarzen werfen sich im Vorbeiziehen vor dem Kaiser mit der Stirn auf die Erde und stehen sogleich wieder auf; die Sklavinnen knieen nieder mit der Hand auf der Stirn. Zuletzt erscheint Turandot verschleiert, in reicher chinesischer Kleidung. majestätisch und stolz. Die Räthe und Doctoren werfen sich vor ihr mit dem Angesicht auf die Erde. Altoum steht auf; die Prinzessin macht ihm, die Hand auf der Stirn, eine abgemessene Verbeugung, steigt dann auf ihren Thron und setzt sich. Zelima und Adelma nehmen zu ihren beiden Seiten Platz, und die letztere den Zuschauern am nächsten. Truffaldin nimmt der Zelima die Schlüssel ab und vertheilt unter lächerlichen Ceremonien die Zettel unter die acht Doctoren. Darauf entfernt er sich mit denselben Verbeugungen, wie am Anfang, und der Marsch hört auf.
Turandot (nach einer langen Pause).
Wer ist's, der sich aufs Neu vermessen schmeichelt,
Nach so viel kläglich warnender Erfahrung,
In meine tiefen Räthsel einzudringen!
Der, seines eignen Lebens Feind, die Zahl
Der Todesopfer zu vermehren kommt!
Altoum (zeigt auf Kalaf. der erstaunt in der Mitte des Divans steht).
Der ist es, Tochter – würdig wohl ist er's,
Daß du freiwillig zum Gemahl ihn wählest,
Ohn' ihn der furchtbarn Probe auszusetzen
Und neue Trauer diesem Land, dem Herzen
Des Vaters neue Stacheln zu bereiten.
Turandot (nachdem sie ihn eine Zeit lang betrachtet, leise zur Zelima).
O Himmel! Wie geschieht mir, Zelima!
Zelima. Was ist dir, Königin?
Turandot. Noch Keiner trat
Im Divan auf, der dieses Herz zu rühren
Verstanden hätte. Dieser weiß die Kunst.
Zelima. Drei leichte Räthsel denn, und Stolz – fahr hin!
Turandot. Was sagst du? Wie, Verwegne? Meine Ehre?
Adelma (hat während dieser Rede den Prinzen mit höchstem
Erstaunen betrachtet, für sich).
Täuscht mich ein Traum? Was seh' ich, große Götter!
Er ist's, der schöne Jüngling ist's, den ich
Am Hofe meines Vaters Keicobad
Als niedern Knecht gesehn! – Er war ein Prinz!
Ein Königssohn! Wohl sagte mir's mein Herz;
O, meine Ahnung hat mich nicht betrogen!
Turandot. Prinz, noch ist's Zeit. Gebt das verwegene
Beginnen auf! Gebt's auf! Weicht aus dem Divan!
Der Himmel weiß, daß jene Zungen lügen,
Die mich der Härte zeihn und Grausamkeit.
– Ich bin nicht grausam. Frei nur will ich leben;
Bloß keines Andern will ich sein; dies Recht,
Das auch dem allerniedrigsten der Menschen
Im Leib der Mutter anerschaffen ist,
Will ich behaupten, eines Kaisers Tochter.
Ich sehe durch ganz Asien das Weib
Erniedrigt und zum Sklavenjoch verdammt,
Und rächen will ich mein beleidigtes Geschlecht
An diesem stolzen Männervolke, dem
Kein andrer Vorzug vor dem zärtern Weibe
Als rohe Stärke ward. Zur Waffe gab
Natur mir den erfindenden Verstand
Und Scharfsinn, meine Freiheit zu beschützen.
– Ich will nun einmal von dem Mann nichts wissen,
Ich hass' ihn, ich verachte seinen Stolz
Und Übermuth – Nach allem Köstlichen
Streckt er begehrlich seine Hände aus;
Was seinem Sinn gefällt, will er besitzen.
