Das Tournier Der Ritter

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Из серии: Ring der Zauberei #16
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KAPITEL FÜNF

Volusia, ganz in Gold gekleidet, stand hoch oben auf dem Podium und blickte die hundert goldenen Stufen hinab, di sie als eine Ode an sich selbst hatte errichten lassen, streckte ihre Arme aus und genoss den Augenblick. Soweit sie sehen konnte, waren die Straßen der Hauptstadt mit Bürgern des Empire gefüllt, die sich unter ihre Krieger mischten, all ihre neuen Adoranten, die sich vor ihr verneigten und mit ihren Köpfen im Licht des Sonnenaufgangs den Boden berührten. Alle sangen sie gemeinsam einen leisen, anhaltenden Rhythmus und nahmen an der Morgenanbetung teil, die sie ins Leben gerufen hatte. Ihre Minister und Generäle hatten die Bürger informiert – sie hatten die Wahl: Anbetung oder Tod. Sie war sich der Tatsache bewusst, dass sie sie im Augenblick nur anbeteten, weil sie keine Wahl hatten – doch bald würden sie es tun, weil sie es nicht anders kannten.

„Volusia, Volusia, Volusia“, sangen sie. „Göttin der Sonne und Göttin der Sterne. Mutter der Meere und Botin der Sonne“

Volusia sah sich um und bestaunte ihre neue Stadt. Überall waren goldene Statuen von ihr aufgestellt worden, so wie sie es ihren Männern befohlen hatte. In jedem Winkel der Hauptstadt stand ein goldenes Bildnis der neuen Göttin; wo immer man auch hinblickte, man musste sie sehen und sie anbeten.

Endlich war sie zufrieden. Endlich, war sie die Göttin, die das Schicksal sie zu sein auserkoren hatte.

Der Gesang erfüllte die Straßen genauso wie der Weihrauch, der auf jedem Altar für sie verbrannt wurde. Männer, Frauen und Kinder füllten die Straßen, verneigten sich Schulter an Schulter vor ihr, und sie hatte das Gefühl, dass sie es verdient hatte. Es war ein langer, harter Weg hierher gewesen, doch sie war ihn bis zur Hauptstadt gegangen, hatte sie eingenommen und die Armee des Empire, die sich ihr widersetzt hatte vernichtet. Jetzt, endlich, gehörte die Hauptstadt ihr.

Das Empire gehörte ihr.

Natürlich waren ihre Ratgeber anderer Meinung, doch Volusia interessierte sich nicht sonderlich dafür. Sie wusste, dass sie unbesiegbar war, irgendwo zwischen Himmel und Erde, und keine Macht dieser Welt konnte sie zerstören. Sie wusste, dass das erst der Anfang war. Sie wollte noch mehr Macht. Sie hatte vor, jedes Horn und jede Spitze des Empire zu besuchen und alle zu vernichten, die sich ihr widersetzen und ihre Alleinherrschaft nicht akzeptieren wollten. Sie würde eine immer größere Armee um sich scharen, bis sich jeder Winkel des Empire ihr unterwarf.

Bereit, den Tag zu beginnen, stieg Volusia langsam vom Podium herab, eine goldene Stufe nach der anderen. Sie streckte ihre Hände aus und die Bürger drängten sich vor, die Hände der lebenden Göttin, die unter ihnen wandelte, zu berühren. Einige der betenden ließen sich weinend vor ihr zu Boden fallen und bildeten einen Teppich, über den sie nur zu gerne ging. Endlich hatte sie ihr Volk. Und jetzt war es an der Zeit, in den Krieg zu ziehen.

*

Volusia stand hoch oben auf den Befestigungsanlagen die die Hauptstadt umgaben und spähte mit schicksalsschwangerem Gefühl zum Himmel über der Wüste hinauf.

Als sie den Blick senkte, sah sie überall die kopflosen Leichen der Männer, die sie getötet hatte – und darüber die Geier, die sich um ihr Fleisch stritten.

Die sanfte Brise auf den Zinnen trug den Gestank der Verwesung herüber. Das Gemetzel ließ sie lächeln. Diese Männer hatten gewagt, sich ihr zu widersetzen – und sie hatten den Preis dafür gezahlt.

„Sollten wir die Toten nicht begraben, meine Göttin?“, fragte eine Stimme.

