Vier Wyoming Western März 2017

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Из серии: Extra Spannung #7
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Die Männer ringsum waren verstummt.

Saltillo blickte jeden einzelnen von ihnen an. »Gracias, Amigos.«

*

Am nächsten Tag wiederholte sich das für die Männer der »Alvantarez Mina« längst gewohnte Schauspiel: Eine lange Reihe schwerfälliger Kastenwagen rumpelte den Serpentinenweg zum Minenplateau hinauf. Peitschen knallten über den Rücken der Maultiere. Mühsam malmten die klobigen Räder über Schotter und Sand. Droben warteten zwei sichelbärtige Wächter mit lässig angeschlagenen Gewehren wie an zehn, zwanzig, ja hundert Tagen zuvor auch. Die Sonne übergoss das Plateau mit flüssiger Glut. Aus den Stollen drangen die Geräusche der Arbeit, vermischt mit Flüchen und Peitschenschlägen. Nichts erinnerte an die Ereignisse der Nacht und daran, dass noch immer einige Pistoleros die umliegenden Canyons und Täler nach den Entflohenen durchkämmten.

Auch die tägliche Kontrolle blieb gleich: Während der eine Posten das Gewehr schussbereit hielt, trat der andere neben das Fahrzeug, stellte mit einem Blick über die Bordwand fest, dass der Wagen leer war, klopfte mit der Waffe dagegen und wartete mürrisch auf das nächste Gefährt.

Wie eh und je hockten die in verschlissenes Leinen gekleideten Mexikaner auf den Wagenbänken: den Kopf gesenkt, den Strohsombrero tief über den Augen, erschöpft von der Hitze und der langen Fahrt, die schon vor Sonnenaufgang begonnen hatte. Seit Jahr und Tag waren es die gleichen Gestalten. Keiner von Alvantarez’ Revolvermännem verschwendete einen Blick an sie.

Deshalb fiel den Wachen an diesem späten Vormittag auch nicht auf, dass die Fahrer diesmal nicht die sonstigen knochigen, abgezehrten Konturen besaßen, auch wenn sie sich Mühe gaben, möglichst zusammengesunken und erschlafft auszusehen. Erst als der fünfte Wagen am Plateaurand anrollte, stutzte der Pistolero. Das übliche Pochen des Gewehrs gegen das Fahrzeug blieb aus. Misstrauisch beäugte der Sichelbärtige die beiden Gestalten auf dem Bock. Der Fahrer war ein kleiner, schmächtiger Mexikaner mit einem Gesicht wie eine pfiffige Maus. Neben ihm hatte es sich ein schlanker Junge mit einer Gitarre auf den Knien bequem gemacht.

»He!«, schnappte der Posten, und das war seit Wochen oder Monaten die erste Silbe, die einer von ihnen an einen der Wagenlenker verschwendete. Dieses »He!« war Drohung, Frage und Aufforderung zugleich.

Saltillo, der unter dem Wagen in einem zwischen die Achsen gespannten Netz lag, das aus Reatas geflochten war, packte seinen Colt fester. Seine Muskeln spannten sich. Die Stahlklammer umschloss noch sein rechtes Handgelenk. Aber sie behinderte ihn nicht mehr, seit Buck die Kette zwischen ihm und Mortimer zerschossen hatte. Knapp unter ihm war der felsige Boden.

Auf den letzten Meilen hatte Saltillo eine Menge Staub schlucken müssen. Genau wie Buck, der unter einem Wagen vor ihm schon anstandslos die Posten passiert hatte. Die Vaqueros hatten ihre Rolle bisher auch wirklich gut gespielt.

Im Morgengrauen hatten sie die Kolonne der Erzwagen abgefangen. Alles war schnell, und lautlos gegangen. Keiner der unbewaffneten Fahrer hatte Widerstand geleistet. Auch nicht, als sie, nur in Decken gehüllt, zu Fuß den Heimweg nach Santa Rosa hatten antreten müssen. Ein Los hatte dann entschieden, wer von den Männern der Hazienda del Saltillo als Wache bei Mortimer und den Pferden zurückblieb.

