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Tausend und Ein Gespenst

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II.
Die Sackgasse des Sergens

Mit dem letzten Schlage der Glocke vereinigte sich der Klang der ersten Worte des Maires.

– Jacquemin, sagte er, ich hoffe, daß die Mutter Antoine närrisch ist; sie hat mir in Deinem Auftrage gesagt, daß Deine Frau gestorben sei, und daß du sie umgebracht hättest.

– Es ist die reine Wahrheit, Herr Maire, antwortete Jacquemin. Sie müssen mich in das Gefängniß führen und mich schnell richten lassen.

Und indem er diese Worte sagte, versuchte er sich aufzurichten, indem er sich mit seinen Ellbogen an die Höhe des Ecksteines klammerte; aber nach einer Anstrengung sank er wieder zurück, wie als ob die Knochen seiner Beine gebrochen gewesen wären.

– Geh doch,! Du bist närrisch, sagte der Maire.

– Betrachten Sie meine Hände, antwortete er.

Und er erhob zwei blutige Hände, denen ihre krampfhaft zusammengezogenen Finger das Ansehn von zwei Krallen verliehen.

In der That, die Linke war roth bis über die Faust, die Rechte bis an den Ellbogen.

Außerdem floß an der rechten Hand ein Streifen frischen Blutes an der ganzen Länge des Daumens herab, der von einem Bisse herrührte, den das Opfer aller Wahrscheinlichkeit nach ihrem Mörder versetzt hatte, indem sie sich wehrte.

Während dieser Zeit hatten sich die beiden Gendarmen genähert, waren zehn Schritte weit von der Hauptperson stehen geblieben, und betrachteten von der Höhe ihrer Pferde das, was sich zutrug.

Der Maire gab ihnen einen Wink; sie stiegen ab, warfen den Zügel ihrer Pferde einem Gassenbuben zu, der mit einer Soldatenmütze bedeckt war, und ein Soldatenkind zu sein schien.

Worauf sie sich Jacquemin näherten, und ihn unter den Armen aufhoben.

Er ließ es sich ohne irgend einen Widerstand und mit der Schlaffheit eines Mannes gefallen, dessen Geist mit einem einzigen Gedanken beschäftigt ist.

In demselben Augenblicke kam der Polizeicommissär und der Arzt, sie waren von dem benachrichtigt worden, was sich zutrug.

– Ah! kommen Sie, Herr Robert! – Ah! kommen Sie, Herr Cousin! sagte der Maire.

Herr Robert war der Arzt, Herr Cousin war der Polizeicommissär.

– Kommen Sie; ich stand im Begriffe, Sie holen zu lassen.

– Nun denn! sagen Sie an, was gibt es? fragte der Arzt mit der lustigsten Miene von der Welt. – Ein kleiner Mord, wie man sagt?

Jacquemin antwortete Nichts.

– Sagen Sie doch. Vater Jacquemin, fuhr der Doctor fort, ist es etwa wahr, daß Sie Ihre Frau umgebracht haben?

Jacquemin sagte kein Wort.

– Zum Mindesten hat er sich dessen selbst angeklagt, sagte der Maire, – indessen hoffe ich noch, daß es ein Augenblick der Verblendung und kein wirkliches Verbrechen ist, das ihn sprechen läßt.

– Jacquemin, sagte der Polizeicommissär, antworten Sie. Ist es wahr, daß Sie Ihre Frau getödtet haben?

Dasselbe Schweigen.

– In jedem Falle werden wir es wohl sehen, sagte der Doctor Robert, wohnt er nicht in der Sackgasse des Sergens?

– Ja, antworteten die beiden Gendarmen.

– Nun denn! Herr Ledru, sagte der Doctor, indem er sich an der Maire wandte, lassen Sie uns nach der Sackgasse des Sergens gehen.

– Ich gehe nicht dorthin; – ich gehe nicht dorthin, rief Jacquemin aus, indem er sich den Händen der Gendarmen mit einer so gewaltsamen Bewegung entriß, daß, wenn er hätte fliehen wollen, er zuverlässig Hundert Schritte weit gewesen wäre, bevor Jemand daran gedacht hätte, ihn zu verfolgen.

– Aber warum willst Du nicht dorthin gehen? fragte der Maire.

– Wozu habe ich nöthig dorthin zu gehen, da ich Alles gestehe, – da ich Ihnen sage, daß ich sie umgebracht habe, mit diesem großen zweihändigen Schwerdte umgebracht, das ich im vorigen Jahre aus dem Artilleriemuseum genommen habe? Führen Sie mich in's Gefängniß, – ich habe dort Nichts zu thun, führen Sie mich in's Gefängniß.

Der Doctor und Herr Ledru sahen einander an.

