Rebell, Schachfigur, König

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Из серии: Für Ruhm und Krone #4
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„Bis dahin“, sagte Lucious, als sie nicht antwortete, „habe ich ein Geschenk für dich. Besagte Zofe dachte, dass du es brauchen könntest. Sie hat mir alles möglich über dich erzählt, als sie um ihr Leben bettelte.“

Er zog eine Phiole aus seiner Gürteltasche und legte sie auf den kleinen Tisch neben dem Fenster.

„Sie hat mir auch erzählt, warum du das Blutmondfestival vorzeitig verlassen hast“, sagte Lucious. „Dass du schwanger bist. Ich würde natürlich niemals Thanos’ Kind aufziehen. Trink das hier und das Problem ist gelöst. In jeder Hinsicht.“

Stephania wollte ihm die Phiole nachwerfen. Sie nahm sie von dem Tischchen, aber da war er schon durch die Tür verschwunden.

Sie hätte sie dennoch beinahe gegen die Tür geworfen, doch sie besann sich, ließ sich auf dem Fenstersims nieder und starrte auf die Phiole in ihrer Hand.

Das Sonnenlicht ließ die Flüssigkeit unschuldiger aussehen, als sie eigentlich war. Wenn sie das trank, würde sie Lucious heiraten können, was ihr als grauenvoller Gedanke erschien. Und doch würde es ihr eine der mächtigsten Positionen im Reich eröffnen. Wenn sie das trank, wäre alles, was von Thanos noch übrig war, vernichtet.

Stephania saß da ohne zu wissen, was sie tun sollte. Langsam begannen Tränen ihr über die Wangen zu kullern.

Vielleicht sollte sie die Flüssigkeit einfach trinken.

KAPITEL DREI

Ceres hatte Mühe, wieder zu Bewusstsein zu kommen und den dunklen Schleier, der sie wie eine zu ertrinken drohende Frau fesselte, zu durchbrechen. Auch jetzt noch konnte sie die Schreie der Sterbenden hören. Der Hinterhalt. Die Schlacht. Sie musste sich zwingen, wieder zu sich zu kommen oder es würde alles verloren sein...

Sie schlug die Augen auf und sprang, bereit weiterzukämpfen, auf ihre Füße. Zumindest versuchte sie dies. Etwas an ihren Handgelenken und Knöcheln hielt sie davon ab. Die Schläfrigkeit fiel nun von ihr ab und Ceres erkannte, wo sie war.

Sie war umgeben von Steinwänden, die so eng waren, das Ceres gerade so zwischen ihnen liegen konnte. Es gab kein Bett, nur einen harten Steinboden. Ein kleines vergittertes Fenster ließ ein wenig Licht herein. Ceres konnte spüren, wie der harte Stahl in ihre Handgelenke und Knöchel schnitt, und sie konnte die schwere Metallöse sehen, durch die ihre Ketten in der Wand verschwanden, die dicke Tür war mit Eisenstreben verstärkt worden und schien ihr entgegenzuschreien, dass sie hier gefangen war. Wenn jemand von draußen an ihren Ketten zog, dann würde sie in Richtung der Metallöse gezogen und gegen die Wand gedrückt.

Hier so gefangen zu sein, erfüllte Ceres mit Wut. Sie zog, rüttelte an ihren Ketten und versuchte, ihre Kräfte zu wecken. Nichts passierte.

Es kam ihr vor, als wäre ein Nebel in ihrem Kopf aufgezogen und sie versuchte, durch ihn hindurch zu blicken, um die Landschaft auf der anderen Seite zu erkennen. Hier und dort drang das Licht der Erinnerung durch diesen Nebel, aber sie blieb bruchstückhaft.

Sie konnte sich daran erinnern, wie sich die Tore zur Stadt geöffnet hatten und die „Rebellen“ sie so zu sich hineingewunken hatten. Sie hatten sich auf den Weg gemacht und alles, was ihnen zur Verfügung stand, mobilisiert, denn sie hatten geglaubt, dass dies die entscheidende Schlacht um die Stadt sein würde.

Ceres sank zusammen. Es tat weh, und einige Wunden saßen tiefer, als körperliche Wunden reichen konnten.

„Jemand hat uns betrogen“, sagte Ceres leise.

Sie hatten kurz vor dem Sieg gestanden und jemand hatte sie allesamt betrogen. Weil Geld gelockt hatte oder Angst oder das Verlangen nach Macht, jemand hatte all das aufgegeben, wofür sie gekämpft hatten und hatte sie in eine Falle gelockt.