Volusia sah sich um, und sah den neuen Kommandanten ihrer Armeen, Rory, einen Menschen, breitschultrig, muskulös und ausgesprochen gutaussehend. Sie hatte ihn ausgewählt, ihn über die anderen Generäle erhoben, denn er gefiel ihr – doch der entscheidende Grund war, dass er ein brillanter Kommandant war und bereit war, um jeden Preis zu siegen – genau wie sie.

„Nein“, antwortete sie ohne ihn anzusehen. „Ich will, dass sie unter der Sonne verrotten und die wilden Tiere sich an ihrem Fleisch laben. Ich will, dass alle hier wissen, was geschieht, wenn man sich der Göttin Volusia widersetzte.“

Er ließ den Blick über die Landschaft schweifen und schauderte.

„Wie Ihr wünscht, meine Göttin“, antwortete er.

Volusia betrachtete den Horizont als Koolian, ihr Zauberer, neben sie trat. Die Kapuze seines schwarzen Umhangs verdeckten die leuchtend grünen Augen und das warzige Gesicht der Kreatur, die ihr geholfen hatte, ihre Mutter umzubringen. Er war eines der wenigen Mitglieder ihres inneren Kreises, dem sie noch vertraute.

„Du weißt, dass sie da draußen sind“, erinnerte er sie sie. „Dass sie kommen werden. Ich kann sie schon spüren.“

„Ich auch“, sagte sie schließlich.

„Die Ritter der Sieben sind sehr mächtig, meine Göttin“, sagte Koolian. „Sie reisen mit einer Armee von Magiern – eine Armee, die selbst du nicht bezwingen kannst.“

„Und vergesst nicht Romulus Männer“, fügte Rory hinzu. „Den Berichten nach ist seine Million Mann starke Armee bereits an der Küste.“

Volusia starrte in die Weite hinaus und ließ die Stille in der Luft hängen, die nur vom Heulen des Windes unterbrochen wurde.

Schließlich sagte Rory.

„Ihr wisst, dass wir die Stadt nicht halten können. Hier zu bleiben bedeutet unser aller Tod. Wie lautet dein Befehl, Göttin? Sollen wir fliehen? Oder Kapitulieren?“

Volusia wandte sich ihm zu und lächelte.

„Wir werden feiern“, sagte sie.

„Feiern?“, fragte er schockiert.

„Ja, wir werden feiern“, sagte sie. „Bis zum Ende. Verstärkt die Tore der Stadt und öffnet die große Arena. Ich erkläre hundert Tage der Feierlichkeiten und der Spiele. Vielleicht werden wir sterben“, schloss sie lächelnd, „doch wir werden es mit einem Lächeln auf den Lippen tun.“

KAPITEL SECHS

Godfrey rannte durch die Straßen von Volusia. Gemeinsam mit Ario, Merek, Akorth und Fulton eilten Sie zum Stadttor bevor es zu spät war. Er war immer noch in Hochstimmung nach seiner Sabotage in der Arena, wo es ihm gelungen war einen Elefanten zu vergiften, und Dray zu Darius zu schicken, als er ihn am meisten gebraucht hatte. Dank seiner Hilfe und der Hilfe der Finianerin, Silis, hatte Darius gesiegt; Godfrey hatte das Leben seines Freundes gerettet, und es nahm ihm zumindest ein wenig der Last der Schuldgefühle von seinen Schultern. Natürlich handelte Godfrey aus dem Schatten heraus, wo er am besten war, denn Darius hätte aus dem unfairen Kampf selbst mit noch so viel Tapferkeit und Talent nicht als Sieger hervorgehen können – doch er hatte seinen Beitrag geleistet.

Doch jetzt ging alles schief; Godfrey hatte erwartet, dass er nach den Spielen Darius am Tor der Arena antreffen würde, um ihn befreien zu können. Er hatte nicht erwartet, dass Darius aus dem rückseitigen Tor hinausgebracht und durch die Stadt geführt werden würde. Nach seinem Sieg hatte die Menge der Zuschauer seinen Namen gerufen und die Zuchtmeister hatten sich von seiner Popularität bedroht gefühlt. Sie hatten einen Helden erschaffen, und sich dazu entschlossen, ihn so schnell wie möglich aus der Stadt heraus und zur Arena in der Hauptstadt zu bringen, bevor er eine Revolution auslösen konnte.

