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Tausend und Ein Gespenst

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Als dieser Mann sich entfernt, hatte sich das Drama mit ihm entfernt. – Es blieben nur noch zwei gräßlich anzusehende Dinge in dem Keller: eine Leiche ohne Kopf und ein Kopf ohne Körper.

Ich neigte mich nun auch zu Herrn Ledru.

– Mein Herr, sagte ich zu ihm. ist es mir erlaubt mich zu entfernen, indem ich dabei für die Unterzeichnung des Protokolles zu Ihrer Verfügung bleibe?

– Ja, mein Herr, aber unter einer Bedingung.

– Welche?

– Daß Sie zu mir kommen, um das Protokoll zu unterzeichnen.

– Mit dem größten Vergnügen, mein Herr; aber wann das?

– Ungefähr in einer Stunde. Ich werde Ihnen mein Haus zeigen; es hat Scarron angehört, das wird Sie interessiren.

– Ich werde in einer Stunde bei Ihnen sein, mein Herr.

Ich grüßte und ging nun auch die Treppe wieder hinauf; auf der höchsten Stuft angelangt, warf ich einen letzten Blick in den Keller.

Sein Licht in der Hand, schlug der Doctor Robert die Haare des Kopfes zurück: – Es war der einer noch schönen Frau, – so viel als ich darüber urtheilen konnte, denn die Augen waren geschlossen, die Lippen zusammengezogen und blau.

– Dieser Einfaltspinsel von Jacquemin, sagte er, zu behaupten, daß ein abgeschlagener Kopf sprechen kann; – es sei denn, daß er das erfunden hat, um glauben zu lassen, daß er wahnsinnig wäre; – das wäre nicht so übel gespielt. Es wären dann mildernde Umstände vorhanden.

IV.
Das Haus Scarrons

Eine Stunde nachher war ich bei Herrn Ledru.

Der Zufall wollte, daß ich ihn auf dem Hofe antraf.

– Ah! sagte er, als er mich erblickte, da sind Sie; um so besser, es ist mir nicht unlieb mich ein wenig mit Ihnen zu unterhalten, bevor ich Sie unseren Tischgenossen vorstelle, denn Sie essen mit uns zu Mittag, nicht wahr?

– Aber, mein Herr, Sie werden mich entschuldigen.

– Ich nehme keine Entschuldigungen an; Sie fallen auf einen Donnerstag, um so schlimmer für Sie; der Donnerstag ist mein Tag; jeder, der am Donnerstage zu mir eintritt, gehört mir als volles Eigenthum an. Nach dem Mittagessen wird es Ihnen freistehen zu bleiben oder zu gehen. Ohne das Ereigniß von heute hätten Sie mich bei Tische gefunden, da ich unveränderlicher Weise um zwei Uhr zu Mittag esse. Ausnahmsweise werden wir heute um halb vier oder um vier Uhr essen. Pyrrhus, den Sie da sehen, – und Herr Ledru zeigte mir einen stattlichen Bullenbeißer, – Pyrrhus hat die Gemüthserschütrerung der Mutter Antoine benutzt, um sich der Hammelkeule zu bemächtigen; das war sein Recht; so daß man genöthigt gewesen ist eine andere von dem Fleischer zu holen. Ich sagte, daß mir das nicht allein Zeit gewähren würde, Sie meinen Gästen vorzustellen, sondern auch noch die, Ihnen einige Auskünfte über sie zu geben.

– Einige Auskünfte?

– Ja, es sind Personen, welche wie die des Barbier von Sevilla und Figaros nöthig haben, daß ihnen eine gewisse Erklärung über das Kostüm und den Charakter vorausgeht; – aber fangen wir zuerst mit dem Hause an.

– Wie ich glaube, mein Herr, haben Sie mir gesagt, daß es Scarron angehört hätte.

– Ja, hier verpflegte die zukünftige Gattin des Königs Ludwig des XIV. einstweilen, bis sie den nicht zu unterhaltenden Mann unterhielt, den armen Gelähmten, ihren ersten Gatten; – Sie werden ihr Zimmer sehen.

– Der Frau von Maintenon?

