Final Shutdown

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In dem Zustand, in dem sich der Rechner jetzt befand, besaß er allerdings kaum noch Schrottwert. Jetzt wurde Marko auch klar, warum der Einbrecher ein Metallrohr mit sich geführt hatte. Offensichtlich hatte er es benutzt, um damit den Laptop zu zertrümmern.

»Der war so gut wie neu!«, rief Olli und sah aus, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen.

»Hattest du da etwas Wichtiges drauf?«, fragte Marko. Die Schadenfreude war ihm vergangen.

»Alle Fotos, die ich in meinem ganzen Leben geschossen habe!«

»Ein Sicherheitsexperte wie du wird doch seine Daten gesichert haben«, scherzte Marko.

Olli suchte mit gehetztem Blick den Boden ab. Er bückte sich hektisch und hob einen schwarzen Kasten auf, an dem nutzlos ein Kabel baumelte. Was Olli in der Hand hielt, war einmal eine externe Festplatte gewesen. Auch sie hatte der Einbrecher durch brutale Schläge mit dem Metallrohr zertrümmert. Jetzt standen dem armen Kerl wirklich Tränen in den Augen.

Marko lud ihn zu sich in die Wohnung ein. Olli packte nur ein paar Kleidungsstücke in eine Reisetasche. Sie lagen wie alles andere achtlos auf dem Boden. Andererseits sah es auch nicht so aus, als würde Olli seine Hemden, Hosen und T-Shirts bügeln. Die nächsten Tage würde er wohl tatsächlich bei Marko wohnen.

Marko empfand das schon als gewaltiges Entgegenkommen. Nachdem er aufgrund von Ollis ›Expertenmeinung‹ damals wie einen Volltrottel vor seiner gesamten Kollegenwelt dagestanden hatte, hatte er sich eigentlich vorgenommen, ihm nie wieder einen Gefallen zu tun. Andererseits tat er ihm in dieser Situation nicht nur leid, sondern er erinnerte sich auch an die alten Zeiten, die sie gemeinsam erlebt hatten. Bevor diese Sache damals passiert war, hatten sie schließlich ein freundschaftliches Verhältnis zueinander gepflegt. In seiner ganzen schusseligen, unzuverlässigen Art strahlte Olli einfach auch etwas Liebeswertes aus.

***

»Mein ganzes Leben war auf diesen Fotos. Es waren Tausende. Ich habe sie nie gezählt«, sagte Olli, als sie wieder in Markos Wohnung saßen. Seine Stimme klang nicht einmal mehr jämmerlich. Es hörte sich einfach nur noch hoffnungslos an. Er hatte mittlerweile sein drittes Bier geleert. Aus Mitleid mit ihm hatte Marko sogar einen Sechserpack gekauft.

»Und du bist sicher, dass der Einbrecher nichts hat mitgehen lassen, Geld oder so?«, fragte Marko noch einmal.

»Mensch, sehe ich so aus, als würde bei mir stapelweise Geld herumliegen?«, erwiderte Olli verzweifelt.

»Und andere Dinge?«

»Keine Ahnung, vielleicht hat er die beiden USB-Sticks mitgenommen, die auf dem Schreibtisch lagen. Vielleicht liegen die jetzt aber auch in dem Chaos auf dem Fußboden.«

»Diese Sticks sind doch nichts wert. Warum sollte jemand die klauen, wenn er den Laptop dalässt.«

»Ich weiß es doch auch nicht! Das war kein Junkie, das war ein Mörder!«, jammerte Olli und machte dabei schon die vierte Flasche Bier auf. Marko nuckelte noch lustlos an seiner ersten.

»Und außer deinen Fotos war sonst nichts auf deinem Rechner?«, fragte er nachdenklich. »Ich meine, es sieht doch so aus, als wollte ihn jemand zerstören. Warum zertrümmert man einen Rechner? Doch nur, weil sich auf ihm etwas befindet, das man endgültig und unwiederbringlich löschen möchte, oder?«

»Da war wirklich nichts Wichtiges drauf außer den Fotos. Vielleicht ein bisschen Musik und ein paar Filme. Ich habe in der letzten Zeit nichts Richtiges mehr gemacht. Irgendwie ist die Luft bei mir raus.« Olli wirkte hoffnungslos und müde.

