So Gut Wie Tot

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Из серии: Das Au-Pair #3
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So Gut Wie Tot
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SO GUT WIE TOT
(DAS AU-PAIR—BUCH DREI)
BLAKE PIERCE
Blake Pierce

Blake Pierce ist der USA Today Bestsellerautor der RILEY PAIGE Mystery-Reihe, die bisher sechzehn Bücher umfasst. Er ist ebenfalls der Autor der MACKENZIE WHITE Mystery-Reihe, die bisher aus dreizehn Büchern besteht, der AVERY BLACK Mystery-Reihe, die aus sechs Büchern besteht, der KERI LOCKE Mystery-Reihe, die in fünf Büchern erhältlich ist, der DAS MAKING OF RILEY PAIGE Mystery-Reihe, die bisher fünf Bücher umfasst, der KATE WISE Mystery-Reihe, von der bisher sechs Bücher erhältlich sind, der spannenden CHLOE FINE psychologischen Suspense-Mystery-Reihe, die bisher aus fünf Büchern besteht, der JESSE HUNT psychologischen Suspense-Thriller-Reihe, von der es bisher fünf Bücher gibt, der AU PAIR psychologischen Suspense-Thriller-Reihe, die bisher aus zwei Büchern besteht, und der ZOE PRIME Mystery-Reihe, von der bisher zwei Bücher erwerblich sind.

Blake ist selbst ein passionierter Leser und lebenslanger Fan der Mystery- und Thriller-Genres, weshalb er sich freuen würde, von Ihnen zu hören. Besuchen Sie doch seine Webseite www.blakepierceauthor.com, um mehr über ihn herauszufinden und in Kontakt zu bleiben!


Copyright © 2020 durch Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Außer wie im US-amerikanischen Urheberrechtsgesetz von 1976 erlaubt, darf kein Teil dieser Veröffentlichung in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder übertragen werden oder in einer Datenbank oder einem Abfragesystem ohne die vorherige Genehmigung des Autors gespeichert werden. Dieses eBook ist nur für Ihren persönlichen Genuss lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch für eine andere Person freigeben möchten, erwerben Sie bitte für jeden Empfänger eine zusätzliche Kopie. Wenn Sie dieses Buch lesen und es nicht gekauft haben oder es nicht für Ihre Verwendung erworben wurde, geben Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihre eigene Kopie. Danke, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dieses Buch ist reine Fiktion. Namen, Charaktere, Geschäfte, Organisationen, Orte, Ereignisse und Ereignisse sind entweder das Produkt der Fantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen lebenden oder toten Personen ist völlig zufällig. Buchumschlagsbild Copyright Mimadeo, mit Lizenz von Shutterstock.com

BÜCHER VON BLAKE PIERCE

DAS AU-PAIR

SO GUT WIE VORÜBER (Band #1)

SO GUT WIE VERLOREN (Band #2)

SO GUT WIE TOT (Band #3)


ZOE PRIME KRIMIREIHE

GESICHT DES TODES (Band #1)

GESICHT DES MORDES (Band #2)

GESICHT DER ANGST (Band #3)


JESSIE HUNT PSYCHOTHRILLER-SERIE

DIE PERFEKTE FRAU (Band #1)

DER PERFEKTE BLOCK (Band #2)

DAS PERFEKTE HAUS (Band #3)

DAS PERFEKTE LÄCHELN (Band #4)

DIE PERFEKTE LÜGE (Band #5)


CHLOE FINE PSYCHOTHRILLER-SERIE

NEBENAN (Band #1)

DIE LÜGE EINES NACHBARN (Band #2)

SACKGASSE (Band #3)

STUMMER NACHBAR (Band #4)

HEIMKEHR (Band #5)


KATE WISE MYSTERY-SERIE

WENN SIE WÜSSTE (Band #1)

WENN SIE SÄHE (Band #2)

WENN SIE RENNEN WÜRDE (Band #3)

WENN SIE SICH VERSTECKEN WÜRDE (Band #4)

WENN SIE FLIEHEN WÜRDE (Band #5)

WENN SIE FÜRCHTETE (Band #6)


DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE

BEOBACHTET (Band #1)

WARTET (Band #2)

LOCKT (Band #3)

NIMMT (Band #4)

LAUERT (Band #5)

TÖTET (Band #6)


RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE

VERSCHWUNDEN (Band #1)

GEFESSELT (Band #2)

ERSEHNT (Band #3)

GEKÖDERT (Band #4)

