Читать книгу: «Totengesicht», страница 6

Шрифт:

»Und was machen wir mir ihm?« Diesmal war ich es, der mit dem Zeigefinger auf den toten Mann am Brauseschlauch deutete.

Alessia sah mich mit gerunzelter Stirn an und zuckte dann mit den Schultern. »Was willst du denn mit ihm tun, Rex? Einpacken und mitnehmen etwa?«

Ich schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht.« Ich kam mir in diesem Moment reichlich doof und naiv vor. Alessia schien mit der Situation viel besser klarzukommen als ich, dabei gehörte ich zum angeblich stärkeren Geschlecht und sollte sie vor derartigen Dingen beschützen. Vielleicht war sie von Haus aus kaltherziger oder durch ihre Arbeit in einem Nachtklub und den Kontakt mit kriminellen Elementen abgestumpfter und hatte schon früher Gewalt und Verbrechen erlebt, sodass sie leichter damit umgehen konnte, während ich derartige Dinge – Auftragsmorde und erschossene Auftragskiller in der Badewanne – nur aus dem Kino oder Kriminalromanen kannte und bis heute nicht gedacht hatte, dass ich selbst einmal damit in Berührung kommen könnte. »Aber vielleicht sollten wir jetzt doch besser die Polizei rufen.«

Sie sah mich an wie eine Lehrerin, die von ihrem Lieblingsschüler maßlos enttäuscht worden war. »Und wie sollen wir der Polizei deiner Meinung nach erklären, warum ein toter Mann in meiner Badewanne liegt? Die werden nicht lange nach anderen Verdächtigen Ausschau halten, sondern sich sofort auf die einzigen beiden Leute stürzen, die sie in Reichweite haben, und das sind dann dummerweise wir. Außerdem befinden sich deine Fingerabdrücke auf der möglichen Tatwaffe.«

Ich erschrak, weil ich Idiot überhaupt nicht daran gedacht hatte. Als Krimineller wäre ich vermutlich die größte Niete gewesen und sofort im Knast gelandet. »Ich wische sie einfach ab«, sagte ich und nahm ein weißes Handtuch vom Halter neben dem Waschbecken. Dann bückte ich mich, hob die Pistole mithilfe des Handtuchs auf und wischte sie überall ab.

»Und was ist mit den Abdrücken im Rest der Wohnung? Weißt du denn noch, was du alles angefasst hast.«

Ich runzelte die Stirn, während ich wie besessen jede einzelne glatte Fläche der Pistole und des Schalldämpfers polierte. »Wir sagen einfach, wir wären befreundet und ich hätte dich gelegentlich hier besucht. Dass sich meine Fingerabdrücke in der Wohnung befinden, bedeutet doch nicht automatisch, dass ich diesen Mann ermordet habe.«

»Da ist richtig. Aber hast du eigentlich die afrikanische Maske irgendwo gesehen, mit der du den Kerl hier geschlagen hast?«

Ich überlegte, während ich die Schusswaffe wieder vorsichtig auf den Boden legte und mich aufrichtete. Erst jetzt, nachdem Alessia sie erwähnt hatte, dachte ich wieder an die Elefantenmaske. Ich erinnerte mich, dass ich sie im Flur vor dem Badezimmer fallen gelassen hatte. Aber als ich vorhin an der Stelle vorbeigekommen war, war sie nicht mehr da gewesen. Ebenso wenig wie der kaputte Föhn, mit dem Alessia Carlo niedergeschlagen hatte. Und der Haken an der Wand, an dem die Maske aufgehängt gewesen war, war immer noch leer gewesen. Es hätte mich auch gewundert, wenn der Killer sie wieder dort hingehängt hätte, nachdem ich ihn damit geschlagen hatte. So ordnungsliebend hätte ich ihn auch gar nicht eingeschätzt.

Ich schüttelte den Kopf, während ich, ohne dass es mir richtig bewusst war, den Badewannenrand abwischte, obwohl ich ihn gar nicht berührt hatte. »Sie ist nicht mehr da, wo ich sie fallenließ!«

Alessia nickte mit unheilvollem Gesichtsausdruck. »Ich hab sie ebenfalls nirgendwo gesehen. Und auch mein Föhn ist spurlos verschwunden.«

»Das heißt …« Ich verstummte und schluckte schwer, als mir klar wurde, was das bedeutete.