»Ist was?«, hörte Saltillo nun Pacos krächzende Stimme über sich. Und im nächsten Moment: »Ach so, der Junge! Das ist bloß Pepe, der Sohn meiner Schwester, die mit Ramon, dem Ziegenhirten des Alcalden von Santa Rosa verheiratet ist. Der schleppt sein Klimperwerkzeug überall mit. Der ist nur dabei, weil ich gestern, na ja, ein bisschen zu tief in den Mescalkrug geschaut hab. Meine Schwester nämlich, die mit Ramon, dem Ziegenhirten des Alcalden von Santa Rosa verheiratet ist, hat ein Brüderchen geboren. Ich glaub, das siebente. Und das haben wir gefeiert, Ramon, der Ziegenhirte des Alcalden von Santa Rosa, und ich. Heute früh aber, da war mir hundeelend. Da hat meine Schwester, die ...«

»Fahr bloß zu, du Held«, schnaubte der Posten. »Weiter, verdammt! Und dass der Junge ja nicht den Wagen verlässt!«

Die Peitsche knallte, der Wagen ruckte, die Räder malmten. Saltillo sah von den Wachen nur die staubbedeckten Stiefel. Nacheinander rollten die Fuhrwerke aufs Plateau und dann an den Gefangenenbaracken vorbei zu den Erzhalden vor den Mineneingängen.

Schwankende Gestalten wurden von den ewig fluchenden Aufsehern aus dem Berg getrieben, damit sie das goldhaltige Geröll auf die Wagen luden. Valdez war unter ihnen. Sein schnurrbärtiges Gesicht war grau, schien um Jahre gealtert. Er hielt den Kopf gesenkt wie die anderen neben ihm.

»Schneller, schneller, ihr verfluchten Hunde!«

Sie stolperten an dem Wagen vorbei, unter dem Saltillo hing. Leise ließ Antonio die Saiten tönen. Valdez’ Kopf ruckte hoch. Seine Augen weiteten sich. Ein Stoß traf seine Rippen. »Glotz nicht, an die Arbeit. Bastard!«

Valdez prallte gegen einen Mitgefangenen. Abwehrend riss er die Arme hoch, als die Peitsche ihn erwischte und am Wagen vorbeitrieb.

Diesmal spürte er keinen Schmerz. Seine Augen leuchteten. Zum erstenmal seit sie ihn aus Nuevo Saltillo verschleppt hatten.

*

Mortimer hielt die Augen halb geschlossen. Es war heiß in der Schlucht. Die Pferde der Vaqueros standen unter einer überhängenden Felsmauer. Aber auch der Schatten brachte keine Kühlung.

Panfilo Jerez, der mit einer Rifle über den Knien ein paar Schritte neben dem Gefesselten auf einer Decke kauerte, hatte den Kopf gehoben. Er lauschte gespannt, blickte schnell auf den scheinbar dösenden Gefangenen und erhob sich geschmeidig. In Wirklichkeit hatte Mortimer das Pochen der Hufe längst ebenfalls gehört. Es näherte sich dem mit Sträuchern halb verdeckten Schluchteingang. Mortimer ahnte auch, wer da unterwegs war: Pistoleros des Minenbesitzers, die noch immer nach ihm und Saltillo suchten.

Der Mexikaner, der als Wächter bei ihm und den Gäulen geblieben war, schaute sich mit funkelnden Augen nach einer Deckung um. Die Tiere standen reglos und mit hängenden Köpfen da. Doch Jerez würde unmöglich verhindern können, dass ein lautes Wiehern ihn und Mortimer verriet, sobald die Reiter nahe genug waren. Saltillo und seine Leute hatten jeden Huf und Stiefelabdruck vor der Schlucht sorgfältig verwischt. Darauf setzte Jerez seine ganze Hoffnung. Die Schießer von der »Alvantarez Mina« konnten schließlich nicht jeden Felseinschnitt durchstöbern.

Schweißrinnsale sickerten über das scharfgeschnittene Gesicht des Mexikaners. Mortimer beobachtete ihn verstohlen. Seine Gedanken jagten sich. Wenn die Alvantarez-Reiter in die Schlucht kamen, ging’s nicht nur dem Vaquero an den Kragen. Bis jetzt hatten diese Kerle es nur auf ihn und Saltillo abgesehen. Es sei denn ... Mortimer war keine Sekunde lang von seinem ursprünglichen Vorhaben abgewichen, sich an Saltillo zu rächen. Er brauchte nur an Layla zu denken. Er hatte davon geträumt, dass sie an seiner Seite über das Land am Rio Bravo herrschen würde. Die Erinnerung ließ den Hass mit ungebrochener Wildheit in ihm aufflammen. Sein Gehirn war dabei, einen neuen teuflischen Plan zu ersinnen, Saltillo doch noch zur Strecke zu bringen.