– Mein Freund, sagte der Polizeicommissär, welcher, wie Herr Ledru noch hoffte, daß Jacquemin unter dein Einflusse irgend einer augenblicklichen Verwirrung des Verstandes wäre, – mein Freund, die Confrontation ist durchaus nothwendig; – außerdem müssen Sie dort sein, um die Gerechtigkeit zu leiten.

– In was hat die Gerechtigkeit nöthig geleitet zu sein? sagte Jacquemin; Sie werden die Leiche in dem Keller finden, – und neben der Leiche den Kopf auf einem Gypssacke; – was mich anbetrifft, so führen Sie mich in das Gefängniß.

– Es ist nothwendig, daß Sie mitgehen, sagte der Polizeicommissär.

– O! mein Gott! mein Gott! wenn ich gewußt hätte. . .

– Nun denn! was hättest Du gethan?

– Nun denn! ich hätte mich umgebracht.

Herr Ledru schüttelte den Kopf, und indem er sich mit dem Blicke an den Polizeicommissär wandte, schien er ihm zu sagen: dahinter steckt irgend etwas.

– Mein Freund, begann er wieder, indem er sich an den Mörder wandte, sag an, erkläre mir das.

– Ihnen, ja, Alles, was Sie wollen, Herr Ledru, fragen Sie, verhören Sie.

– Wie kömmt es, daß Du, da Du den Muth gehabt hast, den Mord zu begehen, nicht den hast, Dich Deinem Opfer wieder gegenüber zu befinden? Es hat sich also irgend Etwas zugetragen, das Du uns nicht sagst?

– O! ja! irgend etwas Schreckliches.

– Nun denn! laß hören, erzähle.

– O! nein, Sie würden sagen, daß es nicht wahr sei; Sie würden sagen, daß ich närrisch wäre.

– Gleich viel! was hat sich zugetragen? sage es mir.

– Ich will es Ihnen sagen, aber Ihnen.

Er näherte sich Herrn Ledru. Die beiden Gendarmen wollten ihn zurückhalten, aber der Maire gab ihnen einen Wink, und sie ließen den Gefangenen frei.

Außerdem, wenn er auch hätte entfliehen wollen, so war die Sache unmöglich geworden; die Hälfte der Bevölkerung von Fontenay-aux-Roses versperrte die Straße Diana und die Große Straße.

Wie ich gesagt, näherte sich Jacquemin dem Ohre des Herrn Ledru.

– Glauben Sie, Herr Ledru, fragte Jacquemin mit leiser Stimme, glauben Sie, daß ein Kopf sprechen kann, sobald er einmal von dem Körper getrennt ist?

Herr Ledru stieß einen Ausruf aus, der einem Schreie glich, und erbleichte sichtlich.

– Glauben Sie es? Sagen Sie, wiederholte Jacques min. Herr Ledru überwandt sich und sagte:

– Ja, ich glaube es.

– Nun denn!. . . Nun denn!. . . er hat gesprochen.

– Wer?

– Der Kopf. . . der Kopf Johannas.

– Du sagst?

– Ich sage, daß er die Augen aufgemacht hatte, – ich sage, daß er die Lippen bewegt hat. Ich sage, daß er mich angeblickt hat. Ich sage, daß er, indem er mich anblickte, mich einen Elenden genannt hat!

Indem er diese Worte sagte, welche er nach seiner Absicht Herrn Ledru ganz allein sagen wollte, und die indessen von Jedermann gehört werden konnten, war Jacquemin entsetzlich.

– O! eine schöne Aufschneiderei, rief der Doctor lachend aus; er hat gesprochen. . . ein abgeschlagener Kopf hat gesprochen! Gut, gut, gut!

Jacquemin wandte sich um.

– Wenn ich es Ihnen sage, äußerte er.

– Nun denn! sagte der Polizeicommissär, ein Grund mehr, daß wir uns nach dem Orte begeben, wo das Verbrechen begangen worden ist. Gendarmen, führen Sie den Gefangenen fort.

Jacquemin stieß einen Schrei aus, indem er sich sträubte.

– Nein, nein, sagte er, Sie mögen mich in Stücken zerhauen, wenn Sie wollen, aber ich werde nicht hingehen.

– Kommen Sie, mein Freund, sagte Herr Ledru. Wenn es wahr ist, daß Sie das schreckliche Verbrechen begangen haben, dessen Sie Sich anklagen, so wird das schon eine Buße sein. Außerdem, fügte er hinzu, indem er leise sprach, ist der Widerstand nutzlos; wenn Sie nicht gutwillig hingehen wollen, – so führen sie Sie mit Gewalt dorthin.

