Weihnachtsmärchen auf 359 Seiten

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Weihnachtsmärchen auf 359 Seiten
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Charles Dickens



Weihnachtsmärchen auf 359 Seiten



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Inhaltsverzeichnis





Titel







Weihnachtsmärchen







Kapitel 1







Kapitel 2







Kapitel 3







Kapitel 4







Kapitel 5







Kapitel 6







Kapitel 7







Kapitel 8







Kapitel 9







Impressum neobooks







Weihnachtsmärchen



Neue, durchgesehene Ausgabe unter Verwendung der

 Übertragungen Von Carl Kolb und Julius Seybt.

 Orthographie und Interpunktion wurden dem heutigen Stand

 Angepasst. Titel der Originalausgaben: „A christmas carol in

 prose. Being a ghoststory of Christmas“ – „The chimes, a goblin

 story of some bel s that rang an old year out and a new year in”

 – “The cricket on the hearth” – “The battle of life” –

 “The haunted man”

 Sponsored

 by

 Santa Claus

 16. Auflage

 Verlag Arthur Moewig GmbH, Rastatt

 September 1985

 © 1976 by Verlag Arthur Moewig GmbH, Rastatt

 Gesamtausstattung: Creativ Shop München

 Satz: Satz + Repro Pfaff, Inning

 Druck und Bindung: Salzer – Ueberreuter, Wien

 Printed in Austria

 2

 Inhalt

 Vorrede 4

 Ein Weihnachtslied in Prosa

 5

 Erste Strophe. Marleys Geist

 6

 Zweite Strophe. Der erste der drei Geister

 21

 Dritte Strophe. Der zweite der drei Geister

 35

 Vierte Strophe. Der letzte der Geister

 53

 Fünfte Strophe. Der Ausgang der Geschichte

 65

 Die Zauberglocken

 71

 Das erste Viertel

 72

 Das zweite Viertel

 90

 Das dritte Viertel

 106

 Das vierte Viertel

 121

 Das Heimchen am Herd

 136

 Erstes Gezirp

 137

 Zweites Gezirp

 157

 Drittes Gezirp

 178

 Der Kampf des Lebens

 197

 Erster Teil

 198

 Zweiter Teil

 215

 Dritter Teil

 237

 Der Verwünschte

 255

 Erstes Kapitel. Der Empfang der Gabe

 256

 Zweites Kapitel. Die Verbreitung der Gabe

 273

 Drittes Kapitel. Die Zurücknahme der Gabe

 301

 3

 Vorrede

 Ich habe versucht, in diesem kleinen Geisterbuch den Geist einer

 Idee zu wecken, der die Leser nicht übel aunig gegen sich selbst,

 gegen andere, gegen die Jahreszeit oder gegen mich machen sol .

 Möge er freundlich in ihren Häusern spucken und niemand

 wünschen, ihn zu vertreiben.

 Ihr

 Treuer Freund und Diener

 C. D.

 Dezember 1843





Kapitel 1



Ein Weihnachtslied in Prosa

 Eine Geistergeschichte der Christnacht

 Erste Strophe

 Marleys Geist

 Marley war tot, damit wollen wir anfangen. Kein Zweifel kann

 darüber bestehen. Der Schein über seine Beerdigung ward

 unterschrieben von dem Geistlichen, dem Küster, dem

 Leichenbestatter und den vornehmsten Leidtragenden. Scrooge

 unterschrieb ihn, und Scrooges Name wurde auf der Börse

 respektiert, wo er ihn nur hinschrieb. Der alte Marley war so tot

 wie ein Türnagel.

 Versteht mich recht! Ich will nicht etwa sagen, daß ein Türnagel

 etwas besonders Totes für mich hätte. Ich selbst möchte fast zu

 der Meinung neigen, daß das toteste Stück Eisen auf der Welt

 ein Sargnagel sei. Aber die Weisheit unsrer Altvordern liegt in

 den Gleichnissen, und meine unheiligen Hände sollen sie dort

 nicht stören, sonst wäre es um das Vaterland geschehen. Man

 wird mir also erlauben, mit besonderem Nachdruck zu

 wiederholen, daß Marley so tot wie ein Türnagel war.

 Wußte Scrooge, daß er tot war? Natürlich wußte er's. Wie sollte

 es auch anders sein? Scrooge und er waren, ich weiß nicht seit

 wieviel Jahren, Kompagnons.

