Peter Faber

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Из серии: Ignatianische Impulse #73
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Dominik Terstriep

Peter Faber

Freund – Wanderer – Mystiker

Ignatianische Impulse

Herausgegeben von Stefan Kiechle SJ, Willi Lambert SJ

und Martin Müller SJ

Band 73

Ignatianische Impulse gründen in der Spiritualität des Ignatius von Loyola. Diese wird heute von vielen Menschen neu entdeckt.

Ignatianische Impulse greifen aktuelle und existentielle Fragen wie auch umstrittene Themen auf. Weltoffen und konkret, lebensnah und nach vorne gerichtet, gut lesbar und persönlich anregend sprechen sie suchende Menschen an und helfen ihnen, das alltägliche Leben spirituell zu deuten und zu gestalten.

Ignatianische Impulse werden begleitet durch den Jesuitenorden, der von Ignatius gegründet wurde. Ihre Themen orientieren sich an dem, was Jesuiten heute als ihre Leitlinien gewählt haben: Christlicher Glaube – soziale Gerechtigkeit – interreligiöser Dialog – moderne Kultur.

Dominik Terstriep

Peter Faber

Freund – Wanderer – Mystiker

echter

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

© 2016 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter.de

Umschlag: Peter Hellmund

978-3-429-03985-1 (Print)

978-3-429-04880-8 (PDF)

978-3-429-06300-9 (ePub)

eBook-Herstellung und Auslieferung:

Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

Inhalt

Vorwort

Abkürzungen

Freund

Freunde im Herrn

Peter Faber und Ignatius

Vom Freund zu Freunden

Menschenfreund zwischen Feinden

Zwischen Katholiken und Protestanten

Reform des eigenen Lebens

Himmlische Freunde

Heilige

Maria

Engel

Freund der Armen Seelen

Freund Jesu

Freund der Menschheit Christi

Freund des leidenden Jesus

Freund des Leibes

Wanderer

Vom Hirtenjungen zum Wanderapostel

Spuren des Heils

Die innere Freiheit bewahren

Wandernder Beter

Gnade auf dem Weg

Wanderer in der Fremde

Mystiker

Anfang und Ziel des mystischen Weges

Auf dem Weg zur mystischen Erfahrung

Hindernisse auf dem Weg

Aktion und Kontemplation

Geistliche Wachstumsprozesse

Der umgekehrte Baum

Mystische Durchbrüche

Zeittafel

Anmerkungen

Literatur

Vorwort

Wer war Peter Faber?

Ein aufgeweckter Hirtenjunge und erfolgreicher Student, ein guter Theologe und Mitgründer der Gesellschaft Jesu, ein begnadeter Exerzitiengeber und Gesprächspartner, ein Genie der Freundschaft und unermüdlicher Apostel, der mit den Großen seiner Zeit in Verbindung stand, ein Mystiker und Heiliger der ganzen Kirche. Doch auch ein Mann, der sein Leben lang ringen musste, ringen mit den Schatten, nicht geliebt, nicht vollkommen genug und zu wenig effektiv zu sein; der geistlich immer wieder neu anfing in seinem Verlangen nach Gott (M 51). Faber war ein Reformer der krisengeschüttelten Kirche des 16. Jahrhunderts, musste sich aber mit unscheinbaren – oder sollten wir besser sagen: verborgenen – Fortschritten begnügen. Über Jahrhunderte stand er im Schatten seiner zwei besten Freunde aus Studienzeiten, Ignatius von Loyola und Franz Xaver, die den eher zurückhaltenden Faber mit ihrem Charisma, ihrer Leidenschaft und ihren spektakulären Unternehmungen überstrahlten. Es scheint, als hätte sich ein Wort bewahrheitet, an das sich der Jesuit Luis Gonçalves da Câmara erinnert: »P. Faber sagte […]: Wenn jemand von der Gesellschaft gefragt würde, was für ein Mensch er sei, solle er antworten, er sei ein Mensch, der keinen Namen habe.«1