Hat die Natur mit Reizen mich geschmückt,
Mit Geist begabt – warum ist's denn das Loos
Des Edeln in der Welt, daß es allein
Des Jägers wilde Jagd nur reizt, wenn das Gemeine
In seinem Unwerth ruhig sich verbirgt?
Muß denn die Schönheit eine Beute sein
Für Einen? Sie ist frei, so wie die Sonne,
Die allbeglückend herrliche, am Himmel,
Der Quell des Lichts, die Freude aller Augen,
Doch Keines Sklavin und Leibeigenthum.
Kalaf. So hoher Sinn, so seltner Geistesadel
In dieser göttlichen Gestalt! Wer darf
Den Jüngling schelten, der sein Leben
Für solchen Kampfpreis freudig setzt! – Wagt doch
Der Kaufmann um geringe Güter Schiff
Und Mannschaft an ein wildes Element;
Es jagt der Held dem Schattenbild des Ruhms
Durchs blut'ge Feld des Todes nach – Und nur
Die Schönheit wär' gefahrlos zu erwerben,
Die aller Güter erstes, höchstes ist?
Ich also zeih' Euch keiner Grausamkeit;
Doch nennt auch Ihr den Jüngling nicht verwegen
Und haßt ihn nicht, weil er mit glühnder Seele
Nach dem Unschätzbaren zu streben wagt!
Ihr selber habt ihm seinen Preis gesetzt,
Womit es zu erkaufen ist – die Schranken
Sind offen für den Würdigen – Ich bin
Ein Prinz, ich hab' ein Leben dran zu wagen.
Kein Leben zwar des Glücks; doch ist's mein Alles,
Und hätt' ich's tausendmal, ich gäb' es hin.
Zelima (leise zu Turandot).
Hört Ihr, Prinzessin? Um der Götter willen!
Drei leichte Räthsel! Er verdient's.
Adelma. Wie edel! Welche Liebenswürdigkeit!
O, daß er mein sein könnte! Hätt' ich damals
Gewußt, daß er ein Prinz geboren sei,
Als ich der süßen Freiheit mich noch freute!
– O, welche Liebe flammt in meiner Brust,
Seitdem ich ihn mir ebenbürtig weiß!
– Muth, Muth, mein Herz! Ich muß ihn noch besitzen.
(Zu Turandot.)
Prinzessin! Ihr verwirret Euch! Ihr schweigt!
Bedenket Euren Ruhm! Es gilt die Ehre!
Turandot. Und er allein riss' mich zum Mitleid hin?
Nein. Turandot, du mußt dich selbst besiegen.
– Verwegener, wohlan! Macht Euch bereit!
Altoum. Prinz, Ihr beharrt noch?
Kalaf. Sire! ich wiederhol' es:
Tod oder Turandot! (Pantalon und Tartaglia geberden sich ungeduldig.)
Altoum. So lese man
Das blutige Mandat. Er hör's und zittre!
(Tartaglia nimmt das Gesetzbuch aus dem Busen, küßt es, legt es sich auf die Brust, hernach auf die Stirn, dann überreicht er's dem Pantalon.)
Pantalon (empfängt das Gesetzbuch, nachdem er sich mit der Stirn
auf die Erde geworfen, steht auf und liest dann mit lauter Stimme.)
"Es kann sich jeder Prinz um Turandot bewerben,
"Doch erst drei Räthsel legt die Königin ihm vor.
"Löst er sie nicht, muß er vom Beile sterben,
"Und schaugetragen wird sein Haupt auf Peckins Thor.
"Löst er die Räthsel auf hat er die Braut gewonnen.
"So lautet das Gesetz. Wir schwören's bei der Sonnen."
(Nach geendigter Vorlesung küßt er das Buch, legt es sich auf die Brust und Stirn und überreicht es dem Tartaglia, der sich mit der Stirn auf die Erde wirft, es empfängt und dem Altoum präsentiert.)