Der Vaquero war ganz auf das Hufgetrappel konzentriert. Mortimer jedoch rieb seine Fessel heftig gegen die scharfe Kante der Stahlklammer an seinem linken Handgelenk. Die ganze Zeit schon war er damit beschäftigt gewesen. Der Strick hatte sich schon so gelockert, dass er die Hände zu drehen vermochte. Kein Zucken eines Muskels in Mortimers Gesicht verriet etwas von seiner Anstrengung. Und der Schweiß auf seiner Stirn mochte von der Bruthitze ausgelöst sein.

Das Pochen der Hufe wurde lauter. Es war nicht mehr weit von den halb verdorrten Büschen am Eingang der Felskerbe entfernt Geduckt glitt der Vaquero an Mortimer vorbei, kauerte sich hinter einen Felsblock und legte das Gewehr an. Ahnungslos wandte er Mortimer den Rücken zu. Ein kaltes, mitleidloses Lächeln umspielte die Lippen des Gefangenen, als er spürte, wie wieder ein paar Fasern des Stricks rissen.

»Wenn du was versuchst, Hombre, erwischen sie auch dich«, knurrte Jerez über die Schulter.

Mortimer erstarrte. Verdammt, hatte der Greaser etwas gemerkt? Doch der funkelnde Blick des Vaqueros glitt schon wieder zum Schluchteingang zurück. Ein Wiehern und der Klang heiserer Stimmen kamen von dort. Der Hufschlag verlangsamte sich. Panfilo Jerez legte seinen Colt griffbereit neben sich. Wenn sie kamen, würde ihm keine Zeit bleiben, die einschüssige Rifle nachzuladen. Er merkte nichts davon, wie Mortimer sich spannte.

Ein letzter heftiger Ruck, und der Gefangene hatte die Hände frei. Ein flüchtiges Aufglühen war in Mortimers Augen. Dann kam er lautlos auf die Beine. Vier Schritte zu Jerez. Er biss die Zähne zusammen. Der Sand knirschte leise unter seinen Stiefeln. Aber der Vaquero hörte nur das Klirren der Hufeisen auf dem Felsboden vor der Schlucht.

»Sie reiten vorbei«, murmelte er erleichtert. Er drehte sich halb. Da war Mortimer direkt hinter ihm.

Sein Schatten fiel drohend auf den hinter der Deckung kauernden Mexikaner. Jerez’ Augen weiteten sich erschreckt. Er riss das Gewehr herum, wollte hoch. Mortimer warf sich gegen ihn. Sein Anprall presste den Vaquero gegen den Felsen. Gleichzeitig packte Mortimer den neben Jerez liegenden Colt und schlug mit voller Wucht zu. Schlaff rutschte der Mexikaner zur Seite. Dabei krümmte sich sein Finger am Abzug. Wie ein Donnerschlag füllte der Schuss die heiße Schlucht. Die Pferde scheuten, rissen an den Leinen, wieherten schrill.

Mortimer fluchte, duckte sich. Der Fünfschüsser lag noch in seiner Faust, als vorn der erste Reiter neben einem Busch auftauchte; ein sehniger, fuchsgesichtiger Mexikaner in einem dunklen Charro-Anzug. Das Gewehr in seinen Händen glänzte. Es war Pablo, einer der Männer, die mit Mortimer am Rio Bravo auf Sklavenfang gewesen waren. Vier weitere Kerle ritten mit angeschlagenen Gewehren hinter ihm in die Schlucht.

 

Ihre Mienen zeigten deutlich die Überraschung, als sie die vielen Pferde und den von Mortimer niedergeschlagenen Vaquero entdeckten. Mortimer überwand sich und schob den Revolver in den Hosenbund. Seine Hände sanken herab.

»Schießt nicht, Amigos. Ich reite freiwillig mit euch zur Mine zurück.«

Mit finsteren, misstrauischen Gesichtem kamen sie näher.

»Der Teufel ist dein Amigo«, stieß Pablo hervor. »Don Felipe ist es gleich, wie wir dich bringen: tot oder lebendig.«

Reglos stand Mortimer vor den schussbereiten Gewehren. Ein hartes Lächeln überzog sein Gesicht.