Dennoch geht ein Glanz von diesem stillen Mann »ohne Namen« aus, ein Glanz, der in unseren Tagen wiederentdeckt wird. Ein wenig überraschend sprach Papst Franziskus Faber am 17. Dezember 2013 per Dekret heilig. Was bewog Franziskus, auf den Mann im Verborgenen zu weisen und ihn uns gerade heute zu empfehlen? Auf die Frage, was ihn an Faber inspiriere, antwortete er in einem Interview: »Der Dialog mit allen, auch mit den Fernstehenden und Gegnern, die schlichte Frömmigkeit, vielleicht eine gewisse Naivität, die unmittelbare Verfügbarkeit, seine aufmerksame innere Unterscheidung, die Tatsache, dass er ein Mann großer und starker Entscheidungen und zugleich fähig war, so sanftmütig, so sanftmütig zu sein …«2

Vielleicht sind es gerade diese Eigenschaften, die unsere Zeit besonders braucht: Dialog, der inmitten zunehmender Polarisierung und Feindschaft zu verbinden sucht; schlichte Frömmigkeit, die auf den liebenden Gott schaut und aus dem Vertrauen auf ihn lebt und handelt; Naivität, die sich als Vertrauensvorschuss, Frische und Mut zeigt; Verfügbarkeit, die sich ansprechen lässt vom hier und jetzt Gebotenen; Unterscheidung, die bei all dem klug handeln lässt; Entscheidungskraft, die den Sprung auch ins Ungewisse wagt; Sanftmut, die die harte Logik des Marktes, der Effektivität oder von Regelwerken aufweicht.

Wo zeigt sich Peter Faber?

Faber zeigt sich zunächst in den 148 erhaltenen Briefen, die oft offiziellen Charakter haben: Berichte über apostolische Unternehmungen und Pläne, Lageeinschätzungen und Ratschläge, doch auch Briefe, die an geistliche Begleitung erinnern. Am ausführlichsten und persönlichsten aber zeigt sich Faber im Memoriale, einem Merkbuch, das wohl nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war, sondern ihm half, die Geister zu unterscheiden und mehr mit Gott für die Menschen zu leben.

Acht Tage nach Fronleichnam 1542 kam ihm in Speyer der Gedanke, »zur Stützung meines Gedächtnisses mit der Aufzeichnung einiger geistlicher Dinge zu beginnen, wie sie der Herr mir aus Seiner Hand schenken werde: als Gebetsanregung und als allgemeine Richtlinie oder als Hilfe zu besserem Betrachten, zu tieferer Einsicht, für mein äußeres Tun oder zu irgendwelchem anderen geistlichen Nutzen« (Einleitung). Faber wollte das in Erinnerung behalten, was er als hilfreich und weiterführend in seinem geistlichen und apostolischen Leben erfahren hatte. Er konnte in der Rückschau Punkte entdecken, die sich in der Reflexion auf das Erfahrene zu einer Linie formten.

Die Hauptlinie, die Faber in seinem Leben entdeckte, war das wunderbare Handeln Gottes mit und an ihm. Er stellt dem Memoriale Ps 103,2–5 voran, ein Danklied. Er versteht sich als jemand, den Gott reich beschenkt hat. Ausgestattet mit diesem Grundvertrauen, konnte Faber sich auch in die Abgründe der eigenen Lebens- und Glaubensgeschichte begeben. Am Beginn seiner Aufzeichnungen schaut Faber zurück auf sein bisheriges Leben, seine Kindheit und Jugend, die Studienzeit, die Ordensgründung und ersten drei Jahre seines apostolischen Wirkens. Das Memoriale schließt mit Aufzeichnungen von Ende Januar 1546, gut sieben Monate vor seinem Tod.

 

Fabers Tagebuch war lange Zeit »einer der unbekannten Klassiker der geistlichen und mystischen Tradition des Westens«, das eine geistliche Sensibilität und Kultiviertheit jenseits des Gewöhnlichen zeigt.3 Franz von Sales schrieb in barocker Sprache über es in einem Brief vom 10. Januar 1612 an den französischen Jesuiten Nicolas Polliens: Es ist Zeit, dass ich Ihnen das Büchlein unseres seligen Peter Faber zurückgebe. Ich war versucht, eine Kopie anfertigen zu lassen, wagte es aber nicht, da Sie mir, als Sie mir es sandten, sagten, dass es derzeit ausschließlich für den Gebrauch Eurer Gesellschaft bestimmt wäre. Ich hätte allerdings sehr gern eine Kopie dieser Geschichte so großer Frömmigkeit angefertigt, der Geschichte eines Heiligen, dem ich aus vielen Gründen innerlich anhänge und immer anhängen werde. [… ] Auch wenn sein Leben aufgrund seiner Kürze [… ] uns kein überbordendes biographisches Material bietet wie das Leben anderer Persönlichkeiten, so gibt es doch nichts anderes als Honig und Süße der Frömmigkeit.4