GEJAGT (Band #5)

VERZEHRT (Band #6)

VERLASSEN (Band #7)

ERKALTET (Band #8)

VERFOLGT (Band #9)

VERLOREN (Band #10)

BEGRABEN (Band #11)

ÜBERFAHREN (Band #12)

GEFANGEN (Band #13)

RUHEND (Band #14)

GEMIEDEN (Band #15)

VERMISST (Band #16)


EINE RILEY PAIGE KURZGESCHICHTE

EINST GELÖST


MACKENZIE WHITE MYSTERY-SERIE

BEVOR ER TÖTET (Band #1)

BEVOR ER SIEHT (Band #2)

BEVOR ER BEGEHRT (Band #3)

BEVOR ER NIMMT (Band #4)

BEVOR ER BRAUCHT (Band #5)

EHE ER FÜHLT (Band #6)

EHE ER SÜNDIGT (Band #7)

BEVOR ER JAGT (Band #8)

VORHER PLÜNDERT ER (Band #9)

VORHER SEHNT ER SICH (Band #10)

VORHER VERFÄLLT ER (Band #11)

VORHER NEIDET ER (Band #12)

VORHER STELLT ER IHNEN NACH (Band #13)


AVERY BLACK MYSTERY-SERIE

DAS MOTIV (Band #1)

LAUF (Band #2)

VERBORGEN (Band #3)

GRÜNDE DER ANGST (Band #4)

RETTE MICH (Band #5)

ANGST (Band #6)


KERI LOCKE MYSTERY-SERIE

EINE SPUR VON TOD (Band #1)

EINE SPUR VON MORD (Band #2)

EINE SPUR VON SCHWÄCHE (Band #3)

EINE SPUR VON VERBRECHEN (Band #4)

EINE SPUR VON HOFFNUNG (Band #5)

KAPITEL EINS

Cassandra Vale lief hastig übers Pflaster. Kalter Regen schlug ihr ins Gesicht und sie blinzelte. Es war spät, dunkel und sie glaubte, sich verlaufen zu haben. Dieser Teil Mailands war anders, als sie es erwartet hatte. Sie war in einer der Haupteinkaufsstraßen gelandet. Menschen in dunklen, eleganten Mänteln und Einkaufstaschen in den Händen drängten sich über den breiten Fußgängerweg.

Auf dem Weg zum Zebrastreifen schielte Cassie in die Schaufenster und fragte sich, ob sie in einem der Geschäfte nach dem Weg fragen sollte. Die hell erleuchteten Verkaufsflächen waren Oasen der Annehmlichkeit und Wärme, aber ihre schäbige Jacke und ihre nassen Turnschuhe würden ihr vermutlich keinen Einlass verschaffen. Emilio Pucci, Dolce & Gabbana, Moschino – die Namen über den Türen waren ein Inbegriff der Modeindustrie. Die Kleider selbst schienen genauso weit weg zu sein wie ihre Preisschilder.

Sie würde sich mit ihrer Karte begnügen müssen, die sich im Regen immer schneller aufzulösen schien. Sie hielt an der Straßenüberquerung an, um sie auseinanderzufalten. Ihre Lippen und Wangen fühlten sich taub an. Das feuchte Papier riss, als sie es öffnete und während sie die Einzelteile zusammendrückte, versuchte sie, das komplizierte Straßenmuster mit unbekannten – und mittlerweile fast unleserlichen – Namen zu verstehen.

Sie war zu weit gegangen, hätte bereits vor vier Häuserblöcken abbiegen sollen. Ihre Orientierung war abhandengekommen und sie hatte nicht früh genug versucht, ihre Position festzumachen. Ihre Hände zitterten nun, als sie die Karte umdrehte und versuchte, ihren Weg zurückzuverfolgen. Wo musste sie hin? Links abbiegen, dann drei Häuserblocks weiter – nein, fünf – dann wieder nach links in das verwirrende Labyrinth aus Gassen und Straßen. Dort musste sie hin.

Cassie faltete die Kartenstücke so gut sie konnte zusammen und steckte sie in ihre Tasche zurück, obwohl sie wusste, dass die Karte vermutlich keinen weiteren Einsatz überleben würde. Sie musste sich konzentrieren und die Panik unterdrücken, zu spät zu kommen. Was, wenn es bereits geschlossen hatte? Was, wenn ihre Reise in nichts als hoffnungsloser Enttäuschung enden würde?