Marko wusste, was er meinte. Olli galt einmal als begnadeter Hacker. Aber er gehörte nicht mehr zu dieser Szene und engagierte sich auch nicht mehr besonders in dieser Richtung. Dass er sich nicht gerade als große Koryphäe in seinem Beruf hervortat, hatte er Marko ja selbst erzählt. Er musste ihm in den letzten Jahren wirklich nicht sonderlich gut gegangen sein.

»Aber was können die dann gesucht haben?«, fragte Marko.

»Das habe ich dir doch schon gesagt. Es ist die einzige Erklärung, die mir einfällt. Die glauben, ich war mit Thomas und Frank an dieser Sache dran. Dann haben die bei mir Unterlagen gesucht und wollten die zerstören. Vielleicht waren die aber auch nur sauer, dass ich nicht da war, und haben, anstatt mich totzuschlagen, auf meinen Rechner eingeprügelt.«

»Wenn du recht hast und es geht wirklich um eine große Sache, eine Angelegenheit, die so gewaltig ist, dass dafür sogar gemordet wird, dann handelt es sich bei denen um Profis. Die schlagen nicht einfach aus Wut auf einen Rechner ein. Wenn du wirklich recht hast, dann haben die ganz bewusst deinen Rechner zerstört, weil sie glauben, dass sich darauf Informationen befanden, die ihnen gefährlich werden können. Dann sind die auch davon überzeugt, dass sich etwas in deinem Besitz befindet, dass du nicht haben solltest oder dass du etwas weißt, dass du nicht wissen solltest. Dann bist du wirklich in Gefahr, in Todesgefahr!«

Marko hob seine Flasche und prostete dem jetzt noch blasser aussehenden Olli zu. Mit einem Zug trank er sie leer.

Private Ermittlungen

»Anfangs hatte ich ja auch meine Bedenken, aber mittlerweile glaube ich dem Olli Vogt. Ich weiß ja nicht, ob er nicht wieder etwas überzieht mit seinen Verschwörungstheorien, aber für mich ist deutlich geworden, dass ein Geheimnis existiert, dem seine beiden Kollegen auf der Spur waren und für dessen Bewahrung irgendwelche Leute sogar bereit sind zu morden«, schloss Marko seinen kleinen Vortrag.

Er saß Jana Brand gegenüber und hatte ihr gerade alles erzählt, was er bisher über diese mysteriöse Angelegenheit wusste und das, was er sich darüber hinaus zusammengereimt hatte. Die Privatdetektivin sah ihn mit ihren graublauen Augen abschätzend, ja recht kühl, über ihren Schreibtisch hinweg an, der zwischen den beiden stand.

»Was ist Ihre Rolle in dieser Angelegenheit?«, fragte sie schließlich. »Sie machen auf mich nicht den Eindruck, als seien Sie ein besonders enger Freund von Herrn Vogt. Einen Privatdetektiv zu engagieren ist nicht gerade billig. Das sind meine Konditionen.«

Sie schob Marko einen Standardvertrag über den Tisch. Er überflog das Papier. Er hatte sich vorher oberflächlich per Internet über die Stundensätze von Privatdetektiven informiert und schon Schlimmeres befürchtet. Die Detektei Jana Brand gehörte offensichtlich zu den eher kleinen und günstigen Unternehmen in dieser Branche.

»Haben Sie weitere Mitarbeiter zur Verfügung oder arbeiten Sie allein?«, fragte Marko aus reinem Interesse.

Jana Brand legte den Kopf leicht schief und sah ihn mit spöttischer Miene an.

»Die Sache scheint Ihnen ja mächtig am Herzen zu liegen, wenn Sie gleich mehrere Leute auf den Fall ansetzen wollen. So etwas kostet dann natürlich den Stundensatz pro Mitarbeiter. Allerdings werden Sie sich eine andere Detektei besorgen müssen. Ich arbeite grundsätzlich allein«, sagte die junge Frau fest.

»So war das nicht gemeint. Ich wollte mir nur einen Eindruck von Ihrem Unternehmen machen«, wiegelte Marko ab. »Ich bin mit Ihrer Detektei und den Konditionen einverstanden.«

»Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet«, stellte Jana Brand fest.

»Ist die Antwort auf die Frage entscheidend dafür, ob Sie den Auftrag annehmen?« Jetzt hatte Marko ein spöttisches Grinsen auf seinen Lippen. Die Privatdetektivin blieb ernst und kühl.

»Ich nehme nicht jeden Auftrag an. Ich muss einen Job mit meinem Gewissen vereinbaren können.«

»Oh, die gerechte Detektivin! Da habe ich aber Glück, dass ich an die Richtige geraten bin.«

Jana Brands Augen wurden einen Tick kälter und härter.