Es sind persönliche Aufzeichnungen eines Mannes mit einem hohen Reflexions- und Unterscheidungsvermögen. Faber ist eine geistliche Gestalt, in der sich der Glaube in einer bestimmten Zeit mit all ihren Besonderheiten zeigt. Doch seine Erfahrungen können uns helfen, unsere eigenen Erfahrungen zu lesen. Vielleicht erkennen wir uns wieder in manchem, was er erlebte, bekommen Worte geschenkt für etwas, das wir zuvor nicht in Worte fassen konnten. Vielleicht entdecken wir etwas, was uns eine neue, bisher unbekannte Welt öffnet. Oder aber wir sind befremdet über anderes, das wir nicht weiter betrachten wollen. Was auch immer wir entdecken, wir können mit Fabers Hilfe unserer Geschichte mit Gott auf die Spur kommen, ihn tiefer kennenlernen und mehr mit ihm leben.

Wie sich Faber nähern?

Am besten, indem man ihn selber ausführlich zu Wort kommen lässt. Deshalb finden sich in diesem Buch viele Zitate aus dem Memoriale und den Briefen. Darin erweist er sich als Freund, Wanderer und Mystiker. Faber war ein Freund des Himmels und der Erde, ein Freund Gottes und der Menschen. Wer ihm begegnete, wurde oft auf tiefe Weise angerührt. Er verband Menschen mit Gott und miteinander in einer Zeit, in der die Zeichen auf Spaltung standen. In dieser Sendung reiste er kreuz und quer durch Europa. Faber war ein Wanderer, der nicht nur körperlich lange Reisen auf schwierigen Wegen zurücklegte, sondern geistlich in Bewegung war. Doch in aller äußeren Unrast war er gesammelt und lebte aus dem Geheimnis des dreifaltigen Gottes. Der Mystiker Peter Faber suchte nach der Einheit mit Gott, und er erfuhr diese Einheit in Zeiten der Stille und Zurückgezogenheit wie in seinem apostolischen Tun. Einkehr und Auskehr zogen ihn tiefer in Gott hinein, den Faber sein Leben lang suchte und fand.

Abkürzungen


BP Bericht des Pilgers
BUBriefe und Unterweisungen
Geistliche Übungen
FMFabri Monumenta
MBrEpistulae PP. Paschasii Broëti, Claudii Jaji, Joannis Coduri et Simonis Roderici
M Memoriale

Freund

Peter Faber war ein Genie der Freundschaft. Er hatte es leicht, Freundschaft zu schließen, und war ein treuer Freund. Menschen verschiedenster Herkunft fühlten sich durch seine aufmerksame, wache und diskrete Art angezogen. Sie erlebten einen Mann, der »herzlich und feinfühlig, an allem interessiert« war.5 Fabers Gaben, »zutreffende Selbstwahrnehmung, äußerst klare Einschätzung seiner selbst und der anderen, feinfühlig für jegliches Ereignis«, befähigten ihn, »zu unterstützen, ohne zu beherrschen, zu verstehen, ohne zu überführen, anzuziehen, ohne Überlegenheit auszuüben«6.

Und er war nicht nur ein Menschenfreund, sondern auch ein Freund Gottes, der Heiligen und der Engel. Vielleicht könnte man sagen, dass diese himmlischen Freunde ihm irdische Freunde zuführten und er die irdischen den himmlischen zuführen wollte. Fabers Menschenfreunde merkten jedenfalls deutlich, dass er in intimem Kontakt mit den Freunden des Himmels lebte. Nicht zuletzt in den vielen Exerzitien, die er gab, wurde dies für zahlreiche Menschen spürbar. Faber war ein Mann, dem man sein Herz öffnen konnte. Er lud ein, Gott Raum zu geben, wie er es selbst in seinem Leben getan hatte. In Freundschaft wollte er sich mit allen verbinden, auch mit den Verstorbenen.