– Nein, der Madame Scarron; – verwechseln wir nicht; das Zimmer der Frau von Maintenon ist in Versailles oder in Saint- Cyr. – Kommen Sie.

Wir gingen eine große Treppe hinauf, und befanden uns in einem Corridor, der auf den Hof ging.

– Setzen Sie, sagte Herr Ledru zu mir, das geht Sie an, Herr Dichter; das ist der reinste Bombast, der im Jahre 1650 gesprochen wurde.

– Ah, ah! Die Karte der Zärtlichkeit.

– Die Zu- und Abnahme, von Scarron gezeichnet, und von der Hand seiner Frau mit Anmerkungen versehen; Nichts als das.

In der That, zwei Karten nahmen die Zwischenwände der Fenster ein.

Sie waren mit der Feder auf einen großen, auf eine Pappe geklebten Bogen Papier gezeichnet.

– Sie sehen, fuhr Herr Ledru fort, diese große blaue Schlange, das ist der Fluß der Zärtlichkeit; diese kleinen Taubenschläge, das sind die Weiler der kleinen Aufmerksamkeiten, Liebesbriefe, Geheimniß. Da ist das Wirthshaus der Sehnsucht, das Thal der Süßigkeiten, die Brücke der Seufzer, der ganz mit Ungeheuern, wie der der Armida bevölkerte Wald der Eifersucht. Endlich ist hier in Mitte des Sees, in welchem der Fluß entspringt, der Palast der vollkommenen Befriedigung, das ist das Ziel der Reise, der Zweck seines Laufes.

– Den Teufel, was sehe ich da, einen Vulkan?

– Ja; er verheert zuweilen die Gegend. Es ist der Vulkan der Leidenschaften.

– Er befindet sich nicht auf der Karte der Fräulein von Scudéry.

– Nein. Er ist eine Erfindung der Madame Paul Scarron. —

– Die Andere?

– Die Andere, ist die Abnahme. Wie Sie sehen, fließt der Fluß über; er ist durch die Thränen derer angeschwollen, welche seinen Ufern folgen. Hier sind die Weiler der Langenweile, das Wirthshaus des Mißvergnügens, die Insel der Reue. Das ist höchst sinnreich.

– Würden Sie die Güte haben, mich das abschreiben zu lassen?

– Ah! So viel als Sie wollen. Wollen Sie jetzt das Zimmer der Madame Scarron sehen?

– Ich glaube es wohl!

– Hier ist es.

Herr Ledru machte eine Thüre auf; er ließ mich vorausgehen.

– Es ist jetzt das meinige;– aber mit Ausnahme der Bücher, mit denen es überfüllt ist, – ist es so, wie es zu der Zeit seiner berühmten Besitzerin war; – es ist derselbe Alkoven, dasselbe Bett, dieselben Möbeln; diese Toiletten-Kabinette waren die ihrigen.

– Und das Zimmer Scarrons?

– O! Das Zimmer Scarrons befand sich auf dem andern Ende des Corridors; aber, was dieses betrifft, so müssen Sie darauf verzichten; – man betritt es nicht, – es ist das geheime Zimmer, – das Kabinet Blaubarts.

– Den Teufel!

– Dem ist so. – Auch ich habe meine Geheimnisse, obschon ich Maire bin; – aber kommen Sie, – ich will Ihnen etwas Anderes zeigen.

Herr Ledru ging mir voraus; – wir gingen die Treppe hinab und traten in den Salon.

Wie das ganze übrige Haus, hatte dieser Salon einen eigenthümlichen Charakter. Seine Tapete war von einem Papier, dessen ursprüngliche Farbe zu bestimmen schwer gewesen wäre; längs der ganzen Wand befand sich eine doppelte Reihe von Sesseln, vor denen eine Reihe von Stühlen stand, das Ganze von alter Stickerei; von Stelle zu Stelle standen Spieltische und Guéridons; dann in Mute von alle dem, wie der Leviathan in Mitte der Fische des Oceans, ein riesenhafter Arbeitstisch, der sich von der Wand an, an welche er eines seiner Enden stützte, bis auf den dritten Theil des Salons erstreckte, ein ganz mit Büchern, Broschüren und Journalen, unter welchen der Constitutionel, die Lieblingslectüre des Herrn Ledru, wie ein König den Vorrang hatte, bedeckter Arbeitstisch.