 Scrooge war sein einziger Testamentsvollstrecker, sein einziger

 Scrooge war sein einziger Testamentsvollstrecker, sein einziger

 Verwalter, sein einziger Erbe, sein einziger Freund und sein

 einziger Leidtragender. Und selbst Scrooge war von dem

 traurigen Ereignis nicht so schrecklich mitgenommen, um nicht

 selbst am Begräbnistag ein vortrefflicher Geschäftsmann sein und

 ihn mit einem unzweifelhaft guten Handel feiern zu können.

 Nun bringt mich die Erwähnung von Marleys Begräbnistag

 wieder zu dem Ausgangspunkt meiner Erzählung zurück. Es gibt

 keinen Zweifel, daß Marley tot war. Das muß scharf ins Auge

 gefaßt werden, sonst kann in der Geschichte, die ich erzählen

 will, nichts Wunderbares geschehen. Wenn wir nicht vollkommen

 fest überzeugt wären, daß Hamlets Vater tot ist, ehe das Stück

 beginnt, so wäre durchaus nichts Merkwürdiges in seinem

 nächtlichen Spaziergang bei scharfem Ostwind auf den Mauern

 seines eigenen Schlosses.

 Nicht mehr, als bei jedem anderen Herrn in mittleren Jahren, der

 sich nach Sonnenuntergang rasch zu einem Spaziergang auf

 einem luftigen Platz entschließt, zum Beispiel auf dem Sankt-

 Pauls-Kirchhof.

 Scrooge ließ Marleys Namen nicht ausstreichen. Noch nach

 Jahren stand über der Tür des Speichers »Scrooge und Marley«.

 Die Firma war unter dem Namen Scrooge und Marley bekannt.

 Leute, die Scrooge nicht kannten, nannten ihn zuweilen Scrooge

 und zuweilen Marley; aber er hörte auf beide Namen, denn es

 galt ihm beides gleich.

 galt ihm beides gleich.

 Oh, er war ein wahrer Blutsauger, dieser Scrooge! Ein gieriger,

 zusammenkratzender, festhaltender, geiziger alter Sünder: hart

 und scharf wie ein Kiesel, aus dem noch kein Stahl einen

 warmen Funken geschlagen hat, verschlossen und

 selbstgenügsam und ganz für sich, wie eine Auster. Die Kälte in

 seinem Herzen machte seine alten Gesichtszüge starr, seine spitze

 Nase noch 6

 spitzer, sein Gesicht runzlig, seinen Gang steif, seine Augen rot,

 seine dünnen Lippen blau, und sie klang aus seiner krächzenden

 Stimme heraus. Ein frostiger Reif lag auf seinem Haupt, auf

 seinen Augenbrauen, auf dem starken struppigen Bart. Er

 schleppte seine eigene niedere Temperatur immer mit sich herum:

 in den Hundstagen kühlte er sein Kontor wie mit Eis, zur

 Weihnachtszeit machte er es nicht um einen Grad mol iger.

 Äußere Hitze und Kälte wirkten wenig auf Scrooge. Keine

 Wärme konnte ihn wärmen, keine Kälte frösteln machen. Kein

 Wind war schneidender als er, kein Schneegestöber

 erbarmungsloser, kein klatschender Regen einer Bitte weniger

 zugänglich. Schlechtes Wetter konnte ihm nichts anhaben. Der

 ärgste Regen, Schnee oder Hagel konnten sich nur in einer Art

 rühmen, besser zu sein als er: sie gaben oft im Überfluß, und das

 tat Scrooge nie und nimmer.

 Niemals kam ihm jemand auf der Straße entgegen, um mit

 freundlichen Blicken zu ihm zu sagen:»Mein lieber Scrooge, wie

 freundlichen Blicken zu ihm zu sagen:»Mein lieber Scrooge, wie

 geht's, wann werden Sie mich einmal besuchen?« Kein Bettler

 sprach ihn um eine Kleinigkeit an, kein Kind fragte ihn, wie spät

 es sei, kein Mann und keine Frau hat ihn je in seinem Leben nach

 dem Weg gefragt. Selbst der Hund des Blinden schien ihn zu

 kennen, und wenn er ihn kommen sah, zog er seinen Herrn in

 einen Torweg und wedelte dann mit dem Schwanz, als wol te er

 sagen: »Gar kein Auge, blinder Herr, ist besser als ein böses

 Auge.«

 Doch was kümmerte all das den alten Scrooge? Gerade das

 gefiel ihm. Allein seinen Weg durch die engen Pfade des Lebens

 zu wandern, jedem menschlichen Gefühl zu sagen: »Bleibe mir

 fern«; das war es, was Scrooge gefiel.

