Verbrechen im Café

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Из серии: Ein Cozy-Krimi mit Lacey Doyle #3
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KAPITEL DREI

Lacey fuhr in ihrem champagnerfarbenen Volvo an der Strandpromenade entlang. Sie hatte die Fenster hinuntergekurbelt und ließ sich von der sanften Mittagssonne wärmen. Sie war auf dem Weg zum ehemaligen Altersheim, das schon bald Wilfordshires neues B&B beherbergen würde, und hatte eine Überraschung für Suzy auf dem Beifahrersitz. Nicht Chester – ihr treuer Begleiter war viel zu beschäftigt damit gewesen, in der Sonne vor sich hinzuschnarchen, um gestört zu werden – sondern das Steinschlossgewehr.

Lacey war sich immer noch nicht sicher, ob es richtig war, sich davon zu trennen. Wenn sie das Gewehr in der Hand hielt, hatte sie das Gefühl, dass es ihr gehörte, als ob das Universum ihr sagen würde, dass sie sich darum kümmern sollte. Aber Gina hatte ihr bezüglich Xavier und seinen Absichten einen Floh ins Ohr gesetzt, und sie war einfach unschlüssig.

„Jetzt ist es wohl zu spät“, sagte Lacey mit einem Seufzer. Sie hatte bereits versprochen, es an Suzy zu verkaufen, und es hätte sehr unprofessionell ausgesehen, jetzt nur wegen eines komischen Gefühls aus dem Handel auszusteigen!

In diesem Moment kam Lacey an Brookes alter Teestube vorbei. Sie war komplett mit Brettern zugenagelt. Die Renovierung, mit der sie den alten Kanuschuppen in ein schickes Restaurant verwandelt hatte, war ganz umsonst gewesen.

Der Gedanke an Brooke machte Lacey nervös, und das war wirklich das Letzte, was sie noch zusätzlich zu der Unruhe brauchte, die sie ohnehin schon empfand.

Sie drückte das Gaspedal durch und beschleunigte in der Hoffnung, diese schrecklichen Gefühle hinter sich lassen zu können.

Schon bald erreichte Lacey den östlichen Teil der Stadt. Hier machten sich weniger Wohnhäuser breit und die Geschäfte, die sich von Norden nach Süden und Westen in Richtung Zentrum ausstreckten, waren hier fast vergeblich zu finden. Laut Carol würde sich diese Gegend dank Bürgermeister Fletcher zum Schlechteren verändern.

In dem Moment sah Lacey die Abzweigung, die zum ehemaligen Sunrise-Altersheim führte, und bog nach links ab. Die holprige von Buchen gesäumte Straße führte aufwärts. Die Bäume, die die Straße einrahmten, waren so hoch, dass sie einen Tunnel bildeten, der das Sonnenlicht abschirmte.

„Das ist ja überhaupt nicht unheilvoll…“, sagte Lacey sarkastisch. „Nicht im Geringsten.“

Glücklicherweise lichteten sich die Bäume schon bald wieder und das Tageslicht fiel erneut auf sie herab.

Lacey erhaschte einen ersten Blick auf das Haus, das sich in die Hänge der Hügel schmiegte. Ihre Innenarchitekteninstinkte schalteten sich sofort ein, während sie die Fassade betrachtete. Es war ein ziemlich modern anmutendes, dreistöckiges Herrenhaus aus rotem Backstein. Sie vermutete, dass es sich um ein Anwesen aus den 1930er Jahren handelte, das im Laufe der Jahre modernisiert worden war. Die Einfahrt und der Parkplatz waren aus grauem Beton – funktional, aber unansehnlich. Die Fenster des Herrenhauses hatten dicke, weiße Kunststoffrahmen – gut geeignet, um Einbrecher fernzuhalten, aber ein schrecklicher Schandfleck. Man bräuchte mehr als ein paar strategisch platzierte Sträucher, um das Äußere wie ein viktorianisches Jagdhaus aussehen zu lassen.

Nicht, dass Lacey dieses Problem würde lösen müssen. Sie hatte noch keine Entscheidung bezüglich Suzys Angebot getroffen. Sie wollte Tom um Rat bitten, aber er arbeitete heute länger an einer sehr kurzfristigen Bestellung von regenbogenfarbenen Cupcakes für das jährliche Sommerspektakel des örtlichen CVJMs. Sie hatte auch eine Nachricht in die Gruppe mit ihrer Mutter und ihrer jüngeren Schwester geschrieben und von Ersterer die Antwort „Arbeite nicht zu hart“ und von Letzterer ein „Wenn sie gutes $$$$ bezahlt, dann nur zu“ erhalten.