Einer von Fabers bekanntesten Exerzitanten war Petrus Canisius, dem er 1543 in Mainz 30-tägige Exerzitien gab. Die Begegnung zwischen den beiden war nicht nur für Canisius persönlich von höchster Bedeutung, sondern auch für die Gesellschaft Jesu und die Kirche in Deutschland. O’Malley meint gar, Fabers nachhaltigster Beitrag zur Geschichte des deutschen Katholizismus hätte gerade darin bestanden, dem jungen Studenten die Exerzitien gegeben zu haben, worauf dieser sich entschied, in den Orden einzutreten.7

Doch hören wir, was Canisius selbst – noch unter dem unmittelbaren Eindruck des Erlebten – einem Freund über eine lebenswendende Begegnung schreibt: Ich machte eine gute Reise nach Mainz und fand zu meiner großen Freude den Menschen, den ich suchte, wenn er überhaupt ein Mensch und nicht ein Engel Gottes ist. Niemals habe ich einen gelehrteren und gründlicheren Theologen gesehen oder gehört, noch irgendeinen Menschen von so leuchtender Heiligkeit. Sein heißestes Verlangen ist, in Verbindung mit Christus am Heil der Seelen zu arbeiten. Obwohl alle seine Worte voll sind von Gott, er mag schreiben oder sich vertraulich besprechen oder bei Tische sitzen, werden seine Zuhörer doch nie gelangweilt oder ermüdet. Er genießt so großes Vertrauen und Ansehen, dass viele Mitglieder religiöser Orden, viele Bischöfe und gelehrte Doktoren ihn zu ihrem Meister und Führer im geistlichen Leben gewählt haben. Unter ihnen ist auch Cochläus [kath. Kontroverstheologe], der bekennt, er werde niemals imstande sein, den Dank abzustatten, den er ihm für den Unterricht in den Geistlichen Übungen schuldig sei. [… ] Ich für meinen Teil kann kaum Worte finden, um Dir zu sagen, wie diese Geistlichen Übungen meine Seele und Sinne umgewandelt, meinen Geist mit neuen Strahlen himmlischer Gnade erleuchtet und mich mit neuer Kraft und Stärke erfüllt haben. Die Fülle göttlicher Gnaden strömt sogar auf meinen Leib über und ich fühle mich ganz belebt und in einen neuen Menschen umgewandelt. 8

Canisius berichtete von seinen Erfahrungen auch dem Prior der Kartause in Köln, Gerhard Kalckbrenner, dem er freundschaftlich verbunden war. Dieser schrieb wenig später an den Prior der Kartause in Trier am 31. Mai 1543: Ehrwürdiger und teuerster Vater und Freund. Mitten in den Stürmen, von denen die ganze Christenheit in dieser beweinenswerten Welt erschüttert wird, hat Gott Seine Kirche nicht ganz verlassen, sondern hat, um ihr zu helfen, einige apostolische Männer erweckt, erfüllt von Seinem Geist und geschmückt mit den Tugenden von oben. [… ] Einer von ihnen ist beim Kardinal von Mainz, ein gewisser Magister Peter Faber, ein Theologe der Universität Paris und ein Mann von großer Heiligkeit. Er lässt Leute guten Willens, die zu ihm kommen, gewisse wunderbare Übungen machen, mit deren Hilfe sie in einigen wenigen Tagen eine wahre Erkenntnis ihrer selbst und ihrer Sünden, die Gabe der Tränen und ein echte, herzliche Bekehrung zu Gott erlangen, samt Fortschritt in Seinem Dienst und eine verborgene Vertraulichkeit und Liebesvereinigung mit Ihm. O möchte sich eine Gelegenheit bieten zu einer Reise nach Mainz! Wahrhaftig, es wäre der Mühe wert, sogar bis nach Indien zu wandern, um einen solchen Schatz zu suchen. Ich hoffe, dass, bevor ich sterbe, mir Gott die Gnade geben werde, diesen Mann zu sehen, diesen ganz einzigen Gottesfreund, damit er mir ein Führer sei, mein Herz neu zu gestalten und mich mit meinem Schöpfer zu vereinigen. 9

Simón Rodrigues, einer der ersten zehn Gefährten der Gesellschaft Jesu, schrieb lange nach Fabers Tod in seiner Schrift Ursprung und Entwicklung der Gesellschaft Jesu über deren Mitgründer: Neben vielen anderen Tugenden besaß er eine besondere und in höchstem Grade angenehme Milde und Güte, mit denen er Menschen begegnete. Ich habe diese bei niemand anderem sonst gesehen. Ich weiß nicht, wie er die Freundschaften einleitete, aber er beeinflusste Personen in einer Weise, dass er sie durch die Milde seines Gesprächs zur Gottesliebe hinzog. 10