 Einmal, es war von allen guten Tagen im Jahr der beste, der

 Christabend, saß der alte Scrooge in seinem Kontor. Draußen

 war es schneidend kalt und neblig, und er konnte hören, wie die

 Leute im Hof, um sich zu erwärmen, prustend auf und nieder

 gingen, die Hände aneinander schlugen und mit den Füßen

 stampften. Es hatte eben erst drei Uhr geschlagen, doch war es

 schon stockfinster. Den ganzen Tag über war es nicht hel

 geworden, und die Kerzen in den Fenstern der benachbarten

 Kontore flackerten wie rote Flecken auf der dicken braunen

 Luft. Der Nebel drang durch jede Spalte und durch jedes

 Schlüssel och und war draußen so dick, daß die

 gegenüberliegenden Häuser des sehr kleinen Hofes wie ihre

 eigenen Geister aussahen. Wenn man die trübe, dicke, alles

 

 eigenen Geister aussahen. Wenn man die trübe, dicke, alles

 verfinsternde Wolke heruntersinken sah, hätte man meinen

 können, die Natur wohne dicht nebenan und braue en gros.

 Die Tür von Scrooges Kontor stand offen, damit er seinen

 Kommis beaufsichtigen konnte, der in einem erbärmlich feuchten,

 kleinen Raum, einer Art Burgverlies, Briefe kopierte. Scrooge

 hatte nur ein sehr kleines Feuer, aber des Dieners Feuer war um

 so viel kleiner, daß es nur wie eine einzige Kohle aussah. Er

 konnte aber nicht nachlegen, denn Scrooge hatte den

 Kohlenkasten in seinem Zimmer, und jedesmal, wenn der

 Kommis mit der Kohlenschaufel in der Hand hereinkam, meinte

 sein Herr, es sei wohl nötig, daß sie s ich trennten.

 Worauf der Kommis seinen weißen Schal umband und

 versuchte, sich an dem 7

 Licht zu wärmen, was aber immer fehlschlug, da er ein Mann von

 nicht sehr starker Einbildungskraft war.

 »Fröhliche Weihnachten, Onkel, Gott erhalte Sie!« rief da eine

 heitere Stimme. Es war die Stimme von Scrooges Neffen, der so

 schnel hereingekommen war, daß dieser Gruß das erste war,

 was man von ihm bemerkte.

 »Pah«, sagte Scrooge, »dummes Zeug!«

 Der Neffe war vom schnel en Laufen so warm geworden, daß er

 über und über glühte; sein Gesicht war rot und hübsch, seine

 über und über glühte; sein Gesicht war rot und hübsch, seine

 Augen glänzten und sein Atem rauchte.

 »Weihnachten dummes Zeug, Onkel?« sagte Scrooges Neffe.

 »Das kann nicht Ihr Ernst sein.«

 »Es ist mein Ernst«, sagte Scrooge. »Fröhliche Weihnachten?

 Was für ein Recht hast du, fröhlich zu sein? Was für einen

 Grund, fröhlich zu sein? Du bist arm genug.«

 »Nun«, antwortete der Neffe heiter, »was für ein Recht haben

 Sie, grämlich zu sein? Was für einen Grund, mürrisch zu sein? Sie

 sind reich genug.«

 Scrooge, der im Augenblick keine bessere Antwort darauf bereit

 hatte, sagte noch einmal »Pah!« und brummte hinterher

 »Dummes Zeug!«

 »Seien Sie nicht böse, Onkel«, sprach der Neffe.

 »Was sol ich anderes sein«, antwortete der Onkel, »wenn ich in

 einer Welt voll solcher Narren lebe? Fröhliche Weihnachten!

 Der Henker hole die fröhlichen Weihnachten! Was ist

 Weihnachten für dich anderes, als eine Zeit, in der du

 Rechnungen bezahlen sol st, ohne Geld zu haben, eine Zeit, in

 der du dich um ein Jahr älter und nicht um eine Stunde reicher

 findest, eine Zeit, in der du deine Bücher abschließest und in

 jedem Posten durch ein volles Dutzend von Monaten ein Defizit

 siehst? Wenn es nach mir ginge«, setzte Scrooge heftig hinzu, »so

 müßte jeder Narr, der mit seinem ›Fröhliche Weihnachten‹

 herumläuft, mit seinem eigenen Pudding gekocht und mit einem

 Stechpalmenzweig im Herzen begraben werden.«

 »Onkel!« bat der Neffe.