Lacey parkte ihr Auto auf dem Betonparkplatz und ging die Treppen hinauf, die an einer großen, unansehnlichen Rollstuhlrampe entlangführten. Der behindertengerechte Zugang zum Anwesen – und vermutlich auch innerhalb des Anwesens – war schon mal ein großer Pluspunkt. Weder Carols B&B noch das Coach House Inn waren für Gäste mit Behinderungen geeignet, da sie beide über keinen Zugang von der gepflasterten Straße verfügten, und beide hatten im Inneren nur eine schmale Treppe ohne Aufzug.

Am oberen Ende der Treppe erreichte Lacey eine große Glasveranda im Stil eines Wintergartens. Das war so typisch für die 90er Jahre, dass es sie an ein Freizeitzentrum erinnerte.

Die Türen öffneten sich und sie ging hinein, wo ihre Augen von einer riesigen Linoleumfläche, grellen Neonröhren über den Fenstern und klebrigen Jalousien in den Wartezimmern, die in jedem der Fenster hingen, beleidigt wurden. In der Ecke neben einer Reihe summender Automaten stand ein glucksender Wasserkühler.

Suzy hatte ganz schön untertrieben, wie viel Arbeit noch zu erledigen war.

„Lacey! Hey!“, ertönte die fröhliche Stimme der jungen Frau.

Lacey schaute sich um und sah, wie sie hinter der Rezeption auftauchte – ein riesiges, unechtes Holzmonstrum, das scheinbar aus der Struktur des Gebäudes selbst geformt war.

„Ich habe mir nur die Steckdosensituation hier hinten angesehen“, erklärte Suzy. „Greg, der Veranstaltungsplaner, muss wissen, wie viele Stromanschlüsse zur Verfügung stehen. Er ist ein totaler Drache, im Ernst. Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich jemand anderen einstellen. Aber in der Not darf man nicht wählerisch sein. Also bleibt es bei Griesgram Greg“, grinste sie.

„Wozu brauchen Sie einen Veranstaltungsplaner?“, fragte Lacey.

„Für die Eröffnungsparty natürlich“, sagte Suzy.

Bevor Lacey Gelegenheit hatte, sie weiter darüber auszufragen, kam Suzy hinter der riesigen Theke hervor und umarmte sie. Das überraschte sie. Aber trotz der Tatsache, dass sie sich kaum kannten, fand Lacey, dass es sich ganz natürlich anfühlte. Es war, als sei die junge Frau eine alte Freundin, obwohl sie sich erst vor weniger als 24 Stunden kennengelernt hatten.

„Kann ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?“, fragte Suzy. Dann errötete sie. „Entschuldigung, Sie sind Amerikanerin. Sie möchten bestimmt lieber Kaffee, oder?“

Lacey kicherte. „Seit ich hierhergezogen bin, komme ich eigentlich immer mehr auf den Geschmack von Tee. Aber nein, danke.“ Sie achtete darauf, ihren Blick nicht zu dem Automaten und dem wässrigen, minderwertigen Tee, den er vermutlich zubereiten würde, schweifen zu lassen. „Wollen wir mit der Führung beginnen?“

„Sie verschwenden keine Zeit, das gefällt mir“, sagte Suzy. „Okay, das ist offensichtlich der Empfangsbereich.“ Sie öffnete ihre Arme weit und grinste begeistert. „Wie Sie wahrscheinlich erkennen können, ist es im Grunde ein Wintergarten, der in den neunziger Jahren hinzugefügt wurde. Außer das ganze Ding abreißen zu lassen, habe ich keine Ahnung, wie man es wie eine viktorianische Jagdhütte aussehen lassen könnte, aber ich schätze, dafür ist Ihr Fachwissen da. Ich meine, falls Sie sich entscheiden, für mich zu arbeiten.“ Sie kicherte und gestikulierte in Richtung der inneren Doppelflügeltüren. „Hier entlang.“

Sie betraten einen langen, schwach beleuchteten Flur. Eine Reihe von glänzenden Plastikschildern war an die Wand geschraubt, die den Weg zum „Fernsehzimmer“, „Esszimmer“, „Garten“ und der „Schwesternstation“ wiesen. Der Ort roch sehr stark nach Talkumpuder.

Lacey runzelte ihre Nase. Es wurde immer offensichtlicher, dass dieses Projekt extrem umfangreich werden würde und sie hatte das Gefühl, dass es einfach zu viel für sie wäre.

Sie folgte Suzy ins Fernsehzimmer. Es war ein riesiger Raum, spärlich möbliert und mit den gleichen Böden aus unechtem Holzlinoleum. Die Wände waren mit Raufasertapete verkleidet.