Jetzt rannten Godfrey und die anderen verzweifelt hinterher, um Darius zu erreichen, bevor er die Stadttore verließ und es zu spät war. Die Straße zur Hauptstadt war lang. Sie führte durch die Große Wüste und war streng bewacht; wenn er erst einmal die Stadt verlassen hatte, gab es für Godfrey keinen Weg, ihm zu helfen – und er musste ihn retten, sonst waren all seine Bemühungen umsonst gewesen.

Godfrey eilte schwer atmend durch die Straßen und Merek und Ario trieben Akorth und Fulton an, die keuchend hinter ihnen her stolperten.

„Komm weiter“, drängte Merek Fulton und zog ihn am Arm. Ario versetzte Akorth einen Stoß als er langsamer wurde und stöhnend lief er weiter.

Godfrey spürte, wie der Schweiß seinen Rücken hinunter lief, und wieder einmal verfluchte er jeden einzelnen Krug mit Bier, den er in den letzten Monden getrunken hatte. Doch der Gedanke an Darius zwang seine schmerzenden Beine weiterzulaufen, eine Straße nach der anderen entlang, bis sie schließlich durch ein großes steinernes Tor auf einem großen Platz ankamen. Etwa hundert Meter entfernt ragte das imposante Stadttor in die Höhe. Als Godfrey sah, wie die Riegel geöffnet wurden entfuhr ihm ein Schrei.

„NEIN!“

Von Panik ergriffen sah er zu, wie Darius Kutsche, ein Käfig auf Rädern, schwer bewacht von Empire-Kriegern, durch die offenen Tore rollte. Godfrey rannte schneller.

„Das schaffen wir nicht“, sagte Merek, die Stimme der Vernunft, und legte ihm die Hand auf den Arm.

Doch Godfrey schüttelte sie ab und rannte. Er wusste, dass es hoffnungslos war – die Kutsche war zu weit weg, zu gut bewacht, zu massiv – und doch rannte er, bis er nicht mehr konnte.

Er stand mitten auf dem Platz, beugte sich vornüber und keuchte, während Merek ihn zurückhielt.

„Wir können ihn nicht im Stich lassen!“, jammerte er.

Ario schüttelte den Kopf als er neben ihn trat.

„Er ist schon fort“, sagte er. „Wir müssen es ein andermal versuchen.“

„Wir werden ihn schon irgendwie zurückbekommen“, fügte Merek hinzu.

„Aber wie?“, fragte Godfrey verzweifelt.

Keiner von ihnen hatte eine Antwort als alle dastanden und zusahen, wie das Fallgitter hinter Darius herunterratterte.

Er konnte Darius Kutsche auf der Straße zur Hauptstadt durch das Gitter sehen. Die Staubwolke hinter der Kutsche ließ sie bald ganz aus dem Blick verschwinden, und Godfreys Herz brach – er hatte das Gefühl die letzte Person, die ihm etwas bedeutete, im Stich gelassen und seine eine Hoffnung auf Wiedergutmachung verloren zu haben.

Die Stille wurde vom aufgeregten Bellen eines Hundes zerrissen und Godfrey sah Dray aus einer Gasse kommen, der wild bellend und knurrend hinter seinem Herrn her rannte. Auch er wollte Darius retten, und als er das eiserne Fallgitter erreichte, sprang er dagegen, biss hinein und riss wütend daran.

 

Godfrey bemerkte erschrocken die Blicke der Wachen. Einer zog sein Schwert und ging auf den Hund zu – er wollte ihn offensichtlich töten.

Godfrey wusste nicht, was über ihn gekommen war, doch etwas in ihm übernahm die Kontrolle. Es war zu viel für ihn. Er konnte nicht noch mehr Ungerechtigkeit ertragen. Wenn er Darius schon nicht retten konnte, musste er wenigsten seinen geliebten Hund retten.

Godfrey hörte sich schreien und sah, wie er losrannte, als beobachtete er sich selbst von außerhalb seines Körpers. Mit einem unwirklichen Gefühl zog er sein Schwert und stürmte auf die arglose Wache zu. Als sich die Wache umdrehte, sah er, wie er ihr das Schwert ins Herz stieß.

Der riesige Empire-Krieger sah ungläubig zu Godfrey hinunter und riss seine Augen auf. Dann fiel er tot zu Boden.