Jetzt konnte sich Ceres erinnern. Si erinnerte sich an den Anblick von Lord Wests Neffen, wie ein Pfeil aus seinem Hals ragte, die Blicke von Hilflosigkeit und Unglauben, die ihm im Gesicht gestanden hatten, bevor er aus dem Sattel gerutscht war.

Sie erinnerte sich an die Pfeile, die den Himmel verdunkelt hatten und an die Barrikaden und das Feuer.

Lord Wests Männer hatten versucht, sich gegen die Bogenschützen zur Wehr zu setzen. Ceres hatte gesehen, wie fähig ihre Reiterschützen auf dem Weg nach Delos gewesen waren, sie waren selbst bei rasendem Galopp geschickt im Umgang mit kleinen Bögen und Feuer. Als sie ihre ersten Pfeile in Richtung des Feinds schickten, hatte Ceres sogar zu hoffen gewagt, denn nichts schien diese Männer in die Knie zwingen zu können.

Doch sie wurde enttäuscht. Mit den von Lucious auf den Dächern postierten Bogenschützen, lag ein zu großer Vorteil auf Seiten der Feinde. Irgendwo in dem Chaos kamen dann zusätzlich zu den Pfeilen auch Feuertöpfe zum Einsatz, und Ceres erinnerte sich an ihr Entsetzen, als sie mit ansehen musste, wie ihre Männer in Flammen aufgingen. Nur Lucious war es zuzutrauen, dass er Feuer in seiner eigenen Stadt einsetzte und sich nicht darum scherte, ob die umliegenden Häuser auch Feuer fingen. Ceres hatte Pferde gesehen, die sich panisch aufbäumten und ihre Reiter abwarfen.

Ceres hätte in der Lage sein müssen, sie zu retten. Sie hatte nach der Kraft in ihr gesucht und hatte nichts als Leere gefunden, ein schwarzes Loch, wo Stärke und Macht, den Feind zu zerstören, hätte schlummern sollen.

Sie suchte noch immer nach einem Zugang zu ihren Kräften, als auch ihr Pferd sich sträubte und sie abwarf...

Ceres zwang ihre Gedanken zurück in die Gegenwart zu kehren, denn es gab in ihren Erinnerungen Orte, an denen sie nicht länger verweilen wollte. Doch auch die Gegenwart sah nicht viel rosiger aus. Dort draußen konnte Ceres die Schreie eines sterbenden Mannes hören.

Ceres trat an das Fenster, soweit ihre Ketten dies zuließen. Selbst das kostete sie eine enorme Kraftanstrengung. Sie fühlte sich, als hätte jemand sie ausgesogen, ihr ihre Kräfte gestohlen, die ihr sonst geholfen hätten. Sie hatte das Gefühl, dass sie sich gerade noch auf den Beinen halten konnte. Sich von ihren Ketten loszureißen, schien dabei ein unmögliches Unterfangen.

Sie schaffte es bis ans Fenster und umklammerte die Gitterstäbe, als wollte sie sie herausbrechen. Tatsächlich waren sie beinahe das Einzige, was sie aufrecht stehen ließ. Als sie hinunter in den Hof unter ihrer neuen Zelle blickte, brauchte sie diese neue Stütze auch dringend.

Ceres sah Lord Wests Männer in mehreren Reihen stehen. Jeder von ihnen trug noch Reste seiner Rüstungen, auch wenn in den meisten Fällen Teile abgebrochen oder zerfetzt worden waren. Keiner trug mehr eine Waffe. Ihre Hände waren zusammengebunden und viele von ihnen knieten. Etwas Trauriges lag in diesem Anblick. Er sprach von einer Niederlage, die klarer nicht hätte sein können.

Ceres erkannte unter ihnen auch ihr bekannte Rebellen und der Ausdruck in ihren Gesichtern drehte ihr noch einmal mehr den Magen um. Lord Wests Männer hatten sich ihr bereitwillig angeschlossen. Sie hatten für sie ihr Leben riskiert, und Ceres fühlte sich für sie verantwortlich, doch kannte sie die Männer und Frauen dort unten.

Sie erblickte Anka. Anka stand mitten unter ihnen, ihre Arme waren so an einen Pfahl festgebunden, dass sie sich weder setzen noch hinknien konnte, um sich auszuruhen. Ein Seil war um ihren Hals geschlungen worden, sodass jeder Versuch sich zu entspannen, sie zu erwürgen drohte. Ceres konnte das Blut in ihrem Gesicht sehen, das dort klebte, als wäre es ein Symbol ihrer Nichtigkeit.