Der Salon war leer, die Gäste gingen in dem Garten spazieren, den man in seiner ganzen Ausdehnung durch die Fenster erblickte.

Herr Ledru ging gerade auf seinen Arbeitstisch zu und zog eine ungeheure Schublade auf, in welcher sich eine Menge kleiner Pakete gleich Saamenpacketen befanden. Die Gegenstände, welche diese Schublade enthielt, waren selbst in überschriebene Papiere eingewickelt.

– Sehen Sie, sagte er zu mir, da ist für Sie, den Geschichtsschreiber, noch etwas weit Merkwürdigeres, als die Karte der Zärtlichkeit. Es ist eine Sammlung von Reliquien, nicht von Heiligen, sondern von Königen.

In der That, jedes Papier enthielt einen Knochen, Haare des Kopfes oder des Bartes. – Es befand sich darunter eine Kniescheibe Karls des IX, der Daumen Franz des I., ein Stück von dem Schädel Ludwigs des XIV., eine Rippe Heinrichs des II, ein Wirbelbein Ludwigs des XV, Haare aus dem Barte Heinrich des IV, und Haare von dem Kopfe Ludwig des XIII. Jeder König hatte seinen Beitrag geliefert, und aus allen diesen Knochen hätte man bis auf weniges ein Skelet zusammensetzen können, das auf eine vollkommene Weise das der Französischen Monarchie vorgestellt hätte, welcher seit langer Zeit die Hauptgebeine fehlen.

Außerdem befand sich darunter ein Zahn Abeillard und ein Zahn Heloisens, zwei weiße Schneidezähne, welche sich vielleicht zu den Zeilen, wo sie mit ihren beben den Lippen bedeckt waren, in einem Kusse begegneten.

Woher rührte dieses Beinhaus?

Herr Ledru hatte die Ausgrabungen der Könige in Saint Denis geleitet, und aus jedem Grabe das genommen, was ihm beliebt hatte.

Herr Ledru ließ mir einige Augenblicke, um meine Neugierde zu befriedigen; als er hierauf sah, daß ich so ziemlich alle seine Überschriften die Musterung hatte passiren lassen, sagte er zu mir:

– Nun denn, wir haben uns genug mit den Todten beschäftigt, lassen Sie uns ein wenig zu den Lebendigen übergehen.

Und er führte mich an eines der Fenster, durch welches man, wie ich gesagt habe, die Aussicht auf den Garten hatte.

– Sie haben da einen herrlichen Garten, sagte ich zu ihm.

– Der Garten eines Pfarrers mit seiner Lindenallee, seiner Sammlung von Dahlias und Rosenstöcken, seinen Weinlauben und seinen Spaliren von Pfirsichen und Aprikosen. – Sie werden Alles das sehen; – aber lassen Sie uns für den Augenblick nicht mit dem Garten, sondern mit denen beschäftigen, welche darin spazieren gehen.

– Ah! Sagen Sie mir zuvörderst, wer dieser Herr Alliette, durch ein Anagramm Etteilla genannt, ist, welcher fragte, ob man sein wahres Alter oder nur das Alter wissen wollte, das er zu haben schiene; – es scheint mir, daß er ganz die fünf und siebenzig Jahre hat, welche Sie ihm gegeben haben.

– Ganz recht, antwortete mir Herr Ledru. – Ich fange mit ihm an. Haben Sie Hoffmann gelesen?

– Ja. . . warum?