»Ja. Das heißt, dass der Mann, der ihn erschossen hat, sowohl deine Arbeitsmappe als auch die afrikanische Maske mit deinen Fingerabdrücken und den Föhn mit meinen Abdrücken mitgenommen haben muss.«

»Aber wieso sollte er das getan haben?« Ich erinnerte mich, dass ich den Duschvorhang angefasst hatte, um ihn zurückzuziehen, und wischte hektisch über den Bereich, in dem sich vermutlich meine Fingerabdrücke befanden.

»Vielleicht will er sich die Möglichkeit offenhalten, dir und mir diesen Mord in die Schuhe zu schieben. Wenn die Polizei nachweisen kann, dass der Killer vor seinem Tod mit der Maske und dem Föhn geschlagen wurde, und diese Gegenstände mit unseren Abdrücken anschließend zugespielt bekommt, nützt uns auch der beste Strafverteidiger nichts mehr. Zusammen mit deinen Abdrücken in der restlichen Wohnung reicht das vermutlich schon für einen Schuldspruch. Und vielleicht hat dich sogar jemand gesehen, als du mir von der U-Bahnstation bis hierher gefolgt bist. Dann wäre sogar bewiesen, dass wir zum Zeitpunkt seines Todes hier waren. Willst du also wirklich, dass wir in einer derartig beschissenen Lage die Polizei rufen?«

Ich schüttelte den Kopf. Natürlich wollte ich das nicht! Sie hatte ja auch vollkommen recht. Für die ermittelnden Beamten der Mordkommission würden wir sofort zu den Mordverdächtigen Nummer eins und zwei avancieren, sobald die Elefantenmaske und der Föhn auftauchten, mit denen der tote Killer geschlagen worden war und auf denen sich zahlreiche Fingerabdrücke von uns befanden. Vermutlich konnten die Experten von der Spurensicherung anhand der Position der Abdrücke sogar feststellen, wie ich die blöde Maske gehalten und wie ich damit zugeschlagen hatte. Verdammter Mist!

Alessia nickte, als hätte sie nichts anderes erwartet. Sie richtete ihren Blick wieder auf den Leichnam und erschauderte sichtlich. »Wir sollten nachsehen, ob er etwas bei sich hat, das uns einen Hinweis auf seine Identität oder seinen Auftraggeber gibt.«

Ich erschauderte bei der Vorstellung, den Toten nun auch noch berühren zu müssen. »Wieso das denn?«

Alessia sah wieder zu mir und runzelte die Stirn, als fragte sie sich, was sie nur mit diesem Blödmann an ihrer Seite anstellen sollte. »Willst du denn nicht wissen, wer das getan hat?«

Ich hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Eigentlich nicht. Was hab ich denn schon mit dieser Geschichte zu tun. Ich bin schließlich nur zufällig hier hineingeraten. Und je weniger ich darüber weiß, desto besser.«

Sie schüttelte den Kopf. »Du steckst doch schon viel tiefer drin, als du denkst, Rex! Wer auch immer diesen Mann ermordet hat, hat die Mappe mit deinen Zeichnungen und kennt daher deinen Namen und deine Anschrift. Nachdem er – aus welchen Gründen auch immer – mich erledigt hat, wird er auch alle anderen losen Enden abtrennen, um sämtliche Spuren, die möglicherweise zu ihm führen können, zu beseitigen. Was glaubst du wohl, was er mit dir tun wird?«

Ich zuckte erneut mit den Schultern, obwohl mir, wenn ich es nur versucht hätte, sicherlich genügend geeignete Antworten eingefallen wären, eine furchtbarer als die andere, denn in meinem Job brauchte man viel Fantasie. Ich versagte es mir jedoch, genauer darüber nachzudenken, um mich damit nicht weiter zu quälen.

Diese Aufgabe übernahm Alessia. »Ich könnte mir zwei Möglichkeiten vorstellen. Vielleicht schickt er den Killer, den er sicherlich anheuern wird, um den Auftrag abzuschließen und mich zu erledigen, anschließend einfach zu deiner Adresse. Schließlich kannst du dich nicht ewig irgendwo verkriechen und musst irgendwann nach Hause zurück. Oder er hängt dir, falls du die Polizei einschaltest, diesen Mord und unter Umständen auch noch den Mord an mir in die Schuhe und sieht anschließend genüsslich zu, wie du in den Knast wanderst, wo dir ein paar angeheuerte Insassen dann den Rest geben.«

Ich seufzte bei diesen alles andere als erfreulichen Zukunftsaussichten und sah erneut zu dem toten Killer, der zu all diesen Dingen allerdings nichts mehr zu sagen hatte.

