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Die Mohicaner von Paris

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XLVI
Sturmnacht

Da wir, – bis jetzt wenigstens, – durchaus nicht wissen, was in dieser Nacht vorfiel, so wollen wir Camille in dem Augenblicke nehmen, wo er am andern Tage, Morgens gegen elf Uhr, vor der Thüre von Carmelite erscheint und eine Minute träumerisch stehen bleibt, ehe er an diese Thüre klopft.

Wovon träumte Camille?

Von dem schwierigen, wir möchten beinahe sagen, unmöglichen Werke, das er unternahm.

Er kannte Carmelite, er wußte, daß ihre Tugend auf strengen und tief befestigten Grundsätzen beruhte.

Um sie zu besiegen, mußte man also Gewalt oder eine außerordentliche Geschicklichkeit anwenden.

Carmelite war eben so geschickt, als er stark war.

Er studierte Carmelite seit langer Zeit, wie ein General einen Kriegsplatz studiert.

Sollte er ihn nach dem Beispiele von Malherbe durch eine regelmäßige Belagerung, das heißt, durch emsige Bemühungen, durch die Bestrebungen und Aufmerksamkeiten jeden Augenblicke nehmen, deren Wirksamkeit der Dichter in den Versen proklamiert:

Entin cette bauté m’a la place rendue,

Que d’un siége si long elle avait défendue;

Mes vainqueurs sont vaincus! . . .20

Sollte man sich desselben durch Aushungerung, mit Gewalt, durch Laufgräben, durch Stürmung bemächtigen?

Nein, diese ganze Strategie wäre gescheitert.

Man konnte nur durch Überrumplung siegen.

Camille beharrte also hierbei, und nachdem dieser Entschluß gefaßt war, wartete er kalt auf die Gelegenheit.

Es war das letzte Brausen seines Herzens, das letzte Verlangen seiner Einbildungskraft, was er, – mit dem Vorbehalte, Verlangen und Brausen später wieder aufzuwecken, – in der Pause eines Augenblicks, die er vor der Thüre von Carmelite machte, einzuschläfern bemüht war.

Er trat ein.

Carmelite hatte wenig geschlafen und viel geweint.

Sie empfing Camille kalt.

Dieser Empfang entsprach den Plänen von Camille.

Von diesem Tage an war er hartnäckig beflissen, ein exemplarisches Leben zu führen.

Er strebte nach dem Gegentheile seiner früheren Thorheiten und Unregelmäßigkeiten und gab jeden Augenblick Beweise von einer Vernunft, der man ihn unfähig gehalten hätte.

Er dämpfte das Geräuschvolle seiner gewöhnlichen Heiterkeit und wurde ernst und zurückhaltend.

Man begreift was der Zweck von Camille war.

Er mußte aus dem Herzen den Carmelite das letzte Andenken an den Abwesenden löschen. Wie konnte aber Camille Colombau vergessen machen? Indem er dem Mädchen den ganzen Ernst, die ganze Melancholie, den ganzen Ordnungsgeist des Bretagners gepfropft auf eine größere Leutseligkeit und eine außerordentliche Distinction Wiedergab.

Carmelite glaubte naiver Weise, diese Verwandlung rühre halb von dem Kummer, den Camille die Abreise seines Freundes verursache, halb von der Liebe; die er für sie fühle, her.

Es schmeichelte ihrem Mädchenstolze, daß der junge Mann, einzig und allein in der Hoffnung, ihr zu gefallen, seinem Charakter, seinen Gewohnheiten, seinen Neigungen Zwang anthat und seine theuersten und entschiedensten Launen von sich warf.

Ei! mein Gott! jedes achtzehnjährige Mädchen hätte sich ebenso getäuscht.

Camille betete früher die Oper an, und nun setzte er keinen Fuß mehr dahin.

Camille ging regelmäßig drei Tage in der Woche in die Reitschule und machte von da seine Promenade im Walde: er verzichtete plötzlich auf die Reitschule und auf den Spazierritt.

Camille hatte in den oberen Quartieren von Paris fünf bis sechs Freunde, Amerikaner wie er, mit denen er von Zeit zu Zeit zu Mittag und zu Nacht zu speisen pflegte: Camille ging nicht mehr aus.