„Ich denke, wir verwandeln diesen Raum in den Salon“, begann Suzy und tänzelte durch den Raum, während ihr gemusterter Zigeunerrock im Takt schwang. „Ich möchte einen offenen Kamin. Ich glaube, hinter dieser verbarrikadierten Nische ist einer versteckt. Und in diese Ecke können wir ein paar schöne, rustikale, antike Möbel stellen.“, deutete sie vage mit ihren Armen an. „Oder in die hier. Was immer Ihnen lieber ist.“

Lacey fühlte sich zunehmend unsicher. Die Arbeit, die Suzy von ihr verlangte, war mehr als einfache Innenarchitektur! Sie hatte nicht einmal den Grundriss im Kopf. Aber sie schien eine Träumerin zu sein, und das bewunderte Lacey ein wenig. Sich ohne jegliche Erfahrung auf so eine Aufgabe zu stürzen, war eigentlich genau Laceys Ding und für sie hatte sich das Risiko gelohnt. Aber die Kehrseite der Medaille war, dass Lacey niemanden gehabt hatte, der die Stimme der Vernunft für sie gespielt hatte. Außer ihrer Mutter und Naomi – die einen ganzen Ozean und fünf Stunden Zeitverschiebung entfernt gewesen waren – hatte es niemanden gegeben, der ihr gesagt hatte, dass sie verrückt war. Aber nun selbst in diese Rolle zu schlüpfen, jemanden dabei zu beobachten, wie er sich kopfüber in eine fast unmögliche Aufgabe stürzte … Lacey war sich einfach nicht sicher, ob sie es schaffen würde. Sie brachte es nicht übers Herz, jemanden knallhart in die Realität zurückzuholen und seine Träume zu zerstören, aber sie war auch nicht der Typ, der sich zurückhielt und dabei zusah, wie jemand sich selbst ins Verderben stürzte.

„Von hier aus kommt man in den Speisesaal“, sagte Suzy unbefangen. Sie führte Lacey schnell in den nächsten Raum. „Der wird hier auch bleiben, weil es dort drüben einen Zugang zur Küche gibt.“ Sie zeigte auf eine Schwingtür zu ihrer Rechten. „Und von hier hat man die beste Aussicht auf das Meer und den Garten.“

Lacey konnte nicht umhin zu bemerken, dass Suzy bereits so redete, als hätte sie dem Job bereits zugesagt. Sie biss sich beklommen auf die Lippe und ging zu den Glasschiebetüren hinüber, die die gesamte hintere Wand einnahmen. Der Garten war zwar mehrere Hektar groß, bestand aber nur aus einer riesigen Rasenfläche und einigen sporadisch aufgestellten Bänken mit Blick auf das Meer in der Ferne.

 

„Das würde Gina gefallen“, sagte Lacey über ihre Schulter und suchte nach etwas Positivem.

„Gina?“, fragte Suzy.

„Die Dame, die mit mir in meinem Geschäft arbeitet. Krauses Haar. Rote Brille. Gummistiefel. Sie ist eine begnadete Gärtnerin. Das hier wäre wie eine leere Leinwand für sie.“ Sie blickte zurück zu Suzy. „Sie hat versucht, mir das Gärtnern beizubringen, aber ich glaube, ich bin immer noch viel zu sehr New York City für die Pflanzenwelt.“

Suzy lachte. „Nun, wenn es Zeit ist, den Garten zu machen, rufe ich Gina an.“

Sie fuhren mit ihrer Tour durch die Küche, den Flur, am Aufzug vorbei und hinauf in eines der Schlafzimmer fort.

„Ganz schön groß“, sagte Suzy zu ihr, als sie Lacey hineinführte.

„Das kann man wohl sagen“, antwortete Lacey und rechnete aus, wie viele Möbel erforderlich wären, um sie angemessen einzurichten.

Sie bräuchten mehr als nur die übliche Möblierung eines B&Bs, die in dein meisten Fällen aus einem Bett, einem Schrank und den Nachttischen bestand. Sie waren groß genug für eine separate Couch und einen Sitzbereich mit Couchtisch, und für einen Ankleidebereich mit einem Schminktisch. Lacey konnte es sich gut vorstellen, aber es bedurfte einer Menge Koordination, um alles rechtzeitig für die Flugshow am Samstag fertig zu bekommen.

„Und wie viele Zimmer, sagten Sie, gibt es?“, fragte sie und schaute nervös zur Tür hinaus und den dunklen Korridor entlang, der auf beiden Seiten von Türen gesäumt war. Sie wollte Suzy gegenüber nicht so deutlich zeigen, wie viel Arbeit nötig sein würde, um diesen Ort auf Vordermann zu bringen. Schnell schüttelte sie ihren besorgten Gesichtsausdruck wieder ab.