»Hören Sie, ich habe diesen Versicherungs-Job verloren, das heißt aber noch lange nicht, dass ich mich für alles verkaufe! Also, was ist? Verraten Sie mir nun, warum Sie diese Ermittlung durchführen wollen oder wollten Sie nur ein wenig mit mir plaudern. In letzterem Fall sollten Sie unser beider Zeit nicht länger verplempern.«

»Gut, gut, ich habe verstanden«, lenkte Marko ein. »Es ist auch kein großes Geheimnis. Es gibt zwei Gründe. Auch wenn es albern klingt, aber der Olli Vogt tut mir leid. Er hat mich, als ich das letzte Mal etwas mit ihm zu tun hatte, zwar in eine ziemlich unangenehme Situation gebracht, aber bis dahin hatten wir uns immer gut verstanden.«

Die Detektivin neigte den Kopf noch ein wenig weiter. Er wusste nicht warum, aber ihn erfasste Nervosität. Vielleicht rührte sie daher, dass er noch nie ehrlich über die Sache gesprochen hatte. Anderen gegenüber zeigte er normalerweise nur seine Wut, wenn es um den Vorfall von damals ging. Der jungen Frau gegenüber meinte er plötzlich, sich erklären zu müssen.

»Sie haben schon recht. Ich meine mit ihrem Zweifel«, setzte er an zu erklären. »Olli Vogt ist einmal mehr gewesen als ein einfacher Bekannter. Uns hat etwas verbunden, das man wohl eine ›echte Männerfreundschaft‹ nennt. Ich meine, wir haben uns über alles Mögliche unterhalten, nicht nur über den Job, Autos oder Ähnliches.«

»Sondern?«, fragte die Detektivin nach. Sie sah Marko dabei mit einem unschuldigen Blick ins Gesicht. Er war sich sicher, dass sie wusste, worüber er sprach, trotzdem erklärte er:

»Zum Beispiel haben wir uns über Frauen unterhalten. Ich meine nicht die typischen Männergespräche. Wir haben uns über unsere Gefühle unterhalten.«

»Und was hat diese Freundschaft zerstört?« Jana Brand klang ernsthaft interessiert. Sie spielte mit einem Bleistift, den sie in der Hand hielt, mit dem sie sich aber noch nicht eine einzige Notiz gemacht hatte.

»Ich habe vor etwa zwei Jahren einen Artikel über einen Hackerangriff geschrieben. Natürlich habe ich Olli – ich meine Herrn Vogt – um Rat gefragt. Ich habe ihm dafür sogar ein Honorar gezahlt. Dieser Artikel hätte mich beinahe meinen Ruf gekostet. Was ich geschrieben hatte, stellte sich als kompletter Blödsinn heraus. Das haben mir später alle Spezialisten bestätigt, die ich getroffen habe. Ich hatte noch Glück, dass mein Chefredakteur misstrauisch geworden ist und die Sache noch einmal überprüfen ließ. Der Artikel ist nie erschienen. Trotzdem hat sich der Schnitzer unter meinen Berufskollegen herumgesprochen. Diese ›Recherche‹ war monatelang die Lachnummer in allen Redaktionen, die mich kannten.«

 

»Kurz gesagt, ihr alter Freund hat Ihnen Unsinn erzählt und Sie dabei gewaltig aufs Glatteis geführt«, fasste die Detektivin Markos Geschichte nachdenklich zusammen. »Wieso glauben Sie ihm jetzt? Woher wissen Sie, dass diese Geschichte keine ähnliche Erfindung ist? Würde das nicht naheliegen?«

Marko zuckte unwillkürlich mit den Schultern.

»Ich weiß es natürlich nicht mit Sicherheit. Aber mein Gefühl sagt mir, dass an der Sache etwas dran ist. Es waren ein paar Zufälle zu viel. Außerdem ist Olli diesmal zu mir ehrlich gewesen. Er hat zugegeben, dass er nicht mehr die große Koryphäe ist, die er einmal war.«

»Na ja, Sie müssen es ja wissen. Es ist ihr alter Freund.« Jana Brand legte den Bleistift entschlossen vor sich auf den Schreibtisch. »Und was ist der zweite Grund?«

»Was für ein zweiter Grund?« Der Themenwechsel irritierte Marko für einen Moment.

»Sie sagten, es gebe zwei Gründe, weshalb sie diese Ermittlung durchführen möchten. Den ersten kenne ich jetzt. Was ist der zweite Grund?«, fragte die Detektivin ernst.