»Don Felipe ist vielleicht schon bald ein toter Mann, wenn du jetzt nicht bereit bist, mir zuzuhören, Amigo.«

Pablo duckte sich ein wenig. Die anderen waren neben ihm ausgeschwärmt.

»Ich kenn dich, Mortimer. Ich weiß, dass du tausend Tricks drauf hast. Ich fall auf keinen rein. Red’ schon.«

*

Don Felipe Alvantarez setzte die Tequilaflasche ab, drehte den massigen Schädel und lauschte. Seine Augen waren blutunterlaufen, das Gesicht wirkte noch aufgedunsener als sonst. Zigarrenqualm und Schnapsdunst füllten das Büro, in dem der reiche Minenbesitzer den Tag verdöste. Verwundert lauschte er den Gitarrenklängen, die über das Plateau wehten; eine sanfte, traurige Melodie. Nicht einmal das Knallen der Peitschen zerstörte ihren Reiz. Solche Klänge mitten in der Sklavenhölle der »Alvantarez Mina«.

Der Dicke schielte zur Tequilaflasche. Nein, zum Teufel, er war noch nicht betrunken. Heftig stellte er die Flasche auf den Tisch. Dann drehte er sich schwerfällig im Sessel und blickte aus dem Fenster. Drüben am Fuß des Steilhangs waren die Wagen vorgefahren, und auf dem fünften in der Reihe saß neben dem schmächtigen Fahrer der Gitarrenspieler. Unberührt von allem, was um ihn geschah, glitten seine Finger über die Saiten.

Don Felipe schnaubte durch die Nase.

El Muerte, der mit gekreuzten Beinen, die Hände auf den Knien, in einer Ecke auf dem Lehmfußboden hockte, blickte auf. Der Minenboss schien im nächsten Moment wütend lostoben zu wollen. Dann besann er sich. Seine aufgeworfenen Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. Jede Abwechslung in dem trostlosen Einerlei der Tage und Wochen, in denen er nur darauf wartete, dass sein Bankkonto wuchs, sollte ihm willkommen sein. Herrisch schnippte er mit Daumen und Zeigefinger.

»Bring ihn her.«

El Muerte erhob sich mit der lautlosen Geschmeidigkeit eines Tigers, der sich nach einer ausgiebigen Siesta zur tödlichen Jagd entschließt. Der Griff der Machete, die auf seinem Rücken hing, ragte über seine linke Schulter. Wie ein Schatten verließ er das Haus. Mit federnden Schritten überquerte er den großen Platz. Der Junge auf dem Frachtwagen spielte jetzt eine andere Melodie. Ein aufrüttelndes Kampflied aus der Zeit, als die Spanier aus dem Land verjagt worden waren.

Die Töne berührten El Muerte nicht. Seine Schritte wurden langsamer. Ein Glitzern lebte in seinen Augen auf. Ein plötzliches Misstrauen, als wäre ihm eine verdächtige Witterung in die Nase gestiegen, erfüllte ihn. Die Männer auf den Frachtwagen. El Muertes Augen waren schärfer als die der Pistoleros. Irgend etwas an diesem Bild, das so sehr dem der vergangenen Tag glich, stimmte nicht.

Die Erzbrocken polteren in die Wagen. Schaufeln knirschten. Die Mineros keuchten, schwitzten, stöhnten. Die Stahlketten zwischen ihren Handgelenken rasselten. Fluchend schlugen die Aufseher sofort mit der Peitsche zu, wenn einer auch nur eine Sekunde lang verschnaufte. Die Mexikaner auf den Fahrzeugen starrten geradeaus. Der Schatten riesiger Strohsombreros verdeckte ihre Gesichter. Die Maultiere dösten. Längst hatten sie sich ebenfalls an das Geschimpfe und Peitschengeknall gewöhnt.

Da blieb der Blick des Yaqui-Halbbluts an einem unter einem Fuhrwerk herabhängenden Seil haften. Sofort blieb El Muerte stehen. Er winkte zwei Posten heran.

»Überprüft den Wagen!«

Einer von ihnen schnippte den Stummel der Maisblattzigarette weg.