»Ich für meinen Teil würde schon gern erfahren, wer es auf mich abgesehen hat und mich tot sehen will«, sagte Alessia. »Vielleicht finden wir einen Hinweis. Und sobald wir seine Identität kennen und wissen, wer diesen Mann beauftragt und anschließend erschossen hat, können wir damit auch zur Polizei gehen.«

Was sie sagte, klang vernünftiger als alles, was mir durch den Kopf gegangen war. Vor allem das letzte Argument gab den Ausschlag. Denn ich wollte nichts lieber, als die Polizei einzuschalten und diese Geschichte in die professionellen Hände von Leuten zu legen, die sich damit weitaus besser auskannten. Da ich momentan aber zum sehr überschaubaren Kreis der beiden Hauptverdächtigen gehörte und derjenige, der die Elefantenmaske in seinem Besitz hatte, diese Trumpfkarte nach Einschalten der Behörden sicherlich sofort ausspielen würde, war es tatsächlich vernünftiger, noch etwas zu warten. Auch wenn wir dadurch noch immer in großer Gefahr schwebten. Aber vielleicht brachte die Durchsuchung der Leiche uns einen Hinweis auf den Mörder, auch wenn ich ernsthaft befürchtete, dass dieser sein Opfer bereits gefilzt hatte, bevor oder nachdem er den Brauseschlauch um seinen Hals geknotet hatte, und alles mitgenommen hatte, was ihn belastete. Dennoch nickte ich. »Du hast recht. Wir sollten ihn unbedingt durchsuchen. Aber wie … ähm, wie machen wir das?« Ich empfand noch immer eine gehörige Portion Widerwillen bei der Vorstellung, den toten Mann berühren zu müssen.

»Ich schlage Arbeitsteilung vor.«

Ich nickte begeistert. Arbeitsteilung klang in meinen Ohren wunderbar, denn es hieß, dass ich mich nicht allein daran machen musste, Carlos Kleidung zu durchsuchen, während dieser sie noch am minütlich kälter werdenden Leib trug. Arbeitsteilung hieß geteiltes Leid. Außerdem wären wir dann auch in der Hälfte der Zeit damit fertig.

Doch Alessia hatte eine völlig andere Vorstellung, wie unsere Arbeitsteilung aussah. »Ich muss noch ein paar Sachen zusammenpacken. Während ich das tue, durchsuchst du unseren toten Freund.«

Ich erschauderte und warf erneut einen Blick auf den toten Killer, als wollte ich mich davon überzeugen, was er von dem Vorschlag hielt. Und ehrlich gesagt sah auch er nicht unbedingt begeistert aus.

Alessia musste meinen Widerwillen erkannt haben. Vermutlich war mein Abscheu deutlich auf meinem Gesicht abzulesen. »Ich würde dir ja helfen, Rex. Aber wir sollten nicht länger als nötig hierbleiben. Denn vielleicht kehrt der Mörder ja zurück.«

Der Gedanke war mir noch gar nicht gekommen. Ich wandte erschrocken den Kopf und sah sie entsetzt an. »Du meinst …«

Sie nickte. »Vielleicht war er in der Zwischenzeit in deiner Wohnung, um zu überprüfen, ob wir dorthin gegangen sind. Und als er uns dort nicht fand, dachte er sich, dass wir vielleicht hierher zurückgekommen sind. Wir sollten uns daher wirklich beeilen und nicht länger als unbedingt nötig hier sein.«

»Du hast recht.« Ich wusste nicht, wie oft ich diesen Satz in den letzten Minuten gesagt hatte. Aber es stimmte nun einmal. Ich musste immer mehr einsehen, dass ich, wäre ich auf mich allein gestellt gewesen, in einer derartigen Situation überfordert und aufgeschmissen gewesen wäre. Gut, dass ich Alessia an meiner Seite hatte, die im Gegensatz zu mir in der Lage war, alle Eventualitäten zu berücksichtigen und vernünftige Entscheidungen zu treffen. Andererseits wäre ich ohne sie erst gar nicht in diese Situation geraten, sondern würde jetzt gemütlich im Büro eines Mitarbeiters der Werbeagentur sitzen und mein Storyboard erläutern.