„Es sind insgesamt 400 Quadratmeter Unterkunft“, erklärte Suzy. „Sechs Schlafzimmer und eine Hochzeitssuite. Aber wir müssen nicht alles auf einmal machen. Nur den Salon, das Esszimmer und ein paar der Schlafzimmer. Zwei oder drei würden für den Anfang reichen, denke ich.“

Sie klang so entspannt bei dem Ganzen, obwohl sie nicht einmal genau wusste, wie viele Schlafzimmer sie eingerichtet haben wollte!

„Und Sie müssen das alles rechtzeitig für die Flugschau am Samstag fertig haben?“, fragte Lacey erneut, als würde eine weitere Bestätigung die ganze Sache irgendwie besser machen.

„Eigentlich am Freitag“, korrigierte Suzy. „Da findet die Eröffnungsparty statt.“

Lacey erinnerte sich daran, dass Suzy Griesgram Greg, den Veranstaltungsplaner, und die Eröffnungsparty erwähnt hatte. Ihre Frage nach dem Termin für die Feier war ihr in dem Moment entfallen, als Suzy sie überraschend umarmt hatte.

„Freitag…“ wiederholte Lacey wie hypnotisiert, als sie Suzy zurück aus dem Raum und in den Aufzug folgte.

Die Türen schlossen sich sanft hinter ihnen, und Suzy wandte sich mit erwartungsvollem Blick an Lacey. „Und? Was denken Sie?“

Der Aufzug fuhr nun abwärts, wovon Lacey ein wenig flau im Magen wurde.

„Sie haben hier ein ziemliches Juwel“, sagte Lacey und wählte ihre Worte sorgfältig. „Aber das Ganze ist ein wenig knapp. Das ist Ihnen doch klar, oder?“

„Das hat Griesgram Greg auch gesagt“, antwortete Suzy und ihre Lippen verzogen sich, als ihr Tonfall mürrischer wurde. „Er sagte, es wäre fast unmöglich, bis Freitag ein großes Feuerwerk zu organisieren.“

Lacey verkniff sich ihr klar zu machen, dass es wesentlich weniger schwierig war, einen Haufen Feuerwerkskörper zu beschaffen, als 400 Quadratmeter Pflegeheim in ein viktorianisches Jagdhaus zu verwandeln. Wenn schon ihr Veranstaltungsplaner der Meinung war, dass das Ganze zu knapp war, was sollte sie dann erst sagen?

Die Fahrstuhltüren öffneten sich, und sie traten gemeinsam in den Hauptkorridor hinaus.

Lacey blickte Suzy an. Sie sah aus, als werde ihr erst jetzt klar, wie viel Arbeit tatsächlich nötig war, um diesen Ort zu verwandeln. Zum ersten Mal sah sie ein wenig überwältigt aus. Sorge spiegelte sich in ihrem Blick.

„Glauben Sie, ich habe mir zu viel vorgenommen?“, fragte sie, als sie zurück ins Foyer gingen.

Laceys Instinkt, sie nicht zu enttäuschen, meldete sich.

„Ich werde Sie nicht anlügen“, sagte sie vorsichtig. „Es wird eine Menge harte Arbeit sein. Aber ich glaube, es ist machbar. Ich habe bereits eine ganze Menge Material, das für Ihren Stil geeignet wäre. Aber es gibt einige wirklich große Dinge, die Sie priorisieren müssen, bevor mit der Einrichtung begonnen werden kann.“

„Zum Beispiel?“, fragte Suzy und schnappte sich ein Stück Papier für Notizen, als wollte sie jedes Wort der Expertin mitschreiben.

„Die Fußböden“, begann Lacey und ging durch den Raum. „Dieses Linoleum muss weg. Die Wände müssen von dieser schrecklichen Raufaser befreit werden. Die Stuckdecke. Allein das Öffnen des Kamins wird ein ganzes Team erfordern …“

„Also im Grunde genommen, alles entkernen und von vorne anfangen?“, unterbrach Suzy und blickte von ihren Notizen auf.

„So ziemlich. Und keine Abkürzungen nehmen. Wenn es um Innenräume geht, dreht sich alles um die kleinen Details. Man muss konsequent sein. Keine Tapete in Holzoptik. Wenn Sie sich für eine Vertäfelung entscheiden, dann bringen Sie eine echte an. Eine Fälschung sieht billig aus. Diese Materialen aufzutreiben hat also absolute Priorität.“

Suzy fing wieder an mitzuschreiben und nickte die ganze Zeit, die Lacey sprach. „Kennen Sie einen guten Handwerker?“

„Suzy, Sie brauchen zehn Handwerker“, sagte Lacey zu ihr. „Mindestens! Und eine ganze Fußballmannschaft an Raumgestaltern. Haben Sie überhaupt das Budget für dafür?“

Suzy sah auf. „Ja. So ziemlich. Ich meine, ich werde niemanden bezahlen können, bis das Hotel anfängt Geld einzubringen, was es schwieriger machen könnte, Leute zu finden, die sich bereit erklären, die Arbeit zu machen…“

Ihre Stimme driftete ab, während sie Lacey einen hoffnungsvollen Dackelblick zuwarf.