»Der ist weniger persönlich als beruflich. Sie haben ja sicher schon recherchiert, dass ich mich in den letzten zwei Jahren als Schriftsteller durchschlage, hauptsächlich Kriminalromane. Gerade habe ich mein aktuelles Projekt ad acta gelegt. Manche Kollegen nennen so etwas eine Schreibblockade. Mein Problem ist aber eher, dass mir derzeit keine gute Geschichte einfällt.«

»Und da haben Sie sich gedacht, vielleicht finden Sie ja etwas im richtigen Leben, über das Sie schreiben können.« Jetzt grinste Jana Brand. Zwei Grübchen hatten sich auf ihren Wangen gebildet. »Diese Schreiberei muss ja ganz schön etwas einbringen. Sie haben meinen Stundensatz gesehen, oder?«

»Na ja, der letzte Krimi war ein Bestseller. Ich habe noch ein wenig auf der hohen Kante. Wenn sich der nächste Roman genauso gut verkauft, ist er das Geld für die Recherche wert.«

»Vielleicht sollte ich auch lieber schreiben, als mir die Füße wund zu laufen«, antwortete die Detektivin grinsend.

»Na ja, das funktioniert nicht immer. Die meisten Schriftsteller haben einen wesentlich schlechteren Stundenlohn als Sie«, gab Marko zu bedenken.

Jana Brand zog den Standardvertrag, der noch vor Marko lag zu sich herüber. Sie sah ihn noch einmal fragend an. Er nickte. Sie begann die wenigen freien Felder mit einem einfachen Kugelschreiber auszufüllen, der so aussah, als hätte sie ihn irgendwo als Werbegeschenk ergattert.

»Wie viele Stunden pro Woche soll ich für Sie arbeiten und wie lange?«, fragte sie.

»Sagen wir ... zwanzig Stunden die Woche.«

Jana Brand zog die Augenbrauen hoch.

»Und wie lange?«, fragte sie neutral.

»Ich habe keine Ahnung. Wie lange meinen Sie, brauchen wir, bis wir den Fall aufgeklärt haben?«

»Es ist ja wohl eher die Frage, wie viel Sie maximal ausgeben wollen.« Die Detektivin sah ihm ernst in die Augen.

»Können wir das nicht offen lassen? Sie stellen mir wöchentlich eine Rechnung und ich kündige, wenn es mir zu teuer wird«, schlug Marko vor.

»Wie Sie wollen!«

Die Detektivin füllte das Formular aus und schob es Marko wieder über den Schreibtisch zu. Der überflog es nur kurz und unterschrieb dann.

»Wann soll es losgehen?«, fragte sie.

»Am Besten gleich!«

»Gut, dann beginne ich heute erst mal mit ein paar Recherchen vom Büro aus. Morgen werde ich versuchen, ein paar Zeugen ausfindig zu machen.«

»Wann soll ich bereitstehen?«, fragte Marko sofort.

»Wie schon gesagt, ich arbeite prinzipiell allein! Außerdem ist es mehr als ungewöhnlich, dass sich ein Kunde an der Recherche beteiligen will.«

»Äh, das hatte ich ganz vergessen. Das ist eine Bedingung für unsere Zusammenarbeit. Die ganze Sache soll mir doch schließlich Stoff für meinen neuen Roman liefern«, argumentierte Marko.

Jana Brand sah ihn zweifelnd an. Wahrscheinlich glaubte sie ihm kein Wort, was Marko als ein gutes Zeichen für ihren Spürsinn hielt. Es war zwar nicht so, dass die rationalen Argumente nur vorgeschoben wären, aber sie stellten nur die halbe Wahrheit dar. Marko wusste zwar nicht warum, aber er fühlte sich wohl in der Nähe dieser Frau. Er freute sich richtiggehend auf eine Zusammenarbeit, auch wenn er keine Idee hatte, was er selbst zur Lösung des Falls beitragen könnte.

»Ich hole Sie um 8:30 vor Ihrer Wohnung ab. Wenn Sie nicht pünktlich sind, mache ich es allein.« Jana Brand verbarg nicht, dass ihr Markos Zusatzbedingung nicht sonderlich gefiel.

»Wie wäre es, wenn wir die Sache mit einer Tasse Kaffee beginnen würden?« Marko setzte sein unwiderstehliches Lächeln auf.