»Haben doch Rodrigo und Modesto bereits ...«

Der starre Schlangenblick des Halbindianers ließ ihn verstummen. »Bueno, wenn du meinst... Komm, Pedro.«

*

Als Saltillo El Muertes Stimme hörte, wusste er, dass ihm nur Sekunden blieben. Er hatte damit gerechnet, dass der Halb-Yaqui der einzige sein würde, der sich nicht täuschen ließ.

Hastige Tritte näherten sich dem Wagen, unter dem Tortilla-Buck in einem Geflecht aus Rohhautrieman lag.

Das Lied der Gitarre brach ab.

Saltillo ahnte, wie verkrampft seine Männer nun auf den Fahrzeugen saßen und darauf warteten, dass er das Zeichen zum Losschlagen gab. Sie verbargen ihre Colts, Pistolen und Messer unter den verschlissenen Leinenkitteln.

Saltillo löste die Schlinge, mit der seine Hängematte an der Vorderachse befestigt war.

Im nächsten Moment lag er auf der Erde. Die beiden Pistoleros waren nur ein halbes Dutzend Schritte entfernt.

El Muertes Warnschrei erreichte sie zu spät.

Feuerstöße brachen aus Saltillos Colt. Die beiden Sklavenschinder brachen zusammen.

Die Männer auf den Wagen schnellten hoch und rissen ihre Waffen hervor. Ein ohrenbetäubendes Krachen schmetterte über das Plateau. Saltillo rollte unter dem Fuhrwerk hervor und sprang auf. Zehn Schritte entfernt schlug Valdez gerade einen Aufseher mit der Schaufel nieder. Die übrigen Gefangenen standen noch wie gelähmt.

»Deckung, Amigos!«, schrie Saltillo.

Da tauchte El Muertes hohe, breite Gestalt auf dem Wagenbock über ihm auf. Die Machete blitzte. Saltillo schleuderte sich zur Seite, stürzte, schoss.

Die Kugel verfehlte den Halb-Yaqui. Mit einem wilden Schrei warf der unheimliche Kämpfer sich vom Wagen, mitten hinein in das vor den Stollen losbrechende Getümmel, nur von dem Wunsch besessen, den Gringo zu töten. Wieder sauste die scharfe Klinge auf Saltillo zu. Da blieb dem Haziendero keine Wahl. Auf dem Rücken liegend, drückte er nochmals ab. Sein Blei stieß El Muerte zurück. Das Haumesser klirrte auf die von Goldadern durchzogenen Felsbrocken.

Saltillo federte hoch und rannte an den von Pulverrauch umwallten Wagen entlang. Schüsse, Schreie, Stiefelgetrampel, Werkzeuggeschepper - das Ganze verschmolz zu einem infernalischen Lärm.

»Schöne Grüße vom Rio Bravo, Muchachos!«, donnerte Tortilla-Bucks Stimme durch das Getöse. Er schoss auf die aus den Stollen vorstürmenden Posten.

Saltillo traf einen Aufseher, der mit wutverzerrter Miene den Colt auf Valdez richtete. Dann war er bei dem Alcalden.

»Wo sind Miguel, Julio und die anderen?«

»Im Stollen nebenan«, keuchte Valdez. Seine Augen glühten. Alle Hoffnungslosigkeit und Erschöpfung waren von ihm gewichen. »Bei der Heiligen Jungfrau von Guadalupe, ich hab gewusst, dass du uns holen wirst, Patron.«

Er schnappte sich mit den zusammengeketteten Händen den Colt des Peitschers, den Saltillo niedergeschossen hatte.

Die anderen Mineros hatten sich gleich nach Saltillos Ruf niedergeworfen. Als sie nun begriffen, was um sie vorging, brach alles, was sich an Wut, Angst und Verzweiflung in ihnen angestaut hatte, wie ein Vulkan auf. Mit ihren Werkzeugen, ja nur mit bloßen Fäusten stürzten sie sich auf jene Peiniger, die bisher den Kugeln der verkleideten Vaqueros entgangen waren. Nichts konnte sie zurückhalten. Alvantarez Wachmannschaft wurde wie von einer Sturzflut gepackt, in der sie rettungslos versank. Ein Trupp weiter entfernter, wild schießender Minenwächter versuchte den Schutz der Gebäude zu erreichen. Überall blitzte, krachte und qualmte es.