Godfrey hörte einen Schrei und sah zwei Wachen auf sich zukommen. Sie rissen ihre Waffen hoch, und er wusste, dass er ihnen nicht gewachsen war. Er würde hier, an diesem Tor sterben – doch zumindest würde er in noblem Streben sterben.

Godfrey hörte ein Knurren und sah aus dem Augenwinkel, wie Dray sich auf die Wache über Godfrey stürzte. Er bohrte seine Zähne in den Hals des Mannes, warf ihn zu Boden und riss an seinem Hals bis er sich nicht mehr rührte.

Zur gleichen Zeit stürmten Merek und Ario vor und rammten ihre kurzen Schwerter der anderen Wache in den Bauch, die Godfrey von hinten angriff. Gemeinsam töten sie sie, bevor sie Hand an Godfrey legen konnte.

Schweigend standen sie da und Godfrey betrachtete das Blutvergießen, geschockt darüber, was er gerade getan hatte, geschockt über seinen eigenen Mut, als Dray zu ihm herüberkam und ihm die Hand leckte.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du zu sowas in der Lage bist“, sagte Merek bewundernd.

Godfrey stand sprachlos da.

„Ich selbst wusste es auch nicht. Ich bin mir nicht sicher was ich da gerade getan habe“, sagte er, und meinte es auch so, denn alles, was gerade geschehen war, war wie im Nebel. Er hatte nicht handeln wollen – er hatte es einfach getan. Er fragte sich, ob es trotzdem eine mutige Tat gewesen war.

Akorth und Fulton sahen sich ängstlich nach weiteren Empire-Kriegern um.

„Wir müssen hier weg!“, zeterte Akorth. „Sofort!“

Godfrey spürte, wie er geschoben und gezogen wurde. Er drehte sich um und folgte mit Dray den anderen, weg vom Tor, zurück nach Volusia und auf ein Schicksal zu, das nur Gott allein kannte.

KAPITEL SIEBEN

Darius lehnte sich gegen die eisernen Gitterstäbe. Seine Handgelenke waren mit Ketten an seine Füße gefesselt und sein Körper war übersäet mit Wunden und blauen Flecken, und ein Gefühl bleierner Schwere lag auf ihm. Während die Kutsche über die holprige Straße schaukelte, sah er durch die Gitterstäbe hindurch zum Himmel und fühlte sich verloren. Die Kutsche fuhr durch eine endlose, öde Landschaft die sich bis zum Horizont erstreckte. Es sah aus, als ob er am Ende der Welt angekommen war.

Das Dach der Kutsche bot ihm Schatten, doch die Sonne fiel durch die Gitterstäbe und er spürte die erdrückende Hitze der Wüste in Wellen aufsteigen, die ihn selbst im Schatten schwitzen ließ und ihm zu schaffen machte.

Doch Darius war alles egal. Sein Körper schmerzte und brannte vom Kopf bis zu den Zehen. Er konnte kaum seine Gliedmaßen bewegen, erschöpft von den Tagen endloser Kämpfe in der Arena. Unfähig zu schlafen, schloss er seine Augen und versuchte, die Erinnerungen zu verscheuchen, doch jedes Mal, wenn er es tat, sah er seine Freunde sterben – Desmond, Raj, Luci und Kaz. Sie waren alle gestorben, damit er leben konnte.

Er war der Sieger, hatte das Unmögliche erreicht – und doch bedeutete es ihm nichts. Er wusste, dass der Tod auf ihn wartete. Seine Belohnung war es, in die Hauptstadt verfrachtet zu werden, um in einer größeren Arena mit noch schlimmeren Gegnern zum Spektakel für die Massen zu werden. Die Belohnung für all das, für all seine Tapferkeit, würde letzten Endes der Tod sein.

Darius wäre lieber sofort gestorben als all das noch einmal durchzumachen. Doch er war nicht einmal dazu in der Lage – er war gefesselt, hilflos. Wie viel länger würde diese Qual noch andauern? Musste er zusehen, wie alles und jeder, den er liebte, starb, bevor er selbst sterben durfte?

Darius schloss wieder seine Augen, verzweifelt, die Erinnerungen auszulöschen, doch diesmal begegneten ihm Erinnerungen aus frühster Kindheit. Er spielte vor der Hütte seines Großvaters und wirbelte einen Stab herum. Er schlug immer wieder auf einen Baum ein, bis sein Großvater ihm schließlich den Stab abnahm.