Freunde im Herrn

Auch wenn es scheint, dass Ignatius die Formulierung »Freunde im Herrn« für die ersten Gefährten nur einmal gebraucht hat, so beschreibt sie doch sehr gut, wie eine Gruppe von Studenten um Ignatius in Paris zueinanderfand, den Grund für die Gesellschaft Jesu legte und auch, nachdem der Orden sich etabliert hatte, trotz geographischen Abstandes miteinander in Verbindung blieb. Der »Erstgeborene« in dieser Gruppe war Faber.11

Peter Faber und Ignatius

Für Peter Faber war die Begegnung mit Ignatius ein Wendepunkt. Er war als 19-Jähriger 1525 nach Paris gekommen, um zu studieren und Priester zu werden. Zusammen mit Franz Xaver, mit dem er auch das Zimmer teilte, trat er in das Barbara-Kolleg ein. Nach nicht einmal vier Jahren wurde der begabte Student Bakkalaureus der Freien Künste und Lizentiat. 1529 wurde Ignatius sein Zimmergenosse.

Auf wen traf Faber? Auf einen Studenten in vorgerücktem Alter von 38 Jahren, dem eine Kanonenkugel im Jahr 1521 alle Träume von ritterlicher Ehre und Karriere zerstört hatte; der durch einen dramatischen Umwandlungsprozess gegangen war und mit seiner Vergangenheit als ritterlicher Ehrenmann gebrochen hatte; der nach einer Form für seine geistlichen Erfahrungen und seine Berufung suchte; der schließlich 1528 nach Paris kam, um in Ruhe zu studieren, da wegen der Inquisition der Boden in Spanien zu heiß war. Kurz und gut, ein Mann mit durchlittener geistlicher Erfahrung und einem starken Willen, den Seelen zur größeren Ehre Gottes zu helfen.

Auf wen traf Ignatius? Faber war ein erfolgreicher Student. Äußerlich lief alles bestens, doch der 15 Jahre jüngere Zimmergenosse des Ignatius war innerlich unruhig. Er hatte Berufungszweifel. Im Alter von zwölf Jahren war alles so klar gewesen. Man hatte den wissbegierigen und begabten Hirtenjungen auf die Schule geschickt, wo er auf gute Lehrer traf. So verspürte ich um mein zwölftes Jahr einen Antrieb des Heiligen Geistes, mich dem Dienst Gottes, unseres Herrn, zu weihen; und eines Tages, in überschäumender Freude, auf einer Wiese (denn es war Ferienzeit und ich half beim Viehhüten)damals also gelobte ich in großem Verlangen nach Reinheit Gott, unserem Herrn, ewige Keuschheit (M 4).

Doch die Großmut und Gewissheit des Heranwachsenden wurden hart auf die Probe gestellt. Trotz des früh gefassten Vorsatzes schien plötzlich wieder alles möglich; […] wo mich doch früher (d.h. bevor ich dank Iñigos gottgewollter Handreichung das Kap meines Lebens festgelegt hatte) mancherlei Stürme umhergetrieben und hin- und hergerissen hatten: ich wollte bald heiraten, bald Arzt werden, bald Jurist, bald Lehrer, Theologieprofessor, einfacher Kleriker ohne Benefiz und zuzeiten auch Mönch (M 14). Doch nicht nur die vielen Möglichkeiten, die sich ihm boten, verwirrten ihn, sondern auch – und wahrscheinlich noch tiefer – Gewissensbisse, Skrupel und Versuchungen. Faber hatte ein empfindliches Gewissen und fühlte sich angefochten durch einen Hang zur Selbstgefälligkeit, Gaumenlust und Kritiksucht (M 10f). Besonders machten ihm sexuelle Versuchungen zu schaffen, die man mit dem heutigen Wissen um die sexuelle Entwicklung anders einordnen würde. Doch er erlebte sie damals als sehr bedrückend. Die Versuchungen, die mich damals befielen, bestanden in bösen und widerlichen Bildern fleischlicher Dinge, die mir der Geist

der Unzucht eingab, von dem ich damals noch kein geistliches, sondern nur ein Bücherwissen hatte (M 9).