 »Neffe«, antwortete der Onkel erbost, »feiere du Weihnachten

 nach deiner Art und laß es mich nach meiner feiern.«

 »Feiern!« wiederholte Scrooges Neffe. »Aber Sie feiern es ja

 nicht.«

 »Laß mich ungeschoren«, brummte Scrooge. »Mag es dir

 Nutzen bringen. Es hat dir ja immer schon Nutzen gebracht.«

 »Es gibt viele Dinge, die mir hätten nützen können und die ich

 nicht genutzt habe, das weiß ich«, antwortete der Neffe, »und

 Weihnachten ist eins davon.

 Aber ich weiß gewiß, daß ich Weihnachten, abgesehen von der

 Verehrung, die wir seinem heiligen Namen und Ursprung

 schuldig sind, immer als eine gute Zeit betrachtet habe, als eine

 liebe Zeit, als die Zeit der Vergebung und Barmherzigkeit, als die

 einzige Zeit, die ich in dem ganzen langen Jahreskalender kenne,

 da die Menschen einträchtig ihre verschlossenen Herzen auftun

 und die andern Menschen ansehen, als wären sie wirklich

 Reisegefährten 8

 Reisegefährten 8

 nach dem Grabe und nicht eine ganz andere Art von

 Geschöpfen, die einen ganz andern Weg gehen. Und daher,

 Onkel, wenn es mir auch niemals ein Stück Gold oder Silber in

 die Tasche gebracht hat, daher glaube ich doch, es hat mir Gutes

 getan, und es wird mir Gutes tun, und ich sage ›Gott segne das

 Weihnachtsfest!‹«

 Der Diener in dem Burgverlies draußen applaudierte

 unwillkürlich; aber im Augenblick darauf fühlte er auch die

 Unschicklichkeit seines Betragens, schürte die Kohlen und

 löschte dadurch die letzten kleinen Funken unwiederbringlich.

 »Wenn Sie da drin mich noch einen einzigen Laut hören lassen«,

 sagte Scrooge, »so feiern Sie Ihre Weihnachten mit dem Verlust

 Ihrer Stel e. - Du bist ein ganz gewaltiger Redner«, fügte er dann

 hinzu, sich zu seinem Neffen wendend. »Es wundert mich, daß

 du noch nicht ins Parlament gekommen bist!«

 »Seien Sie nicht böse, Onkel. Essen Sie morgen mit uns.«

 Scrooge sagte, daß er ihn erst verdammt sehen wol e; ja

 wahrhaftig, er sprach sich so deutlich aus.

 »Aber warum?« rief Scrooges Neffe. »Warum denn?«

 »Warum hast du dich verheiratet?« fragte Scrooge.

 »Weil ich mich verliebte.«

 »Weil er sich verliebte!« brummte Scrooge, als sei dies das

 einzige Ding in der Welt, das noch lächerlicher als eine fröhliche

 Weihnacht ist. »Guten Abend!«

 »Aber Onkel, Sie haben mich ja auch vorher nie besucht.

 Warum sol es da ein Grund sein, mich jetzt nicht zu besuchen?«

 »Guten Abend!« sagte Scrooge.

 »Ich brauche nichts von Ihnen, ich verlange nichts von Ihnen,

 warum können wir nicht gute Freunde sein?«

 »Guten Abend!« sagte Scrooge.

 »Ich bedaure wirklich von Herzen, Sie so hartnäckig zu finden.

 Wir haben nie einen Zank miteinander gehabt, an dem ich schuld

 gewesen wäre. Aber ich habe den Versuch gemacht,

 Weihnachten zu Ehren, und ich will meine Weihnachtsstimmung

 bis zuletzt behalten. Fröhliche Weihnachten, Onkel!«

 »Guten Abend!« sagte Scrooge.

 »Und ein glückliches Neujahr!«

 »Guten Abend!« sagte Scrooge.

 Trotz allem verließ der Neffe das Zimmer ohne ein böses Wort.

 Trotz allem verließ der Neffe das Zimmer ohne ein böses Wort.