»Zu dieser Zeit habe ich bereits gefrühstückt. Also 8:30 geht’s los oder ich führe meine Recherchen ohne Sie durch.«

Jana Brands Tonfall machte Marko deutlich, dass sie damit die Sache als abgeschlossen betrachtete. Also fügte Marko sich in sein Schicksal, verabschiedete sich von der energischen jungen Frau und begab sich auf den Heimweg.

***

»Oh nein! Soll das jetzt ein Betriebsausflug werden oder was?«, begrüßte die Privatdetektivin Marko säuerlich.

»Er war nicht dazu zu bewegen, zu Hause zu bleiben«, rechtfertigte Marko sich.

Olli stieg hinten in den VW Golf ein und setzte sich auf die Rückbank. Es handelte sich um ein älteres Modell und besonders gepflegt sah der Wagen auch nicht aus.

»Ich bleibe nicht allein in der Wohnung, auch nicht in der von Marko. Die haben bestimmt schon herausbekommen, wo ich jetzt wohne.«

»Er wohnt bei Ihnen?« Jana Brand sah Marko erstaunt an. »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie tatsächlich so ein Menschenfreund sind.«

»Das habe ich bis gestern auch noch nicht gewusst«, brummte Marko.

Jana Brand musste lächeln. Marko fiel auf, wie müde sie aussah. Er machte sich schon Sorgen, dass Sie wegen ihm bis in die Nacht arbeitete.

»Haben Sie schon etwas herausbekommen?«, fragte er vorsichtig.

»In der kurzen Zeit natürlich nichts, was für Sie schon von Interesse wäre. Ich habe mir einen Überblick über die beiden Personen verschafft, die verunglückt sind.«

»Die sind nicht verunglückt, die wurden umgebracht«, rief Olli sofort von der Rückbank.

»Herr Vogt! Ich sage das nur einmal und es ist mein Ernst: Wenn Sie in dieser Ermittlung dazwischen reden oder bei einer Befragung nur einmal den Mund aufmachen, schmeiße ich Sie raus! Dann können Sie sich entweder einen neuen Ermittler suchen oder mich meine Arbeit allein machen lassen!«

Olli schloss demonstrativ den Mund und hielt die Lippen zusammengepresst. Marko grinste übers ganze Gesicht.

»Sagen Sie, können Sie den Kerl nicht auch bei mir zu Hause zum Schweigen bringen?«, fragte er.

Aber die Privatdetektivin war nicht zu Späßen aufgelegt. »Ich bin hier nicht das Kindermädchen für irgendwen. Entweder ich kann halbwegs professionell arbeiten oder Sie suchen sich jemand anderes.«

»Keine Angst, ich werde dafür sorgen, dass der Olli nicht mehr dazwischen quatscht«, lenkte Marko schnell ein. Jetzt war auch er wieder ernst. »Sie wollten mir gerade erzählen, was sie über die beiden Kollegen von Olli Vogt herausbekommen haben.«

»Ja, eben nichts«, antwortete die Ermittlerin. Sie brauchte ein paar Sekunden, in denen Sie sich in den beruflichen Stadtverkehr einfädeln musste, bevor sie weiter reden konnte. »Das ist normalerweise ein gutes Zeichen. Zumindest gibt es keinen Hinweis darauf, dass einer von den beiden in Drogengeschäfte verwickelt war.«

Marko warf Olli einen warnenden Blick zu. Der presste immer noch beleidigt die Lippen aufeinander und tat so, als würde er das Gespräch ignorieren.

»Dafür, dass Herr Vogt oder Sie selbst in derlei Geschäfte verwickelt sind, gibt es übrigens auch keine Hinweise«, redete Jana Brand weiter.

»Was? Sie haben auch mich überprüft?«, empörte sich Marko. Das ging jetzt aber doch zu weit, fand er.

»Ja natürlich, ich überprüfe immer meine Klienten. Wie ich schon sagte, ich mache nicht jeden Job. Mit Drogengeschäften will ich nichts zu tun haben und schon gar nicht mit denjenigen, die dieses Zeug herstellen oder vertreiben. Das mag für Sie schon wieder zu nobel klingen, aber ich weiß einfach gerne, auf welcher Seite ich stehe.«

»Nein, nein, das ist schon in Ordnung«, lenkte Marko kleinlaut ein. »Wo fahren wir eigentlich hin?«, wechselte er das Thema.