– Nun denn! Er ist ein Mann Hoffmanns. Sein ganzes Lebenlang hat er die Karten und die Zahlen auf die Errathung der Zukunft anzuwenden gesucht; Alles was er besitzt, geht in dem Lottospiel verloren, in welchem er zuerst eine Terne gewonnen hatte, und worin er seitdem Nichts mehr gewonnen hat. Er hat Cagliostro und den Grafen von Saint-Germain gekannt: er behauptet zu ihrer Familie zu gehören, mit ihnen das Geheimniß und das Elixir eines langen Lebens gekannt zu haben. Wenn Sie ihn um sein wirkliches Alter fragen, so ist er zwei Hundert fünf und sechzig Jahre alt; er hat zuerst Hundert Jahre ohne Gebrechlichkeiten von der Regierung Heinrich II. bis zu der Regierung Ludwig XIV. gelebt; dann hatte er Dank seinem Geheimnisse, indem er immerhin in den Augen der gewöhnlichen Menschen starb, drei andere Veränderungen, jede von fünfzig Jahren vollzogen. In diesem Augenblicke beginnt er die vierte wieder, und ist dem zu Folge nur fünf und zwanzig Jahre alt. Die zwei Hundert und fünfzig ersten Jahre zählen nur noch als Erinnerung. Er wird auf diese Weise, und er sagt es ganz laut, bis zu dem jüngsten Gerichte leben. Im fünfzehnten Jahrhunderte hätte man Alliette verbrannt, und man hätte Unrecht gehabt; heut zu Tage begnügt man sich ihn zu bedauern, und man hat wieder Unrecht. Alliette ist der glücklichste Mensch auf der Erde; er spricht nur von Karten, Zaubereien, ägyptischen Wissenschaften des Thot, Geheimnissen der Isis. Er gibt über diese Gegenstände kleine Bücher heraus, welche Niemand liest, und die indessen ein Buchhändler, der eben so närrisch ist als er, unter dem Pseudonym, der vielmehr unter dem Anagramm Etteilla herausgibt; er hat immer seinen Hut voller Broschüren. Da, sehen Sie, er hält ihn unter seinem Arme, so sehr fürchtet er sich, daß man ihm seine kostbaren Bücher nehmen mögte. Betrachten Sie den Mann, betrachten Sie das Gesicht, betrachten Sie den Anzug, und sehen Sie, wie die Natur immer übereinstimmend ist, und wie genau der Hut zu dem Kopfe, der Mann zu dem Anzuge, das Wamms zu der Form paßt, wie Sie Romantiker sagen.

 

In der That, Nichts war wahrer. Ich musterte Alliette, er war in einen schmierigen, staubigen, abgeschabten Rock voller Flecken gekleidet; sein Hut mit wie lakirteß Leder glänzenden Rändern wurde oben übermäßig weit; er trug ein kurzes Beinkleid von schwarzem Kasimir, schwarze oder vielmehr fuchsige Strümpfe, und abgerundete Schuhe gleich denen der Könige, unter welchen er geboren zu sein behauptete.

Was den Körper anbelangt, so war er ein dicker kleiner Mann, untersetzt, das Gesicht einer Sphinx, verzerrt, breiter zahnloser Mund, der durch eine tiefe Furche angedeutet war, mit dünnen, langen und gelben Haaren, welche wie ein Heiligenschein um seinen Kopf herumflatterten.

– Er unterhält sich mit dem Abbé Moulle, sagte ich zu Herrn Ledru, der, welcher uns bei unserer Untersuchung von heute Morgen begleitete, eine Untersuchung, auf welche wir zurückkommen werden.

– Und warum sollten wir wieder darauf zurückkommen? fragte mich Herr Ledru, indem er mich neugierig anblickte.

– Weil, entschuldigen Sie mich, aber Sie haben an die Möglichkeit zu glauben geschienen, daß dieser Kopf gesprochen hätte.

– Sie sind Physiognom. Nun denn! es ist wahr, ich glaube daran; ja, wir werden von alledem wieder sprechen, und wenn Sie neugierig auf Geschichten der Art sind, so finden Sie hier Jemand, mit dem Sie darüber sprechen können. Aber gehen wir auf den Abbé Moulle über.

– Er muß im Umgange ein angenehmer Mann sein, unterbrach ich ihn; das Sanfte seiner Stimme, als er auf die Fragen des Polizeicommissärs antwortete, hat mich überrascht.