»Ich weiß, dass es nicht angenehm ist, einen Toten zu durchsuchen. Aber wir müssen uns Gewissheit verschaffen.«

»Ich weiß. Ich schaff das schon. Geh du lieber schon mal deine Sachen zusammenpacken.«

»Am besten ziehst du deine Handschuhe an«, sagte Alessia, bevor sie sich abwandte, und fügte, als sie das Badezimmer verließ, hinzu: »In fünf Minuten bin ich fertig.«

Sie hatte schon wieder recht. Ich schüttelte den Kopf, weil ich nicht selbst an meine Handschuhe gedacht hatte. Aber vermutlich trug ich sie noch nicht lange genug bei mir, um mir ihrer Gegenwart ständig bewusst zu sein. Außerdem wollte ich sie nicht pausenlos tragen, sondern nur als Vorsichtsmaßnahme im dichtesten Gedrängel in allen öffentlichen Verkehrsmitteln, wo es meist eng zuging und Körperkontakt in der Regel unvermeidbar war. Deshalb trug ich in diesem Jahr sogar im Sommer immer langärmlige Shirts und Hemden.

Ich hängte das Handtuch wieder ordentlich über den Halter und zog meine Handschuhe aus der Jackentasche. Wenn ich sie bereits getragen hätte, als ich die Wohnung das erste Mal betreten hatte, hätte ich mir um Fingerabdrücke auf der Elefantenmaske und in der restlichen Wohnung überhaupt keine Gedanken machen müssen und sofort die Polizei einschalten können. Vielleicht sollte ich sie von nun an immer tragen, sobald ich aus dem Haus ging, auch wenn ich dann noch öfter irritierte Blicke meiner Mitmenschen erntete.

Ich streifte die Handschuhe über, überprüfte ihren Sitz und zog sie noch einmal glatt. Mir war allerdings klar, dass ich damit nur Zeit schinden und den Zeitpunkt, an dem ich mich dem Leichnam widmen musste, hinauszögern wollte. Doch es half ja nichts. Ich musste den Toten durchsuchen und hatte dafür nur ungefähr viereinhalb Minuten Zeit, weil wir uns beeilen mussten. Also sollte ich besser nicht länger zögern.

Ich seufzte, bevor ich mich auf den Badewannenrand setzte, den ich vorhin erst sauber gewischt hatte, und meine Aufmerksamkeit auf die Leiche richtete. Die Kleidung des Mannes – Rollmütze, Rollkragenpulli, Jogginghose und Turnschuhe, alles in schwarz – erwies sich für mich nun als Glücksfall, denn da er keine Jacke und Jeans so wie ich trug, gab es nicht viele Taschen, in die ich meine Hände stecken und die ich durchwühlen musste, ohne zu wissen, was ich darin finden würde. Ich hoffte, dass er nicht der Typ war, der angelutschte Bonbons oder gekaute Kaugummis in die Hosentasche steckte.

Die Jogginghose hatte nur vorn zwei Taschen, der Pulli überhaupt keine. Wenn ich mich endlich dazu aufraffen könnte, anzufangen, wäre ich vermutlich bald fertig und könnte die Leiche und das Bad verlassen.

Ich streckte beide Hände nach vorn, fasste mit der linken zaghaft nach dem Saum des Pullis und zog ihn ein Stück nach oben, damit ich in die rechte Hosentasche fassen konnte. Ich verzog angeekelt das Gesicht, als ich meine rechte Hand langsam in den Schlitz der Tasche schob. Ich bewegte vorsichtig meine Finger, konnte jedoch nichts ertasten. Also schob ich sie tiefer hinein, bis sie auf den unteren Saum der Tasche stießen und es nicht weiterging. Ich tastete ein bisschen hin und her, fand jedoch rein gar nichts. Die Tasche war leer. Entweder hatte der Typ, weil er ein Profi war, nichts bei sich gehabt, das den Behörden für den Fall, dass er gefasst wurde, einen Hinweis auf seine Identität liefern könnte, oder derjenige, der ihn umgebracht hatte, hatte ihn schon durchsucht und alles mitgenommen.