Sicherlich bewahrten ihn seine Gewissensbisse und Skrupeln nach eigenem Bekunden vor Schlimmem, auf der anderen Seite wurden sie aber eine so große Belastung, die ihn verzweifeln ließ. Die Skrupel bestanden in der Angst, ich hätte meine Sünden seit längerer Zeit nicht recht gebeichtet; sie quälten mich so sehr, dass ich zur Heilung sogar bereit gewesen wäre, in die Wüste zu gehen und mein Leben lang nur Kräuter und Wurzeln zu essen (M 9).

 

Faber war geistlich in einer Sackgasse und wusste sich keinen Rat. In der Rückschau konnte er doch etwas Gutes in den Skrupeln entdecken. Sie ließen ihn nach Hilfe ausschauen und öffneten ihn für einen Menschen, der ein Begleiter und Freund wurde. Sie [die Skrupel und Gewissensbisse] hätten dich deinem Schöpfer entgegentreiben sollenaber du warst damals leider schwer von Begriff. Und doch, ohne diese Skrupel wäre Iñigo vielleicht nie an dich herangekommen, und du hättest auch seine Hilfe nicht gesucht, wie das später dann geschehen ist (M 6). Für Faber war Ignatius ein Geschenk der göttlichen Vorsehung. Dass er sowohl Klarheit in seiner Berufung fand – uneigennütziger Dienst statt Karriere – wie auch von seinen Skrupeln frei wurde, schreibt er eindeutig dem Einfluss von Ignatius zu. Dieser hatte ja selbst reichlich Erfahrung mit der zerstörerischen Wirkung von Skrupeln und half dem Freund in seiner geistlichen Not durch Gespräche und Unterscheidung, durch die Empfehlung von Generalbeichte, wöchentlicher Beichte und Kommunion und täglicher Gewissenserforschung. Möge mir Gott in seiner Milde die Gnade geben, in wachem Erinnern der Wohltaten zu wägen, die der Herr mir damals durch jenen Mann [Ignatius] erwiesen hat: erstens, dass er mich das rechte Verständnis für meine Gewissensregungen lehrte und für die Versuchungen und Skrupel, die mich schon seit langem plagten, ohne dass ich ein Mittel hätte sehen oder finden könne, zur Ruhe zu kommen (M 9). In dieses Kapitel gehören unzählige Wohltaten, die Unser Herr meiner Seele erwiesen hat, als Er sie zu so hohem Stand berief und ihr die Gnade gab, all das aus reiner Gottesliebe zu wollen, ohne einen Hauch weltlichen Trachtens nach Ehrenstellen oder irdischen Gütern (M 14).

Doch die Beziehung zwischen den beiden war keine Einbahnstraße. Faber konnte Ignatius auch etwas geben; er half ihm mit den Studien, gab ihm Nachhilfeunterricht. Vier Jahre lebten die beiden mit Franz Xaver zusammen, und es entstand eine Gemeinschaft, in der sie geistlich, materiell und akademisch alles miteinander teilten – ganz nach dem Ideal der Apostelgeschichte, »sie hatten alles gemeinsam« (4,32), und dem, was Ignatius später in den Geistlichen Übungen als Kommunikation bezeichnen sollte: »Die Liebe besteht in Mitteilung von beiden Seiten: nämlich darin, dass der Liebende dem Geliebten gibt und mitteilt, was er hat, oder von dem, was er hat oder kann; und genauso umgekehrt der Geliebte dem Liebenden. Wenn also der eine Wissen hat, es dem geben, der es nicht hat; wenn Ehren; wenn Reichtümer; und genauso gegenseitig« (GÜ 231). Das Glück über die Gemeinschaft der Freunde im Herrn kann Faber nicht genug loben. Für ihn wurde der Keim der späteren Gesellschaft Jesu hier gelegt. In jenem Jahr bezog Iñigo das gleiche St. Barbara-Kolleg und die gleiche Kammer wie wir […]. Ewig gepriesen sei dieses Glück, das die göttliche Vorsehung zu meinem Wohl und Heil so geordnet hat. Da sie es nämlich mit gütiger Hand so eingerichtet hatte, dass ich jenem heiligen Manne Unterricht geben musste, ergab sich daraus der äußere Umgang mit ihm, dann der innerlich vertraute und schließlich unser Gemeinschaftsleben, wo wir beide nur noch eine Kammer, einen Tisch und einen Geldsack hatten […], so waren wir zuletzt nur noch ein Herz, ein Wollen und eins im festen Vorsatz, jenes Leben zu führen, das wir gegenwärtigen und bisherigen Glieder dieser Gesellschaftderer ich nicht würdig binjetzt führen (M 8).