„Hör auf mit Stöcken zu spielen“, hatte sein Großvater ihn gescholten. „Oder willst du die Aufmerksamkeit des Empire auf dich ziehen? Willst du, dass sie dich für einen Krieger halten?“

Sein Großvater zerbrach den Stock über seinem Knie und Darius hatte vor Wut gekocht. Das war mehr als ein Stock: das war sein allmächtiger Stab gewesen, die einzige Waffe, die er besaß. Der Stab hatte ihm alles bedeutet.

Ja, ich will, dass sie wissen, dass ich ein Krieger bin. Dafür will ich im Leben bekannt werden, hatte Darius gedacht.

Doch als sein Großvater sich abwandte und davonging, war er zu verängstigt gewesen, es laut auszusprechen.

Darius hatte den zerbrochenen Stab aufgehoben und die Stücke in Händen gehalten, und Tränen waren ihm dabei über die Wangen gelaufen. Eines Tages, hatte er geschworen, würde er Rache für alles nehmen – sein Leben, sein Dorf, ihre Situation, das Empire und alles, worüber er keine Kontrolle hatte.

Er würde sie alle vernichten. Und er würde als Krieger bekannt werden.

*

Darius wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als er erwachte, doch er bemerkte sofort, dass das grelle Licht des Morgens dem gedämpften Orange des Nachmittags kurz vor Sonnenuntergang gewichen war. Es war auch deutlich kühler. Seine Gliedmaßen waren steif und es viel ihm schwer, seine Position in der unbequemen Kutsche zu verändern. Die Pferde zuckelten endlos über den harten Wüstenboden und er hatte das Gefühl, dass die Gitterstäbe ihm unaufhörlich gegen den Schädel schlugen, was seinen Kopf vor Schmerz beinahe bersten ließ. Er rieb sich den Staub aus den Augen und fragte sich, wie weit es noch bis zur Hauptstadt war. Er hatte das Gefühl, als wären sie bereits jetzt bis ans Ende der Erde gereist.

Er blinzelte und sah sich um, und erwartete wie zuvor  nur einen leeren Horizont und die endlose Weite der Wüste zu sehen. Doch diesmal war er überrascht, etwas anderes zu sehen. Zum ersten Mal richtete er sich auf.

Die Kutsche fuhr langsamer und das Donnern der Hufe wurde leiser. Die Straße wurde ebener, und als er die Landschaft betrachtete, sah er etwas, was er nie vergessen würde: mitten aus der Wüste erhob sich die gigantische Stadtmauer gen Himmel, die sich bis zum Horizont zu erstrecken schien. Auf den Zinnen standen zahllose Empire-Krieger, und Darius wusste sofort, dass das die Hauptstadt war.

Die Musik der Straße veränderte sich zu einem hohlen, hölzernen Klang, und Darius sah, dass die Kutsche über eine Zugbrücke fuhr. Sie passierten hunderte von Kriegern, die auf der Brücke Wache standen und alle Haltung annahmen, als sie vorbeifuhren.

Ein lautes, metallisches Ächzen erklang und Darius sah, wie sich die riesigen goldenen Tore öffneten, als ob sie ihn verschlingen wollten. Hinter den Toren sah er das Glitzern der Stadt, schöner und großartiger als alles, was er bisher gesehen hatte. Doch ohne jeden Zweifel wusste er, dass es aus dieser Stad kein Entrinnen gab. Wie um seine Gedanken zu bestätigen, hörte Darius ein fernes Donnern, und erkannte es sofort; es war das Brüllen der Massen in der Arena, jener Arena, in der er dem Tod begegnen würde. Er hatte keine Angst davor, er betete nur zu Gott, dass er kämpfend mit dem Schwert in der Hand bei einem letzten Akt der Tapferkeit sterben durfte.

KAPITEL ACHT

Mit zitternden Händen zog Thorgrin ein letztes Mal am goldenen Seil. Angel klammerte sich an seinem Rücken fest und Schweiß lief ihm über das Gesicht als er endlich die Klippe überwunden hatte und sich auf die Knie fallen ließ, um wieder zu Atem zu kommen. Er drehte sich um und sah hunderte von Metern unter sich sein Schiff, das auf den Wellen tanzte und von hier oben winzig klein aussah. Er hörte das Stöhnen seiner Freunde, und als er sich umsah, sah er Reece und Selese, Elden und Indra, O’Connor und Matus, die sich ebenfalls über den Rand der Klippen der Insel des Lichts zogen.