Altoum (hebt die rechte Hand empor und legt sie auf das Buch).
O Blutgesetz! du meine Qual und Pein!
Ich schwör's bei Fohis Haupt, du sollst vollzogen sein.
(Tartaglia steckt das Buch wieder in den Busen, es herrscht eine lange Stille.)
Turandot (in declamatorischem Ton, aufstehend).
Der Baum, auf dem die Kinder
Der Sterblichen verblühn,
Steinalt, nichts desto minder
Stets wieder jung und grün;
Er kehrt auf einer Seite
Die Blätter zu dem Licht;
Doch kohlschwarz ist die zweite
Und sieht die Sonne nicht.
Er setzet neue Ringe,
So oft er blühet, an.
Das Alter aller Dinge
Zeigt er den Menschen an.
In seine grüne Rinden
Drückt sich ein Name leicht,
Der nicht mehr ist zu finden,
Wenn sie verdorrt und bleicht.
So sprich, kannst du's ergründen,
Was diesem Baume gleicht? (Sie setzt sich wieder).
Kalaf (nachdem er eine Zeitlang nachdenkend in die Höhe gesehen,
verbeug sich gegen die Prinzessin).
Zu glücklich, Königin, ist Euer Sklav,
Wenn keine dunklern Räthsel auf ihn warten.
Dieser alte Baum, der immer sich erneut,
Auf dem die Menschen wachsen und verblühen,
Und dessen Blätter auf der einen Seite
Die Sonne suchen, auf der andern fliehen,
In dessen Rinde sich so mancher Name schreibt,
Der nur, so lang sie grün ist, bleibt.
– Er ist – das Jahr mit seinen Tagen und Nächten.
Pantalon (freudig).
Tartaglia! Getroffen!
Tartaglia. Auf ein Haar!
Doctoren (erbrechen ihre Zettel).
Optime! Optime! Optime! das Jahr, das
Jahr, das Jahr! Es ist das Jahr. (Musik fällt ein.)
Altoum (freudig). Der Götter Gnade sei mit dir, mein Sohn,
Und helfe dir auch durch die andern Räthsel!
Zelima (bei Seite).
O Himmel, schütz' ihn!
Adelma (gegen die Zuschauer). Himmel, schütz' ihn nicht!
Laß nicht geschehn, daß ihn die Grausame
Gewinne, und die Liebende verliere!
Turandot (entrüstet, für sich).
Er sollte siegen? Mir den Ruhm entreißen?
Nein, bei den Göttern! (Zu Kalaf.) Selbstzufriedner Thor!
Frohlocke nicht zu früh! Merk' auf und löse!
(Steht wieder auf und fährt in declamatorischem Tone fort.)
Kennst du das Bild auf zartem Grunde?
Es gibt sich selber Licht und Glanz.
Ein andres ist's zu jeder Stunde,
Und immer ist es frisch und ganz.
Im engsten Raum ist's ausgeführt,
Der kleinste Rahmen faßt es ein;
Doch alle Größe, die dich rühret, kennst du durch dieses Bild allein.
Und kannst du den Krystall mir nennen?
Ihm gleicht an Werth kein Edelstein;
Er leuchtet, ohne je zu brennen,
Das ganze Weltall saugt er ein.
Der Himmel selbst ist abgemalet
In seinem wundervollen Ring;
Und doch ist, was er von sich strahlet,
Oft schöner, als was er empfing.
Kalaf (nach einem kurzen Nachdenken, sich gegen die
Prinzessin verbeugend).
Zürnt nicht, erhabne Schöne, daß ich mich
Erdreiste, Eure Räthsel aufzulösen.
– Dies zarte Bild, das, in den kleinsten Rahmen
Gefaßt, das Unermeßliche uns zeigt,
Und der Krystall, in dem dies Bild sich malt
Und der noch Schönres von sich strahlt —
Er ist das Aug, in das die Welt sich drückt,
Dein Auge ist's, wenn es mir Liebe blickt.