 An der Haustür blieb er dann stehen, um mit dem Glückwunsch

 des Tages den Kommis zu begrüßen, der trotz der Kälte

 dennoch wärmer war als Scrooge, denn er gab den Gruß

 freundlich zurück.

 »Das ist auch so ein Kerl!« brummte Scrooge, der es hörte.

 »Mein Kommis, mit fünfzehn Shilling die Woche und Frau und

 Kindern, spricht von fröhlichen Weihnachten. Ich gehe nach

 Bedlam ins Irrenhaus.«

 Der Kommis hatte, als er den Neffen hinaus ließ, zwei andere

 Personen eingelassen. Es waren zwei behäbige, wohlansehnliche

 Herren, die jetzt, mit dem Hut in der Hand, in Scrooges Kontor

 standen. Sie hatten Bücher und Papiere unterm Arm und

 verbeugten sich.

 9

 »Scrooge und Marley, glaube ich«, sagte einer der Herren,

 indem er auf seine Liste sah. »Hab ich die Ehre, mit Mr. Scrooge

 oder mit Mr. Marley zu sprechen?«

 »Mr. Marley ist seit s ieben Jahren tot«, antwortete Scrooge. »Er

 starb heute vor sieben Jahren.«

 »Wir zweifeln nicht, daß sein überlebender Kompagnon ganz

 seine Freigebigkeit besitzen wird«, sagte der Herr, indem er ihm

 sein Beglaubigungsschreiben überreichte.

 Er hatte ganz recht, denn sie waren wirklich zwei verwandte

 Seelen gewesen.

 Bei dem ominösen Wort Freigebigkeit runzelte Scrooge die

 Stirn, schüttelte den Kopf und gab das Papier zurück.

 »An diesem festlichen Tage des Jahres, Mr. Scrooge«, sagte der

 Herr, eine Feder ergreifend, »ist es mehr als sonst

 wünschenswert, wenigstens einigermaßen für die Armen zu

 sorgen, die zu dieser Zeit in großer Bedrängnis leben. Vielen

 Tausenden fehlen selbst die notwendigsten Bedürfnisse,

 Hunderttausenden die notdürftigsten Bequemlichkeiten des

 Lebens.«

 »Gibt es keine Gefängnisse?« fragte Scrooge.

 »Überfluß an Gefängnissen«, sagte der Herr, die Feder wieder

 hinlegend.

 »Und die Armenhäuser?« fragte Scrooge. »Bestehen die noch?«

 »Allerdings«, antwortete der Herr, »aber doch wünschte ich, sie

 brauchten weniger in Anspruch genommen zu werden.«

 »Tretmühle und Armengesetz sind in voller Kraft?« sagte

 Scrooge.

 »Beide haben alle Hände voll zu tun.«

 »So? Nach dem, was Sie zuerst sagten, fürchtete ich, es halte sie

 etwas in ihrem nützlichen Gang auf«, sagte Scrooge. »Ich freue

 mich, das Gegenteil zu hören.«

 »In der Überzeugung, daß sie doch wohl kaum imstande sind,

 der Seele oder dem Leib der Armen christliche Stärkung zu

 geben«, entgegnete der Herr, »sind einige von uns zur

 Veranstaltung einer Sammlung zusammengetreten, um für die

 Armen Nahrungsmittel und Feuerung anzuschaffen. Und wir

 wählen diese Zeit, weil sie vor allen andern eine Zeit ist, da der

 Mangel am bittersten gefühlt wird und nur der Reiche sich freut.

 Welche Summe darf ich für Sie aufschreiben?«

 »Nichts«, antwortete Scrooge.

 »Sie wünschen ungenannt zu bleiben?«

 »Ich wünsche, daß man mich in Ruhe läßt«, sagte Scrooge. »Da

 Sie mich fragen, meine Herren, was ich wünsche, so ist eben dies

 meine Antwort. Ich freue mich selbst nicht zu Weihnachten und

 habe nicht die Mittel, mit meinem Geld Faulenzern Freude zu

 machen. Ich trage meinen Teil zu den Anstalten bei, die ich

 genannt habe; s ie kosten genug, und wem es schlecht geht, der

 mag dorthin gehen!«

 »Viele können nicht hingehen, und viele würden eher sterben.«

 »Viele können nicht hingehen, und viele würden eher sterben.«

 10

 »Wenn sie eher sterben würden«, sagte Scrooge, »so wäre es

 gut, wenn sie es täten und die überflüssige Bevölkerung dadurch

 verminderten. Übrigens, Sie entschuldigen, ich weiß nichts

 davon.«

 »Aber Sie könnten es wissen«, bemerkte der Herr.