Dieser Anblick genügte, dass Ceres schlecht wurde. Es waren Freunde und in vielen Fällen Menschen, die sie seit Jahren kannte. Einige von ihnen waren verwundet. Wut überkam sie, denn niemand versuchte, ihnen zur Hilfe zu eilen. Sie standen oder knieten da, so wie es die Soldaten taten.

Dann sah sie das, worauf sie warteten. Ceres wusste nicht, wofür all das gut sein sollte, aber sie hatte eine Ahnung in Anbetracht der Dinge, die sie kannte. Pfahlstangen und Böcke, auf denen Menschen enthauptet werden konnten, Galgen und Pfannen aus heißem Eisen hatte man dort hingeschafft. Und mehr noch. So viel, dass Ceres kaum imstande war zu begreifen, welcher verdorbene Geist fähig war, diese Geräte in Betracht zu ziehen.

Dann sah sie Lucious unter ihnen und sie wusste es. Seinetwegen und auf eine gewisse Art auch ihretwegen. Wenn sie nur schneller gewesen wäre und ihn erwischt hätte, bevor er sich nach dem Duell aus dem Staub gemacht hatte. Wenn sie ihn nur zuvor irgendwie hätte umbringen können.

Lucious stand über dem schreienden Soldaten und stocherte mit seinem Schwert in dessen Fleisch, um ihm erneut den Klang seiner Todesqualen zu entlocken. Ceres konnte eine kleine Gruppe von Henkern in schwarzen Kapuzen um ihn sehen. Sie sahen aus, als machten sie sich Notizen, vielleicht schätzten sie aber auch nur denjenigen, der ihrer Profession solche Wertschätzung beimaß. Ceres wünschte, sie hätte nach ihnen greifen und sie alle töten können.

Lucious blickte auf und Ceres spürte den Moment, in dem sich ihre Augen trafen. Es war etwas, das dem ähnelte, was die Dichter besagen, wenn sie von den Augenblicken sangen, in denen sich die Augen der Liebenden trafen, nur dass es sich hierbei um den blanken Hass handelte. In diesem Moment hätte Ceres Lucious auf jede erdenkliche Art in den Tod schicken können, und sie konnte sehen, was er am liebsten mit ihr getan hätte.

Sie sah, wie sich langsam ein Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete, und er drehte sein Schwert ein letztes Mal um, ohne die Augen von Ceres zu wenden. Dann richtete er sich auf und wischte sich gedankenverloren seine blutverschmierten Hände an einem Tuch ab. Er stand dort wie ein Schauspieler, der seinem wartenden Publikum gleich einen Monolog vortragen wollte. Doch für Ceres sah er einfach nur aus wie ein Schlächter.

 

„Jeder Mann und jede Frau hier ist ein Reichsverräter“, verkündete Lucious. „Aber ich denke, wir alle wissen, dass es nicht eure Schuld ist. Ihr seid in die Irre geführt worden, in Versuchung geführt worden vor allem durch eine bestimmte Person.“

Ceres sah, wie er erneut in ihre Richtung blitzte.

„Deshalb werde ich die Mitläufer unter euch begnadigen. Kommt zu mir gekrochen. Bettelt mich darum an, versklavt zu werden, und ihr werdet im Gegenzug euer Leben behalten. Das Reich kann ein paar Arbeitstiere immer gebrauchen.“

Niemand regte sich. Ceres wusste nicht, ob sie stolz sein sollte oder ihnen entgegenschreien, dass sie das Angebot annehmen sollten. Sie mussten doch wissen, was ihnen bevorstehen würde.

„Niemand?“ sagte Lucious und ein Anflug von Überraschung schwang darin mit. Vielleicht hatte er ernsthaft geglaubt, dass jeder hier die Versklavung im Tausch gegen das eigene Leben akzeptieren würde. Vielleicht verstand er wirklich nicht, worum es der Rebellion ging oder dass es Dinge gab, die schlimmer waren als der Tod. „Kein einziger?“

Ceres sah, wie die gespielte Ruhe von ihm wie eine Maske abfiel und enthüllte, was darunter lag.