Pantalon (springt freudig auf).
Tartaglia! Mein' Seel! Ins schwarze Fleck
Geschossen.
Tartaglia. Mitten hinein, so wahr ich lebe!
Doctoren (haben die Zettel eröffnet).
Optime! Optime! Optime! Das Auge, das Auge,
Es ist das Auge. (Musik fällt ein.)
Altoum. Welch unverhofftes Glück! Ihr güt'gen Götter!
O, laßt ihn auch das letzte Ziel noch treffen!
Zelima (bei Seite). O, wäre dies das letzte!
Adelma (gegen die Zuschauer).
Weh mir. Er siegt! Er ist für mich verloren! (Zu Turandot.)
Prinzessin, Euer Ruhm ist hin! Könnt Ihr's
Ertragen? Eure vor'gen Siege alle
Verschlingt ein einz'ger Augenblick.
Turandot (steht auf in heftigem Zorn). Eh soll
Die Welt zu Grunde gehn! Verwegner, wisse!
Ich hasse dich nur desto mehr, je mehr
Du hoffst mich zu besiegen, zu besitzen.
Erwarte nicht das letzte Räthsel! Flieh!
Weich aus dem Divan! Rette deine Seele!
Kalaf. Nur Euer Haß ist's, angebetete
Prinzessin, was mich schreckt und ängstiget.
Dies unglücksel'ge Haupt sinkt in den Staub,
Wenn es nicht werth war. Euer Herz zu rühren.
Altoum. Steh ab, geliebter Sohn! Versuche nicht
Die Götter, die dir zweimal günstig waren.
Jetzt kannst du dein gerettet Leben noch,
Gekrönt mit Ehre, aus dem Divan tragen.
Nichts helfen dir zwei Siege, wenn der dritte
Dir, der entscheidende, mißlingt – Je näher
Dem Gipfel, desto schwerer ist der Fall.
– Und du – laß es genug sein, meine Tochter,
Steh ab, ihm neue Räthsel vorzulegen.
Er hat geleistet, was kein andrer Prinz
Vor ihm. Gib ihm die Hand, er ist sie werth,
Und endige die Proben.
(Zelima macht flehende, Adelma drohende Geberden gegen Turandot.)
Turandot. Ihm die Hand?
Die Proben ihm erlassen? Nein, drei Räthsel
Sagt das Gesetz. Es habe seinen Lauf.
Kalaf. Es habe seinen Lauf. Mein Schicksal liegt
In Götterhand. Tod oder Turandot!
Turandot. Tod also! Tod! Hörst du's?
(Sie steht auf und fährt auf die vorige Art zu declamieren fort.)
Wie heißt das Ding, das Wen'ge schätzen,
Doch ziert's des größten Kaisers Hand;
Es ist gemacht, um zu verletzen,
Am nächsten ist's dem Schwert verwandt.
Kein Blut vergießt's und macht doch tausend Wunden,
Niemand beraubt's und macht doch reich,
Es hat den Erdkreis überwunden,
Es macht das Leben sanft und gleich.
Die größten Reiche hat's gegründet,
Die ältsten Städte hat's erbaut;
Doch niemals hat es Krieg entzündet,
Und Heil dem Volk, das ihm vertraut.
Fremdling, kannst du das Ding nicht rathen,
So weich aus diesen blühenden Staaten!
(Mit den letzten Worten reißt sie sich ihren Schleier ab.)
Sieh her und bleibe deiner Sinne Meister!
Stirb oder nenne mir das Ding!
Kalaf (außer sich, hält die Hand vor die Augen).
O Himmelsglanz! O Schönheit, die mich blendet!
Altoum. Gott, er verwirrt sich, er ist außer sich.
Faß dich, mein Sohn! O, sammle deine Sinne!
Zelima (für sich).
Mir bebt das Herz.
Adelma (gegen die Zuschauer). Mein bist du, theurer Fremdling!
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