Thor kniete mit müden Muskeln am Boden und sah sich um. Seine dunkle Vorahnung wurde stärker. Bevor er den schrecklichen Anblick sah, konnte er das Feuer riechen, dessen Qualm dick in der Luft lag, und die Asche schmecken. Er spürte die Hitze der immer noch schwelenden Glut, sah die Zerstörung, die die Kreaturen angerichtet hatten.

Die Insel war schwarz, verbrannt, zerstört, und von allem, was so idyllisch gewesen war, so uneinnehmbar, war nur noch Asche übrig.

Thorgrin rappelte sich auf und rief, während er über die schwelenden Hügel rannte. „GUWAYNE!“

Seine Stimme wurde von den sanften Hügeln zurückgeworfen, gerade so, als ob sie ihn verspotteten. Die Antwort war Schweigen.

Von irgendwo weit über ihm hörte er ein Kreischen, und als Thor aufblickte, sah er Lycoples, die ihre Kreise über ihnen zog. Sie tauchte zu ihm hinunter und flog dann auf die Mitte der Insel zu. Thor spürte, dass sie ihn zu seinem Sohn führte.

Thor rannte los, dicht gefolgt von den anderen. Während sie über die verbrannte Erde liefen, sahen sie sich suchend um.

„GUWAYNE!“, rief er wieder. „RAGON!“

Als Thor die Zerstörung der verkohlten Landschaft betrachtete, wuchs seine Überzeugung, dass hier nichts überlebt haben konnte. Diese sanften Hügel, einst so reich bewachsen mit Gras uns Bäumen, waren nun schwarz, verkohlt. Thor fragte sich, welche Kreaturen außer Drachen einen solchen Schaden anrichten konnten – und was noch viel wichtiger war, wer sie kontrollierte, wer sie hierher geschickt hatte – und warum. Warum war sein Sohn jemandem so wichtig, dass er eine ganze Armee auf ihn hetzte?

Thor blickte zum Horizont, hoffte darauf, ein Zeichen von Guwayne oder Ragon zu sehen, doch da war nichts. Stattdessen sah er nur hier und da ein Feuer, das noch nicht verloschen war.

Er wollte glauben, dass Guwayne irgendwie all das überlebt hatte. Doch er wusste nicht, wie. Wenn ein Zauberer, der so mächtig war wie Ragon, diese Mächte nicht aufhalten konnte, wie sollte er dann seinen Sohn beschützen?

Zum ersten Mal, seitdem er sich auf die Suche gemacht hatte, begann er, die Hoffnung zu verlieren.

Sie rannten immer weiter über die Hügel, und als sie die Spitze eines besonders hohen Hügels erreicht hatten, wies O’Connor aufgeregt mit dem Finger.

„Dort!“, rief er.

O’Connor deutete auf die Überreste eines alten Baumes, dessen Äste nun vom Feuer geschwärzt waren.

Als Thor genauer hinsah, sah er eine regungslose Gestalt darunter liegen. Er spürte sofort, dass es Ragon war – doch da war keine Spur von Guwayne.

Thor rannte voller Angst auf ihn zu und ließ sich neben ihn auf die Knie fallen. Hektisch sah er sich nach Guwayne um. Er hoffte, dass er ihn vielleicht verborgen unter Ragons Mantel finden würde, oder vielleicht in der Nähe, in einer Felsspalte.

Doch er war nirgendwo zu finden.

Thor drehte Ragon vorsichtig um. Sein Mantel war vom Ruß geschwärzt und er betete, dass er noch am Leben war. Als Ragons Augenlider flatterten, schöpfte Thor Hoffnung. Er schob seine Kapuze beiseite und erschrak, als er Ragons vom Feuer entstelltes Gesicht sah.

Ragon begann zu keuchen und hustete, und Thor konnte sehen, dass er um sein Leben kämpfte. Er war am Boden zerstört vom Leid, das er sah, dieser schöne Mann, der so gut zu ihnen gewesen war, sterbend, entstellt von den Flammen. Er musste Guwayne bis zuletzt verteidigt haben. Thor fühlte sich verantwortlich dafür.