Ich zog meine Hand aus der Tasche, war froh über die Handschuhe und wiederholte die Prozedur dann auf der anderen Seite. Doch auch hier war das Ergebnis dasselbe. Obwohl ich durch den Stoff der Handschuhe nicht so gut fühlen konnte wie mit bloßen Fingern, fand ich nicht einmal einen Krümel in den Taschen der Jogginghose.

Ich zog die Hand wieder heraus und war erleichtert, den Kontakt – auch wenn es kein Hautkontakt war – beenden zu können. Eigentlich hätte ich jetzt aufstehen und gehen können. Ich hatte ihn durchsucht und nichts gefunden. Aufgabe erledigt! Allerdings konnte ich mir vorstellen, dass Alessia mich fragen würde, ob ich den Toten wirklich gründlich durchsucht hatte. Wenn ich ihr dann sagen musste, wo ich gesucht hatte, würde sie mich vermutlich wieder ansehen, als hätte ich sie über alle Maßen enttäuscht.

Ich seufzte, bevor ich beide Hände ausstreckte und den Körper des Toten systematisch abtastete, um zu überprüfen, ob er unter der Kleidung etwas bei sich trug. Die Leiche bewegte sich dabei ein bisschen, und der Schlauch, an dem sie hing, raschelte.

Als die Leiche plötzlich ein lautes Stöhnen von sich gab, zuckte ich erschrocken zusammen und riss meine Hände zurück. Im ersten Moment dachte ich, Alessia und ich hätten uns geirrt und der Kerl wäre trotz des Lochs in seiner Stirn gar nicht tot, sondern nur bewusstlos gewesen und würde in diesem Augenblick wieder zu sich kommen. Doch ein kurzer Blick in seine Augen verriet mir, dass er noch immer mausetot war. Sein Mund stand jetzt allerdings ein wenig offen und entließ einen üblen Geruch, der mich angeekelt das Gesicht verziehen ließ. Anscheinend hatten sich noch Luftblasen in seinem Magen oder seiner Speiseröhre befunden und waren durch die leichte Bewegung des Körpers gelöst worden und nach oben gestiegen, um durch seinen Mund zu entweichen – ein postmortales Bäuerchen gewissermaßen.

Obwohl es alles andere als witzig war, musste ich dennoch grinsen. Ich überlegte, ob ich die Leiche überhaupt noch weiter abtasten sollte. Vermutlich würde ich ohnehin nichts finden. Doch dann vergegenwärtigte ich mir Alessias missbilligenden Blick und machte weiter. Den Oberkörper hatte ich vor dem übelriechenden Rülpser bereits abgeklopft. Den Unterleib ließ ich aus. Selbst wenn er dort einen Ausweis, ein schriftliches Geständnis und eine Wegbeschreibung zu seinem Auftraggeber aufbewahren sollte, würde es mich dennoch nicht dazu bringen, an seinem Hintern oder seinem Intimbereich herumzufummeln. Igitt!

Also klopfte ich die Beine ab, so wie ich es Polizisten im Fernsehen bei Leibesvisitationen hatte tun sehen. Erst das linke und dann das rechte Bein. Ich war allerdings nur noch halbherzig bei der Sache, da ich mir ohnehin nichts davon versprach.

»Und? Was gefunden?«

Ich erschrak, als Alessia mich so unvermittelt ansprach, denn ich hatte sie gar nicht hereinkommen gehört, und wandte ruckartig den Kopf. Sie stand in der offenen Badezimmertür, hatte eine kleine Reisetasche in der Hand und sah mich fragend an.

Ich schüttelte den Kopf. »Wenn er überhaupt etwas bei sich hatte, dann muss es der Mörder mitgenommen haben.«

Alessia sah enttäuscht aus. »Schade. Ich habe gehofft, wir würden etwas finden, das Licht ins Dunkel bringt und uns weiterhilft.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid.«

»Tja. Da kann man nichts machen. Aber jetzt sollten wir uns beeilen und zusehen, dass wir von hier verschwinden.«

Ich erhob mich, warf einen letzten Blick auf den Toten und zog dann den Duschvorhang wieder zu, ehe ich mich der Tür näherte. »Hast du schon in der Toilette nachgesehen, ob meine Arbeitsmappe da liegt?«

Alessia nickte. »Leider auch dort Fehlanzeige. Sie befindet sich also definitiv nicht mehr in der Wohnung. Und auch von der Maske und meinem Föhn fehlt jede Spur.«

»Dann muss der Mörder die Sachen mitgenommen haben.«

Alessia sagte nichts, sondern zuckte nur mit den Schultern. »Komm schon! Lass uns von hier verschwinden!« Sie wandte sich ab und setzte sich in Bewegung.