Dies war ihre einzige Chance, ihre Schwester Jacqui zu finden. Es war der einzige Hinweis, den sie hatte.

Sie bemühte sich, ihre Route nicht zu vergessen und rannte fast die Straßen entlang. Als sie Mailands Fashionzentrum hinter sich ließ, wurden die Fußgängerwege schmäler und die Schaufenster weniger einschüchternd. Günstigere Produkte und Imitate wurden ausgestellt und die Preise sanken mit jedem Häuserblock. Aktionsschilder mit den Worten ‚Frühjahrsschlussverkauf‘ hingen hinter den heruntergekommenen Fenstern.

Sie erkannte sich selbst in dem abgedunkelten Glas. Ihre Haut war bleich, ihre Wangen von der Kälte gerötet. Sie zog sich ihre limettengrüne Mütze über das schulterlange, kastanienbraune Haar. Hauptsächlich der Wärme wegen, aber auch, um die rebellischen Locken zu kontrollieren. In ihrem alten, blauen Mantel mit kaputtem Reißverschluss wirkte sie in der Modehauptstadt unglaublich fehl am Platz. Sie fühlte sich wie eine Außenseiterin inmitten der makellos gekleideten Einheimischen mit ihrem perfekt geschniegelten Haar, ihren teuren Stiefeln und ihrem angeborenen Sinn für Stil.

Als Kinder hatten sie und Jacqui oft kaputte Second-Hand-Kleidung zur Schule getragen, die nicht richtig passte. Ihr verwitweter Vater hatte darauf bestanden, dass es kein Geld gab, um etwas Besseres zu kaufen. Cassie hatte ihr Schicksal williger akzeptiert als Jacqui, die es gehasst hatte, schäbig und arm auszusehen.

Es machte Sinn, dass ihre Schwester von dieser Fashion-Metropole angezogen worden war, wo jedes Kleidungsstück hier doch trendy, neu und wunderschön war.

Während sie nach Atem rang, sah Cassie, dass ihr der Name der Straße vor ihr bekannt vorkam.

Es war die Straße, nach der sie gesucht hatte. Jetzt musste sie lediglich den kleinen Laden finden.

Er hieß Cartolería, sie wusste aber nicht, ob das der tatsächliche Name oder eine Beschreibung war. Bei ihrem Telefonat mit der Angestellten war die Sprachbarriere ein großes Problem gewesen. Cassie hatte es geschafft, der immer ungeduldiger werdenden Frau zumindest den Straßennamen aus der Nase zu ziehen. Das war nicht einfach gewesen, schließlich waren deren Englischkenntnisse auf ‚wir schließen‘ beschränkt gewesen, was sie mehrere Male wiederholt, schließlich ‚addio‘ gekeift und aufgelegt hatte.

 

Cassie hatte entschlossen, den Laden persönlich aufzusuchen.

Eine Woche hatte sie gebraucht, um ihre Angelegenheiten zu klären und von Edinburgh nach Mailand zu fahren. Sie hatte wesentlich früher ankommen wollen, war aber auf dem Weg in die Stadt im Stau gestanden und hatte sich auf der Suche nach einem billigen Parkplatz mehrere Male verfahren. Ihr Navi hatte nicht richtig funktioniert und der Akku ihres Handys war fast leer. Zum Glück hatte sie daran gedacht, die Karte auszudrucken. Wann machten die Geschäfte hier zu? Um achtzehn Uhr? Später?

Sie wurde immer nervöser, als im Geschäft vor ihr bereits das Schild in der Tür umgedreht und das Licht ausgeschaltet wurde.

„Entschuldigung. Cartolería. Welche Richtung?“, fragte sie mit der Ahnung, dass jede Sekunde zählen könnte.

Der Mann runzelte die Stirn, deutete die Straße herunter und murmelte etwas auf Italienisch, das sie nicht verstehen konnte. Zumindest hatte er sie davon abgehalten, in die falsche Richtung zu gehen.

„Danke“, sagte sie.

„Signorina!“, rief er ihr nach, aber Cassie hielt für niemanden an.

Die Aufregung nahm ihr den Atem. Es bestand die Chance, wenn auch noch so klein, dass Jacqui tatsächlich in diesem Laden arbeitete. Cassie stellte sich vor, das Geschäft zu betreten und ihrer Schwester in die Augen zu sehen. Sie fragte sich, was Jacqui tun würde. Sie selbst würde vor Freude schreien und sie so fest umarmen wie sie konnte. Hoffentlich hätten sie dann die Möglichkeit, sich zu unterhalten. Sie wollte herausfinden, was geschehen war und warum Jacqui sich so lange nicht gemeldet hatte.