Vom Freund zu Freunden

Die Freundschaft zwischen Ignatius und Faber war nicht selbstgenügsam oder exklusiv. Sie war offen für andere, hatte einen geistlichen Grund und ein apostolisches Ziel. So wuchs eine Gruppe von sieben Gefährten heran, die sich regelmäßig zu geistlichem Tun und Gespräch trafen, vereint im Verlangen, Christus zu folgen und ihr Leben zu reformieren. Ungefähr vier Jahre lebten wir so in enger Gemeinschaft, als wären wir zwei nur Einer, und teilten dieses Leben auch mit anderen (M 10). 1534 banden sich die Freunde durch Gelübde an Christus und aneinander. Faber, der im selben Jahr zum Priester geweiht worden war, feierte die Messe. Die Gruppe bestand aus Männern unterschiedlicher Herkunft (Spanien, Portugal, Savoyen), unterschiedlichen Alters (zwischen 19 und 43 Jahren) und Charakters: »der abgeklärte Führer Iñigo, der stille Faber, der feurige Xaver, der weiche Rodrigues, der rauhe Bobadilla, der scharfe Laynez und der jugendliche heitere Salmeron, aber alle vereint im selben Ideal der Nachfolge Christi«12. In diesem gleichen Jahr, am Muttergottesfest im August pilgerten wir alle, die wir damals schon den gleichen Plan gefasst und Exerzitien gemacht hatten, […] zu Unserer Lieben Frau von Montmartre nahe bei Paris, wo jeder das Gelübde ablegte, zu bestimmter Zeit nach Jerusalemzu pilgern und sich nach der Rückkehr unter den Befehl des Papstes zu stellen; ferner von dieser Zeit an dranzugehen, »Eltern und Netze« zu verlassen (Mt 4,22) und nur noch einen Reisepfennig zu behalten. Jenes erste Mal waren dabei Iñigo, Mag. Francisco, ich Faber, Mag. Bobadilla, Mag. Laynez, Mag. Salmerón, Mag. Simon [Rodriguez] (M 15).

Im April 1535 reiste Ignatius nach Spanien. Man war übereingekommen, sich in Norditalien zu treffen, nachdem alle ihre Studien und persönlichen Angelegenheiten geordnet hatten, um dort auf eine Möglichkeit zur Überfahrt ins Heilige Land zu warten. Ignatius vertraute die Freunde nach den Worten von Laínez »dem guten Magister Peter Faber als älteren Bruder aller« an.13 Während der gut anderthalb Jahre, in denen Faber die Gruppe in Paris leitete, gewann er drei weitere Gefährten hinzu (Claude Jay, Paschase Broët, Jean Codure), mit denen er im November 1536 unter schwierigen äußeren Bedingungen nach Venedig wanderte. Wir wanderten zu Fuß durch Lothringen und Deutschland, wo viele Städte schon lutherisch oder zwinglianisch waren, wie Basel, Konstanz, usf. Es war zudem ein eisig kalter, harter Winter und Frankreich lag mit Spanien im Krieg, aber »vor all diesen Gefahren rettete« und bewahrte »uns der Herr« (M 16).

In Venedig traf die Gruppe im Januar 1537 auf Ignatius, und sogleich begann man, während man auf eine Möglichkeit zur Überfahrt wartete, mit Predigen und Krankenpflege. Eine Zeit intensiver geistlicher Freundschaft erlebte Faber, als er zusammen mit Ignatius und Laínez von Juli bis September 1537 in Vivarolo nahe Vicenza in Armut und Gebet »ungestört als Einsiedler« (M 17) lebte. Die Gefährten waren durch Freundschaftsbande einander nahe, doch die Freundschaft zu Ignatius muss, verglichen mit der zu den anderen, eine besondere gewesen sein. Ihn nennt er im Memoriale nie mit seinem akademischen Titel, was er dagegen bei den anderen tut (M 17). Ignatius beschreibt diese Zeit, in der beide auf noch tiefere Weise zusammenwuchsen: Den Pilger traf es, mit Faber und Laínez nach Vicenza zu gehen. Außerhalb der Stadt fanden sie ein bestimmtes Haus, das weder Türen noch Fenster hatte. Dort schliefen sie auf ein wenig Stroh, das sie zusammengetragen hatten. Zwei von ihnen gingen immer zweimal am Tag in die Stadt, um Almosen zu erbitten; sie brachten aber so wenig zusammen, dass sie davon kaum ihren Unterhalt bestreiten konnten. Gewöhnlich aßen sie etwas gekochtes Brot, wenn sie welches hatten, wobei derjenige das Kochen besorgte, der zu Hause blieb. So vergingen vierzig Tage, in denen sie sich nur dem Gebet widmeten (BP 94).