„Das passiert, wenn ihr Idioten auf solchen Abschaum hört, der nichts will, als euch an der Nase herumzuführen!“ sagte Lucious. „Ihr vergesst, wo ihr hingehört! Ihr vergesst, dass es für Bauern wie euch Konsequenzen hat! Nun, ich werde euch daran erinnern, dass es diese Konsequenzen gibt. Ihr werdet sterben, jeder einzelne von euch und ihr werdet auf eine Weise sterben, dass die Leute jeden verraten werden, der an Betrug auch nur denkt. Deshalb werde ich eure Familien hierher bringen lassen, damit sie zusehen können. Ich werde ihre jämmerlichen Hütten in Brandt setzen und sie dazu zwingen, euch beim Sterben zuzusehen während ihr vor Schmerzen schreit!“

Das würde er tatsächlich tun; daran hatte Ceres keinen Zweifel. Sie sah, wie er auf einen der Soldaten deutete, dann auf eines der Geräte, die dort aufgebaut worden waren.

„Fang mit dem an oder irgendeinem anderen. Es ist mir egal. Sorgt nur dafür, dass sie leiden, bevor sie sterben.“ Er deutete mit dem Finger in Richtung von Ceres’ Zelle. „Und sorgt dafür, dass sie die letzte ist. Sie soll jeden einzelnen Tod mitansehen müssen. Ich will, dass sie dabei den Verstand verliert. Ich will, dass sie versteht, wie hilflos sie wirklich ist, auch wenn das Blut der Uralten in ihren Adern pulsiert, wie sie vor ihren Männern geprahlt hat.“

Ceres wurde von den Gitterstäben zurückgezogen. Auf der anderen Seite der Tür mussten Männer gewartet haben, denn jetzt zerrte etwas an den Ketten um ihre Handgelenke und Knöchel, dass sie gegen die Wand gedrückt wurde und ihre Bewegungsfreiheit einschränkte. Jetzt konnte sie sich nur noch wenige Zentimeter strecken. Mit Sicherheit konnte sie den Blick nicht mehr von dem Fenster wenden, hinter dem sie sehen konnte, wie der Henker die Schärfe seiner Axt prüfte.

„Nein“, sagte sie und versuchte sich den Mut zuzusprechen, der ihr gerade fehlte. „Nein, das werde ich nicht zulassen. Ich werde einen Weg finden, es aufzuhalten.“

Sie griff nicht nur nach der Kraft in ihr, sondern tauchte in den Raum ein, wo die Energie normalerweise auf sie wartete. Ceres zwang sich, das anzuwenden, was das Waldvolk ihr beigebracht hatte. Sie jagte nach ihrer Kraft, als würde sie einem versteckten Tier nachjagen.

Doch sie konnte sie einfach nicht zu fassen bekommen. Ceres versuchte alles, was ihr auch nur einfiel. Sie versuchte, sich zu entspannen. Sie versuchte, sich an das Gefühl zu erinnern, das sie durchflutete, wenn sie ihre Kraft benutzte. Sie versuchte, sie in einem Kraftakt des Willens zu zwingen. In ihrer Verzweiflung umschmeichelte sie sie süß, als wäre sie ein eigenes Wesen und nicht ein Teil von ihrem Selbst.

Nichts davon funktionierte, und Ceres riss an den Ketten, die sie gefangen hielten. Sie spürte, wie sie ihr in ihre Handgelenke und Knöchel schnitten, als sie sich nach vorne warf, doch mehr als eine Armlänge Raum konnte sie dabei nicht herausholen.

Ceres hätte den Stahl mit Leichtigkeit sprengen sollen. Sie hätte in der Lage sein sollen, sich zu befreien und all die anderen zu retten. Das hätte sie, aber gerade konnte sie es nicht und das Schlimmste war, dass sie nicht wusste, warum. Warum hatten die Kräfte, zu denen sie Zugang gehabt hatte, sie gerade jetzt und so plötzlich verlassen? Warum war es soweit gekommen?

Warum konnte sie sie nicht zwingen, das zu tun, was sie wollte? Ceres spürte, wie ihr Tränen in die Augen traten, während sie weiter versuchte, etwas auszurichten, zu helfen.

Draußen begannen die Exekutionen und Ceres konnte nichts tun, um sie aufzuhalten.

Schlimmer noch, sie wusste, dass, wenn Lucious mit jenen dort draußen fertig war, sie als nächstes an der Reihe sein würde.

KAPITEL VIER

Sartes erwachte kampfbereit. Er versuchte, aufzustehen und wurde bei diesem Versuch von einem Stiefel, der zu einer grimmig dreinblickenden Person gehörte, zurückgestoßen.

„Denkst du etwa, dass du dich hier bewegen könntest?“ zischte er.