 »Es kümmert mich nichts«, antwortete Scrooge. »Es genügt,

 wenn ein Mann sein eignes Geschäft versteht und sich nicht in

 das anderer Leute mischt. Das meinige nimmt meine ganze Zeit in

 Anspruch. Guten Abend, meine Herren!«

 Da sie deutlich einsahen, wie vergeblich weitere Versuche sein

 würden, zogen sich die Herren zurück. Scrooge setzte sich

 wieder an die Arbeit mit einer erhöhten Meinung von sich selbst

 und in einer bessern Laune als gewöhnlich.

 Nebel und Dunkelheit hatten inzwischen so zugenommen, daß

 die Leute mit brennenden Fackeln herumliefen, um den Wagen

 vorzuleuchten. Der alte Kirchturm, dessen brummende alte

 Glocke sonst unverwandt aus einem alten gotischen Fenster in

 der Mauer listig auf Scrooge herabsah, wurde unsichtbar in den

 Wolken und schlug die Stunden und Viertel mit einem zitternden

 Nachklang, als wenn in dem erfrorenen Kopfe droben die Zähne

 klapperten. Die Kälte wurde immer schneidender. In der

 klapperten. Die Kälte wurde immer schneidender. In der

 Hauptstraße an der Ecke der Sackgasse wurden die

 Gasleitungen ausgebessert, und die Arbeiter hatten ein großes

 Feuer in einer Kohlenpfanne angezündet. Darum herum drängten

 sich einige zerlumpte Männer und Knaben, die über den

 Flammen behaglich blinzelnd s ich die Hände wärmten. Aus der

 eisernen Pumpe, sich selbst überlassen, floß ungehindert Wasser

 aus, aber bald war es zu Eis erstarrt. Der Lichtschimmer der

 Läden, in deren Fenstern Stechpalmenzweige und Beeren in der

 Lampenwärme knisterten, rötete die bleichen Gesichter der

 Vorübergehenden. Die Gewölbe der Geflügel-und

 Materialwarenhändler sahen aus wie ein glänzendes, fröhliches

 Märchenland, und es schien fast unmöglich, damit den Gedanken

 an eine so langweilige Sache wie Kauf und Verkauf zu

 verbinden. Der Lord Mayor gab in den innern Gemächern des

 Mansion House seinen fünfzig Köchen und Kellermeistern

 Befehl, Weihnachten zu feiern, wie es eines Lord Mayors würdig

 ist, und selbst der kleine Schneider, den er am Montag vorher

 wegen Trunkenheit und blutrünstiger Äußerungen in der

 Öffentlichkeit mit fünf Shil ing gestraft hatte, rührte den Pudding

 für morgen in seinem Dachkämmerchen, während seine magere

 Frau mit dem Säugling auf dem Arm wegging, um das Roastbeef

 zu kaufen.

 Immer nebliger und kälter wurde es, durchdringend, schneidend

 kalt. Wenn der gute, heilige Dunstan die Nase des Gottseibeiuns

 

 nur mit einem Hauch von diesem Wetter gefaßt hätte, anstatt

 seine gewöhnlichen Waffen zu gebrauchen, dann hätte er wohl

 seine gewöhnlichen Waffen zu gebrauchen, dann hätte er wohl

 recht gebrüllt. Der Inhaber einer kleinen, jungen Nase, an der die

 hungrige Kälte biß und nagte, wie Hunde an einem Knochen,

 legte sich an Scrooges Schlüssel och, um ihn mit einem

 Weihnachtsliede zu erfreuen. Aber beim ersten Ton des Liedes

 ergriff Scrooge das Lineal mit einer solchen Heftigkeit, daß der

 Sänger voll Schrecken entfloh und das Schlüssel och dem Nebel

 und dem noch verwandteren Frost überließ.

 11

 Endlich kam die Feierabendstunde. Unwillig stieg Scrooge von

 seinem Sessel und gab dadurch dem harrenden Kommis in dem

 Verlies stil schweigend die Einwilligung zum Aufbruch, worauf

 dieser sogleich das Licht auslöschte und den Hut aufsetzte.

 »Sie wol en morgen den ganzen Tag frei haben, vermute ich«,

 sagte Scrooge.