Lacey fühlte sich noch unsicherer als zuvor. Es wäre riskant, nicht im Voraus bezahlt zu werden, da sie eine Menge Ware beschaffen müsste, die Zehntausende von Pfund kosten würde. Und es wäre vielleicht unklug, ein so großes Projekt zu übernehmen, wenn die Zeit bis zur Fertigstellung so knapp bemessen war und sie auch noch an ihr eigenes Geschäft denken musste. Aber auf der anderen Seite hatte sie die Tour sehr genossen und konnte sich vorstellen, wie der Ort voller antiker Stücke aussehen würde. Sie hatte es auch genossen, ihr altes Fachwissen über Innenarchitektur zu nutzen und es mit ihrem neuen Talent für Antiquitäten zu kombinieren. Suzy bot ihr eine einzigartige Gelegenheit, und das B&B würde mit absoluter Sicherheit sehr schnell Gewinne abwerfen. Ja, es wäre ein enormes finanzielles Risiko und ein massiver Aufwand an Zeit und Energie, aber wann würde Lacey je wieder eine solche Chance bekommen?

Nicht ganz bereit, Suzy eine endgültige Antwort zu geben, sagte Lacey: „Ich bin gleich wieder da.“

Sie ging zu ihrem Auto, holte das Steinschlossgewehr und trug es zurück in das Anwesen.

„Das Gewehr!“, Suzy strahlte und grinste beim Anblick des Steinschlossgewehrs. Es schien sie genauso zu begeistern wie gestern, als Lacey es ihr das erste Mal im Geschäft gezeigt hatte. „Sie haben es mitgebracht? Für mich?“

„Ja“, sagte Lacey zu ihr.

Sie legte es auf den Empfangstresen und öffnete die Schlösser.

Suzy griff hinein und holte es heraus, wobei sie liebevoll mit den Fingern über den Lauf fuhr. „Kann ich es in die Hand nehmen?“

„Sicher“, sagte Lacey.

Suzy ergriff die Waffe und nahm eine Schussposition ein. Sie sah so dabei so professionell aus, dass Lacey sie gerade fragen wollte, ob sie jemals selbst gejagt hätte. Doch bevor sie die Gelegenheit dazu hatte, ertönte das Geräusch der automatischen Foyertüren, die sich hinter ihnen öffneten.

Lacey drehte sich um und sah einen Mann in einem dunklen Anzug durch die Türen schreiten. Hinter ihm kam eine Frau in einem vornehmen, dunkelroten Kostüm herein. Sie strahlte Autorität aus. Lacey erkannte die Frau von den Gemeindeversammlungen wieder. Es war Stadträtin Muir, die örtliche Abgeordnete.

Auch Suzy wirbelte herum, das Gewehr noch in der Hand.

Bei seinem Anblick stürmte der Mann im Anzug schützend auf Stadträtin Muir zu.

„Suzy!“, kreischte Lacey. „Leg das Gewehr weg!“

„Oh!“ Suzys Wangen färbten sich feuerrot.

„Es ist nur eine Antiquität!“, erklärte Lacey dem Sicherheitsbeamten, der seine Arme immer noch schützend um Stadträtin Muir schlang.

Schließlich, wenn auch etwas zögerlich, ließ er von ihr ab.

Die Stadträtin strich ihr Kostüm glatt und tastete ihr Haar ab. „Danke, Benson“, sagte sie steif zu ihrem Begleiter, der sich für sie vor eine Kugel geworfen hätte. Sie sah etwas verlegen aus.

„Entschuldige, Joanie“, sagte Suzy. „Dafür, dass ich dir eine Waffe ins Gesicht gehalten habe.“

Joanie?, dachte Lacey. Das klang erstaunlich vertraut. Kannten die beiden sich bereits?

Stadträtin Muir sagte nichts. Ihr Blick richtete sich auf Lacey. „Wer ist das?“

„Das ist meine Freundin Lacey“, sagte Suzy. „Sie wird sich um die Inneneinrichtung des B&B kümmern. Hoffentlich.“

Lacey trat vor und streckte der Stadträtin ihre Hand entgegen. Sie hatte sie noch nie aus nächster Nähe gesehen. Nur vom Podium des Rathauses aus, wenn sie eine Ansprache gehalten hatte, oder auf Flyern, die gelegentlich in ihrem Briefkasten landeten. Sie war über 50 Jahre alt, älter als auf ihrem Pressefoto; das verrieten die Fältchen um ihre Augen herum. Sie sah müde und gestresst aus und nahm Laceys ausgestreckte Hand nicht an, da ihre Hände damit beschäftigt waren, einen dicken Briefumschlag zu umklammern.