„Ragon“, sagte er, und die Worte blieben ihm dabei fast im Hals stecken, „vergib mir.“

„Ich bin es, der um deine Vergebung bitten muss“, sagte Ragon mit heiserer Stimme. Er musste husten, bevor er fortfahren konnte. „Guwayne“, begann er und verstummte.

Thors Herz hämmerte in seiner Brust. Er wollte die folgenden Worte nicht hören, denn er rechnete mit dem Schlimmsten.

Wie sollte er jemals Gwendolyn wieder gegenübertreten?

„Sag mir“, bettelte Thor und legte Thor die Hände auf die Schultern. „Ist mein Junge noch am Leben?“

 

Ragon keuchte und versuchte zu Atem zu kommen. Thor bedeutete O’Connor, ihm den Wasserschlauch zu reichen; dann träufelte er vorsichtig etwas Wasser in den Mund und Ragon trank gierig. Er hustete wieder.

Schließlich schüttelte er den Kopf.

„Schlimmer“, sagte Ragon, und seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Der Tod wäre eine Gnade für ihn gewesen.“

Ragon verstummte und Thor bebte vor Anspannung während er darauf wartete, dass er wieder zu sprechen begann.

„Sie haben ihn mitgenommen“, fuhr er schließlich fort. „Sie haben ihn aus meinen Armen gerissen. Sie sind nur wegen ihm gekommen.“

Thor erstarrte, als er hörte, dass diese bösen Kreaturen sein Kind verschleppt hatten.

„Aber… wer war es?“, fragte Thor. „Wer steckt dahinter? Wer ist so mächtig, dir das anzutun? Ich dachte, dass deine Macht genau wie die von Argon nicht von Kreaturen dieser Welt bezwungen werden kann.“

Ragon nickte.

„Nicht von Kreaturen von dieser Welt“, sagte er. „Doch sie waren nicht von dieser Welt. Sie kamen nicht aus der Hölle, sondern von einem Ort, der noch viel finsterer ist: aus dem Land des Blutes.“

„Das Land des Blutes?“, fragte Thor irritiert. „Ich bin durch die Hölle gegangen“, fügte Thor hinzu. „Welcher Ort kann finsterer sein als die Hölle?“

Ragon schüttelte den Kopf.

„Das Land des Blutes ist mehr als nur ein Ort. Es ist ein Zustand. Das Böse dort ist finsterer und mächtiger als alles, was du dir vorstellen kannst. Es ist das Land des Lord des Blutes, und über die Generationen ist es immer finsterer und mächtiger geworden. Es herrscht Krieg zwischen den Reichen. Der uralte Kampf zwischen dem Licht und der Finsternis, dem Bösen. Sie wetteifern um die Macht. Und so leid es mir tut, Guwayne ist der Schlüssel – wer auch immer ihn hat, kann siegen, und die Herrschaft über die Welt erlangen. Für alle Zeit. Das hat Argon dir nie erzählt. Er konnte es dir noch nicht erzählen. Du warst noch nicht bereit, doch dafür hat er dich ausgebildet, für einen Krieg, der größer ist als alles, was du dir vorstellen kannst.“

Thor keuchte und versuchte, zu verstehen.

„Ich verstehe es nicht“, sagte er. „Sie wollten Guwayne nicht töten?“

Ragon schüttelte den Kopf.

„Viel schlimmer. Sie haben ihn in ihre Reihen aufgenommen, um ihn als das Dämonenkind aufzuziehen, das sie brauchen, um die Prophezeiung zu erfüllen, die alles Gute im Universum zerstören wird.“

Thor schwankte und sein Herz pochte, als er versuchte, alles zu verstehen.

„Dann werde ich ihn zurückholen“, sagte er entschlossen und sein Willen wuchs als er Lycoples hoch oben am Himmel schreien hörte – auch sie wollte Rache.

Ragon ergriff Thors Handgelenk. Für einen Mann, der im Sterben lag, hatte er noch erstaunliche Kraft. Er sah Thor mit einer Intensität im Blick in die Augen, die ihm Angst machte.