Zwanzigmal, während er bei Carmelite war, klingelte oder klopfte man bei ihm; jeden Mal, trotz des dringenden Zuredens den Carmelite, weigerte er sich nachzusehen, wer klopfte oder klingelte.

Wie Carmelite, wollte er in der Einsamkeit und in der Sammlung des Gemüths leben.

Camille hatte botanische Werke gekauft; diese Wissenschaft war ihm ganz fremd, und er bat Carmelite, ihn zu lehren, was Colombau sie gelehrt hatte.

Man würde und nun schlecht begreifen, glaubte man, Camille habe kalt diese Maske der Heuchelei genommen, um Carmelite zu verführen.

Er liebte sie.

Dieses Wort hat indessen, auf Camille angewandt, nicht das Gewicht desselben Worten aus Colombau angewandt.

Der Bretagner liebte mit aller Macht seiner Seele; Camille liebte mit allen Begierden seiner Einbildungskraft; nur waren die Begierden größer, als sie je gewesen.

Bin dahin umgeben von Frauen der leichten Eroberung, war Camille übermäßig aufgeregt durch die hartnäckige Tugend von Carmelite, und er setzte alle Mittel seines Geistes in Thätigkeit, um darüber zu siegen, während er vielleicht selbst nur die Verführungen seines Herzens anzuwenden glaubte.

Hätte Carmelite, statt sich über die Verwandlung, deren Ruhm sie sich zuschrieb, zu täuschen, Camille gezwungen, seinen ursprünglichen Charakter, seine natürlichen guten Eigenschaften und seine natürlichen Fehler wieder anzunehmen, so hätte sie vielleicht, vermöge der glühenden Liebe, die er für sie fühlte, ein redliches und gutes Wesen aus ihm gemacht, indeß sie, indem sie sich durch ihn täuschen ließ und sich selbst täuschte, ihn, ohne ihr Wissen, auf diesem Wege der Lüge und des Betrugs ermuthigte.

Eine Folge hiervon war, daß Camille jeden Tag mehr Boden gewann.

Die Stellung, die ihm seine Offenherzigkeit bei Carmelite durch die Worte gemachte: »Colombau ist abgereist, weil ich Sie liebe,« hatte ihn jeden Geständnisses überhoben, wie sie Carmelite jeder Antwort überhob.

»Sobald Colombau Camille das Feld frei ließ, verzichtete er auf Carmelite.

Es fragte sich, ob Carmelite Camille lieben konnte.

Doch der junge Creole hatte den Glanz des Colibris und die Geschmeidigkeit der Brillenschlange.

Nicht ein einzigen Mai sagte er zu dem Mädchen: »Wollen Sie meine Frau sein?« Jeden Augenblick sagte er aber: »Wenn Sie meine Frau sein werden . . . «

Und es wurden dann die entzückendsten Pläne zu Reisen, von denen man in der Welt der Künstler ausruhen würde, vor den Augen des Mädchens entwickelt.

Da sah Carmelite, unter der glühenden Beredsamkeit von Camille wie ein glänzendes Panorama alle bezaubernde Bilder dieses Lebens zu zwei sich entrollen.

Eines Tags antwortete sie lächelnd:

»Das ist ein Traum Camille!«

Der junge Mann drückte sie an sein Herz und rief:

»Nein, Carmelite., es ist eine Wirklichkeit.«

Von diesem Tage an fühlte Camille, daß er richtig getroffen hatte.

Das Mädchen war in der Gewalt von Camille.

Camille blieb aber nichtsdestoweniger ernst und ehrfurchtsvoll; Carmelite war keine von den Frauen, bei denen man sich zweimal umwandeln darf.

Eine Niederlage, das war der Tod der Hoffnung von Camille,

Er wartete also mit der Geduld der auf einem Aste auf der Lauer liegenden Tigerkatze, der im Busche zusammengerollten Schlange.

Eines Abends ging sie in den Garten hinab, – in den Garten, wo drei Monate vorher Colombau einen Theil der Nacht mit dem Mädchen zugebracht hatte.

An diesem Abend herrschte eine erstickende Hitze.

Es war einer von den glühenden Tagen am Ende des Monats August gewesen, wo der Donner vergebens die dichte Atmosphäre zu durchdringen sucht; Blitze durchfurchten, einen erschrecklichen Sturm vorhersagend, den Himmel von Westen nach Osten.