Und obwohl es sehr unwahrscheinlich war, konnte Cassie nicht anders, als zu träumen.

Da war es. Sie sah das Schild, Cartolería, und rannte los. Der Laden musste offen sein, er musste es einfach. Das war ihre Chance, sich mit der einzigen Familie zu vereinen, die sie noch hatte.

Sie rannte platschend über die nassen Pflastersteine und flocht sich durch die langsameren Fußgänger, die unter ihren monströsen Schirmen Schutz suchten.

Dann blieb sie stehen und starrte ungläubig ins Schaufenster.

Die Cartolería war geschlossen.

Nicht nur für den Tag, sondern für immer.

Die Fenster waren vernagelt, durch eine Lücke konnte sie die dunklen Räumlichkeiten sehen. Das ramponierte und schäbige Schild über der Tür war die einzige Erinnerung daran, was sich einst hinter den Schaufenstern befunden hatte.

Cassie starrte in die trostlose Leere und verstand nun, dass sie die ungeduldige Angestellte missverstanden hatte, als sie vor einer Woche dort angerufen hatte. Die Frau hatte versucht, ihr mitzuteilen, dass der Laden für immer geschlossen wurde. Hätte sie das sofort realisiert, hätte sie zurückrufen, weitere Fragen stellen und aufdringlicher sein können.

Stattdessen war sie viele hundert Kilometer gefahren, um vor der Sackgasse aller Sackgassen zu stehen.

Ihre einzige Spur war verschwunden, zusammen mit ihren Hoffnungen und Träumen. Sie hatte die einzige Chance verloren, ihre Schwester wiederzufinden.

KAPITEL ZWEI

Cassie starrte in die leeren Ladenräume und fühlte, wie die Enttäuschung über sie hereinbrach. Sie wusste, dass sie sich auf den langen Rückweg zu ihrem Wagen begeben sollte, hinaus in die dunkle und feuchte Nacht, aber sie konnte sich nicht dazu überwinden.

Sich jetzt wegzudrehen war wie für immer aufzugeben und allein bei dem Gedanken fühlte sie, wie ihre Füße sich fester auf den Boden drückten. Sie konnte die Gewissheit nicht abschütteln, dass es hier noch immer etwas gab, das sie ihr irgendwie zu Jacqui führen würde.

Sie sah sich um und sah, dass eines der Nachbargeschäfte – ein Café und Bistro – noch immer offen war. Vielleicht wusste dort jemand, wo der Besitzer der Cartolería hingegangen war und wo er oder sie sich nun aufhielt.

Cassie betrat das Bistro, erleichtert, Schutz vor den Regenböen zu finden. Innen roch es köstlich nach Kaffee und Brot und sie erinnerte sich daran, heute noch nichts gegessen zu haben. Auf dem Holztresen stand stolz eine große Cappuccino-Maschine aus Chrom.

Nur vier Tische fanden in dem Café Platz und sie waren alle besetzt. An der Bar jedoch war ein leerer Stuhl und sie setzte sich.

Ein erschöpft wirkender Kellner eilte zu ihr.

Cosa prendi?“, fragte er.

Cassie vermutete, dass er ihre Bestellung aufnehmen wollte.

„Sorry, ich spreche kein Italienisch“, entschuldigte sie sich und hoffte, dass er sie verstehen würde. „Wissen Sie, wem der Laden nebenan gehört hat?“

Der junge Mann zuckte mit den Schultern und wirkte verwirrt.

„Ich kann Essen bringen?“, fragte er in brüchigem Englisch.

Cassie begriff, dass die Sprachbarriere ihre Befragung beendet hatte, also scannte sie schnell die Speisekarte, die auf die schwarze Kreidetafel an der Wand geschrieben worden war.

„Kaffee, bitte. Und ein Panini.“

Sie blätterte ein paar Scheine aus ihrer schrumpfenden Notreserve. Die Preise in Mailand waren noch höher als erwartet, aber es wurde spät und sie war am Verhungern.

„Bist du Americana?“, fragte der Mann neben ihr.

Beeindruckt nickte Cassie.

„Ja, das bin ich.“

„Mein Name ist Vadim“, stellte er sich vor.

Er hörte sich nicht italienisch an, aber ihr Ohr für Akzente war bei weitem nicht so gut wie seins. Sie vermutete, dass er irgendwo aus Osteuropa oder sogar Russland stammen könnte.

„Ich bin Cassie Vale“, antwortete sie.

Er schien einige Jahre älter zu sein als sie, also Ende zwanzig, und trug Lederjacke und Jeans. Vor ihm stand ein halbvolles Glas Rotwein.

„Machst du Urlaub hier? Arbeit oder Universität?“, fragte er.

„Ich bin tatsächlich hier, um jemanden zu finden.“

Dieses Geständnis schmerzte, jetzt wo Cassie fürchtete, genau das niemals erledigen zu können.

Er zog seine dicken Augenbrauen hoch.

„Was meinst du mit finden? Jemand bestimmtes?“

„Ja. Meine Schwester.“

„Ist sie verschwunden?“, fragte er.

„Das ist sie. Ich bin einer Spur nachgegangen, in die ich viel Hoffnung investiert hatte. Vor einiger Zeit hat sie eine Freundin in den Vereinigten Staaten angerufen und wir haben die Nummer verfolgt.“

„Du hast also den Anruf zurückverfolgt und bist hier gelandet? Das ist gute Detektivsarbeit“, sagte Vadim bewundernd, während der Kellner ihren Kaffee über den Tresen schob.

„Nein, ich war zu langsam. Weißt du, sie hat mich zwei Mal angerufen. Die erste Nummer hat überhaupt nicht funktioniert. Und erst letzte Woche ist mir eingefallen, dass der zweite Anruf möglicherweise von einer anderen Nummer aus gemacht worden war.“

Vadim nickte mitfühlend.

„Und jetzt ist die Cartolería geschlossen“, erklärte Cassie weiter.

„Das Geschäft nebenan?“

„Ja. Von dort aus hat sie mich angerufen. Ich hoffe, herauszufinden, wem der Laden gehört hat.“

Er runzelte die Stirn.

„Ich weiß, dass die Cartolería zu einer Ladenkette gehört. Es gibt noch andere in Mailand. Es ist ein Internet-Café, das auch Stifte, Kugelschreiber und solche Dinge verkauft.“

„Schreibwaren“, schlug Cassie vor.

„Ja, genau. Vielleicht kannst du einen anderen Laden der Kette anrufen, um den Manager dieser Filiale ausfindig zu machen.“

Der Kellner kehrte zurück und stellte einen Teller vor ihr ab. Cassie machte sich hungrig darüber her.

„Bist du alleine unterwegs?“, fragte Vadim.

„Ja, ich bin alleine hergekommen, um Jacqui zu finden.“

„Warum suchst du nach ihr und sie nicht nach dir?“

„Wir hatten eine schwere Kindheit“, erklärte sie. „Meine Mutter starb, als wir noch klein waren und mein Vater kam ohne sie nicht klar. Er wurde sehr wütend und schien unserer aller Leben zerstören zu wollen.“

Vadim nickte.

„Jacqui war älter als ich und ist eines Tages einfach gegangen. Ich glaube, sie kam nicht mehr damit klar. Mit seiner Wut, seinem Schreien, den Glasscherben auf dem Boden. Er hatte viele verschiedene Freundinnen und oft waren Fremde in unserem Zuhause.“

Eine dunkle Erinnerung drückte sich an die Oberfläche – ihr Versteck unter dem Bett, die schweren Schritte auf der Treppe, das Öffnen ihrer Türe. Jacqui hatte sie gerettet. Sie hatte so laut geschrien, dass die Nachbarn angerannt gekommen waren und der Mann sich aus dem Staub gemacht hatte. Cassie erinnerte sich an die Angst, die sie verspürt hatte, als er an ihrer Schlafzimmertür gerüttelt hatte. Jacqui war ihre Beschützerin gewesen, bis sie weggerannt war.

„Als Jacqui weg war, bin ich ausgezogen. Mein Dad wurde zwangsgeräumt und musste eine neue Unterkunft finden. Ich habe ein neues Handy, er hat ein neues Handy. Sie kann uns unmöglich kontaktieren. Aber ich glaube, dass sie es versucht. Doch sie scheint Angst zu haben und ich weiß nicht, warum. Vielleicht denkt sie, dass ich wütend bin, weil sie mich alleine gelassen hat.“

Vadim schüttelte den Kopf.

„Du bist also ganz allein auf dieser Welt?“

Cassie nickte und fühlte sich unglaublich traurig.

„Kann ich dir einen Wein spendieren?“

Cassie schüttelte den Kopf.

„Vielen Dank, aber ich muss fahren.“

Ihr Wagen war fünfundvierzig Gehminuten von hier entfernt. Und sie hatte keine Ahnung, wo sie hinsollte, da sie keine Unterkunft gebucht hatte. Sie hatte gehofft, früher anzukommen, in dem Geschäft einen Hinweis auf Jacquis Aufenthaltsort zu finden und von dort ihre Suche weiterzuführen. Doch jetzt war es dunkel und sie hatte keine Ahnung, wo sich die bezahlbaren Inns und Hostels der Stadt befanden. Vermutlich würde sie im Parkhaus in ihrem Wagen schlafen müssen.

„Hast du eine Unterkunft für heute Abend?“, fragte Vadim, als könne er Gedanken lesen.

Cassie schüttelte den Kopf.

„Das muss ich noch klären.“

„Ganz in der Nähe befindet sich eine Backpackers Lodge. Eine pensione, wie sie es hier in Italien nennen. Das könnte genau das Richtige für dich sein. Ich komme auf meinem Nachhauseweg daran vorbei und kann dich hinbringen.“

Cassie lächelte zögernd. Sie machte sich Sorgen um den Preis und die Tatsache, dass sich ihr Gepäck noch immer im Wagen befand. Trotzdem klang eine Unterkunft in der Nähe besser als der lange Rückweg zum Parkhaus. Es bestand sogar die Chance, dass Jacqui auch dort untergekommen war; sie sollte sich die Lodge also zumindest ansehen.

Sie trank ihren Kaffee und aß die letzten Krümel ihres Paninis, während Vadim sein Weinglas leerte und einige Nachrichten auf seinem Handy tippte.

„Komm mit mir. Hier entlang.“

Draußen regnete es noch immer, doch Vadim öffnete einen großen Schirm. Cassie lief dicht neben ihm und war dankbar für den Schutz vor dem Regen. Er machte große und eilige Schritte und sie musste sich bemühen, Schritt zu halten. Sie war froh, dass er nicht trödelte, aber gleichzeitig fragte sich, ob das Gästehaus für ihn einen Umweg darstellte.

Sie erhaschte kurze Blicke auf die Gebäude, die sie passierten und versuchte, herauszufinden, wo sie waren. Namen von Restaurants, Läden und Geschäften blinkten und leuchteten im Regen und die unbekannte Sprache überforderte Cassie.

Sie überquerten eine Straße und sie bemerkte, dass der Verkehr ruhiger geworden war. Obwohl sie schon länger nicht mehr auf die Uhr gesehen hatte, glaubte sie, dass es bereits weit nach neunzehn Uhr war. Sie fühlte sich erschöpft und fragte sich, wie weit entfernt die Backpackers Lodge war und was sie tun würde, wenn kein Bett mehr frei war.

Zu ihrer Rechten befand sich ein Supermarkt, dessen war sie sich sicher. Links war eine Art Unterhaltungsestablishment angesiedelt. Das Schild blinkte in Neonfarben. Es war kein Rotlichtbezirk, wenn es so etwas in Mailand überhaupt gab, aber es war auch nicht zu weit davon entfernt.

Plötzlich wurde klar, dass sie zu schnell und zu weit gegangen waren und zwar ohne ein Wort zu sprechen.

Sie hatten fast eineinhalb Kilometer zurückgelegt und kein vernünftiger Mensch würde das als ‚in der Nähe‘ bezeichnen.

Dann holte ihre Erinnerung auf.

Nach den ersten Kreuzungen hatte sie einen Blick nach links geworfen. Abgelenkt und mit Regentropfen in den Augen hatte sie das Schild nicht wahrgenommen – ein bescheidenes Schild mit schwarzen Buchstaben statt den blinkenden Tafeln, die sie jetzt umringten.

Pensione.“

Das war das Wort, das auch Vadim benutzt hatte. Das italienische Äquivalent für eine Backpackers Lodge.

„Warum wirst du langsamer?“, fragte er und sein Ton wurde schärfer.

Weiter vorne sah Cassie die wartenden Scheinwerfer. Ein weißer Van parkte auf der anderen Straßenseite und Vadim schien direkt darauf zuzusteuern.

Er streckte seine Hand aus und innerhalb eines Sekundenbruchteils realisierte Cassie erschrocken, dass er ihr Zögern bemerkt hatte und nun nach ihrem Arm greifen wollte.

 
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