– Nun denn! dann, sagte Jacquemin, – ich will es thun, aber versprechen Sie mir eines, Herr Ledru.

– Was?

– Während der ganzen Zeit, daß wir in dem Keller sein werden, – werden Sie mich nicht verlassen.

– Nein.

– Sie werden mich Ihre Hand halten lassen?

– Ja.

– Wohlan, sagte er, lassen Sie uns gehen.

Und indem er ein carrirtes Schnupftuch aus seiner Tasche zog, trocknete er sich seine mit Schweiß bedeckte Stirn ab.

Man ging nach der Sackgasse des Sergens.

Der Polizeicommissär und der Doctor gingen voraus, dann Jacquemin und die beiden Gendarmen.

Hinter ihnen kam Herr Ledru und die beiden Männer, welche zu gleicher Zeit, als er, an seiner Thüre erschienen waren.

Dann folgte wie ein Strom voller Wogen und Getöse die ganze Bevölkerung, unter welche ich gemischt war.

Nach Verlauf von ungefähr einer Minute des Weges kamen wir in der Sackgasse des Sergens an. – Es war eine kleine, zur Linken der Großen Straße gelegene Gasse, welche Berg unter bis an ein großes verfallenes hölzernes Thor führte, das sich zugleich durch zwei Flügel und eine kleine, in einem der großen Flügel angebrachte Pforte öffnete.

Diese kleine Pforte hielt nur noch an einer Angel.

Auf den ersten Blick schien Alles ruhig in diesem Hause; ein Rosenstock blühte an der Thüre, und neben dem Rosenstocke wärmte sich voll Behaglichkeit auf einer steinernen Bank eine große rothgelbe Katze in der Sonne.

Indem sie alle diese Leute erblickte, indem sie allen diesen Lärm hörte, bekam sie Furcht, entfloh und verschwand durch ein Kellerloch.

An der Thüre angelangt, welche wir beschrieben haben, blieb Jacquemin stehen.

Die Gendarmen wollten ihn mit Gewalt eintreten lassen.

– Herr Ledru, sagte er, indem er sich umwandte, Herr Ledru, Sie haben versprochen, mich nicht zu verlassen.

– Nun denn! hier bin ich, antwortete der Maire.

– Ihren Arm, Ihren Arm.

Und er wankte, wie als ob er dem Fallen nahe gewesen wäre.

Herr Ledru näherte sich, gab den beiden Gendarmen einen Wink, den Gefangenen loszulassen und reichte ihm den Arm.

 

– Ich stehe für ihn sagte er.

Es war augenscheinlich, daß Herr Ledru in diesem Augenblicke nicht mehr der Maire der Gemeinde war, der die Bestrafung eines Verbrechens verfolgte, sondern ein Philosoph, der das Gebiet des Unbekannten erforschte.

Nur war sein Führer bei dieser seltsamen Erforschung, ein Mörder.

Der Doctor und der Polizeicommissär traten zuerst ein, dann Herr Ledru und Jacquemin; hierauf die beiden Gendarmen, dann einige Bevorrechtigte, unter deren Zahl ich mich Dank der Berührung befand, die ich mit den Herren Gendarmen gehabt hatte, für welche ich bereits kein Fremder mehr war, da ich die Ehre gehabt hatte, ihnen in der Ebene zu begegnen und ihnen meinen Waffenpaß zu zeigen.

Die Thüre wurde vor der übrigen Bevölkerung wieder geschlossen, welche murrend außerhalb blieb.

Man ging nach der Thüre des kleinen Hauses.

Nichts deutete das schreckliche Ereigniß an, das sich in ihm zugetragen hatte; Alles war an seinem Platze: das Bett von grüner Sarsche in seinem Alkoven; an dem Kopfende des Bettes das Crucifix von schwarzem Holze mit einem vertrockneten Zweige von Buchsbaum von dem letzten Osterfeste. – Auf dem Kamin ein Jesuskind von Wachs, das unter Blumen zwischen zwei ehedem versilberten Leuchtern aus der Zeit Ludwig XVI. lag; an der Wand vier illuminirte Kupferstiche in Rahmen von schwarzem Holz, welche die vier Welttheile vorstellten.

Ein Tisch war gedeckt, in dem Kamine kochte ein Fleischtopf, und neben ein Kuckuck, an welchem es halb schlug, stand ein Brodschrank offen.

– Nun denn! sagte der Doctor in seinem lustigen Tone, bis jetzt sehe ich Nichts.

– Schlagen Sie die Thüre zur Rechten ein, murmelte Jacquemin mit dumpfer Stimme.

Man folgte der Andeutung des Gefangenen und befand sich in einer Art von Vorratskammer, in deren Ecke sich eine Fallthüre öffnete, an deren Mündung ein Lichtschein zitterte, der von unten kam.