Doch vergebens flehten die auf ihren Stängeln gebeugten Pflanzen, die auf ihren Zweigen zusammengezogenen Blätter um einen wohlthätigen Regen.

Gleich einer Luftpumpe schien der Himmel die belebende Luft zu absorbieren, und die ganze Natur keuchte wie von einem nahen Schlagflusse bedroht.

Die zwei jungen Leute erlitten, ohne ihr Wissen die Einwirkung dieser elektrischen Atmosphäre: das Leben schien momentan in ihnen gehemmt, und sie warteten wie die Blumen, wie die Thiere, kurz wie die ganze Natur auf den Regen, der ihnen die Vitalität wiedergeben sollte.

Es fand indessen ein Unterschied zwischen Carmelite und Camille statt: an die ironische Hitze seiner Heimath gewöhnt, hatte Camille durchaus nicht, wie Carmelite, das Selbstbewußtsein verloren, und als er die lethargische Betäubung, die träumerische Schlafsucht des Mädchens sah, begriff er, die so lange ersehnte Gelegenheit komme ihm endlich entgegen.

Wie das Lied der Amme den Säugling ihn wiegend einschläfert, so begannen seine Liebesworte, geschickt abgestuft und gewisser Maßen wie entblätterter Mohn auf das Haupt von Carmelite geschüttelt, sie in den magnetischen Schlaf, den tiefsten, den gefährlichsten, den unwiderstehlichsten von allen Schlafen, zu versetzen.

Wer im Schatten die Augen des jungen Mannes hätte funkeln sehen, hätte sich im Feuer seiner Blicke nicht täuschen können.

So lähmt der Sperber, sich in einem immer engeren Kreise drehend, die Lerche, die er einschläfert.

So bezaubert die Schlange den Vogel, den sie von Zweig zu Zweig bis in ihren gähnenden Rachen herabzusteigen zwingt.

Oh! nicht so hatte Colombau Carmelite in der anbetungswürdigen Frühlingsnacht angeschaut, welche Beide in demselben Garten, im Schatten derselben Syringen zugebracht.

Zwischen diesen zwei Nächten war, wie zwischen den zwei jungen Leuten, der Unterschied, der zwischen dem Frühling und dem Sommer stattfinden.

In der That, jung, frisch, schüchtern, wagte es dort der Frühling kaum, seine Knospen zu erschließen.

 

Kräftig, kühn, verzehrend, streute der Sommer hier im Gegentheil seine Blumen umher.

Auf der einen Seite war es die Kindheit mit ihren Schwankungen, ihren Unruhen, ihren Bangigkeiten.

Auf der anderen Seite war es die Jugend mit ihrer Dreistigkeit, mit ihrem Feuer, mit ihrem Ungestüm.

An dem Frühlingstage, welcher der Nacht vorhergegangen, die Colombau und Carmelite mit einander zugebracht, hatte der Donner auch gerollt, hatte das Leben auch gehemmt geschienen; doch der Regen war«gefallen, und die Vegetation war vom Tode gerettet gewesen.

In dieser Sommernacht dagegen erflehten die Pflanzen vergebens die Milde des Himmels: sie mußten das Haupt beugen, ihre Blumenblätter eines nach dem andern fallen lassen und sterben.

Nach dem Bilde der Pflanzen, war Carmelite auch gezwungen, das Haupt unter dem Gewichte der Feuernacht zu beugen, und in Ermangelung von belebendem Thau waren es die unaussprechlichen Freuden der Liebe, die sie ihrer Betäubung entzogen, ihrem Schlafe entrissen.

In dieser Nacht lüfte die arme Carmelite eines nachdem andern die Blätter von ihrem Unschuldskranze ab, und der Schutzengel ihrer Jugend stieg wieder zum Himmel auf und verbarg in seinen Händen die Röthe seiner Stirne.

»Allein in ihr Zimmer zurückgekehrt, erblickte sie ihren schönen Rosenstock auch ganz vom Sturme gebeugt.

Sie ging mit Wangen zugleich glühend und von Thränen benetzt auf ihn zu.

Was an Blüthen und Knospen daran war, sie pflückte Alles, legte es in einen weißen Schleier, schloß es in eine Schublade ihrer Toilette und sprach:

»Sterbt, sterbt, Rosen von Colombau!«

Dann nahm sie eine Wasserflasche, goß ihren ganzen Inhalt, den Kopf schüttelnd, an den Fuß ihres Rosenstocks und murmelte traurig:

»Nun blüht Rosen von Camille!«

XLVII
Der Mensch denkt

Sobald Carmelite ihm gehörte, nahm Camille sein Naturell wieder an.