Der Mann war kahlgeschoren und tätowiert und hatte in einer Schlägerei oder ähnlichem einen Finger eingebüßt. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte es Sartes beim Anblick eines solchen Mannes mit der Angst zu tun bekommen. Das war jedoch vor der Armee und der Rebellion gewesen. Es war, bevor er das Angesicht des wirklich Bösen gesehen hatte.

In dem mit Holzwänden ausgekleideten Raum waren noch mehr Männer zusammengepfercht worden. Licht drang nur durch ein paar Spalten. Doch es genügte, dass Sartes die Männer dort sehen konnte, und was er dort sah, war alles andere als ermutigend. Der Mann neben ihm war wahrscheinlich der am wenigsten gefährlich Aussehende. Allein die große Anzahl an Männern trug dazu bei, dass Sartes doch für einen Moment Angst empfand und das nicht nur, weil er sich ausmalen konnte, was sie mit ihm anstellen konnten. Was würde ihm bevorstehen, wenn er mit solchen Männern eingesperrt wurde?

Er spürte, dass sich hinter ihm etwas bewegte und Sartes riskierte es, der Menge aus Ganoven seinen Rücken zuzudrehen, sodass er durch die Spalten der Holzwand linsen konnte. Draußen sah er eine staubige und steinige Landschaft an ihm vorbeiziehen. Er kannte die Gegend nicht, aber wie weit konnte er von Delos entfernt sein?

„Ein Wagen“, sagte er. „Wir sind in einem Wagen.“

„Hör dir den Jungen an“, sagte der kahlgeschorene Mann. Er versuchte, Sartes stimme nachzuäffen, was jedoch kläglich scheiterte. „Wir sind in einem Wagen. Was für ein kluger Junge. Wie wäre es, wenn du deine Klappe hältst, Dummschwätzer? Es reicht schon, dass wir auf dem Weg zu den Teergräben sind, da musst du nicht auch noch dummes Zeug erzählen.“

„Den Teergräben?“ sagte Sartes und er sah, wie sich das Gesicht des Mannes zornig verzog.

„Ich dachte, ich hätte dir gesagt, die Klappe zu halten“, zischte der Ganove. „Vielleicht muss ich dich erst einmal deine Zähne schlucken lassen, um dich daran zu erinnern.“

Ein anderer Mann streckte sich. Die Enge des Raumes schien kaum genug, ihn zu fassen. „Den einzigen, den ich hier reden höre, bist du. Wie wäre es, wenn ihr beide die Klappe halten würdet?“

Der Glatzköpfige verstummte mit einer derartigen Plötzlichkeit, dass Sartes verstand, wie gefährlich der andere Mann sein musste. Sartes bezweifelte, dass er in diesem Moment neue Freunde gewonnen hatte, aber er wusste aus seiner Armeezeit, dass Männer wie diese keine Freunde hatten: Sie hatten Handlanger und sie hatten Opfer.

Es war schwer, still zu sein, jetzt, da er wusste, wohin sie fuhren. Die Teergräben waren eine der grausamsten Strafen, die das Reich bereithielt; so gefährlich und unerfreulich, dass diejenigen, die dorthin gesandt wurden, froh sein konnten, wenn sie das erste Jahr überlebten. Dieser Ort war heiß und todbringend. Die Knochen toter Drachen ragten aus dem Boden und für die Wachen war es das Normalste der Welt, einen kranken oder gebrechlichen Gefangenen in den Teer zu werfen.

Sartes versuchte, sich zu erinnern, wie er hier gelandet war. Er war auf Erkundungstour für die Rebellion gewesen und hatte nach einem Tor gesucht, durch das sie Ceres und Lord Wests Männer in die Stadt lassen konnten. Er hatte es gefunden. Sartes konnte sich an das Hochgefühl erinnern, das er dabei empfunden hatte, denn es war ideal gewesen. Er war zurückgerast, um es den anderen zu erzählen.

Er hatte es beinahe geschafft und dann war diese vermummte Gestalt aufgetaucht und hatte nach ihm gegriffen; der Eingang zum Versteck der Rebellion war zum Greifen nah gewesen. Das Gefühl der Sicherheit hatte sich bereits bei ihm eingestellt und dann war es ihm entrissen worden.

„Mit freundlichen Grüßen von Lady Stephania.“

Diese Worte hallten noch in Sartes Erinnerung nach. Das waren die letzten Worte gewesen, bevor sie ihn bewusstlos geschlagen hatten. Sie sagten ihm nicht nur, wer für seine Entführung verantwortlich war, sondern auch, dass er versagt hatte. Sie hatten ihn so nah kommen lassen, um ihm dann alles zu nehmen.