– Nun denn! Sie haben dieses Mal wieder richtig gerathen. Moulle ist seit vierzig Jahren mein Freund, und er ist sechszig alt; wie Sie sehen, ist er eben so sauber und sorgfältig gekleidet, als Alliette verschabt, schmierig und schmutzig ist; er ist im höchsten Grade ein Mann von Welt, und in der Gesellschaft des Faubourg Saint Germain sehr gern gesehen; er ist es, der die Söhne und die Töchter der Pairs von Frankreich verheirathet; diese Verheiratungen sind für ihn die Veranlassung kleine Reden zu halten, welche die sich Verheirathenden drucken lassen und sorgfältig in der Familie aufbewahren. – Er wäre beinahe Bischof von Clermont geworden. – Wissen Sie, worum er es nicht geworden ist? weil er ehedem ein Freund Cazotte gewesen ist, kurz weil er, wie Cazotte an das Bestehen höherer und niederer Geister, guter und böser Genien glaubt; wie Alliette, sammelt er Bücher. – Sie werden bei ihm Alles finden, was über Gesichter und Erscheinungen, über Gespenster und Geister geschrieben ist, – obgleich er, ausgenommen unter Freunden, schwer über alle diese Dinge spricht, die nicht durchaus orthodox sind. – Kurz, er ist ein überzeugter, aber vorsichtiger Mann, der Alles das, was sich Außergewöhnliches auf dieser Welt zuträgt, der Macht der Hölle oder der Vermittelung himmlischer Geister zuschreibt. – Wie Sie sehen, hört er schweigend das an, was Alliette ihm sagt, – scheint irgend einen Gegenstand zu betrachten, den sein Begleiter nicht sieht, und dem er von Zeit zu Zeit durch eine Bewegung der Lippen oder ein Nicken des Kopfes antwortet. Zuweilen verfällt er mitten in unserer Gesellschaft plötzlich in eine finstere Träumerei, – schaudert, zittert, wendet den Kopf um und geht in dem Salon auf und ab. In diesem Falle muß man ihn gehen lassen; es wäre vielleicht gefährlich ihn zu wecken, – ich sage zu wecken, denn ich glaube, daß er dann in dem Zustande des Somnambulismus ist. Außerdem erwacht er von selbst, und, wie Sie sehen werden, hat er in diesem Falle ein liebenswürdiges Erwachen.

– O! aber, sagen Sie doch, äußerte ich Herrn Ledru, es scheint mir, daß er so eben einen jener Geister beschworen hat, von denen Sie mir vorhin erzählten?

Und ich zeigte meinem Wirthe mit dem Finger ein wahrhaft wanderndes Gespenst, das die beiden Plaudernden eingeholt hatte, und das vorsichtig seinen Fuß zwischen die Blumen stellte, auf denen es gehen zu können schien, ohne sie zu beugen.

– Dieser da, sagte er zu mir, ist noch einer meiner Freunde, der Chevalier Lenoir.

– Der Errichter des Museums des Petits Augustins?. . .

– Er selbst. Er stirbt vor Kummer über die Zerstreuung seines Museums, für welches er im Jahre 93 und 94 zehn Male beinahe umgebracht worden ist. Die Restauration hat es mit ihrem gewöhnlichen Geiste schließen lassen, – mit dem Befehle, die Monumente den Gebäuden zurückzugeben, denen sie angehörten und den Familien, welche Rechte hatten sie zurückzufordern. – Unglücklicher Weise waren die meisten Monuments zerstört, die meisten Familien waren ausgestorben, so daß die merkwürdigsten Fragmente unserer alterthümlichen Bildhauerkunst, und dem zu Folge unserer Geschichte, zerstreut, verloren gegangen sind. So geht Alles von unserem alten Frankreich unter; es blieben nur noch diese Fragmente, und von diesen Fragmenten wird bald nichts mehr übrig bleiben, und wer sind die, welche zerstören? Die selbst, die das meiste Interesse für die Erhaltung haben sollten.

Und, so liberal er auch war, wie man zu jener Zeit sagte, Herr Ledru stieß einen Seufzer aus.

– Sind das alle Ihre Gäste? fragte ich Herrn Ledru.