Das Ziel war erreicht: wozu fortan die Heuchelei?

Bemerken wir indessen, daß er die zu sehr hervorspringenden Seiten seines Charakters glättete und sich bemühte, dem Mädchen zu gefallen, das er leidenschaftlich liebte.

Unter den berauschenden Glücksseligkeiten dieser seltsamen Liebe hatte Carmelite die ersten Tollheiten und den Leichtsinn des jungen Americaners vergessen.

Diese anbetungswürdigen Stunden schienen ihr ewig währen zu müssen, und war es nun Vertrauen zu Camille, war es Selbstbeherrschung, sie schien sich nicht um die Zukunft zu bekümmern.

Sie glaubte sich unbeschränkte Gebieterin des jungen Mannes, da sie ihn gegen alle ihre Wünsche unterwürfig, gegen alle ihre Worte gehorsam sah.

So eines Tags, als sie auf dem Gesichte eines Nachbars, – immer die Nachbarn! verdammte Nachbarn! möchten Sie, lieber Leser, nie Nachbarn haben und nie der Nachbar von irgend Jemand sein! – als sie eines Tags auf dem widerlichen Gesichte eines Nachbars unzweideutige Merkmale der Mißbilligung wahrzunehmen geglaubt hatte, theilte sie es Camille mit, und dieser machte ihr sogleich den Vorschlag, auszuziehen.

Carmelite nahm es an.

Man war nur um das Quartier besorgt, das man bewohnen würde.

Camille wollte in eines der reichsten Quartiere von Paris gehen, nach der Chaussée d’Antin, – in den Mittelpunkt aller Blicke, während man alle Blicke floh; umgeben von tausend Nachbarn, während man erschreckt durch einen einzigen Nachbar floh.

Das war abermals eine von den Nuancen vom Charakter von Camille: es wäre dem Hochmüthigen nicht unangenehm gewesen, in der Sonne der Pariser Welt, die Schönheiten seiner neuen Eroberung zur Schau zu stellen.

Ohne sich den Zweck des jungen Mannes zu erklären, begriff aber Carmelite, daß das Glück im Schatten lebt und in der Sonne stirbt, wie das Veilchen, sie gab also die größten Bangigkeiten kund; sie bat Camille nicht an die reichen Quartiere von Paris zu denken, sondern im Gegentheil ihr Nest unter einen schattigen Baum der Umgegend zu hängen.

Camille unterlag unwillkürlich der wohlthätigen Macht von Carmelite: er bot ihr eines Morgens den Arm, um nach dem Lande zu gehen; es handelte sich darum, einen vor den Nachbarn geschützten, einsamen Aufenthaltsort zu suchen.

Ach! wer von uns armen Träumern hat nicht den reizenden Plan gemacht, sein Nest an einem schattigen, einsamen Orte zu bauen, wo die Stimme der Menschen das melodische Lied seiner Liebe nicht stören würde? Ein weißes Häuschen, berankt von Weinreben, Geisblatt und Rosenstöcken; umgeben von großen Bäumen, wie ein sonorer Käfig, wo die ewige Symphonie der Vögel ertönt! ein Bach begrenzt von Goldknöpfen, Maßlieben und Mausöhrchen, dessen Gemurmel den Gesang dieser Musiker der Luft begleitet; ein sich hinschlängelnder Fußpfad, wo die im vorhergehenden Jahre abgefallenen Blätter das Geräusch der Tritte dämpfen, die sich in einem dunklen Walde verlieren; mit einem Worte eine Art von Betzimmer von Grün, wohin man sich zu zwei zurückziehen und zu jeder Stunde den Gott feiern könnte, der den Himmel, die Arbeit und die Liebe geschaffen hat! sagen Sie, ist das nicht der anbetungswürdige Traum, den Jeder von uns gemacht hat und ewig zu verwirklichen versucht ist?