„Ist das meine Geschäftslizenz?“, quiekte Suzy aufgeregt, als sie den Umschlag entdeckte.

„Ja“, sagte Stadträtin Muir hastig und hielt ihn ihr hin. „Ich bin nur vorbeigekommen, um sie dir zu übergeben.“

„Joanie hat das alles so schnell für mich geregelt“, sagte Suzy zu Lacey. „Wie nennt man das? Du hast es expediriert?“

„Expediert“, warf ihr Begleiter ein und erntete dafür einen scharfen Blick von Stadträtin Muir.

Lacey runzelte die Stirn. Es war höchst ungewöhnlich, dass ein Mitglied des Gemeinderates solche Geschäftslizenzen persönlich überbrachte. Als Lacey ihre eigene beantragt hatte, hatte sie unzählige Online-Formulare ausgefüllt, in schäbigen Gemeindegebäuden herumgesessen und darauf gewartet, dass die Nummer auf ihrem Ticket angerufen wurde, als stünde sie in der Warteschlange der Metzgerei. Sie fragte sich, warum Suzy eine Sonderbehandlung bekam. Und vor allem, warum die beiden sich bereits duzten.

„Kennt ihr beide euch von irgendwoher?“, fragte Lacey in dem Bestreben herauszufinden, was es damit auf sich hatte.

Suzy gluckste. „Joan ist meine Tante.“

„Ah“, erwiderte Lacey.

Das ergab Sinn. Stadträtin Muir hatte dem Umbau eines Altersheims in ein B&B also nur so schnell zugestimmt, weil sie mit Suzy verwandt war. Carol hatte recht gehabt. Hier gab es eine Menge Vetternwirtschaft.

„Ehemalige Tante“, korrigierte Stadträtin Muir abwehrend. „Und nicht blutsverwandt. Suzy ist die Nichte meines Ex-Mannes. Und das hat bei der Entscheidung, die Lizenz zu erteilen, keine Rolle gespielt. Es ist einfach höchste Zeit, dass Wilfordshire ein anständiges B&B bekommt. Der Tourismus nimmt von Jahr zu Jahr zu und unsere derzeitigen Einrichtungen können mit der Nachfrage einfach nicht Schritt halten.“

Für Lacey war es offensichtlich, dass Stadträtin Muir von der Tatsache abzulenken versuchte, dass Suzy bevorzugt behandelt worden war. Aber das war wirklich nicht nötig. Es änderte nichts an Laceys Meinung über Suzy, denn schließlich konnte sie nichts für ihre guten Beziehungen. Und aus Laceys Sicht zeugte es von gutem Charakter, dass sie ihre Kontakte nutzte, um etwas zu unternehmen, statt sich nur auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Wenn es jemanden schlecht dastehen ließ, dann war es Stadträtin Muir selbst, und zwar nicht, weil sie ihre einflussreiche Position ausgenutzt hatte, um der Nichte ihres Ex-Mannes einen so großen Gefallen zu erweisen, sondern weil sie sich dabei so dubios und ausweichend verhielt. Kein Wunder, dass die Bürger der Gemeinde dem Erneuerungsprojekt so ablehnend gegenüberstanden!

Die karmesinrot gekleidete Stadträtin suchte immer noch nach Ausreden. „Die Stadt hat eigentlich sogar genug Nachfrage für zwei B&Bs dieser Größe, vor allem, wenn man all den zusätzlichen Umsatz berücksichtigt, den die Wiedereröffnung des alten Schützenvereins uns einbringen wird.“

Lacey war sofort interessiert. Sie dachte an Xaviers Notiz und wie er erwähnt hatte, dass ihr Vater während der Sommermonate öfter zum Jagen nach Wilfordshire gekommen war.

 

„Der alte Schützenverein?“, fragte sie.

„Ja, oben bei Penrose Manor“, erklärte Stadträtin Muir und gestikulierte mit ihrem Arm nach Westen, wo sich das Anwesen auf der anderen Seite des Tals befand.