 »Wenn es Ihnen recht ist, Sir.«

 »Es ist mir durchaus nicht recht«, sagte Scrooge, »und es gehört

 sich auch nicht. Wenn ich Ihnen eine halbe Krone dafür abzöge,

 würden Sie denken, es geschähe Ihnen Unrecht, nicht wahr?«

 Der Kommis antwortete mit einem gezwungenen Lächeln.

 »Und doch«, sagte Scrooge, »denken Sie nicht daran, daß mir

 Unrecht geschieht, wenn ich einen Tag Lohn bezahle für einen

 Unrecht geschieht, wenn ich einen Tag Lohn bezahle für einen

 Tag Faulenzen.«

 Der Kommis bemerkte, daß es ja nur einmal im Jahr geschähe.

 »Eine armselige Entschuldigung, um an jedem fünfundzwanzigsten

 Dezember eines Mannes Tasche zu bestehlen«, murrte Scrooge,

 indem er seinen Überrock bis an das Kinn zuknöpfte. »Aber ich

 vermute, Sie wol en den ganzen Tag frei haben? Seien Sie

 wenigstens übermorgen um so früher hier!«

 Der Kommis versprach es, und Scrooge ging mit einem

 Brummen fort. Das Kontor war im Nu geschlossen, und der

 Kommis, dem die langen Enden seines weißen Schals um die

 Beine baumelten, schlitterte zu Ehren des Festes in einer Reihe

 von Knaben zwanzigmal Cornhill hinunter; dann lief er so schnel

 wie möglich in seine Wohnung in Camden Town, um dort

 Blindekuh zu spielen.

 Scrooge nahm sein einsames, trübseliges Mahl in seinem

 gewöhnlichen, einsamen, trübseligen Gasthaus ein, und nachdem

 er al e Zeitungen gelesen und sich den Rest des Abends mit

 seinem Bankjournal vertrieben hatte, ging er nach Hause zurück,

 um zu schlafen. Er wohnte in den Zimmern, die seinem

 verstorbenen Kompagnon gehört hatten. Es war eine düstere

 Flucht von Zimmern in einem niedrigen, dunklen Gebäude, das in

 seinen Hof so ganz und gar nicht hineinpaßte, daß man fast hätte

 glauben mögen, es habe sich, als es noch ein junges Haus war

 glauben mögen, es habe sich, als es noch ein junges Haus war

 und mit andern Häusern Versteck spielte, dorthin verlaufen und

 nicht wieder hinausfinden können. jetzt war es alt und öde, weil

 niemand dort wohnte als Scrooge und alle andern Örtlichkeiten

 als Geschäftsräume vermietet waren. Der Hof war so dunkel,

 daß selbst Scrooge, der dort jeden Pflasterstein kannte, seinen

 Weg mit den Händen ertasten mußte.

 Der Nebel und der Frost bal ten sich so dick und schwer um den

 schwarzen alten Torweg des Hauses, als hocke der Wettergeist

 in trübem Sinnen auf der Schwelle.

 Nun steht es fest, daß an dem Klopfer der Haustür ganz und gar

 nichts Besonderes war als seine Größe. Auch steht es fest, daß

 ihn Scrooge jeden Abend und jeden Morgen, seitdem er das

 Haus bewohnte, gesehen hatte und daß Scrooge so wenig

 Phantasie besaß, als irgend jemand in der City von London, mit

 Einschluß des Stadtrats - wenn das zu sagen erlaubt ist -, der

 Aldermen und der Zünfte. Man vergesse auch nicht, daß

 Scrooge, außer heute nachmittag, keine Sekunde an seinen vor

 sieben Jahren verstorbenen Kompagnon gedacht 12

 hatte. Und dann erkläre mir jemand, warum Scrooge, als er

 seinen Schlüssel in das Türschloß steckte, in dem Klopfer, ohne

 daß dieser sich vor seinen Augen verändert hätte, keinen

 Türklopfer, sondern Marleys Gesicht sah?

 Ja, Marleys Gesicht. Es war nicht von so undurchdringlichem

 Dunkel umgeben, wie die andern Gegenstände im Hof, sondern

 Dunkel umgeben, wie die andern Gegenstände im Hof, sondern

 von einem unheimlichen Licht, wie ein verdorbener Hummer in

 einem dunklen Keller. Es blickte ihm nicht wild entgegen, oder

 zürnend, sondern sah Scrooge an, wie ihn Marley gewöhnlich

 angesehen hatte, die gespenstige Brille auf die gespenstige Stirn

 hinaufgeschoben. Das Haar stand ihm seltsam zu Berg, wie von

 Atem oder heißer Luft gesträubt, und obgleich die Augen weit

 offen standen, waren sie doch ohne jede Bewegung. Dies und

 die leichenhafte Farbe machten das Gesicht schrecklich: aber

 diese Schrecklichkeit schien eher etwas dem Gesicht

 Aufgezwungenes zu sein, als ein Teil seines Ausdruckes.