– Dort, dort, murmelte Jacquemin, indem er sich mit der einen Hand an den Arm des Herrn Ledru klammerte, und mit der andern die Oeffnung des Kellers zeigte.

– Ah! ah! sagte der Doctor mit dem schrecklichen Lächeln von Leuten, auf die Nichts Eindruck macht, weil sie an Nichts glauben, leise zu dem Polizeicommissär, es scheint, daß Madame Jacquemin die Vorschrift des Meister Adams befolgt hat. und er summte:

Im Keller sollst Du mich begraben, wo ich so. . .

– Still, unterbrach ihn Jacquemin mit todtenbleichem Gesichte, gesträubten Haaren und Schweiß bedeckter Stirn, singen Sie hier nicht.

Durch den Ausdruck dieser Stimme überrascht, schwieg der Doctor.

Aber indem er fast sogleich die ersten Stufen der Treppe hinabging, fragte er:

– Was ist das?

Und indem er sich bückte, raffte es ein Schwerdt mit breiter Klinge auf.

Das war das zweihändige Schwerdt, das Jacquemin, wie er es gesagt hatte, am 29. Juli 1830 aus dem Artilleriemuseum genommen hatte; die Klinge war mit Blut gefärbt.

Der Polizeicommissär nahm es aus den Händen des Doctors.

– Erkennen Sie dieses Schwerdt? sagte er zu dem Gefangenen.

– Ja, antwortete Jacquemin. Gehen Sie! gehen Sie! machen Sie ein Ende.

Das war die erste Spur des Mordes, welche man angetroffen hatte.

Man trat in den Keller, indem jeder die Stelle einnahm, welche wir bereits genannt haben.

Der Doctor und der Polizeicommissär voran, dann Herr Ledru und Jacquemin, dann die beiden Personen, welche sich bei ihm befanden, dann die Gendarmen, dann die Bevorrechtigten, unter deren Zahl ich mich befand.

Nachdem ich die siebente Stufe hinabgeschritten war, senkte sich mein Auge in den Keller und übersah das schreckliche Ganze, das ich zu schildern versuchen will.

Der erste Gegenstand, auf welchem die Augen verweilten, war eine Leiche ohne Kopf, die neben einem Fasse lag, dessen halb offener Hahn fortwährend einen dünnen Strahl von Wein fließen ließ, der im Fließen eine Rinne bildete, die sich unter den Lagerbalken verlor.

Die Leiche war halb zusammengezogen, wie als ob der nach den Rücken zu gezogene Rumpf eine Bewegung des Todeskampfes begonnen hätte, welche die Beine nicht hatten folgen können. – Das Kleid war auf der einen Seite bis zum Strumpfband hin aufgeschlagen.

Man sah, daß das Opfer in dem Augenblicke getroffen worden war, wo es vor dem Fasse knieend anfing eine Flasche zu füllen, welche den Händen entfallen war und an ihrer Seite auf dem Boden lag.

Der ganze obere Körper schwamm in einer Pfütze von Blut.

Auf einem Sacke voll Gyps, der an die Mauer gelehnt war, erblickte oder errieth man vielmehr einen Kopf, der in seinen Haaren verborgen war; ein Blutstreif färbte den Sack von der Höhe bis zur Hälfte roth.

Der Doctor und der Polizeicommissär hatten bereits die Runde der Leiche gemacht, und befanden sich der Treppe gegenüber.

Ungefähr in der Mitte des Kellers befanden sich die beiden Freunde des Herrn Ledru und einige Neugierige, die sich beeilt hatten, so weit vorzugehen.

Unten an der Treppe stand Jacquemin, den man nicht vermogt hatte, weiter als auf die letzte Stufe vorzuschreiten.

Hinter Jacquemin standen die beiden Gendarmen.

Hinter den beiden Gendarmen standen fünf bis sechs Personen, unter deren Zahl ich mich befand, und die sich mit mir auf der Treppe gruppirten.

Dieses ganze grausige Innere war von dem zitternden Scheine eines Talglichtes erleuchtet, welches auf dem Fasse selbst stand, aus dem der Wein floß, und dem gegenüber die Leiche der Frau Jacquemins lag.

– Einen Tisch, einen Stuhl, sagte der Polizeicommissär, und nehmen wir das Protokoll auf.

III.
Das Protokoll

Man brachte dem Polizeicommissär die beiden verlangten Gegenstände; er stellte seinen Tisch fest, setzte sich davor, verlangte das Talglicht, welches der Doctor ihm brachte, indem er über die Leiche stieg, zog ein Tintenfaß, Federn und Papier aus seiner Tasche, und begann sein Protokoll.