„Dort war doch mal ein Wald, oder?“, läutete Suzy ein. „Ich habe gehört, dass Heinrich der Achte das Jagdhaus bauen ließ, damit er kommen und Wildschweine jagen konnte!“

„Das stimmt“, sagte die Stadträtin mit einem sachlichen Nicken. „Aber der Wald wurde irgendwann abgeholzt. Wie auf vielen englischen Gutshöfen begann der Adel nach der Erfindung des Gewehrs, Wildvögel zu schießen. Und daraus entwickelte sich die heutige Jagdwirtschaft. Heutzutage werden Stockenten, Rebhühner und Fasane nur zum Schießen gezüchtet.“

„Was ist mit Kaninchen und Tauben?“, fragte Lacey, wobei sie sich an den Inhalt von Xaviers Brief erinnerte.

„Die können das ganze Jahr über gejagt werden“, bestätigte Stadträtin Muir. „Der Schützenverein von Wilfordshire unterrichtete in der Nebensaison Amateure und sie übten sich an Tauben und Kaninchen. Nicht gerade glamourös, aber irgendwo muss man ja anfangen.“

Lacey ließ sich die Informationen durch den Kopf gehen. Es stimmte exakt mit dem überein, was Xavier in seinem Brief gesagt hatte und sie konnte nicht umhin zu glauben, dass ihr Vater wirklich im Sommer nach Wilfordshire gekommen war, um bei Penrose Manor zu jagen. In Verbindung mit dem Foto, das sie von ihrem Vater und Iris Archer, der früheren Besitzerin, gesehen hatte, schien dies noch wahrscheinlicher.

Hatte sich die Waffe deshalb so vertraut angefühlt? Weil irgendwo in ihrem Unterbewusstsein Erinnerungen verborgen lagen, zu denen sie keinen Zugang hatte?

„Ich wusste nicht, dass es in Penrose Manor ein Jagdhaus gibt“, sagte sie. „Wann hat der Schützenverein den Betrieb eingestellt?“

„Vor etwa zehn Jahren“, antwortete Stadträtin Muir. Ihr Tonfall klang mühsam, als zöge sie es vor, dieses Gespräch nicht zu führen. „Sie mussten den Betrieb wegen…“ Sie hielt inne und suchte offenbar nach den richtigen Worten. „… ungünstiger Vermögensverwaltung schließen.“

Die Stadträtin schien melancholisch zu werden, als hätte sie eine Art persönliche Vergangenheit mit dem Schützenverein und seinem Untergang vor einem Jahrzehnt, doch da konnte Lacey sich nicht sicher sein. Sie wollte nachfragen und herausfinden, ob es vielleicht noch mehr Hinweise gab, die auf ihren Vater zurückführten, doch Suzy schaltete sich jetzt ein. „Also siehst du, wie viel unausgeschöpftes Potenzial hier vorhanden ist, und warum du dich unbedingt an dem Projekt beteiligen solltest!“, sagte sie voller Begeisterung.

Die Stadträtin nickte in ihrer steifen Art. „Wenn einem die Chance geboten wird, sich an der Erneuerung des östlichen Teils der Grafschaft Wilfordshire zu beteiligen“, sagte sie, „dann würde ich sie auf jeden Fall ergreifen. Das B&B ist erst der Anfang. Bürgermeister Fletcher hat große Pläne für diese Stadt. Wenn Sie sich hier einen Namen machen, werden Sie auch bei zukünftigen Projekten eine der ersten Ansprechpartnerinnen sein.“

Das Jobangebot faszinierte Lacey mehr und mehr. Nicht nur wegen des enormen Potenzials, sich einen Namen zu machen – und dabei einen ansehnlichen Gewinn zu erzielen –, sondern auch wegen der Verbindung von Wilfordshire und ihrem Vater. Sie fragte sich, ob er auch das Potenzial der Stadt erkannt hatte. Vielleicht war er deshalb überhaupt erst hierhergekommen, weil er eine Geschäftsgelegenheit entdeckt hatte, in die er investieren wollte?

‚Oder weil er seiner Ehe und Familie entfliehen und sich an einem Ort niederlassen wollte, der besser zu ihm passte‘, dachte Lacey.

„Ich muss langsam los“, sagte Stadträtin Muir und winkte ihrem Begleiter zu, welcher sofort wieder an ihre Seite sprang. „Ich habe andere Angelegenheiten zu klären. Die Anwohner regen sich über die geplante Fußgängerzone in der Hauptstraße auf. So wie die sich verhalten könnte man meinen, ich hätte genehmigt, die Straßen mit Lava übergießen zu lassen.“ Sie nickte Suzy knapp zu und machte sich dann davon.

Kaum war sie weg, drehte Suzy sich mit einem begeisterten Gesichtsausdruck zu Lacey um und hielt den Briefumschlag mit ihrer Geschäftslizenz fest in den Händen.