„Das kannst du nicht“, sagte er fest. „Das Land des Blutes ist zu mächtig, als dass ein Mensch dort überleben könnte. Der Preis es zu betreten ist zu hoch. Selbst mit all deiner Macht, glaube mir – es wäre dein sicherer Tod. Euer aller Tod. Du bist noch nicht mächtig genug. Du musst trainieren, deine Macht ausweiten. Jetzt zu gehen wäre Irrsinn. Du könntest deinen Sohn nicht zurückholen und ihr würdet alle sterben.“

Doch die Entschlossenheit in Thors Herz wuchs.

„Ich habe die tiefste Finsternis gesehen und mich den stärksten Mächten dieser Welt gestellt“, sagte Thorgrin. „Selbst meinem eigenen Vater. Und niemals habe ich mich der Angst ergeben. Ich werde vor diesem finsteren Lord nicht klein beigeben, wie groß seine Macht auch sein mag. Ich werde das Land des Blutes betreten, was immer es auch kosten mag. Es geht um meinen Sohn. Ich werde ihn zurückholen, oder beim Versuch sterben.“

Ragon schüttelte hustend den Kopf.

„Du bist noch nicht bereit“, sagte er keuchend. „Nicht bereit… du brauchst… Macht… du brauchst… den… Ring“, sagte er und spie hustend Blut.

Thor starrte ihn an – er musste wissen, was Ragon meinte, bevor er starb.

„Welcher Ring?“, fragte Thor. „Unsere Heimat?“

Lange Zeit war nur Ragons angestrengtes Atmen zu hören, bis er die Augen wieder ein wenig öffnete.

„Den… heiligen Ring.“

Thor packte Ragon bei den Schultern, verzweifelt um eine Antwort ringend, doch plötzlich spürte er, wie Ragons Körper erschlaffte. Sein Blick wandte sich starr gen Himmel und mit einem letzten Atemzug verließ ihn das Leben.

Ragon war tot.

Eine Welle des Schmerzes überwältigte Thor.

„NEIN!“ Thor warf den Kopf in den Nacken und sein Schrei stieg zum Himmel auf.

Er schluchzte und zitterte, als er Ragon zu sich heran zog, diesen so gütigen Mann, der sein Leben gegeben hatte, um seinen Sohn zu schützen.

Trauer und Schuldgefühle überwältigten ihn – und langsam aber sicher wuchs die Entschlossenheit in ihm.

Thor blickte zum Himmel auf und wusste, was er tun musste.

„LYCOPLES!“, schrie er. Es war der verzweifelte und schmerzvolle Schrei eines Vaters, voller Zorn, der nichts mehr zu verlieren hatte.

Lycoples hörte seinen Ruf. Sie schrie hoch oben am Himmel, und ihr Zorn kam Thors gleich. Langsam zog sie ihre Kreise und ließ sich immer weiter herabsinken, bis sie schließlich ein paar Meter neben Thor landete.

Ohne zu zögern rannte Thor zu ihr, sprang auf ihren Rücken und hielt sich an ihrem Hals fest. Wieder auf dem Rücken eines Drachen zu sitzen gab ihm neue Kraft.

„Warte!“, rief O’Connor. „Wohin gehst du?“

Thor blickte ihm in die Augen.

„Ins Land des Blutes“, antwortetet er, und fühlte sich sicherer denn je in seiner Entscheidung. „Ich werde meinen Sohn retten. Was auch immer es kosten mag.“

„Du wirst sterben“, sagte Reece mit ernster Stimme.

„Dann werde ich mit Ehre sterben“, antwortete Thor.

Thor blickte zum Horizont, wo er die kleinen Rauchwolken der Spur der Gargoyles sah, die langsam vom Wind aufgelöst wurden – und er wusste, wohin er gehen musste.

„Dann wirst du nicht allein gehen“, rief Reece. „Wir werden dir auf dem Schiff folgen und dich dort treffen.“

Thorgrin nickte, signalisierte Lycoples mit den Knien und schon schwang sie sich in die Lüfte.

„Nein Thorgrin!“, hörte er eine gequälte Stimme hinter sich.

Er wusste, dass es Angel war, und verspürte einen Anflug von Schuldgefühlen als er von ihr fort flog. Doch er konnte sich nicht umsehen. Sein Sohn lag vor ihm – und ob er nun leben würde oder nicht, er würde ihn finden – und die Verantwortlichen töten.

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