»Zur Wohnung von Frank Becker. Er hatte kurz vor seinem Tod getrunken. Ich möchte herausfinden wo.«

Ein wenig zu rasant für Markos Geschmack scherte sie in eine Parklücke ein und bremste abrupt. Marko war durch das Gespräch und vielleicht sogar noch mehr durch die Betrachtung seiner Gesprächspartnerin so sehr abgelenkt gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, dass sie in einer Seitenstraße von Frank Beckers ehemaliger Wohnung angekommen waren.

Die drei stiegen aus. Mit forschen Schritten schlug die Detektivin den Weg zu der Hausruine ein. Die beiden Männer folgten ihr, wobei Olli noch immer beleidigt schwieg. Marko beschleunigte seine Schritte und schloss zu der jungen Frau auf.

»Meinen Sie, dass man darin noch etwas findet?«, fragte er sie und nickte in Richtung des zerstörten Hauses.

»Nein, das können Sie vergessen. Da ist sicher nichts mehr zu finden, was die Kriminaltechniker nicht schon entdeckt haben«, antwortete sie. Sie wandte sich an Olli: »Nehmen wir an, ihr Kollege kam von der Arbeit und ist dann auf die Idee gekommen, noch ein Feierabendbier zu trinken. Von wo wäre er gekommen?«

»Das kann ich mir nicht vorstellen, so menschenscheu, wie der war«, antwortete Olli mürrisch.

Jana Brand sagte nichts, sondern sah ihn nur stumm und abwartend an.

»Ja gut, nehmen wir an, dass es so war, auch wenn das unwahrscheinlich ist«, lenkte Olli ein. »Er ist immer mit der U-Bahn gefahren.«

Die Detektivin hatte schon eine Stadtkarte in der Hand und suchte die nächste U-Bahn-Haltestelle.

»Die nächste Haltestelle ist hier. Der kürzeste Weg wäre in etwa dieser. Ich denke, den gehen wir jetzt bis zur Haltestelle zurück und fragen in den Kneipen nach, die am Rand liegen.« Wieder nahm sie entschlossen ihren Weg auf, die beiden Männer marschierten hinterher.

Schon in der zweiten Kneipe hatten sie Glück. Marko war erstaunt, dass Jana Brand noch am vergangenen Abend ein Bild von Frank Becker besorgt hatte, das sie dem Kneipenwirt zeigte. In der Gastwirtschaft befanden sich um diese Zeit noch nicht viele Leute. Die drei anwesenden Gäste tranken Kaffee oder aßen eines der drei Frühstücksvarianten, die hier angeboten wurden. Der Wirt, ein etwas übergewichtiger und freundlicher Mensch, machte den Eindruck, sich über ein bisschen Abwechslung zu freuen.

»Ach, das ist Fränki. Ja, der war gestern Abend hier«, gab er bereitwillig Auskunft, nachdem er einen oberflächlichen Blick auf das Foto geworfen hatte. »Früher war der ja mal Stammgast hier. Nicht am Vormittag, sondern abends. Hing hier immer mit seiner Clique rum. Aber als es dann mit Kristin aus war, vor ungefähr zwei Jahren, hat er sich hier so gut wie überhaupt nicht mehr blicken lassen.

Mich hat damals die Ehe mit der Kristin sowieso gewundert. Die passten überhaupt nicht zusammen. Er hing doch die ganze Zeit vorm Computer, und wenn er dann doch was anderes gemacht hat, saß er hier mit seinen Jungs und hat einen weggebechert. Ich meine, ich darf mich natürlich nicht beschweren. Die Clique, das waren schon gute Kunden.«

»Aber gestern war er dann doch wieder hier?«, fragte Jana Brand, die sich nicht sonderlich für die Eheprobleme von Ollis Kollegen zu interessieren schien.

»Ja, das hat mich auch gewundert. Ich dachte, ist ja schön, dass der Fränki mal wieder aus seinem Loch herauskommt. Immer nur vor so einem Bildschirm sitzen kann ja nicht gesund sein«, quasselte der Wirt weiter.

Die Detektivin übernahm völlig das Gespräch. Ihre beiden männlichen Begleiter hielten sich an die Abmachung und standen nur stumm daneben. Das stellte sich auch als sinnvoll heraus. Der Wirt schien ein ziemlich großes Vertrauen zu Jana Brand zu entwickeln. Das lag sicher auch daran, dass sie eine Frau war, jung und nicht unattraktiv dazu.

 

»War er allein?«, fragte sie.