– Wir werden vielleicht den Doctor Robert haben. Ueber diesen sage ich Ihnen nichts, ich glaube, daß Sie ihn beurtheilt haben. Er ist ein Mann, der sein ganzes Leben lang Versuche an der menschlichen Maschine angestellt hat, wie er es an einer Gliederpuppe gethan hätte, ohne zu ahnen, daß diese Maschine eine Seele hat, um die Schmerzen zu begreifen, und Nerven, um sie zu fühlen. Er ist ein Lebemann, der eine große Anzahl Todte gemacht hat. Dieser glaubt, zum Glück für ihn, nicht an Gespenster. Er ist ein mittelmäßiger Kopf, der geistreich zu sein meint, weil er lärmend ist, Philosoph, weil er Gottesleugner ist; er ist einer jener Männer, die man empfängt, nicht um sie zu empfangen, sondern weil sie zu uns kommen. Sie dort zu holen, wo sie sind, das wird uns niemals einfallen.

– O! mein Herr, wie gut ich diese Menschenklasse kenne!

– Wir sollten noch einen andern Freund von mir haben, der nur weit jünger als Alliette, als der Abbé Moulle und der Chevalier Lenoir ist, der zugleich Alliette über die Wahrsagerei, Moulle über die Lehre von den Geistern, und dem Chevalier Lenoir über die Alterthümer die Spitze bietet; eine lebendige Bibliothek, ein in eine Christliche Haut gebundener Katalog, den Sie sogar kennen müssen.

– Den Bibliophilen Jakob?

– Ganz recht.

– Und er wird nicht kommen?

– Er ist zum Mindesten nicht gekommen, und da er weiß, daß wir gewöhnlich um zwei Uhr essen, und es auf vier Uhr geht, so ist keine Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß er zu uns kömmt. – Er ist auf der Aufsuchung irgend einer alten, im Jahre 1570 in Amsterdam gedruckten Scharteke. Eine Urausgabe mit drei Druckfehlern, einen auf dem ersten Blatte, einen auf dem siebenten und einen auf dem letzten.

In diesem Augenblicke machte man die Thür des Salons auf und die Mutter Antoine erschien.

– Das Essen ist angerichtet, meldete sie.

– Geschwind, meine Herren, sagte Herr Ledru, indem er nun auch die Thür des Gartens aufmachte, zu Tische, zu Tische.

Indem er sich hierauf nach mir umwandte, sagte er zu mir:.

– Jetzt muß sich noch irgendwo in dem Garten außer den Gästen, welche Sie sehen und deren Geschichte ich Ihnen geschildert habe, ein Gast befinden, den Sie nicht gesehen und von dem ich nicht gesprochen habe. Dieser ist zu fern von den Dingen dieser Welt, um die rohe Aufforderung gehört zu haben, die ich so eben gemacht, und dem alle unsere Freunde Folge leisten, wie Sie sehen. Suchen Sie, das geht Sie an: wenn Sie eine Immaterialität, eine Durchsichtigkeit, eine Erscheinung, wie die Deutschen sagen, gefunden haben werden, so werden Sie Sich nennen und versuchen sie zu überreden, daß es gut sei, zuweilen zu essen, wäre es auch nur, um zu leben; Sie werden ihr Ihren Arm anbieten und sie zu uns führen; gehen Sie.

Ich gehorchte Herrn Ledru, indem ich errieth, daß der liebenswürdige Mann, den ich in einigen Minuten gewürdigt hatte, mir irgend eine angenehme Überraschung vorbehielt, und ich ging in den Garten, indem ich um mich blickte.

Die Nachforschung dauerte nicht lange, und ich erblickte bald das, was ich suchte.

Es war eine in dem Schatten einer Linde sitzende Frau, von der ich weder das Gesicht noch die Gestalt sah; das Gesicht, weil es nach der Seite des Feldes gerichtet war; die Gestalt, weil sie in einen großen Shawl gehüllt war.

Sie war ganz schwarz gekleidet.

Ich näherte mich ihr, ohne daß sie eine Bewegung machte. Das Geräusch meiner Schritte schien nicht bis zu ihrem Ohre zu gelangen; man hätte sagen können, daß sie eine Statue wäre.