So hatte Sartes Ceres und den anderen seine Informationen nicht weiterreichen können. Jetzt machte er sich um seine Schwester, seinen Vater, Anka und die Rebellion Sorgen, denn er wusste nicht, was mit ihnen geschehen würde, wenn sie das geeignete Tor nicht kannten. Würden sie ohne seine Hilfe einen Weg in die Stadt finden?

Waren sie in der Lage dazu gewesen, korrigierte sich Sartes selbst, denn in der Zwischenzeit musste die Sache irgendwie über die Bühne gegangen sein. Sie hatten ein anderes Tor oder einen anderen Weg in die Stadt gefunden, oder nicht? Sie mussten es einfach, denn was wäre sonst?

Sartes wollte nicht weiter darüber nachdenken, aber es war unmöglich, es zu ignorieren. Die Alternative wäre, dass sie gescheitert waren. Im besten Falle hatten sie erkannt, dass kein Weg hineinführte, ohne ein Tor einzunehmen. Dann hätten sie in der Falle gesessen, während die Armee vorgerückt wäre. Im schlimmsten Fall... im schlimmsten Fall waren sie jetzt alle tot.

Sartes schüttelte den Kopf. Er konnte es nicht glauben. Ceres würde einen Ausweg finden und gewinnen. Anka war so einfallsreich wie kein anderer. Sein Vater war stark und robust und die anderen Rebellen hatten die Willenskraft, die von dem Wissen herrührte, dass ihre Sache der Gerechtigkeit diente. Sie würden einen Weg finden, das durchzustehen.

Sartes musste außerdem glauben, dass seine derzeitige Lage nur vorübergehend war. Die Rebellen würden siegen, was bedeutete, dass sie Stephania kriegen und diese ihnen sagen würde, was sie getan hatte. Sie würden ihn finden, genauso wie sein Vater und Anka ihn in der Armee gefunden hatten.

Aber was für ein Ort das war, an dem sie ihn würden suchen müssen? Sartes blickte hinaus, während der Wagen durch die Landschaft polterte und sah, wie die Ebene einer Umgebung aus Felsen und Gräben und blubbernden Löchern, gefüllt mit schwarzer Hitze, wich. Selbst von hier konnte er den scharfen, bitteren Gestank des Teers riechen.

Dort arbeiteten Menschen in Reihen stehend. Sartes konnte die Fesseln sehen, die jeweils zwei aneinander ketteten, während sie den Teer mit Eimern schürften und aufsammelten, sodass andere ihn benutzen konnten. Er konnte sehen, wie die Wächter mit Peitschen über ihnen standen und in just diesem Augenblick sah Sartes, wie ein Mann unter den Hieben zusammenbrach. Die Wachen lösten seine Fesseln und stießen ihn in den nächstgelegenen Teergraben. Der Teer brauchte eine ganze Weile, um die Schreie des Mannes zu verschlucken.

Sartes wollte den Blick abwenden, doch er konnte es nicht. Er konnte seine Augen nicht von all dem Horror wenden. Von den Käfigen, die in der Luft baumelten und den Gefangenen offenbar als Unterkunft dienten. Von den Wachen, die sie wie Tiere behandelten.

Er beobachtete sie, bis der Wagen zu einem Halt kam und Soldaten ihnen die Tür des Wagens öffneten. Sie hielten eine Waffe in der einen Hand und Ketten in der anderen.

„Gefangene raus“, rief einer. „Raus oder wir setzen den Wagen mit euch darin in Brand, ihr Abschaum!“

Sartes schlürfte zusammen mit den anderen hinaus ans Licht. Nun konnte er das volle Ausmaß des Horrors erblicken. Die Dämpfe an diesem Wort waren kaum zu ertragen. Die Teergräben um sie blubberten seltsam und in unregelmäßigen Abständen. Sartes sah, wie ein Stück Boden in der Nähe einer der Gräben wegbrach und in den Teer stürzte.

 

„Das sind die Teergräben“, verkündete der Soldat, der bereits zuvor gesprochen hatte. „Versucht gar nicht erst, euch an sie zu gewöhnen. Ihr werdet lange davor das Zeitliche segnen.“

Während sie Sartes Handfesseln anlegten, dachte dieser, dass das Schlimmste an dem Gesagten war, dass sie damit Recht haben konnten.

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