»Tja, das fand ich ein wenig merkwürdig. Er kam hier mit Tom und Jasmin rein. Tom gehörte früher auch zu der Clique, hab ich zwar nicht verstanden, denn der ist ein unangenehmer Typ. Die anderen waren zwar ein bisschen verschroben, so wie Fränki, aber sonst ganz nett.«

»Was fanden sie daran merkwürdig. Auch wenn sie von diesem Tom nichts halten, so war er doch scheinbar ein Freund von Herrn Becker«, unterbrach die Detektivin den Redefluss des Wirtes.

»Nee, das der Fränki mit dem Tom hier ’n Bier trinkt, ist natürlich nicht seltsam. Komisch fand ich, dass die beiden Jasmin angeschleppt haben. Die hatte hier früher mal ihr Revier, aber das ist schon ein bisschen her. Das ist ’ne Bordsteinschwalbe, wenn sie verstehen, was ich meine.«

»Eine Professionelle, meinen Sie?«, fragte die Detektivin nach.

»Ja, so kann man es auch ausdrücken.« Der Wirt lachte einmal trocken auf. »Jedenfalls steht sie jetzt irgendwo da drüben.« Der Wirt machte eine Bewegung mit der Hand, die wohl auf den angrenzenden Stadtteil zeigen sollte. »Der Tom, ihr neuer ›Freund‹, schickt sie da jetzt immer anschaffen.«

»Was hat sie so gewundert? Es ist doch normal, dass dieser Tom seine Freundin mitbringt«, bemerkte die Detektivin.

»Nee, das ist nicht komisch, wenn man außer Acht lässt, dass das Mädel zu dieser Zeit normalerweise an der Straße steht. Aber der Tom ist schon nach dem ersten Bier gegangen und die beiden sind allein zurückgeblieben.«

»Vielleicht handelte es sich bei dem Treffen ja um eine geschäftliche Angelegenheit. Herr Becker lebte allein und war, wie sie ihn beschreiben, recht einsam. Vielleicht hat sein alter Freund ihm nur ein paar Stunden zu zweit vermittelt.«

»Also, wenn die beiden einfach … . Ich meine, wenn die Jasmin einfach mit dem Fränki aufs Zimmer gegangen wäre, hätte es mich ja nicht gewundert. Das ist ja schließlich ihr Geschäft. Aber es sah aus, als würde sie sich von ihm anbaggern lassen. Ich meine so richtig, nicht wie ’ne Professionelle.«

»Vielleicht fand sie Herrn Becker ja einfach attraktiv oder interessant«, wandte Jana Brand ein. Der Wirt sah sie entsetzt an.

»Also, der Fränki war ein wenig runtergekommen seit der Trennung von der Kristin. Ich glaube nicht, dass er einen besonders ansprechenden Eindruck bei den Damen hinterlassen hat, nicht dass ich verstehen würde, was Frauen an manchen Typen finden. Aber selbst wenn die Jasmin auf ihn abgefahren wäre, glaube ich nicht, dass sie sich getraut hätte, mit ihm anzubändeln. Also, der Tom ist einer, mit dem man sich lieber nicht anlegen möchte. Der kann schon mal ziemlich ungemütlich werden.«

»Ein Schläger meinen sie«, unterbrach ihn die Ermittlerin kühl. Der Wirt nickte.

»Ist der Fränki wirklich bei der Gasexplosion umgekommen, in dieser Bruchbude dahinten?«, fragte er dennoch betroffen nach.

»Leider ja. Können Sie mir sagen, wo ich diese Jasmin finde?«

Jana Brand ließ sich die Gegend beschreiben, wo besagte Dame normalerweise ihre Kunden traf.

»Aber jetzt brauchen sie die da nicht zu suchen, jetzt ist es für ihr Geschäft noch zu früh.« Den Tipp hätte sich der Wirt sparen können, das nahmen sie auch schon von sich aus an.

Die Uhrzeiten, an die er sich erstaunlich gut erinnerte, deuteten darauf hin, dass Frank Becker nach der Arbeit tatsächlich nur in dieser einen Gastwirtschaft eingekehrt war. Die Angaben, über das, was er getrunken hatte, kam auch in etwa mit dem Blutalkohol hin, den man laut Autopsie festgestellt hatte. Die Detektivin musste noch immer gute Kontakte zu ihrer früheren Dienststelle haben, sie kannte den vollständigen Autopsiebericht. Das bestätigte Marko ein weiteres Mal, auch ganz objektiv die richtige Wahl getroffen zu haben. In dem Puzzlespiel fehlte allerdings noch die Antwort auf die Frage, wie die Droge in Frank Beckers Körper gelangt war.