Die Zeit abgeschiedenen Einsseins mit den Freunden in Gott verband alle miteinander im Geist. Die Erfahrung der Exerzitien und des vertraulichen Umgangs mit Christus, des apostolischen Tuns und der gemeinsamen Unterscheidung rüsteten sie für eine noch unbestimmte Zukunft. Rom war das noch vollkommen offene Ziel, als sich die Pläne für ein Wirken im Heiligen Land zerschlagen hatten. Im November 1537 kam Faber mit seinen Freunden im Herrn dort an.

Es waren ihm gut anderthalb Jahre vergönnt, mit ihnen dort zu wirken, bis er im Juni 1539 ausgesandt wurde. Seit dieser Zeit war der Freund räumlich von seinen Freunden getrennt. Nur noch brieflich und geistlich stand er mit Ignatius in Kontakt. Sehnsucht nach einem Wiedersehen kannte Faber, doch das Apostolat war wichtiger. Erst der herannahende Tod sollte ihn wieder mit Ignatius vereinen. Von den Strapazen vieler Reisen durch ganz Europa gezeichnet, kam Faber bereits krank nach Rom. Er hätte von dort zum Konzil in Trient aufbrechen sollen, starb aber am 1. August 1546 in unmittelbarer Nähe zu seinem besten Freund Ignatius, dem Freund, der ihm geistlich am meisten bedeutet hatte.

Am deutlichsten schreibt Faber über seine Freundschaft zu Ignatius im Memoriale, v.a. in den Passagen über die Zeit in Paris. Ansonsten war er eher zurückhaltend, wenn er sich an seinen geistlichen Lehrer und Freund richtete. Das mag einerseits daran liegen, dass Faber im Allgemeinen nicht zu starken gefühlsmäßigen Äußerungen neigte, aber auch daran, dass Briefe auch öffentlich zirkulierten. In einem Brief vom 27. April 1542 schreibt er: Doch habe ich Euch damals nicht so ausdrücklich klargemacht, welch großes Verlangen ich nach einem Brief von Euch haben muss […].

Doch dieses Verlangen richtet sich nicht auf Persönliches oder Vertrauliches, sondern darauf zu erfahren, was er tun solle, [… ] nämlich um zu erfahren, was ich zu tun habe. Ihr wisst ja sehr wohl, was das für ein Unterschied ist, ob einer sich selbst bewegt oder ob er vom heiligen Gehorsam bewegt wird.14

Faber berichtet dem ehemaligen Zimmergenossen und nunmehr Vorgesetzten über seine Arbeit und Einschätzungen von Situationen; er bittet ihn um sein Gebet für bestimmte Menschen, die er begleitet, Vorhaben und Unternehmungen. Die Briefe schließen dann mit einem »der Eure in Christo« oder »Euer geringster Bruder in Christo«. Man wird das nicht nur als Floskel auffassen dürfen, sondern als Ausdruck einer besonderen Freundschaft, die eben in Christus gegründet war. Für jene, die Faber kannten, stand fest, dass er ein Gottes- und ein Menschenfreund war, der ihnen auch noch jenseits der Todesschwelle beistehen kann. Bartolomeu Ferrão schrieb am 8. August 1546 im Auftrag von Ignatius an die Mitbrüder in Coimbra, um sie über den Tod Fabers zu informieren15: Da wir Freunde und Heilige brauchen, die überall für uns eintreten, hoffen wir alle in der göttlichen Majestät, indem ihr heiligster Wille erfüllt ist, er [Faber] werde uns nicht weniger von dort helfen, als er es hier vermocht hätte. Für alles und in Ewigkeit sei die göttliche und höchste Güte gelobt und verherrlicht. Amen. Amen. Amen.

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