„Und?“, fragte sie. „Was sagen Sie dazu? Wollen Sie mitmachen?“

„Kann ich ein wenig Zeit haben, um darüber nachzudenken?“

„Aber sicher.“ Suzy kicherte. „Denk dran, die Eröffnung ist in einer Woche. Nimm dir so viel Zeit, wie du willst.“

*

Lacey öffnete die Tür zum Antiquitätenladen. Boudica und Chester eilten herbei, um sie zu begrüßen. Abwechselnd kraulte sie den beiden die Köpfe.

„Du bist zurück“, sagte Gina, während sie von dem Gartenmagazin aufblickte, das sie sich gerade angesehen hatte. „Wie ist es gelaufen?“

„Es war interessant“, sagte Lacey und setzte sich neben sie an den Schreibtisch. „Es ist ein fantastisches Anwesen, mit viel Potenzial. Und die Stadträtin scheint der gleichen Meinung zu sein.“

Gina klappte ihr Gartenmagazin zu. „Die Stadträtin?“

„Ja, Stadträtin Muir“, erwiderte Lacey. „Sie ist Suzys Tante. Diese ganze B&B-Sache scheint ein Teil von Bürgermeister Fletchers Plänen zu sein, East Wilfordshire zu sanieren. Nicht, dass das Suzys Schuld ist, aber dadurch scheint sie noch unerfahrener. Wer weiß, ob ihr eigentlicher Geschäftsplan überhaupt umsetzbar ist, oder ob er nur wegen ihrer Tante genehmigt wurde.“

Gina tippte auf ihr Kinn. „Hmm. Carol war also doch an etwas dran.“

„In gewisser Weise.“

„Aber mal ganz abgesehen von all dem politischen Kram“, fügte Gina hinzu und drehte sich mit ihrem Hocker herum, so dass sie Lacey direkt gegenübersaß. „Was würde es für dich heißen, da mitzumachen?“

Lacey hielt inne. Sie spürte ein aufgeregtes Flattern in ihrem Bauch. Wenn sie all die nörgelnden Zweifel beiseiteschob, war es wirklich eine einmalige Gelegenheit.

„Es würde bedeuten, dass ich die Verantwortung für die Einrichtung eines 400 Quadratmeter großen Anwesens mit historischen Möbeln tragen würde. Für eine Antiquitäten-Liebhaberin ist das im Grunde genommen das Paradies.“

„Und das Geld?“, fragte Gina.

„Oh, ich würde einen Haufen verdienen. Wir sprechen hier von Tausenden von Pfund an Warenbeständen. Ein ganzer Speisesaal. Ein Foyer. Eine Bar. Sechs Schlafzimmer und eine Hochzeits-Suite. Das ist ein gewaltiges Unterfangen. Außerdem wird mir das in Zukunft noch mehr Arbeit einbringen, weil ich mir so einen Namen machen kann. Und die Tatsache, dass ein B&B für besondere Anlässe wie die Flugschau eine positive Auswirkung auf den Rest der Stadt haben wird …“

Gina begann zu lächeln. „Für mich klingt das so, als hättest du dich schon entschieden.“

Lacey nickte unverblümt. „Vielleicht habe ich das. Aber wäre es nicht verrückt? Ich meine, sie will, dass es rechtzeitig zur Flugschau fertig wird. Die ist am Samstag!“

„Und seit wann schreckst du vor harter Arbeit zurück?“, fragte Gina frech. Sie deutete auf ihre Umgebung. „Sieh dir an, was du durch deine harte Arbeit schon alles erreicht hast.“

Lacey war zu bescheiden, um das Kompliment anzunehmen, auch wenn sie wusste, dass Gina nicht ganz unrecht hatte. Sie war risikofreudiger geworden. Hätte sie ihren Job in New York City nicht aufgegeben und den ersten Flug nach England genommen, hätte sie sich dieses wunderbare Leben nie aufbauen können. Sie wäre unglücklich, geschieden und immer noch dafür zuständig, Saskia ihren Kaffee zu holen, als wäre sie eine Praktikantin und keine Assistentin mit 14 Jahren Berufserfahrung. Das Projekt mit Suzy war die Art von Arbeit, für die Saskia mit ihren manikürten Nägeln kämpfen würde. Das allein war schon ein Grund, es zu tun.

„Ich glaube, du weißt, was zu tun ist“, sagte Gina. Sie nahm das Telefon ab und schob es Lacey hin. „Ruf Suzy an und sag ihr, dass du dabei bist.“

Lacey starrte das Telefon an und biss sich auf die Unterlippe. „Aber was ist mit den Kosten?“, fragte sie. „Es wird wahnsinnig viel kosten, so viel Inventar in so kurzer Zeit aufzutreiben. Viel mehr, als ich normalerweise für Bestände ausgeben würde.“

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