»Also, mal ein Bier mehr hat der Fränki schon getrunken, manchmal auch einen Schnaps, aber Drogen hat der nicht genommen. So etwas hätte Fränki nie gemacht«, antwortete der Wirt, auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, dass sein ehemaliger Gast noch andere Rauschmittel außer Alkohol zu sich genommen habe. Da blieb dann wohl nur noch eine, die man zu diesem Punkt befragen konnte.

Als sie wieder vor der Kneipe standen, verabschiedete sich die Detektivin von den beiden Männern. Sie verabredeten sich für den frühen Abend, um die Prostituierte ausfindig zu machen. Jana Brand ging zu ihrem Wagen zurück, während sich die beiden Männer in Richtung von Markos Wohnung auf den Weg machten.

»Müssen wir die dabeihaben? Die nimmt mich ja doch nicht ernst«, maulte Olli, als sie außer Hörweite der Ermittlerin um die nächste Straßenecke bogen.

»Ich weiß nicht, was du willst, die Detektivin macht doch gute Arbeit. Statt hier so herumzunörgeln, könntest du auch mal was tun«, antwortete Marko gereizt.

»Was soll das denn heißen. Ich kenne mich nicht aus mit Detektivarbeit!«

»Aber du könntest darüber nachdenken, um was es sich handeln könnte, das deine Kollegen entdeckt haben, oder wenigstens eine Idee entwickeln, wie wir es herausfinden können.« Marko war wirklich genervt.

Olli ging mit beleidigtem Gesicht neben ihm her und hielt wieder den Mund. In Markos Wohnung angekommen, verkroch er sich ins Gästezimmer, das Marko ihm zur Verfügung gestellt hatte. Marko hoffte, dass er sich nicht zu einem dauerhaften Mitbewohner entwickeln würde.

Er setzte sich an seinen Schreibtisch und machte sich ein paar Notizen. Diese Geschichte könnte tatsächlich ein Roman werden. Wenn Olli übertrieben hatte und hinter all seinen Mutmaßungen nichts steckte, so konnte er die Geschichte immerhin in seiner Fantasie weiterspinnen. Für einen Romanstoff würde es allemal reichen. Die Hauptaufgabe bestand vor allem darin, sich eine spannende Handlung zu überlegen und passende Figuren zu entwickeln.

Zwei Blatt Papier füllten sich mit Notizen. Marko hing noch immer seinen eigenen Fantasien nach, als Olli plötzlich im Raum stand. Marko hatte die Zeit völlig vergessen.

»Wir müssen los. Deine Detektivin wartet«, sagte Olli mürrisch und wandte sich zum Gehen.

Er schien sich so über Markos Kommentar zu ärgern, dass er sogar vergaß, dass er Angst davor hatte, allein die Wohnung zu verlassen. Marko schmunzelte. Umso besser, vielleicht würde er ja schon in wenigen Tagen wieder ein normales Leben ohne einen Mitbewohner führen können.

Es dauerte keine drei Minuten, da parkte der ältere Golf so rasant vor dem Haus ein, dass er Marko fast über die Füße gefahren wäre. Schwungvoll stieß Jana Brand die Beifahrertür auf.

»Entschuldigung, dass ich zu spät bin, aber ich bin aufgehalten worden«, begrüßte sie Marko und ignorierte, wie auch schon am Morgen, Olli. Der stieg grußlos hinten ein.

Marko sah auf die Uhr. Tatsächlich, es war schon zehn Minuten nach der verabredeten Zeit. Er selbst hätte so eine kurze Verspätung nicht erst erwähnt.

»Bei den Verkehrsverhältnissen hier habe ich nicht damit gerechnet, dass Sie wirklich pünktlich sind«, erwiderte er und zeigte ihr sein bezauberndstes Lächeln, während er sich neben sie auf den Beifahrersitz setzte.

Die drei machten sich auf den Weg. In einer überschaubaren Entfernung von der Straße, in der diese Jasmin normalerweise stand, parkten sie den Wagen.

»Das mache ich besser alleine«, sagte die Detektivin. »Sie bleiben so lange im Wagen. Bin gleich wieder da.«

»Einen Moment, ich komme mit. Manchmal bewirkt ein Mann bei solchen Frauen mehr als eine Frau«, hielt Marko dagegen.

»Sie scheinen sich in diesen Kreisen ja bestens auszukennen«, entgegnete Jana Brand spitz.

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