 Als Scrooge fest auf die Erscheinung blickte, da sah er wieder

 einen Türklopfer!

 Es wäre eine Unwahrheit, zu sagen, er sei nicht erschrocken

 oder sein Blut habe nicht ein grausendes Gefühl durchzuckt, das

 ihm seit seiner Kindheit unbekannt geblieben war. Aber

 gewaltsam faßte er sich, faßte mit der Hand abermals nach dem

 Schlüssel, drehte ihn um, trat in das Haus und zündete sein Licht

 an.

 Und doch zögerte er einen Augenblick, bevor er die Tür schloß,

 und spähte erst vorsichtig dahinter, als fürchte er wirklich, mit

 dem Anblick von Marleys Zopf erschreckt zu werden. Aber

 hinter der Tür war nichts, als die Schrauben, die den Klopfer

 festhielten, und so sagte er: »Bah, bah«, und warf sie hinter sich

 ins Schloß.

 ins Schloß.

 Der Schal klang wie ein Donner durch das Haus. jedes Zimmer

 oben und jedes Faß in des Weinhändlers Keller unten schien mit

 seinem besonderen Echo zu antworten. Scrooge war nicht der

 Mann, der sich durch Echos erschrecken ließ. Er schloß die Tür,

 ging über den Hausflur und die Treppe hinauf, und zwar langsam,

 langsam und beim Hinaufgehen das Licht heller machend.

 Man mag behaupten, daß sich's mit einem Sechsspänner eine

 stattliche alte Treppenflucht hinauf - oder mitten durch ein neues

 Parlamentsdekret hindurchsausen lasse; ich sage aber, daß man

 mit einem Leichenwagen, und zwar der Quere nach, mit der

 Deichsel nach der Wand und mit der Tür nach dem Geländer zu,

 diese Treppe hinaufgekommen wäre, und zwar ganz bequem.

 Und das ist vielleicht die Ursache, warum Scrooge glaubte, er

 sähe einen Leichenwagen vor sich hinaufdampfen. Ein halbes

 Dutzend Gaslampen von der Straße aus hätten den Eingang nicht

 hell genug gemacht, und so kann man sich denken, daß es bei

 Scrooges kleinem Talglicht ziemlich dunkel blieb.

 Scrooge aber ging hinauf und kümmerte sich keinen Pfifferling

 um all das.

 Dunkelheit ist billig, und das Billige liebte Scrooge. Aber ehe er

 seine schwere Tür zumachte, ging er durch die Zimmer, um zu

 sehen, ob alles in Ordnung sei.

 Er erinnerte sich des Gesichts noch gerade genug, um das zu

 Er erinnerte sich des Gesichts noch gerade genug, um das zu

 wünschen.

 13

 Wohnzimmer, Schlafzimmer, Rumpelkammer, alles war, wie es

 sein sol te.

 Niemand unter dem Tisch, niemand unter dem Sofa; ein kleines

 Feuer auf dein Rost, Löffel und Teller bereit und das kleine

 Töpfchen Haferschleim (Scrooge hatte den Schnupfen) auf dem

 Feuer. Niemand unter dem Bett, niemand im Alkoven, niemand

 in seinem Schlafrock, der auf eine ganz verdächtige Weise an der

 Wand hing. Die Rumpelkammer wie gewöhnlich. Ein alter

 Kaminschirm, alte Schuhe, zwei Fischkörbe, ein dreibeiniger

 Waschtisch und ein Schüreisen.

 Vollkommen zufriedengestellt, machte er die Tür zu, schloß sich

 ein und schob noch den Riegel vor, was sonst seine Gewohnheit

 nicht war, So gegen Überraschung sichergestel t, legte er seine

 Halsbinde ab, zog seinen Schlafrock an und die Pantoffeln, setzte

 die Nachtmütze auf und nahm dann vor dem Feuer Platz, um

 seinen Haferschleim zu essen.

 Es war wirklich ein sehr kleines

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