Nun wohl, diesen Traum verwirklichten Camille und Carmelite: sie gingen an einem Sonntage Morgens ab, jedes seinerseits, aus Furcht, den Neid der Einen und die Bosheit der Andern zu erregen, und trafen beider Barrière du Maine zusammen, wo sie sich Arm in Arm nahmen, mit der Freude von Neuliebenden. welche auf eine Stunde sich zu trennen genötigt gewesen sind.

Es war an einem herrlichen Tage; der Himmel hatte sich mit einem blendenden Azur angethan; die Ebenen wogten unter einem goldenen Teppich; die Bäume der Straße schüttelten majestätisch ihre Helmbüsche, von denen die ersten verwelkten Blätter entflogen, wie sich von unseren Herzen die ersten Illusionen lösen. Die zwei jungen Leute schienen unter einem Triumphbogen zu gehen; die Natur gibt solche Feste den Liebenden mit einer wunderbaren Verschwendung: eine verschwiegene und gefällige Mitschuldige, eine unversiegbare Amme, scheint sie wie eine Mutter ihre fruchtbaren Brüste der neugeborenen Liebe zu bieten.

Sie gingen so durch die Ebenen, welche nach Meudon führen, auf dem ganzen Wege die Bewunderung der Einen und der Andern erregend; Jeder folgte ihnen entzückt mit den Augen, die Aeltesten wie einer Erinnerung und einem Beklagen der Vergangenheit, die Jüngsten wie einem Versprechen und einer Hoffnung auf die Zukunft.

Es war in der That ein Paar würdig die Blicke anzuziehen, jung, schön, verliebt, Camille mit einem Reflex von Hochmuth, Carmelite mit einer Nuance von Schwermuth; es war das lebendige Bild des Glückes, dem nicht einmal das weiße Wölkchen fehlte, das immer am reinsten Himmel einen Flecken bildet; man hätte Glauben sollen, man könnte etwas von ihrer Glückseligkeit behalten, wenn man nur einen Flügel ihrer Kleider berühre.

Sie kamen so nach Bas-Meudon, – Meudon hatte Camille noch zu sehr bevölkert geschienen.

In das Häuschen eintretend, das sie nicht kannte, hatte Carmelite eine Freude: sie fand hier ihren Rosenstock.

Ohne zu wissen, welche geheime Erinnerungen mit dieser poetischen Staude verknüpft waren, kannte Camille doch die tiefe Zärtlichkeit von Carmelite für diese Art von wohlriechendem Talisman; er hatte einem Commissionär den Befehl gegeben, den kürzesten Weg zu nehmen, während er und Carmelite den längsten wählten, so daß diese, wie gesagt, ihren Rosenstock vor ihr angekommen fand.

Als ihr Rosenstock umarmt, geliebkost in ihr Zimmer getragen war, beschäftigte sich Carmelite mit dem Uebrigen des Hauses.

Das war eine reizende kleine Hütte, erbaut von einem Künstler nach Art der ländlichen Häuser, welche vierzig Jahre früher Marie Antoinette in Klein-Trianon hatte errichten lassen, das beißt ein Bau von Erde, Backsteinen, Holz mit seiner Rinde, Jungfernrebe, Epheu und Jasminen; – das Ganze schiefwinkelig wie die Phantasie, pittoresk wie der Zufall.

Im Erdgeschoße waren das Vorzimmer, der Salon, das Speisezimmer, die Küche.

Eine kleine innere Treppe ging zu einer Terrasse empor, welche man leicht bedecken konnte, wodurch sie sodann ein reizendes Sommerspeisezimmer wurde.

Eine äußere Treppe, die sich längs der Mauer hinzog, und um deren Geländer sich die riesigen Blätter der Osterluzeien rollten, führte zu zwei Zimmern und zwei Ankleidecabinets.

Zwei Dienstbotenzimmer vervollständigten dieses kleine Rothkehlchennest, das beinahe ganz unter den Blättern, dem Moose und den Blumen verborgen war.

Ein köstlicher kleiner Pavillon erhob sich im Garten.

»Oh!« sagte Carmelite, als sie ihn besichtigte, »das ist ein hübscher Pavillon! Was werden wir damit machen?«

»Das wird die Wohnung von Colombau sein,« antwortete Camille ruhig.

Carmelite wandte sich ab; sie fühlte, daß sie purpurroth wurde.

Zehnmal, wie man wohl begreift, war der Name Colombau von Camille ausgesprochen worden; bei Carmelite schien dieser Name an die Tiefe ihres Herzens festgenietet zu sein und nicht mehr daraus hervorkommen zu können; doch nie war der Schatten den verrathenen Freundes wie diesmal im ganzen Glanze seiner Redlichkeit erschienen.

So hoffte also Camille, nachdem er ihn schmählich betrogen, Colombau zum Zeugen seines Verrathes zu machen.

Die Erinnerung an die Redlichkeit von Colombau war sogleich in den Geist den Carmelite zurückgekehrt, und obschon sie nichts von der tiefen Liebe, welche Colombau für sie hegte, und folglich von dem Umfange des Opfers, das er seinem Freunde gebracht, wußte, fühlte sie doch, daß es Colombau grausam verletzen mußte, wenn man ihm das Schauspiel ihrer Liebe für einen Andern gab.

Als ihre Röthe vergangen war, wiederholte sie auch mit unsicherer Stimme: .

Colombau? . . . Haben Sie mir nicht gesagt, er sei abgereist, weil Sie mich liebten?«

Allerdings,« antwortete Camille.

»Wenn er abgereist ist, weil Sie mich liebten, so liebte er mich also auch?« fuhr das Mädchen fort.

»Ei! gewiß liebte er Dich, theure Freundin! erwiderte Camille; »doch Du weißt, die Abwesenheit vermischt viele Dinge: wird ihm nicht; wenn er auch ein wenig argwöhnisch vor unserer entstehenden Glückseligkeit gewesen ist, seine Freundschaft für uns unser gegenwärtiges Glück theuer machen?«

Carmelite seufzte; es war also anerkannt, daß die Abwesenheit viele Dinge vermischte . . .

Somit, dachte sie, wenn sich Camille entfernte, würden viele Dinge vermischt werden!

Sie ging ganz träumerisch in ihr Zimmer hinauf

Diesen Zimmer war die Zwillingeschwester von dem, welches Carmelite in der Rue Saint-Jacques bewohnte: Camille hatte es auf dieselbe Art meubliren lassen; es waren dieselben weißen Vorhänge, dieselbe rosenfarbige Fußdecke.

Mit der Phantasie des Künstlers und dem Geschmacke des Weltmannes meublirt, enthielten die anderen Zimmer Meisterwerke der Pariser Kunstschreinerei; es war eine Reihe von Boudoirs, in denen sich der ernste Colombau sehr unbehaglich gefühlt haben würde.

Camille hatte also weise gethan, daß er ihm eine abgesonderte Wohnung vorbehalten.

Die zwei Liebenden brachten den ganzen Monat September in einer himmlischen Vertraulichkeit zu; der Eine stand nur auf, um an die Andere zu denken. Diese legte sich nur zu Bette, um von Jenem zu träumen.

Nicht ein Augenblick des Tages verging, der nicht durchaus, ausschließlich für sie gemacht zu sein schien.

Sie hatten Alles vergessen, Paris, die Rue Saint-Jacques, die ganze Welt, und wir würden sagen, Colombau, könnten wir nicht von Carmelite Rechenschaft über die Seufzer verlangen, die sie zuweilen, indem sie die Augen schloß und mit der Hand über die Stirne strich, entschlüpfen ließ.

Abgesehen von den Seufzern, – die der Geschichtschreiber allein wahrnehmen kann; während sie der Liebhaber nicht hörte, – hatte die Welt in ihren Augen nur ein Stück Land: ihren Garten; nur einen Fluß: den Bach ihres Gartens, und wir fügen sogar bei, nur eine Sonne: die, welche hinter den großen Bäumen ihres Gartens aufging.

Ihre Gleichgültigkeit gegen die Dinge war ihrer Gleichgültigkeit gegen die Menschen ähnlich: die Musikstücke fehlten, gewisse Toilettengegenstände des Einen und des Andern verlangten Erneuerung, man hatte tausend Gründe, nach Paris zu gehen; doch man war so gut in dem Hüttchen des Bas-Meudon, daß man sich nicht entschließen konnte, dasselbe zu verlassen.

Und dann, wieder mit einander in der Rue Saint-Jacques erscheinen, in das Haus zurückkehren, wo man Alles mitzunehmen geglaubt hatte, indeß man doch so viele Dinge vergessen, deren Mangel die Notwendigkeit fühlbar machte, wieder an allen den spöttischen Nachbarn vorbeigehen, das war eine Unverschämtheit, welche die Kräfte von Carmelite überstieg.

 

Ueberdies, da man einen Monat lang alle diese Gegenstände entbehrt hatte, konnte man sie auch noch einen Monat entbehren.

Warum ging Camille oder Carmelite, der Eine oder die Andere, nicht allein nach Paris?

Allein nach Paris gehen, der Eine oder die Andere, das hieß sich verlassen, und sich einen Augenblick in diesen strahlenden ersten Stunden der Liebe verlassen hieß sich für eine Ewigkeit verlassen.

Man ertrug also noch vierzehn Tage die Entbehrung dieser Gegenstände, deren Abwesenheit man Anfangs nicht bemerkt hatte, welche aber, man wußte nicht warum, alle Tage unentbehrlicher wurden.

An einem schonen Abend mußte man sich indessen entschließen, ein Verzeichniß von allen den Dingen zu machen, deren man bedurfte, und es wurde verabredet, Camille sollte am andern Morgen nach Paris gehen und Alles, was in der Hütte des Bas-Meudon fehlte, zu kaufen, oder im Hause des Quartier Sainte-Jacques holen.

Nachdem er bis vor der Thüre gewesen und zehnmal zurückgekommen war, ging Camille ab.

Carmelite folgte ihm mit den Augen, so lange sie ihn sehen konnte.

Camille seinerseits sandte ihr Tausende von Küssen zu und machte ihr alle Arten von Zeichen mit seinem Taschentuche.

Endlich verschwand er an der Ecke des Weges.

Camille sollte den ersten den besten Wagen nehmen, und vor zwei Uhr Nachmittags wäre er sicherlich zurück.

Aber seht doch ein wenig die Bosheit der Vorsehung, der man, wir wissen nicht warum, fortwährend diesen Namen gibt, denn darf man Vorsehung eine Göttin nennen, welche so bitter aller unserer Entwürfe spottet und jeden Augenblick sich damit belustigt, daß sie uns auf die verletzendste Weise mystifiziert?

Wir werden die Treue von Camille nicht übertreiben: wir haben lange und offenherzig genug unsere Meinung über den Creolen gesagt, um nicht verdächtig zu scheinen; aber sprechen Sie, ist nicht eine Nuance von Misanthropie im Verfahren der Vorsehung gegen ihn?

Sechs Wochen lang ist er an der Seite von Carmelite geblieben, ohne sie einen Augenblick aus dem Gesichte zu verlieren; endlich kommt der Wechsel der Jahreszeit; der Herbst mit seinen ersten Octoberwinden macht sich fühlbar: Carmelite braucht weniger sommerliche Kleider; Camille stärker gestoffte Pantalons; man braucht eine Menge andere Dinge, und trotz Alles dessen, was man braucht, entschließt sich Camille nach Paris zu gehen, nur mit beklommenem Herzen und mit dem lebhaftesten Verlangen, zwei Stunden nach seinem Abgange, wenn dies möglich ist, zurückzukehren..

Carmelite geht also in den lobenswerthesten Intentionen der Welt ab.

Diese Abwesenheit konnte ihm überdies die Rückkehr nur theurer machen; er wird wiederkommen, nachdem er während einer Entfernung von einigen Stunden alle seine Liebesschätze erneuert hat.

Ach!

Wie es scheint, ermüdet durch die ziemlich indiskrete Art, auf welche man sich gegen sie in den letzten Zeiten benommen hat, traut die Vorsehung den Bewohnern unseres überlästigen Planeten nicht mehr und vereitelt unbarmherzig ihre Pläne!

Ohne Zweifel in Folge dieser tiefen Ermüdung vereitelte die Vorsehung den Entschluß von Camille, indem sie ihn in den gefährlichsten Hinterhalt, den es für einen Menschen von seinem Charakter gab, fallen ließ..

Er hatte nicht zweihundert Schritte außerhalb Bas-Meudon gemacht, als er in einer Wolke von Goldstaub zwei Mädchen in weißen Kleidern erblickte, weiche auf zwei schwarzen jungen Eseln ritten.

Der Mensch denkt, aber der Teufel lenkt!.

20Endlich bat diese Schönheit mir den Platz überergeben, den sie gegen eine so lange Belagerung vertheidigt; meine Sieger sind besiegt! . . .
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