Ich folgte ihr ohne ein weiteres Wort, und wir verließen die Wohnung. Während sie die Tür abschloss, wartete ich auf dem Treppenabsatz und überlegte, ob ich die Handschuhe anbehalten sollte. Ich entschied mich allerdings dagegen, denn mit den Handschuhen würde ich nur unnötige Aufmerksamkeit erregen. Und das wollte ich momentan lieber vermeiden, denn möglicherweise wurden wir bereits von einem weiteren Killer gesucht.

11

Als ich gemächlich an der Eingangstür des Hauses vorbeiging, in dem ich wohnte, spürte ich ein Prickeln im Nacken und zwischen den Schulterblättern, als würde mich jemand aus dem Verborgenen durch das Zielfernrohr eines Scharfschützengewehrs anvisieren. Aber vermutlich war es nur Alessias Blick, den ich spürte, denn sie behielt mich durch die Fenster eines Cafés auf der anderen Straßenseite ein gutes Stück entfernt im Auge.

Nachdem wir Alessias Wohnung verlassen hatten, ohne auf einen weiteren Menschen zu stoßen, der uns umbringen wollte, waren wir zur nächsten U-Bahnstation gegangen und hatten dabei darüber beratschlagt, was wir als Nächstes tun sollten.

»Wir müssen uns einen sicheren Unterschlupf suchen«, sagte Alessia, die neben mir ging, während ich ihre Reisetasche trug, die erstaunlich leicht war. Anscheinend hatte sie wirklich nur das Allernötigste eingepackt. Oder sie rechnete damit, dass die Sache bald ausgestanden war und sie demnächst wieder in ihre Wohnung zurückkehren konnte.

»Wie wäre es mit einem Hotel?«

Sie schüttelte den Kopf. »Das ist nicht sicher genug.«

»Warum?«

»Wenn diejenigen, die hinter dem Mordauftrag stecken, alle Hotels anrufen und sich nach einem Pärchen erkundigen, das erst heute eingecheckt hat, finden sie uns vermutlich schneller, als uns lieb sein kann.«

»Was sollen wir dann tun?«

»Wir sollten stattdessen versuchen, bei Freunden oder Bekannten unterzukommen. Das ist diskreter und anonymer.«

Ich nickte.

»Allerdings«, fuhr Alessia fort, »befürchte ich, dass diejenigen, die mich ermorden wollen, auch alle meine Freunde und Bekannten kennen und möglicherweise überwachen lassen. Außerdem weiß ich nicht, wem von ihnen ich überhaupt noch vertrauen kann. Schließlich habe ich noch immer keine Ahnung, warum mich jemand töten will. Vielleicht steckt sogar eine Person aus meinem Bekanntenkreis dahinter, von der ich es momentan gar nicht vermute. Und wenn ich mich nun versehentlich ausgerechnet an denjenigen wende, könnte ich mich genauso gut gleich selbst umbringen. Aber was ist mit dir? Kennst du vielleicht jemandem, bei dem wir für ein paar Tage Unterschlupf finden? Da du ja nur durch Zufall in diese Geschichte hineingestolpert bist, können die Leute, die uns suchen, unmöglich deinen Freundes- und Bekanntenkreis kennen.«

Ich überlegte lange.