Während er die Einleitung schrieb, machte der Doctor eine Bewegung der Neugierde nach dem auf dem Gypssack gestellten Kopfe, aber der Polizeicommissär hielt ihn zurück.

– Rühren Sie nichts an, sagt er, die Regelmäßigkeit vor Allem.

– Das versteht sich, sagte der Doctor.

Und er nahm seinen Platz wieder ein.

Es entstanden einige Minuten des Schweigens, während welcher man nur die Feder des Polizeicommissärs auf dem rauhen Regierungspapiere kratzen hörte, und während welcher man sich die Zeilen mit der Schnelligkeit einer dem Schreiber zur Gewohnheit gewordenen Formel folgen sah.

Nach Verlauf von einigen Zeilen erhob er den Kopf und blickte um sich.

– Wer will zu Zeugen dienen? fragte der Polizeicommissär, indem er sich an den Mails wandte.

– Ei, sagte Herr Ledru, indem er auf seine beiden stehenden Freunde deutete, welche mit dem sitzenden Polizeicommissär eine Gruppe bildeten, zuvörderst diese beiden Herren.

– Gut.

Er wandte sich nach meiner Seite.

– Dann, wenn es diesem Herrn nicht unangenehm ist, seinen Namen auf einem Protokoll zu sehen.

– Keinesweges, mein Herr, antwortete ich ihm.

– Dann wolle der Herr gefälligst herunter kommen, sagte der Polizeicommissär.

Ich empfand einigen Widerwillen, mich der Leiche zu nähern. Von dort aus, wo ich war, erschienen mir gewisse Umstände, ohne mir gänzlich zu entgehen, in einem Halbdunkel verloren, der über ihre Gräßlichkeit den Schleier der Poesie verbreitete, minder abscheulich.

– Ist es durchaus nothwendig? fragte ich.

– Was?

– Daß ich hinuntergehe?

– Nein. Bleiben Sie dort, wenn Sie Sich dort gut befinden.

– Ich machte ein Zeichen mit dem Kopfe, welches ausdrückte: – Ich wünsche zu bleiben, wo ich bin.

Der Polizeicommissär wandte sich an denjenigen der beiden Freunde des Herrn Ledru, der sich ihm am nächsten befand.

– Ihre Namen, Vornamen, Alter, Stand, Gewerbe und Wohnung? fragte er mit der Geläufigkeit eines Mannes, der daran gewöhnt ist. diese Art Fragen zu stellen.

– Johann Ludwig Alliette, antwortete der, an welchen er die Frage gerichtet, durch Anagramme Etteilla genannt, Schriftsteller, wohnhaft in der Straße de l'Ancienne Comédie Nr. 20.

– Sie vergessen Ihr Alter, sagte der Polizeicommissär.

– Muß ich das Alter sagen, welches ich habe, oder das Alter, das man mir gibt?

– Sagen Sie mir Ihr Alter, bei Gott! man hat keine zwei Alter.

– Das heißt, Herr Polizeicommissär, daß es gewisse Personen gibt, Cagliostro, den Grafen von Saint Germain, den ewigen Juden zum Beispiel. . .

– Wollen Sie damit sagen, daß Sie Cagliostro, der Graf von Saint Germain oder der ewige Jude sind? sagte der Polizeicommissär, indem er bei dem Gedanken, daß man sich über ihn lustig mache, die Stirn runzelte,

– Nein; aber. . .

– Fünf und siebenzig Jahre, sagte Herr Ledru; – schreiben Sie fünf und siebenzig Jahre, Herr Cousin.

– Es sei, sagte der Polizeicommissär.

Und er schrieb fünf und siebenzig Jahre.

– Und Sie, mein Herr? fuhr er fort, indem er sich an den zweiten Freund des Herrn Ledru wandte.

Und er wiederholte genau dieselben Fragen, welche er an den ersten gestellt hatte.

– Peter Joseph Moulle, alt ein und sechszig Jahre, Geistlicher, an der Kirche Saint Sulpice angestellt, wohnhaft in der Straße Servandoni Nr. 11, antwortete mit sanfter Stimme der, welchen er fragte.

– Und Sie, mein Herr? fragte er, indem er sich an ich wandte.

– Alexander Dumas, dramatischer Schriftsteller, sieben und zwanzig Jahre alt, wohnhaft in Paris, Straße der Universität Nr. 21, antwortete ich.

Herr Ledru wandte sich nach meiner Seite und machte mir eine artige Verbeugung, auf welche ich in demselben Tone, so gut als ich es vermochte antwortete.

– Gut! äußerte der Polizeicommissär. Sehen Sie, ob es so recht ist, meine Herren, und ob Sie einige Bemerkungen zu machen haben.