Uebrigens war Alles das, was ich von ihrer Person erblickte, anmuthig und ausgezeichnet.

Von Weitem hatte ich bereits gesehen, daß sie blond war. Ein Strahl der Sonne, der durch das Laub der Linden fiel, spielte auf ihren Haaren, und machte aus Ihnen einen goldigen Heiligenschein; in der Nähe konnte ich die Feinheit ihrer Haare bemerken, die mit jenen seidenen Fäden gewetteifert hätten, welche die ersten Herbstwinde von dem Mantel der Jungfrau abnehmen; ihr Hals rundete sich, um ihrem Kopf zu helfen, sich auf ihre rechte Hand zu stützen, deren Ellbogen sich auf die Lehne des Stuhles stützte, während ihr linker Arm an ihrer Seite herabhing, indem er mit der Spitze seiner zarten Finger eine weiße Rose hielt. Der wie der eines Schwanes gerundete Hals, die zurückgeschlagene Hand, der herabhängende Arm, alles das war von derselben matten Weiße. – Man hätte sie für einen Marmor von Paros, ohne Adern auf der Oberfläche, ohne Pulse im Innern halten können; die Rose, welche zu verwelken begann, war weit röther und weit lebendiger, als die Hand, die sie hielte.

Ich betrachtete sie einen Augenblick lang, und je mehr ich sie betrachtete, desto mehr schien es mir, daß es kein lebendes Wesen wäre, welches ich vor Augen hatte.

Ich war so weit gekommen zu zweifeln, daß wenn ich sie anrede, sie sich umwenden würde. Zwei bis drei Male öffnete sich mein Mund und schloß sich wieder, ohne ein Wort ausgesprochen zu haben. Endlich entschloß ich mich.

– Madame, sagte ich zu ihr.

Sie erbebte, wandte sich um, betrachtete mich voller Erstaunen, wie es Jemand thut, der aus einem Traume erwacht und seine Gedanken sammelt.

Ihre großen schwarzen, auf mich gehefteten Augen, – sie hatte zu den blonden Haaren, die ich beschrieben, schwarze Augenbrauen und Augen, – ihre großen schwarzen, auf mich gehefteten Augen hatten einen seltsamen Ausdruck.

Während einiger Sekunden blieben wir ohne uns anzureden; – sie, indem sie mich anblickte, ich, indem ich sie betrachtete.

Es war eine Frau von zwei und dreißig bis drei und dreißig Jahren, die von wundervoller Schönheit gewesen sein mußte, bevor ihre Wangen hohl geworden, bevor die Farbe ihrer Haut erbleicht war; – übrigens fand ich sie so, mit ihrem bleichen Gesichte vollkommen schön, das von derselben Farbe als ihre Hand ohne irgend einen Schimmer von Roth war, wodurch ihre Augen kohlschwarz, ihre Lippen von Korallen schienen.

 

– Madame, wiederholte ich, Herr Ledru behauptet, daß wenn ich Ihnen sagte, daß ich der Verfasser von Heinrich II., von Christine und von Antony bin, Sie mich als vorgestellt halten und meinen Arm bis zu dem Speisesaale annehmen würden.

– Verzeihung, mein Herr, sagte sie, Sie sind seit einem Augenblicke hier, nicht wahr? – Ich habe Sie kommen fühlen, – aber ich vermogte nicht mich umzuwenden; – das begegnet mir zuweilen, wenn ich nach gewissen Seiten sehe. Ihre Stimme hat den Zauber gebrochen, so geben Sie mir denn Ihren Arm und lassen Sie uns gehen.

Sie stand auf und legte ihren Arm unter den meinigen; aber kaum, obgleich sie sich keineswegs Zwang anzuthun schien, fühlte ich den Druck dieses Armes.

Man hätte sie für einen Schatten halten können, der an meiner Seite ging.

Wir kamen in den Speisesaal, ohne, weder der eine noch die andre, ein Wort weiter gesprochen zu haben.

Zwei Plätze waren an dem Tische vorbehalten.

Einer zur Rechten des Herrn Ledru für sie, einer ihr gegenüber für mich.

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