»Was ist mit Eltern oder Geschwistern?«, fragte Alessia ungeduldig. »Hast du überhaupt Geschwister, oder bist du etwa ein Einzelkind?«

»Meine Eltern sind schon seit ein paar Jahren tot.«

»Oh. Das tut mir leid.«

»Ich habe eine Schwester, die zwei Jahre älter ist. Sie ist geschieden und hat zwei Kinder. Allerdings werde ich sie und die Kinder auf keinen Fall in die Sache hineinziehen.«

»Okay. Das verstehe ich. Fällt dir sonst noch jemand ein?«

»Wir könnten es bei meinem Kumpel Alex versuchen. Er ist Architekt und lebt seit ein paar Wochen wieder allein in seinem großen Haus. Er hat bestimmt nichts dagegen, wenn wir ein paar Tage bei ihm wohnen.«

»Prima! Dann lass uns doch gleich zu deinem Kumpel Alex gehen.«

»Ich werde ihn anrufen. Er ist bestimmt noch in der Arbeit. Aber vorher muss ich kurz in meine Wohnung.«

Sie wandte den Kopf in meine Richtung und sah mich überrascht an. »Warum? Das ist doch viel zu gefährlich. Wenn derjenige, der die Leiche in meiner Wohnung zurückgelassen hat, aus deiner Mappe deine Adresse erfahren hat, sitzt er möglicherweise schon in deinem Wohnzimmer und wartet nur darauf, dass wir dort auftauchen. Dann muss er sich gar nicht erst die Mühe machen, nach uns zu suchen, sondern kann uns gleich dort erledigen.«

»Vorhin meintest du noch, dass er wieder in deine Wohnung zurückkehren würde, nachdem er bei mir war und uns dort nicht gefunden hat.«

Alessia zuckte mit den Schultern. »Ich weiß doch auch nicht, wo er steckt und was er vorhat, und kann nur Vermutungen darüber anstellen. Er könnte theoretisch an allen Orten sein, die er kennt und von denen er weiß, dass wir dorthin gehen könnten. Und genau deshalb sollten wir vor allem diese Orte meiden.«

Ich nickte. »Schon verstanden. Ich glaube allerdings gar nicht, dass es tatsächlich so gefährlich sein soll, wenn ich kurz in meine Wohnung zurückkehre und rasch ein paar Sachen für die nächsten Tage zusammenpacke.«

»Und wie kommst du auf diesen Gedanken?«

»Weil diese Leute gar nicht damit rechnen, dass wir so etwas Verrücktes tun und in meine Wohnung gehen könnten, obwohl wir genau wissen, dass sie meine Adresse kennen und uns dort möglicherweise auflauern. Und weil wir von nun an nur noch Dinge tun sollten, mit denen sie am wenigsten rechnen.«

Alessia sagte daraufhin erst einmal nichts, sondern runzelte nur in ihrer absolut eigenen reizenden Art die Stirn, während wir die Rolltreppe betraten, die uns unter die Erde zur U-Bahnstation bringen würde.

»Ich glaube nämlich nicht, dass derjenige, der den Mann in deiner Wohnung erschossen hat, die ganze Zeit untätig in meiner Wohnung hockt, Däumchen dreht und darauf wartet, dass wir endlich dort auftauchen«, fuhr ich fort. »Denn dabei besteht die Gefahr, dass er ewig warten muss und alt und grau wird. Und er hat ja an seinem Vorgänger gesehen, was sein Auftraggeber mit Leuten tut, die bei der Ausführung ihres Auftrags versagen. Sie haben kein sehr langes Leben und enden möglicherweise an einem Brauseschlauch in einer Badewanne. Ergo darf er nicht darauf vertrauen, dass wir von selbst zu ihm kommen, sondern muss von sich aus aktiv werden und sich auf die Suche nach uns machen.«

»Vielleicht stimmt das ja alles, was du gesagt hast«, sagte Alessia, als wir den U-Bahnsteig betraten und uns eine Stelle etwas abseits der übrigen Fahrgäste suchten, wo wir uns ungestört unterhalten konnten. »Trotzdem bin ich der Meinung, dass es momentan noch viel zu gefährlich für uns ist, in deine Wohnung zu gehen. Was, wenn der Mörder entgegen deinen Überlegungen noch immer dort ist, weil er noch nicht weiß, wo er sonst nach uns suchen soll?«

Ich nutzte die Wartezeit, um mir meine Handschuhe anzuziehen. »Ein Restrisiko besteht natürlich immer. Aber wenn wir diese Geschichte heil überstehen wollen, müssen wir auch bereit sein, Risiken einzugehen. Aber selbstverständlich werde ich besonders vorsichtig und wachsam sein, wenn ich meine Wohnung betrete. Beim geringsten Anzeichen, dass ich nicht allein bin, trete ich augenblicklich die Flucht an.«