Und er las mit jenem näselnden und einförmigen Tone, der nur den öffentlichen Beamten angehört:

»Da ich am heutigen Tage, am 1. September 1831 um zwei Uhr Nachmittags, durch das öffentliche Gerücht benachrichtigt worden war, daß das Verbrechen eines Mordes in der Gemeinde von Fontenay-aux-Roses an der Person der Maris Johanna Ducoudray, von dem genannten Peter Jacquemin, ihrem Gatten, begangen worden wäre, und daß der Mörder sich in die Wohnung des Herrn Johann Peter Ledru, des Maires der genannten Gemeinde von Fontenay-aux-Roses begeben hätte, um sich aus eigenem Antriebe als Urheber dieses Verbrechens anzugeben, haben wir uns beeilt, uns in Person nach der Wohnung genannten Johann Peter Ledru's, Straße Diana Nr. 2 zu verfügen, in welche Wohnung wir in Begleitung des Herrn Sebastian Robert, Doctor der Medizin, in genannter Gemeinde Fontenay-aux-Roses wohnhaft, angekommen sind, und dort haben wir den genannten Peter Jacquemin bereits in den Händen der Gendarmerie gefunden, der in unserer Gegenwart wiederholt hat, daß er der Urheber des Mordes seiner Frau wäre; worauf wir ihn aufgefordert haben, uns in das Haus zu begleiten, in welchem der Mord begangen worden, dessen er sich zuerst geweigert hat; da er aber bald auf die Vorstellungen des Herrn Maire nachgegeben, so sind wir nach der Sackgasse des Sergens gegangen, in welcher das von dem genannten Peter Jacquemin bewohnte Haus gelegen ist. Nachdem wir in dieses Haus gelangt und die Thür wieder hinter uns verschlossen, um das Volk am Eindringen zu verhindern, sind wir in ein erstes Zimmer gedrungen, in welchem nichts andeutete, daß ein Verbrechen begangen worden wäre; hierauf sind wir auf die Aufforderung genannten Jacquemins selbst aus dem ersten Zimmer in das zweite gegangen, in dessen Ecke eine Fallthür offen stand, die zu einer Treppe führte. Da uns angedeutet war, daß diese Treppe in einen Keller führte, in welchem wir die Leiche des Opfers finden würden, so begannen wir diese Treppe hinabzugehen, auf deren ersten Stufen der Doctor ein Schwert mit kreuzförmigem Griffe, breiter und schneidender Klinge gefunden hat, von welchem genannter Jacquemin uns gestanden hat, daß er es zur Zeit der Juli-Revolution aus dem Artilleriemuseum genommen, und daß es ihm zur Vollstreckung des Verbrechens gedient hätte. Und auf dem Boden des Kellers haben wir die Leiche der Frau Jacquemin auf den Rücken zurückgeworfen und in einer Pfütze von Blut schwimmend gefunden, deren Kopf vom Rumpfe getrennt war, welcher Kopf auf einem, an die Wand gelehnten Sack mit Gyps gestellt war, und nach, dem genannter Jacquemin anerkannt hat, daß die Leiche und dieser Kopf wirklich der seiner Frau wäre, in Gegenwart des Herrn Johann Peter Ledru, Maire der Gemeinde von Fontenay-aux-Roses; – des Herrn Sebastian Robert, Doctor der Medizin, wohnhaft in genannter Gemeinde Fontenay-aux-Roses; – des Herrn Johann Ludwig Alliette, genannt Etteilla, Schriftsteller, fünf und siebenzig Jahre alt, wohnhaft in Paris, Straße de l'Anciennecomédie Nr. 20; – des Herrn Peter Joseph Moulle, ein und sechszig Jahre alt, Geistlicher, an der Kirche Saint Sulpice angestellt, wohnhaft in Paris, Straße Servandoni, Nr. 11; – und des Herrn Alexander Dumas, dramatischer Schriftsteller, sieben und zwanzig Jahre alt, wohnhaft in Paris, Straße der Universität Nr. 21; – sind wir, wie folgt, zu dem Verhöre des Angeklagten geschritten.«

 

– Ist es so recht, meine Herren? fragte der Polizeicommissär, indem er sich mit augenscheinlich zufriedener Miene nach uns umwandte.

– Vollkommen! mein Herr, antworteten wir alle einstimmig.

– Wohlan! verhören wir den Angeklagten.

Indem er sich hierauf nach dem Gefangenen umwandte, der, so lange das Vorlesen währte, geräuschvoll und wie ein beklommener Mensch geathmet hatte, sagte er:

– Angeklagter, Ihren Namen, Vornamen, Alter, Wohnung und Gewerbe?

– Wird Alles das sehr lange dauern? fragte der Gefangene wie ein Mann, dessen Kräfte erschöpft sind.

– Antworten Sie: Ihren Namen und Vornamen? – Peter Jacquemin.

– Ihr Alter?

– Ein und vierzig Jahre.

– Ihre Wohnung?

– Sie kennen sie wohl, da Sie Sich darin befinden.

– Gleichviel, das Gesetz will, daß Sie auf diese Frage antworten.

– Sackgasse des Sergens.

– Ihr Gewerbe?

– Steinbrecher.

– Sie bekennen sich als den Urheber des Verbrechens?

– Ja.

– Sagen Sie uns die Ursache, welche Sie dasselbe hat begehen lassen und die Umstände. unter denen es begangen worden ist.

– Die Ursache, welche es hat begehen lassen. . . – das ist unnöthig, sagte Jacquemin; das ist ein Geheimniß, das zwischen mir und der bleiben wird, welche da liegt.

– Es gibt indessen keine Wirkung ohne Ursache. – Die Ursache. Ich sage Ihnen, daß Sie dieselbe nicht erfahren werden. Was die Umstände anbelangt, – wie Sie sagen, – Sie wollen sie kennen lernen?

– Ja.

– Nun denn! ich will sie Ihnen sagen. Wenn man unter der Erde arbeitet, wie wir so in der Dunkelheit arbeiten, und wenn man dann einen Grund zu Kummer zu haben glaubt, dann quält man sich die Seele, und dann steigen böse Gedanken in uns auf.

– O! o! unterbrach ihn der Polizeicommissär, Sie gestehen also den Vorbedacht.

– Ei! da ich Ihnen sage, daß ich Alles gestehe, ist das noch nicht genug?

– Doch, reden Sie.

– Nun denn, dieser böse Gedanke, der in mir aufgestiegen war, war Johanna zu tödten. – Das quälte mir länger als einen Monat den Kopf: – das Herz verhinderte den Kopf; – endlich bestimmte mich ein Wort, das ein Kamerad zu mir sagte.

– Welches Wort?

– O! das gehört zu den Dingen, welche Sie nichts angehen. Heute Morgen sagte ich zu Johanna: Ich werde heute nicht auf die Arbeit gehen; ich will mich belustigen, als ob es ein Festtag wäre; ich werde mit Kameraden zum Kugelspiel gehen. Sorge dafür, daß das Mittagessen um ein Uhr bereit ist. – Aber. . . – Es ist gut, keine Einwendungen; das Mittagessen für ein Uhr, Du verstehst? – Es ist gut! sagte Johanna.

Und sie ging aus, um das Mittagessen einzukaufen.

Statt zum Kugelspiele zu gehen, nahm ich während dieser Zeit das Schwert, das Sie da haben. – Ich hatte es selbst auf einem Sandsteine geschliffen. – Ich ging in den Keller hinab und versteckte mich hinter den Fässern, indem ich mir sagte: – Sie muß wohl in den Keller gehen, um Wein abzuziehen; dann werden wir sehen.

Von der Zeit, welche ich hinter dem Fasse blieb, das aufrecht steht. . . weiß ich nichts, ich hatte das Fieber, mein Herz klopfte, und ich sah Alles roth in der Nacht.

Und dann gab es eine Stimme, welche in mir und um mich herum jenes Wort wiederholte, das der Kamerad mir gestern gesagt hatte.

– Aber was ist das am Ende für ein Wort? fragte der Polizeicommissär von Neuem.

– Unnöthig. Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß Sie es niemals erfahren werden. Endlich hörte ich das Rauschen eines Kleides, einen Schritt, der näher kam. Ich sah Licht zittern. Den unteren Theil ihres Körpers, der herabkam, dann ihren Kopf. . . Man sah ihren Kopf wohl. . . Sie hielt ihren Leuchter in der Hand. – Ah! sagte ich, es ist gut!. . . und ich wiederholte leise das Wort, das mir der Kamerad gesagt hatte.

Während dieser Zeit näherte sie sich. Auf Ehre! Man hätte sagen können, daß sie eine Ahnung hätte, daß das eine schlechte Wendung für sie nehmen würde. Sie hatte Furcht, sie blickte nach allen Seiten; aber ich war gut versteckt, ich rührte mich nicht.

Nun warf sie sich vor dem Fasse auf die Kniee, hielt die Flasche daran und drehte den Hahn.

Ich stand auf. – Sie werden verstehen, sie lag auf den Knieen. – Das Geräusch des Weines, der in die Flasche lief, verhinderte sie, das Geräusch zu hören, das ich vielleicht machte. Außerdem machte ich keines; sie lag wie eine Schuldige, wie eine Verurtheilte auf den Knieen. Ich erhob das Schwert, und. . . hau!!. . . A Ich weiß nicht ein Mal, ob sie einen Schrei ausstieß, – der Kopf rollte auf den Boden.

In diesem Augenblicke wollte ich nicht sterben. Ich wollte mich retten. – Ich gedachte ein Loch in dem Keller zu machen und sie zu begraben. – Ich sprang auf den Kopf zu, der auf dem Boden rollte, während der Körper seiner Seite sprang. – Ich hatte einen Sack Gyps bereit, um das Blut zu verbergen. – Ich packte daher den Kopf, oder vielmehr der Kopf packte mich. – Sehen Sie.

Und er zeigte seine rechte Hand, an welcher ein tiefer Biß den Daumen verstümmelt hatte.

– Wie! Der Kopf hat Sie gepackt? sagte der Doctor. Was der Teufel sagen Sie denn da?

– Ich sage, daß er mich tüchtig biß, wie sie sehen. Ich sage, daß er mich nicht loslassen wollte. Ich stellte ihn auf den Sack Gyps, ich drückte ihn mit meiner linken Hand gegen die Wand und versuchte ihm die rechte zu entreißen; aber nach Verlauf eines Augenblickes ließen die Zähne von selbst los. Ich zog meine Hand zurück, nun, sehen Sie, es war vielleicht Wahnsinn, aber es schien mir, als ob der Kopf lebendig wäre; die Augen standen weit offen. Ich sah sie wohl, da das Licht auf dem Fasse stand, und dann die Lippen, die Lippen bewegten sich, und indem die Lippen sich bewegten, haben die Lippen gesagt: – Elender! Ich war unschuldig!

Ich weiß nicht, welche Wirkung diese Aussage auf die Andern hervorbrachte; aber was mich anbetrifft, so weiß ich, daß der Schweiß mir von der Stirn floß.

– Ah! Das ist zu stark, rief der Doctor aus, die Augen haben Dich angeblickt, die Lippen haben gesprochen?

– Hören Sie, Herr Doctor, da Sie ein Arzt sind, so glauben Sie an Nichts, das ist natürlich; aber ich sage Ihnen, daß der Kopf, den Sie da sehen, da, verstehen Sie? ich sage Ihnen, daß der Kopf mich gebissen hat, ich sage Ihnen, daß dieser Kopf da zu mir gesagt hat: Elender, ich war unschuldig! und der Beweis, daß er mir es gesagt hat, nun denn! ist daß ich mich retten wollte, nachdem ich Johanne getödtet hatte, nicht wahr? Und daß ich, statt mich zu retten, geraden Weges zu dem Herrn Maire gelaufen bin, um mich selbst anzugeben. Ist das wahr, Herr Maire, ist das wahr? antworten Sie.

– Ja, Jacquemin, antwortete Herr Ledru in einem Tone vollkommener Güte, – ja. es ist wahr.

– Untersuchen Sie den Kopf, Doctor, sagte der Polizeicommissär.

– Wenn ich nicht mehr da bin, Herr Robert, wenn ich nicht mehr da bin! rief Jacquemin aus.

– Fürchtest Du Dich etwa, daß sie Dich nochmals anredet, Einfaltspinsel? sagte der Doctor, indem er das Licht nahm und sich dem Gypssacke näherte.

– Herr Ledru, um Gottes Willen, sagte Jacquemin, sagen Sie ihnen mich gehen zu lassen, ich bitte Sie – ich bitte Sie inständigst.

– Mein Herr, sagte der Maire, indem er eine Geberde machte, welche den Doctor zurückhielt, – Sie haben Nichts mehr aus dem Unglücklichen herauszubringen; erlauben Sie, daß ich ihn in das Gefängniß führen lasse. – Wenn das Gesetz die Confrontation vorgeschrieben hat, so hat es vorausgesetzt, daß der Angeklagte die Kraft hätte sie zu ertragen.

– Aber das Protokoll? sagte der Polizeicommissär. .

– Es ist so ziemlich beendigt.

– Der Angeklagte muß es unterzeichnen.

– Er wird es in seinem Gefängnisse unterschreiben.

– Ja, ja! rief Jacquemin aus, in dem Gefängnisse werde ich Alles unterschreiben, was Sie wollen.

– Es ist gut! äußerte der Polizeicommissär.

– Gendarmen! Führen Sie diesen Mann fort, sagte Herr Ledru.

– Ach! Ich, danke Ihnen. Herr Ledru, ich danke Ihnen, sagte Jacquemin mit dem Ausdrucke unendlicher Dankbarkeit.

Und indem er selbst die beiden Gendarmen bei den Armen ergriff, zog er sie mit übermenschlicher Kraft nach der Höhe der Treppe fort.

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