»Wo willst du hin, Buck?«, rief Saltillo, als der bullige Kentuckier an den Wagen vorbei auf den staubvernebelten Platz sprang.

»Ich hol mir meine Betsy wieder, Amigo. Vorwärts, Companeros, wünschen wir dem Don doch einen guten Tag!«

An der Spitze einer Gruppe befreiter Sklaven und Vaqueros stürmte er auf die Hütten zu. Coltfeuer schlug ihnen entgegen. Ein heftiger Kampf entbrannte zwischen den Lehmziegel mauem.

Inzwischen hatte Saltillo mit einigen Helfern den Eingang des Stollens erreicht, in dem sich noch einige Pistoleros verschanzt hielten. Das Krachen der Waffen ließ die Wände des Felsschlunds erbeben. Stützpfosten wackelten, Gesteinsbrocken lösten sich von der Decke, Erdreich bröckelte ab. Weiter hinten in dem verqualmten Gang, wo die Mineros kauerten - auch die jungen Männer aus Nuevo Saltillo - gellten Schreckensrufe. Saltillo winkte seinen Begleitern, das Feuer einzustellen.

»Ergebt euch! Kommt raus! Dann lassen wir euch laufen!«

»Verschwindet, ihr Hunde, sonst töten wir die Gefangenen!«, gellte es zurück.

Das war Ortegas Stimme. Einen Augenblick bedauerte Saltillo es, dass er den Schurken gestern nur bewusstlos geschlagen hatte.

Wieder kam ein bedrohliches Knistern und Knacken aus dem Stollen. Bevor der Qualm sich drinnen verzog, sprang der große, indianerhafte Mann geduckt hinein. Nur noch eine Kammer seiner Colttrommel war geladen. Rasch hatte er sich nach einer am Boden liegenden Peitsche gebückt.

»Komm her, Ortega. Versuch’s erst mit mir.«

Saltillos Stimme drang hohl durch die Finsternis. Nur ganz hinten schimmerte der gelbe Fleck einer Laterne.

Ein Fluch antwortete, aber keiner der Wächter traute sich jetzt noch einen Schuss abzufeuern. Das Knirschen der morschen Stempel und Streben ebbte nicht ab. Ständig lösten sich einzelne Felsbrocken aus dem Berg. Das Krachen der nächsten Detonation konnte den schlecht gesicherten Stollen zum Einsturz bringen.

Eine dunkle, hagere Gestalt war plötzlich vor Saltillo. Im letzten Moment entdeckte er das Messer in der hochstoßenden Faust. Ein Zucken seines Handgelenks jagte die geflochtene Lederschnur auf den Angreifer zu. Ortega schrie, als die Peitsche ihm die Klinge entriss. Und er schrie noch lauter, als er nun doch seinen Colt packen wollte und die Peitsche ihn abermals traf.

Dann waren drei, vier weitere schemenhafte Gestalten hinter ihm. Eine schlug ihn mit dem Revolverlauf nieder.

»Dieser verdammte Narr!« Es war die gehetzte Stimme eines der Aufseher. »Der Stollen stürzt gleich ein. Wir geben auf, Gringo.«

»Raus mit euch!«, befahl Saltillo. Sie schleiften Ortega mit. Hinter ihnen drängten die kettenklirrenden Mineros aus dem nun von einem dumpfen Grollen erfüllten Gang. Saltillo folgte ihnen. Draußen waren die Schüsse und Rufe verstummt.

Drüben stand Tortilla-Buck mit seiner »Betsy«, der langläufigen Harpers Ferry-Rifle, auf der Veranda von Alvantarez’ Haus.

Ein unwirkliches hitzegesättigtes Schweigen lag über dem Plateau. Dann entdeckte Saltillo die Reiter, die am Plateaurand hielten; sehnige Männer auf staubbedeckten Pferden. Jeder hatte ein Gewehr im Anschlag.

Das Suchkommando war zurückgekehrt

Eins der Baker-Gewehre lag in den Fäusten des Mannes, der nur ein Ziel kannte: Saltillos Tod.

Ben Mortimer war zurück.

*

Jede Bewegung war erstarrt. Die Sklaven waren zwar frei, Alvantarez lag zu einem schwitzenden Bündel verschnürt in seiner Oficina, der letzte wütende Widerstand war verflackert, aber diese sechs in der Sonne blinkenden Gewehre waren bereit, einen Hagel von tödlichem Blei über den großen Platz vor den Minenstollen zu schicken. Don Felipes Reiter waren nur Minuten zu spät gekommen, nicht jedoch für eine blutige, wenn auch sinnlose Rache.

Mortimer hatte von Anfang an nichts anderes gewollt. Die Mündung seines Baker-Gewehrs hatte sofort das einzig für ihn wichtige Ziel gefunden: Saltillo.

Und in seinem Colt war nur noch eine Kugel. Dazu war die Entfernung zum gegenüberliegenden Plateaurand für diesen Schuss zu groß. Alle anderen Männer der Hazienda waren ebenfalls nur mit Patersons und Pistolen bewaffnet. Außer Buck. Aber der blonde Draufgänger aus Kentucky hatte im Triumph des Sieges lässig seine Rifle geschultert. Bis er sie in Anschlag brachte, war alles schon entschieden. Es war eine Entscheidung, die nur einer bestimmte: Saltillo.

Er war schneller als der bleierne Tod aus Ben Mortimers Gewehr. Knapp neben dem Stollen ließ er sich fallen. Ein Blitz zuckte aus Mortimers Waffe. Saltillo jedoch jagte seinen letzten Schuss in den dunklen Schlund des Bergwerks. Das Blei hieb irgendwo da drinnen in einen Stützpfosten. Die Schallwelle raste in den Berg, und was zuvor nur gewackelt, geknirscht und gebröckelt hatte, brach nun zusammen.

 

Das Donnergetöse verschmolz noch mit dem Krachen der Detonationen. Und als dann auch Mortimers Begleiter ihre Rifles flammen ließen, fegte die Druckwelle, die der einstürzende Fels aus dem Stollen presste, wie eine Orkanbö über den Platz. In Sekundenschnelle war alles in eine riesige brodelnde Staubwolke gehüllt. Freund und Feind verschwammen zu Schatten.

Dazu dröhnte es, als würde ein Erdbeben das ganze Plateau zum Einsturz bringen.

Von ihren erschreckt hochsteigenden Pferden aus hatten die Mexikaner keine Chance mehr für einen Treffer. Wilde Schreie gellten durch das Getöse.

Saltillo sprang auf, in der einen Faust die Peitsche, in der anderen den leergeschossenen Colt. Der Staub umwirbelte ihn so dicht, dass er kaum zehn Schritte weit sah. Schemen bewegten sich darin. Das Krachen von Tortilla-Bucks »Betsy« drang merkwürdig dumpf und kraftlos durch das Donnern, das die Hochfläche erzittern ließ.

Saltillo rannte vorwärts.

Mortimer! Der Name glühte in seinem Gehirn. Dann, während es im Berg noch immer rumpelte und Gerölllawinen den Hang herabprasselten, klafften die graugelben Schleier auf. Es schien, als hätte die Böe die Reiter von der Plateaukante gefegt.

Da hörte Saltillo das Hämmern der Hufe auf dem Serpentinenweg. Nur einer hatte sein erschreckt tänzelndes Pferd zurückgehalten, das Gewehr wütend fortgeschleudert und den Colt gezogen: Mortimer.

Sekundenlang schien er entschlossen, auf den Haziendero zuzureiten. Da tauchten bei den Hütten und entlang der Wagenkolonne die befreiten Mineros und die Vaqueros aus dem zerwehenden Staub auf. Fluchend warf Mortimer sein Pferd herum und jagte hinter den anderen Fliehenden her wie damals, als er nach seiner ersten entscheidenden Niederlage aus Nuevo Saltillo geflüchtet war.

Saltillo blieb stehen. Der Aufruhr in ihm klang ab. Als dann die Männer von allen Seiten lärmend und lachend auf ihn zukamen, blieb kein Platz mehr für Bitterkeit und Enttäuschung in ihm. Valdez, Julio, Armelio, Miguel, Enrique - sie waren alle am Leben. Von Erschöpfung gezeichnet, aber voller Jubel über die wiedergewonnene Freiheit. Buck hatte Mühe, sich einen Weg zu seinem Partner zu bahnen.

»Weißt du, worauf ich mich am meisten freue, wenn wir wieder auf der Hazienda sind?«

Saltillo kniff ein Auge zu.

»Auf einen Berg frischgebackener Tortillas, schätze ich!«

ENDE

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