»Willst du etwa allein gehen?«

»Es ist besser, wenn ich allein bin«, sagte ich und sah sie mit entschlossener Miene an, nachdem ich ein letztes Mal den Sitz meiner Handschuhe überprüft hatte. »Der Mörder kennt dich vermutlich, oder er hat zumindest ein Foto oder eine genaue Personenbeschreibung von dir. Ich bin für ihn hingegen noch immer ein Unbekannter. Vielleicht hat er von dem Typen in deiner Wohnung eine Beschreibung von mir erhalten, bevor er ihn umbrachte, aber ich bezweifle, dass die so exakt ausgefallen ist, dass er mich sofort erkennt, sobald er mich sieht, schließlich sehe ich nicht viel anders aus als zahlreiche andere Männer in meinem Alter. Vor allem, wenn ich meine Lederjacke ausziehe und bei dir lasse. Außerdem bin ich allein flexibler und kann rascher und ohne mich mit dir abzusprechen auf eine mögliche Gefahr reagieren.«

»Und was ist mit mir? Was soll ich solange tun?«

»Du kannst in einem Café in der Nähe auf mich warten. Von dort kannst du die Eingangstür des Hauses, in dem ich wohne, im Auge behalten, und mich notfalls mit einem Anruf auf mein Handy warnen, sobald jemand das Haus betritt, der dir nicht geheuer ist. Hast du ebenfalls ein Handy bei dir?«

Sie nickte.

»Gut! Dann lass uns schon mal unsere Nummern austauschen.«

Wir holten unsere Mobiltelefone hervor und programmierten die Nummer des jeweils anderen ein.

»Und wenn dein Hauseingang von außen überwacht wird und jemand dir folgt, sobald du das Haus betrittst?«, fragte Alessia währenddessen.

»Keine Sorge, daran habe ich bereits gedacht. Ich werde nämlich gar nicht durch die Eingangstür, sondern durch einen Laden für antiquarische Bücher im Erdgeschoss ins Haus gelangen.«

Damit war das Thema fürs Erste erledigt und es beschlossene Sache gewesen, dass ich in meine Wohnung ging, um mir ein paar Sachen zu holen, die ich während meiner Abwesenheit, von der momentan noch niemand wusste, wie lange sie dauern würde, vermutlich benötigte.

Während ich nun die Haustür passierte, die ich nicht nehmen wollte, um ins Haus zu gehen, sah ich mich möglichst unauffällig um. Auf den Bordsteinen vor den Altstadthäusern zu beiden Seiten der Straße waren zahlreiche Menschen unterwegs, doch alle schienen ein konkretes Ziel und es eilig zu haben. Keiner interessierte sich augenscheinlich besonders für mich, und keiner lungerte irgendwo herum und behielt das Haus im Auge. Auch in den geparkten Fahrzeugen konnte ich niemanden sitzen sehen. Die Luft schien tatsächlich rein zu sein. Dennoch blieb ich weiterhin vorsichtig, wurde nicht leichtsinnig und ging wie geplant vor, indem ich die Tür des Erdgeschossladens ansteuerte, öffnete und das Geschäft betrat.

Бесплатный фрагмент закончился.

399 ₽
225,08 ₽

Начислим

+7

Покупайте книги и получайте бонусы в Литрес, Читай-городе и Буквоеде.

Участвовать в бонусной программе
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
393 стр. 6 иллюстраций
ISBN:
9783847669920
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
Черновик, доступен аудиоформат
Средний рейтинг 4,5 на основе 47 оценок
18+
Текст
Средний рейтинг 4,7 на основе 128 оценок
Черновик
Средний рейтинг 4,6 на основе 20 оценок
Аудио
Средний рейтинг 4,1 на основе 1017 оценок
Текст, доступен аудиоформат
Средний рейтинг 4,7 на основе 995 оценок
Текст, доступен аудиоформат
Средний рейтинг 4,4 на основе 18 оценок
Черновик
Средний рейтинг 4,3 на основе 50 оценок
Аудио
Средний рейтинг 4,8 на основе 5215 оценок
Аудио
Средний рейтинг 4,6 на основе 1058 оценок
Черновик
Средний рейтинг 4,9 на основе 211 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок