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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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CII
Der Schmerzensweg

Der königliche Wagen folgte traurig der Straße nach Paris, bewacht von den zwei finstern Männern, welche seine gezwungene Umkehr bewirkt hatten, als, zwischen Epernay und Dormans, Charny, vermöge seiner großen Gestalt und von seinem hohen Sitze aus einen Wagen erschauen konnte, der im Galopp von vier Postpferden von Paris kam.

Charny errieth sogleich, daß dieser Wagen irgend eine ernste Nachricht oder eine wichtige Person brachte.

Als er die Vorhut der Bedeckung erreicht hatte, sah man in der That, nachdem ein paar Worte gewechselt worden waren, die Reihen dieser Vorhut sich öffnen und die Leute, welche sie bildeten, ehrerbietig das Gewehr präsentiren.

Die Berline des Königs hielt an, und man konnte ein gewaltiges Geschrei hören.

Alle Stimmen wiederholten gleichzeitig: »Es lebe die Nationalversammlung!«

Der Wagen, der von der Seite von Paris kam, setzte seine Fahrt fort, bis er zur Berline des Königs gekommen war.

Dann stiegen aus diesem Wagen drei Männer aus, von denen zwei den erhabenen Gefangenen völlig unbekannt waren.

Der Dritte aber hatte kaum seinen Kopf gezeigt, als die Königin Ludwig XVI, in’s Ohr flüsterte:

»Herr von Latour-Maubourg, dieser Mensch, der mit Leib und Seele Lafayette gehört.«

Dann setzte sie den Kopf schüttelnd hinzu:

»Das weissagt uns nichts Gutes.«

Von diesen drei Männern kam der Aelteste herbei, öffnete auf eine brutale Art den Schlag vom Wagen des Königs und sagte:

»Ich bin Pétion, und dies sind die Herren Barnave und Latour-Maubourg, abgesandt wie ich und mit mir von der Nationalversammlung, um Ihnen als Geleite zu dienen und darüber zu wachen, daß der Zorn des Volks nicht für sich selbst Gerechtigkeit übe. Rücken Sie also ein wenig zusammen und machen Sie uns Platz.«

Die Königin schleuderte auf den Abgeordneten von Chartres und seine zwei Gefährten einen von jenen verächtlichen Blicken, wie sie zuweilen von der Höhe des Stolzes der Tochter von Marie Theresie herabfielen.

Herr von Latour-Maubourg, ein Edelmann-Höfling aus der Schule von Lafayette, konnte diesen Blick nicht ertragen.

»Ihre Majestäten sitzen schon sehr gedrängt in diesem Wagen,« sagte er: »ich werde in den nachfolgenden steigen.«

»Steigen Sie ein, wo Sie wollen,« versetzte Pétion; »mein Platz ist im Wagen des Königs, und ich steige hier ein.«

Und zu gleicher Zeit stieg er in den Wagen.

Auf dem Hintersitze saßen der König, die Königin und Madame Elisabeth.

Pétion schaute sie nach einander an.

Dann wandte er sich an Madame Elisabeth und sagte:

»Verzeihen Sie, Madame, der Ehrenplatz gehört mir als dem Repräsentanten der Nationalversammlung. Haben Sie die Gefälligkeit, aufzustehen und sich auf den Vordersitz zu setzen.«

»Ah! das ist zu stark,« murmelte die Königin.

»Mein Herr!« rief der König.

»Es ist so  . . .  Auf, Madame, erbeben Sie sich und geben Sie mir Ihren Platz.«

Madame Elisabeth stand auf und trat ihren Platz ab, indem sie ihrem Bruder und ihrer Schwägerin ein Zeichen der Resignation machte.

Mittlerweile hatte sich Herr von Latour-Maubourg weggeschlichen und um einen Platz die zwei Damen des Cabriolet angesprochen, – gewiß mit mehr Höflichkeit, als es Pétion beim König und der Königin gethan.

Barnave war außen geblieben, er nahm Anstand, ob er auch in diese Berline steigen sollte, in der schon sieben Personen zusammengepreßt waren.

»Nun! Barnave,« sagte Pétion, »kommen Sie nicht?«

»Wohin soll ich denn sitzen?« erwiderte Barnave ein wenig verlegen.

»Wollen Sie meinen Platz, mein Herr?« fragte die Königin bitter.

»Ich danke Ihnen, Madame,« erwiderte Barnave verletzt; »ein Platz auf dem Vordersitze wird mir genügen.«

Durch eine und dieselbe Bewegung zog Madame Elisabeth Madame Royale zu sich, während die Königin den Dauphin aus ihren Schooß nahm.

So entstand ein Platz aus dem Vordersitze des Wagens, und Barnave saß nun der Königin Knie an Knie gegenüber.

»Vorwärts!« rief Pétion, ohne den König um Erlaubniß zu fragen.

Und der Wagen setzte sich in Bewegung unter dem Geschrei: »Es lebe die Nationalversammlung!«

Das Volk war mit Barnave und Pétion in den Wagen des Königs gestiegen.

Es hatte seine Proben am 14, Juli, am 5. und 6. October36 gemacht.

Während eines Augenblicks des Stillschweigen, das nun eintrat, prüfte und beobachtete jeder, Pétion ausgenommen, der, verschlossen in sein rauhes Wesen, gegen Alles gleichgültig zu sein schien.

Man erlaube uns nun ein paar Worte von den Personen zu sagen, die wir in Scene gebracht haben.

Jerome Pétion war ein Mann von kaum zwei und dreißig Jahren, mit kräftig ausgeprägten Zügen, dessen Verdienst in der Exaltation, in der Schärfe und in der Gewissenhaftigkeit seiner politischen Grundsätze bestand. Geboren in Chartres, war er hier in den Advocatenstand eingetreten und im Jahre 1789 als Mitglied der Nationalversammlung nach Paris geschickt worden. Er sollte Maire von Paris werden, eine Volksgunst genießen, welche bestimmt war, die von Bailly und Lafayette auszulöschen, und dann auf den Heiden von Bordeaux, von den Wölfen erwürgt, sterben. Er und Camille Desmoulins waren schon Revolutionäre in Frankreich, als es noch Niemand war.

Pierre Joseph Marie Barnave war geboren in Grenoble und kaum dreißig Jahre alt; in die Nationalversammlung geschickt, hatte er sich zugleich einen großen Ruf und eine große Popularität dadurch erworben, daß er mit Mirabeau in dem Augenblick kämpfte, wo die Volksbeliebtheit und der Ruf des Deputirten von Aix, abnahmen. Alle diejenigen, welche die Feinde des großen Redners waren, – und Mirabeau genoß das Privilegium der Männer von Genie, Alles, was mittelmäßig, zum Feinde zu haben, – alle Feinde von Mirabeau waren die Freunde von Barnave geworden und hatten ihn unterstützt, emporgehoben in den rednerischen Kämpfen, von denen das Lebensende des erhabenen Tribuns begleitet gewesen. Es war, wir reden von Barnave, wie gesagt, ein junger Mann von kaum dreißig Jahren, der höchstens fünf und zwanzig zu sein schien, mit schönen blauen lagen, großem Munde, aufgestülpter Nase und scharfer Stimme. Seine Person war übrigens elegant; Herausforderer und Duellant, glich er einem jungen Feldhauptmanne in bürgerlichem Gewand. Sein Anblick war trocken, kalt und boshaft. Er besaß mehr Werth, als sein Anblick bezeichnete.

Er gehörte zur royalistisch-constitutionellen Partei.

In dem Augenblick, wo er seinen Platz auf dem Vordersitze nahm und sich der Königin gegenüber setzte, sprach Ludwig XVl:

»Meine Herren, ich muß Ihnen vor Allem erklären, daß es nie meine Absicht gewesen ist, das Königreich zu verlassen.«

Barnave, der halb saß, hielt inne, schaute den König an und fragte:

»Sprechen Sie die Wahrheit, Sire? Dann ist dies ein Wort, das Frankreich retten wird.«

Und er setzte sich.

Da geschah etwas Seltsames zwischen diesem Manne, der aus dem Bürgerstande einer kleinen Provinzstadt hervorgegangen, und dieser Frau, welche halb von einem der größten Throne der Welt herabgestiegen.

Beide waren bemüht, im Herzen von einander zu lesen, nicht wie zwei politische Feinde, welche Staatsgeheimnisse darin suchen wollen, sondern wie ein Mann und eine Frau, welche Liebesgeheimnisse darin suchen.

Woher kam im Herzen von Barnave dieses Gefühl, das nach einer Forschung von ein paar Minuten das durchdringende Auge von Marie Antoinette darin entdeckte?

Wir werden es sogleich sagen und damit eine von den Tabletten des Herzens in’s Licht stellen, welche die geheimen Legenden der Geschichte machen und am Tage der großen Entscheidungen des Geschicks mehr in der Waagschale wiegen, als die officiellen Ereignisse.

Barnave hatte die Prätension, in allen Dingen der Nachfolger und Erbe von Mirabeau zu sein: seiner Meinung nach war er nun schon der Nachfolger und Erbe des großen Redners auf der Tribune.

Es blieb aber ein anderer Punkt.

Wir wissen, wie sich die Sache verhielt, und haben es Allen vor Augen gelegt. Mirabeau war dafür angesehen worden, daß ihn der König mit seinem Vertrauen und die Königin mit ihrem Wohlwollen beehrt. Die einzige Zusammenkunft, die der Unterhändler im Schlosse von Saint-Cloud erlangt, war in mehrere geheime Conferenzen verwandelt worden bei denen die Anmaßung von Mirabeau bis zur Frechheit und die Herablassung der Königin bis zur Schwäche gegangen wären. Zu jener Zeil war es Mode, nicht nur die arme Marie Antoinette zu verleumden, sondern auch diesen Verleumdungen zu glauben.

Was aber Barnave erstrebte, war das ganze Erbe von Mirabeau; daher sein Eifer, sich zu einem der drei Commissäre ernennen zu lassen, welche zum König geschickt wurden.

Er war ernannt worden und kam mit der Dreistigkeit eines Menschen, welcher weiß, er werde, wenn er nicht das Talent habe, zu machen, daß man ihn liebe, wenigstens die Macht haben, zu bewirken, daß man ihn hasse.

Das hatte die Königin mit ihrem raschen Frauenblicke geahnet, beinahe errathen.

Was sie auch noch errieth, war die gegenwärtige Befangenheit von Barnave.

Fünf oder sechs Mal im Verlaufe der Viertelstunde, der er sich ihr gegenüber befand, drehte sich der junge Abgeordnete um und betrachtete mit einer ängstlichen Aufmerksamkeit die drei Männer, welche auf dem Bocke des Wagens saßen, und vom Bocke aus kehrte sein Blick jedes Mal härter und feindseliger auf die Königin zurück.

 

Barnave wußte in der That, daß einer von diesen drei Männern, – welcher? Das wußte er nicht, – der Graf von Charny war. Das öffentliche Gerücht gab aber den Grafen von Charny der Königin zum Liebhaber.

Barnave war eifersüchtig. Erkläre, wer kann, dieses Gefühl im Herzen des jungen Mannes, doch er war es.

Und das errieth die Königin.

Und sobald sie es errathen, war sie sehr stark; sie kannte die schwache Seite ihres Gegners; es handelte sich nur noch darum, zu schlagen und richtig zu schlagen.

»Mein Herr,« sprach sie, indem sie sich an den König wandte, »Sie haben gehört, was der Mann sagte, der den Wagen fuhrt?«

»In welcher Beziehung, Madame?« fragte der König.

»In Beziehung aus Herrn von Charny.«

Barnave bebte.

Dieses Beben konnte der Königin nicht entgehen, die sein Knie mit dem ihrigen berührte.

»Hat er nicht erklärt, er nehme die Verantwortlichkeit für das Leben des Grafen auf sich?« versetzte der König.

»Ganz richtig, und er fügte bei, er hafte für dieses Leben der Gräfin.«

»Nun?« fragte der König.

Barnave schloß die Augen, horchte aber so, daß er keine Sylbe von dem, was die Königin sagen würde, verlieren konnte.

»Nun, die Gräfin ist meine alte Freundin, Fräulein Andrée von Taverney. Finden Sie nicht, es wäre gut, wenn ich bei unserer Rückkehr nach Paris Herrn von Charny Urlaub gäbe, damit er seine Frau beruhigen könnte? Er ist großen Gefahren preisgegeben gewesen; sein Bruder ist für uns gestorben. Ich glaube, von ihm die Fortsetzung seiner Dienste bei Ihnen verlangen, Sire, hieße diesem Ehepaare etwas Grausames anthun.«

Barnave athmete und riß die Augen weit auf.

»Sie haben Recht, Madame,« erwiderte der König, »obschon ich, offenherzig gestanden, bezweifle, daß Herr von Charny es annimmt.«

»Nun!« sagte die Königin, »dann wird Jedes von uns gethan haben, was es thun sollte: wir, indem wir ihm diesen Urlaub anboten, er, indem er ihn ausschlug.«

Die Königin fühlte, gewisser Maßen, durch eine magnetische Mittheilung, die Gereiztheit von Barnave sich abspannen. Er, ein edles Herz, sah zu gleicher Zeit seine Ungerechtigkeit dieser Frau gegenüber ein und schämte sich derselben.

Er hatte bis dahin den Kopf hoch und anmaßend getragen, wie ein Richter vor einer Schuldigen, die er zu richten und zu verurtheilen befugt ist, und, aus eine Anklage antwortend, die sie nicht errathen konnte, sagte diese Schuldige nun plötzlich das Wort entweder der Unschuld oder der Reue.

Doch warum nicht der Unschuld?

»Wir werden um so stärker sein,« fuhr die Königin fort, »als wir Herrn von Charny nicht mitgenommen haben, und ich, meines Theils, vermuthete ihn ganz ruhig in Paris, als ich ihn plötzlich am Schlage unseres Wagens erscheinen sah.«

»Das ist wahr,« bemerkte der König; »doch dies beweist Ihnen, daß der Graf nicht angestachelt zu werden braucht, wenn er eine Pflicht zu erfüllen glaubt.«

Sie war unschuldig, das unterlag keinem Zweifel.

Oh! wie sollte es Barnave machen, daß ihm die Königin den schlechten Gedanken verzeihe, den er gegen die Frau gehabt?

Die Königin anreden? Barnave wagte es nicht. Warten, bis die Königin zuerst sprach? Zufrieden mit der Wirkung, die die paar Worte, welche sie gesagt, hervorgebracht, sprach aber die Königin nicht mehr.

Barnave war wieder sanft, beinahe demüthig geworden; Barnave flehte die Königin mit dem Blicke an; doch die Königin schien Barnave keine Aufmerksamkeit zu schenken.

Der junge Mann war in einem von jenen Zuständen nervöser Exaltation, wo man, um von einer unaufmerksamen Frau bemerkt zu werden, die zwölf Arbeiten des Hercules unternehmen würde, aus die Gefahr, schon bei der ersten zu unterliegen.

Er bat das höchste Wesen (im Jahre 1791 bat man schon nicht mehr Gott), er bat das höchste Wesen, ihm irgend eine Gelegenheit zu schicken, die Augen der königlichen Gleichgültigen aus sich zu ziehen, als plötzlich, wie wenn das höchste Wesen die Bitte, die man an dasselbe gerichtet, gehört hätte, ein armer Priester, der am Rande der Straße auf das Vorüberfahren des Königs wartete, näher hinzutrat, um den erhabenen Gefangenen besser zu sehen, seine von Thränen gefüllten Augen und seine flehenden Hände zum Himmel erhob und ausrief:

»Sire, Gott bewahre Eure Majestät!«

Das Volk hatte lange keinen Gegenstand oder keinen Vorwand gehabt, um in Zorn zu gerathen. Nichts hatte sich geboten, seitdem es in Stücke den alten Edelmann gehauen, dessen Kopf immer noch am Ende einer Pieke nachgetragen wurde.

Eine Gelegenheit war ihm endlich gegeben: er ergriff sie mit dem größten Eifer.

Aus die Geberde des Greises, aus das Gebet, das er aussprach, antwortete das Volk durch ein Gebrülle; es warf sich in einem Nu auf den Priester, und er war, ehe Barnave seiner Träumerei entzogen worden, auf den Boden geworfen und mit der gräßlichsten Mißhandlung bedroht, als die Königin erschrocken Barnave zurief:

»Oh! mein Herr, sehen Sie nicht, was vorgeht?«

Barnave erhob das Haupt, tauchte einen raschen Blick in den Ocean, wo der arme Greis verschwunden war, in diesen Ocean, der in tosenden, stürmischen Wellen um den Wagen rollte, und rief, als er sah, um was es sich handelte, indem er mit einer solchen Heftigkeit aufsprang, daß der Schlag sich öffnete und er hinausgefallen wäre, hätte ihn nicht mit einen von jenen Bewegungen des Herzens, welche so rasch bei Madame Elisabeth, diese am Rockschoße zurückgehalten, – er rief:

»Oh! Elende, oh! Tiger, Ihr seid also keine Franzosen, oder ist Frankreich, das Volk der Braven, ein Mördervolk geworden?«

Die Anrede wird uns vielleicht ein wenig prätentiös scheinen, aber sie war im Geschmacke der Zeit. Ueberdies vertrat Barnave die Nationalversammlung; die oberste Gewalt sprach durch seine Stimme, das Volk wich zurück, der Greis war gerettet.

Er erhob sich und sagte:

»Sie haben wohl daran gethan, mich zu retten; ein Greis wird für Sie beten.«

Und er machte das Zeichen des Kreuzes und entfernte sich.

Das Volk ließ ihn weggehen, beherrscht durch die Geberde und den Blick von Barnave, der die Statue des Befehls zu sein schien.

Dann, als der Greis fern war, setzte sich der junge Abgeordnete, einfach, natürlich, wieder nieder, ohne daß er das Ansehen hatte, als ahnete er nur, er habe einem Menschen das Leben gerettet.

»Mein Herr,« sprach die Königin, »ich danke Ihnen.«

Bei diesen einzigen Worten schauerte Barnave am ganzen Leibe.

Wohl war die Königin, ohne Widerspruch, während der langen Periode, die wir mit der unglücklichen Marie Antoinette durchlaufen, schön gewesen, nie aber so rührend.

In der That, statt als Königin zu thronen, thronte sie als Mutter; sie hatte zu ihrer Linken den Dauphin, einen reizenden Knaben mit blonden Haaren, der, mit der Sorglosigkeit und Naivetät seines Alters, von dem Schooße seiner Mutter zwischen die Beine des tugendhaften Pétion übergegangen war, welcher sich so weit gesellig machte, daß er mit seinen Locken spielte; sie hatte zu ihrer Rechten ihre Tochter, Madame Royale, die ein Portrait ihrer Mutter in der ersten Blüthe der Jugend und der Schönheit zu sein schien. Sie selbst endlich hatte am Platze der goldenen Krone des Königthums eine Dornenkrone des Unglücks und über ihren schwarzen Augen, über ihrer bleichen Stirne ihr herrliches blondes Haar, unter dem einige vor dem Alter gekommene silberne Fäden glänzten, welche beredter zum Herzen des jungen Abgeordneten sprachen, als es die schmerzlichste Klage hätte thun können.

Er betrachtete diese königliche Grazie und fühlte sich ganz bereit, vor dieser sterbenden Majestät aus die Kniee zu fallen, als der junge Dauphin einen Schmerzensschrei ausstieß.

Ex hatte dem tugendhaften Pétion irgend einen muthwilligen Streich gespielt, den dieser dadurch, daß er ihn kräftig an den Ohren zog, zu bestrafen für geeignet erachtete.

Der König erröthete vor Zorn; die Königin erbleichte vor Scham. Sie streckte die Arme aus und hob den Knaben zwischen den Beinen von Pétion auf, und da Barnave dieselbe Bewegung machte, wie sie, so befand sich der Dauphin, von ihren vier Armen übergetragen und von Barnave angezogen, bald aus dem Schooße von Barnave.

Marie Antoinette wollte ihn auf den ihrigen zurückziehen.

»Nein,« sagte der Dauphin, »ich bin gut hier.«

Und als Barnave, der die Bewegung der Königin gesehen hatte, die Arme auseinander that, damit sie in der Ausführung ihres Willens frei wäre, ließ die Königin, – war es Coquetterie der Mutter, war es Verführung der Frau, – den jungen Prinzen, wo er war.

Es ging in diesem Augenblick im Herzen von Barnave etwas vor, was sich unmöglich schildern läßt: er war zugleich stolz und glücklich.

Das Kind fing an mit dem Jabot von Barnave zu spielen, dann mit seiner Binde, dann mit den Knöpfen seines Deputirtenrockes.

Diese Knöpfe besonders beschäftigten den jungen Prinzen; es, war ein Wahlspruch daraus gravirt.

Der Dauphin buchstabirte die Lettern nacheinander und las am Ende, indem er sie zusammensetzte, die vier Worte: »Frei leben oder sterben.«

»Was will das besagen, mein Herr?« fragte er.

Barnave zögerte, zu antworten.

»Das will besagen, mein Bürschchen,« erklärte Pétion, »die Franzosen haben geschworen, keinem Herrn mehr unterthan zu sein; begreifst Du das?«

»Pétion!« rief Barnave.

»Nun! so erkläre den Wahlspruch anders, wenn Du einen andern Sinn dafür weißt,« erwiderte Pétion auf das Allernatürlichste.

Barnave schwieg. Dieser Wahlspruch, den er am Tage vorher erhaben fand, schien ihm fast grausam in der gegenwärtigen Lage.

Doch er nahm die Hand des Dauphin und senkte ehrerbietig seine Lippen aus diese Hand.

Die Königin wischte verstohlen eine von ihrem Herzen zu ihrem Augenlide emporgestiegene Thräne ab.

Und der Wagen, der Schauplatz dieses seltsamen, bis zur Naivetät einfachen kleinen Dramas rollte mitten durch das Geschrei der tobenden Menge, sechs von den acht Personen, die er enthielt, zum Tode führend, immer weiter.

Man kam nach Dormans.

CIII
Der Schmerzensweg

Hier war nichts für den Empfang der königlichen Familie vorbereitet, und diese sah sich genöthigt, in einem Wirthshause abzusteigen.

Geschah es aus Befehl von Pétion, den das Stillschweigen des Königs und der Königin auf dem Wege sehr verletzt hatte, war das Wirthshaus wirklich voll, man fand für die erhabenen Gefangenen nur drei Mansarden, mit denen sie sich begnügen mußten.

Als er vom Wagen stieg, wollte sich Charny, nach seiner Gewohnheit, dem König und der Königin nähern, um ihre Befehle entgegenzunehmen, doch die Königin bedeutete ihm durch einen Blick, er möge sich abseits halten.

Ohne die Ursache dieser Ermahnung zu wissen, beeiferte sich doch der Graf, zu gehorchen.

Pétion hatte die Functionen eines Quartiermeisters übernommen und war in das Wirthshaus eingetreten: er gab sich nicht einmal die Mühe, wieder herabzugehen, und es kam nur ein Kellner, um zu melden, die Zimmer für die königliche Familie seien bereit.

Barnave war ziemlich in Verlegenheit; er starb vor Verlangen, der Königin seinen Arm anzubieten, doch er befürchtete, diese, welche einst die Etiquette so sehr in der Person von Frau von Noailles verspottet, könnte sie anrufen, wenn er, Barnave, dagegen verstoße.

Er wartete also.

Der König stieg zuerst aus; er stützte sich aus die Arme der zwei Garden, der Herren von Malden und von Valory. Charny war, wie man weiß, aus einen Wink von Marie Antoinette ein wenig aus die Seite getreten.

Die Königin stieg dann auch aus und streckte die Arme in den Wagen, daß man ihr den Dauphin gebe, doch als ob der arme Knabe gefühlt hätte, wie seine Mutter dieser Schmeichelei bedürfe, sagte er:

»Nein, ich will bei meinem Freunde Barnave bleiben.«

Marie Antoinette machte ein Zeichen der Einwilligung, begleitet von einem süßen Lächeln. Barnave ließ Madame Elisabeth und Madame Royale vorangehen und stieg, den Dauphin in seinen Armen tragend, nach ihnen aus.

Hieraus kam Frau von Tourzel, welche nur darnach trachtete, ihren königlichen Zögling wieder aus den unwürdigen Händen zu nehmen, die ihn hielten; doch ein neuer Wink der Königin beschwichtigte den aristokratischen Eifer der Gouvernante der Kinder von Frankreich.

Die Königin stieg die schmutzige, schmale, tannene Treppe, sich aus den Arm ihres Gemahls stützend, hinauf.

Im ersten Stocke hielt sie an; sie glaubte, zwanzig Stufen ersteigend, habe sie genug gethan; doch die Stimme des Kellners rief:

»Höher! höher!«

Auf diese Aufforderung stieg die Königin noch weiter hinauf.

 

Der Schweiß der Scham perlte auf der Stirne von Barnave.

»Wie, höher?« fragte er.

»Ja,« erwiderte der Kellner, »hier sind der Speisesaal und die Zimmer der Herren von der Nationalversammlung.«

Eine Blendung zog über die Augen von Barnave. Pétion halte die Zimmer des ersten Stocks für sich und seine Collegen genommen und die königliche Familie in den zweiten verbannt.

Der junge Abgeordnete sagte indessen nichts; doch da er ohne Zweifel die erste Bewegung der Königin fürchtete, wenn sie die Zimmer des zweiten Stockes von Pétion für sie und ihre Familie bestimmt sehen würde, so setzte Barnave, als er in den zweiten Stock kam, das königliche Kind aus den Ruheplatz.

»Madame! Madame!« sagte der junge Prinz zu seiner Mutter, »mein Freund Barnave geht.«

»Er thut wohl daran,« erwiderte lachend die Königin, welche einen Blick aus die Wohnung geworfen hatte.

Die Wohnung bestand aus drei in einander gehenden Zimmern.

Die Königin quartierte sich im ersten mit Madame Royale ein; Madame Elisabeth nahm das zweite für sich, den Dauphin und Frau von Tourzel; der König endlich nahm das dritte, das ein kleines Cabinet war und eine Ausgangsthüre auf die Treppe hatte.

Der König war müde: er wollte sich, in Erwartung des Abendbrods, ein paar Augenblicke auf sein Bett werfen, doch dieses Bett war so kurz, daß er sich nach einer Minute genöthigt sah, wieder aufzustehen, und er öffnete die Thüre und verlangte einen Stuhl.

Die Herren von Valory und von Malden waren bereits auf ihren Posten auf den Stufen der Treppe. Herr von Malden ging hinab, nahm einen Stuhl aus dem Speisezimmer und brachte ihn dem König.

Ludwig XVI., der schon einen hölzernen Stuhl in seinem Cabinet hatte, stellte diesen zweiten Stuhl, den ihm Herr von Malden brachte, auf eine Art, um ein Bett nach seiner Gestalt daraus zu machen.

»Oh! Sire,« sagte Herr von Malden, die Hände faltend und schmerzlich den Kopf schüttelnd, »wollen Sie denn so die Nacht zubringen?«

»Gewiß, mein Herr,« erwiderte der König.

Dann fügte er bei:

»Wenn übrigens das, was man mir vom Elend meines Volkes in die Ohren schreit, wahr ist, – wie Viele von meinen Unterthanen wären glücklich, dieses kleine Cabinet, dieses Bett und diese zwei Stühle zu haben?«

Und er streckte sich aus diesem improvisirten Lager aus, – ein Vorspiel der langen Schmerzen des Temple!

Nach einem Augenblick meldete man Ihren Majestäten, es sei aufgetragen.

Der König ging hinab und sah sechs Gedecke auf der Tafel.

»Warum diese sechs Gedecke?« fragte er.

»Eines für den König, eines für die Königin, eines für Madame Elisabeth, eines für Madame Royale, eines für Monseigneur den Dauphin und eines für Herrn Pétion,« antwortete der Kellner.

»Und warum nicht auch eines für Herrn Barnave und eines für Herrn Latour-Maubourg?« fragte der König.

»Sie waren da, Sire, doch Herr Barnave hat sie wegnehmen heißen,« erwiderte der Kellner.

»Und er hat das von Herrn Pétion gelassen?«

»Herr Pétion hat verlangt, daß es bleibe.«

In diesem Augenblick erschien das ernste, mehr als ernst, das strenge Gesicht des Abgeordneten von Chatres im Thürrahmen.

Der König that, als ob er nicht da wäre, und sagte zum Kellner:

»Ich setze mich nur mit meiner Familie zu Tische; wir speisen unter uns, oder mit den Leuten, die wir einladen, anders speisen wir nicht.«

»Ich wußte wohl,« sprach Pétion, »daß Eure Majestät den ersten Artikel der Erklärung der Menschenrechte vergessen; doch ich glaubte, sie würde wenigstens das Ansehen haben, als erinnerte sie sich desselben.«

Der König gab sich den Anschein, als hörte er Pétion nicht, wie er sich den Anschein gegeben, als sähe er ihn nicht, und befahl mit einem Zeichen der Augen dem Kellner, das Gedeck wegzunehmen.

Der Kellner gehorchte. Pétion ging wüthend ab.

»Herr von Maiden,« sagte der König, »machen Sie die Thüre zu, damit wir so viel als möglich unter uns sind.«

Herr von Malden gehorchte, und Pétion konnte die Thüre hinter ihn, schließen hören.

So gelang es dem König, in Familie zu speisen.

Die zwei Gardes du corps bedienten wie gewöhnlich.

Charny erschien nicht; war er nicht mehr der Diener, so war er doch immer der Sklave der Königin.

Doch es gab Momente, wo dieser passive Gehorsam gegen die Königin die Frau verletzte. So suchte während des ganzen Mahles Marie Antoinette ungeduldig mit den Augen Charny. Sie hätte gewünscht, er würde, nachdem er kurze Zeit gehorcht, ihr am Ende ungehorsam werden.

In dem Augenblick, wo der König nach beendigtem Abendbrode den Stuhl rückte, um vom Tische aufzustehen, öffnete sich der Salon, ein Kellner trat ein und bat im Namen von Herrn Barnave Ihre Majestäten, die Wohnung des Ersteren statt der ihrigen nehmen zu wollen.

Ludwig XVI, und Marie Antoinette schauten sich an. Sollte man sich Würde geben und die Höflichkeit des Einen zurückweisen, um die Grobheit des Andern zu bestrafen? Es wäre dies vielleicht die Meinung des Königs gewesen, doch der Dauphin lief in den Salon und rief:

»Wo ist er, mein Freund Barnave?«

Die Königin folgte dem Dauphin und der König der Königin.

Barnave war nicht im Salon.

Vom Salon ging die Königin in die Zimmer; es waren drei wie im oberen Stocke.

Man hatte keine Eleganz machen können, doch man hatte für die Reinlichkeit gesorgt. Die Kerzen brannten allerdings in messingenen Leuchtern; doch es brannten Kerzen im Ueberfluß.

Wiederholt hatte die Königin unter Weges gleichsam laut aufgeschrieen, wenn man an schönen blumenreichen Gärten vorüberkam; das Zimmer der Königin war geschmückt mit den schönsten Sommerblumen, während zugleich die geöffneten Fenster den zu scharfen Gerüchen zu entfliehen gestatteten; die Mousselinevorhänge, welche die Oeffnung dieser Fenster verschloßen, widersetzten sich, daß ein indiscreter Blick die erhabene Gefangene in ihrem Gemache verfolgte.

Barnave war für Alles dies bemüht gewesen.

Sie seufzte, die arme Königin: sechs Jahre früher würde diese Sorge Charny übernommen haben.

Barnave hatte indessen die Zartheit, sich keinen Dank hierfür zu holen.

Das hätte Charny auch gethan.

Wie hatte ein armer Provinzadvocat dieselben Aufmerksamkeiten und dieselben Zartheiten, die der eleganteste und ausgezeichnetste Mann des Hofes gehabt hätte?

Hierin lag gewiß Stoff, eine Frau träumen zu machen, und mochte diese Frau auch eine Königin sein.

Die Königin träumte auch über dieses seltsame Geheimniß einen Theil der Nacht.

Was ging mittlerweile mit Charny vor?

Der Graf von Charny hatte sich, wie wir gesehen, auf einen Wink der Königin zurückgezogen und war seit diesem Augenblick nicht mehr erschienen.

Charny, den seine Pflicht an die Schritte von Ludwig XVI. und Marie Antoinette fesselte, war glücklich, daß ihm der Befehl der Königin, dessen Grund er nicht einmal suchte, einen Augenblick der Einsamkeit und des Nachdenkens gab.

Er hatte seit drei Tagen so rasch gelebt; er hatte, wenn man so sagen darf, so außer sich selbst gelebt; er hatte so viel für die Andern gelebt, daß es ihn durchaus nicht verdroß, auf einige Augenblicke den Schmerz der Andern zu verlassen, um zu seinem eigenen Schmerze zurückzukehren.

Charny war der Edelmann der alten Tage, der Mann der Familie besonders: er liebte aus das Innigste seine Brüder, deren Vater mehr, als älterer Bruder er war.

Beim Tode von Georges war sein Schmerz groß gewesen; er hatte aber wenigstens beim Leichname knieend, in dem finsteren kleinen Hofe von Versailles, seinen Schmerz mit seinen Thränen ergießen können; es blieb ihm aber wenigstens sein zweiter Bruder Isidor, auf den sich seine ganze Liebe übertrug, Isidor, der ihm wo möglich noch theurer geworden während der drei bis vier Monate, die seiner Abreise vorhergegangen, und in denen der junge Mann ihm als Vermittler bei Andrée gedient.

Wir haben es, wenn nicht begreiflich zu machen, doch wenigstens zu erzählen gesucht, dieses seltsame Geheimniß gewisser Herzen, welche die Trennung befeuert, statt sie abzukühlen, und die in der Abwesenheit eine neue Nahrung für die Erinnerung schöpfen, die sie beschäftigt.

Nun wohl! je weniger Charny Andrée sah, desto mehr dachte er an sie, und immer mehr an Andrée denken hieß für Charny sie lieben.

In der That, wenn er Andrée sah, wenn er bei ihr war, schien es ihm ganz einfach, als sei er bei einer Bildsäule von Eis, die der geringste Liebesstrahl schmelzen machen würde, und die, im Schatten in sich selbst zurückgezogen, eben so sehr die Liebe fürchte, als (wirklich von Eis) eine Bildsäule die Sonne fürchten würde; er war in Berührung mit dieser langsamen, kalten Geberde, mit diesem ernsten, abgemessenen Worte, mit diesem stummen, verschleierten Blicke; hinter dieser Geberde, hinter diesem Worte, hinter diesem Blicke erschaute er nichts.

Alles dies war weiß, bleich, milchig wie Alabaster, kalt und matt wie dieser.

36Es war früher in Frankreich nur Personen vom ältesten Adel, welche alle mögliche Ahnenproben zu machen im Stande sein mußten, vergönnt, in den königlichen Wagen zu steigen. d. Uebers.
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