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Katharine Blum

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Elftes Kapitel
Liebesträume

Eine Stunde später waren die beiden Liebenden in dem Walde verschwunden und an ihrer Stelle saßen in der Unterstube des Häuschens zwei Männer, die auf einem großen Plane des Waldes von Villers-Cotterets einen Kreis zogen, den der Eine fortwährend auszudehnen sich bemühte, während der Andere auf jedes absichtliche Versehen dieser Art achtete und auf Einhalten des rechten Maßes drang.

Die beiden Männer waren Anastasius Raisin, Maire in Villers-Cotterets, und Wilhelm Watrin, unser alter Freund.

Die Grenzen, welche der Holzhändler fortwährend zu erweitern suchte und welche Watrin stets auf die Linie zurückführte, die der Zirkel des Inspektors gezogen hatte, waren die des letzten Holzkaufes Raisins in dem Walde.

Endlich nickte Watrin zustimmend; klopfte seinen Pfeifenstummel aus und sagte zu dem Holzhändler:

»Wissen Sie, daß Sie da ein schönes Stück haben und gar nicht teuer?«

»Was?« entgegnete Raisin, der sich rasch empor richtete; zwanzigtausend Francs und nicht teuer? Sie scheinen Geld leicht zu verdienen.«

»Darüber ließe sich wohl reden,« meinte Watrin. »Neunhundert Francs jährlich, freie Wohnung und Heizung, alle Tage zwei Kaninchen zum Essen, an allen großen Festen ein Stück Wildschwein, damit kann man schon Millionär werden, nicht wahr?«

»Hm!« sagte der Holzhändler und er sah den alten Watrin mit dem pfiffigen Lächeln an, welches man das Kaufmannslächeln nennen könnte. »Millionär wird man immer, wenn man will, . . . natürlich im Verhältnis, reich, meine ich.«

»So teilen Sie mir doch Ihr Geheimnis mit,« entgegnete Watrin; »ich würde es wahrhaftig gern kennen lernen.«

Der Holzhändler sah ihn nochmals mit glänzenden Augen fest an, aber er schien zu glauben, die rechte Zeit zu einer so wichtigen Mitteilung sei noch nicht gekommen, denn er sagte:

»Ja, ich will Ihnen das Geheimnis nach Tische, unter vier Augen, mit dem Glas in der Hand, mitteilen, wenn wir auf das Wohl unserer Kinder trinken, . . . und sollte sich ein Mittel finden, Vater Watrin, so machen wir Geschäfte . . .«

Watrin sah nun seinerseits kopfschüttelnd den Mann an, und es ließ sich nicht wohl voraussehen, was er auf eine solche halbe Eröffnung antworten würde, als die Frau vom Hause erschrocken eintrat.

»Ach, das Unglück, Herr Maire!« sagte sie.

»Was für ein Unglück, Madame Watrin?« fragte dieser nicht unbesorgt.

Watrin seiner Seils, der seine Frau schon kannte, schien weniger Gewicht auf die Worte zu legen.

»Was ist geschehen, Alte?« fragte er.

»Was ist geschehen?« wiederholte die Frau. »Demoeiselle Euphrosine ist unwohl geworden.«

»Es wird nicht so gefährlich sein,« meinte der Maire, der seine Tochter wahrscheinlich so gut kannte, wie Watrin seine Frau.

»Das Äffchen!« murmelte Watrin, der seinerseits eine feststehende Meinung von dem Mädchen zu haben schien.

»Sie will durchaus nach Hause,« sagte Mutter Watrin.

»Meinetwegen,« entgegnete Raisin. »Ist Chollet da? Er könnte sie nach Hause bringen.«

»Man hat ihn noch nirgends gesehen und deshalb ist, glaube ich, das Mädchen um so unwohler.«

»Wo ist sie?«

»Sie hat sich in den Wagen gesetzt und verlangt nach Ihnen.«

»So warten Sie auf mich; das wollen wir gleich abmachen. Auf Wiedersehen. Ich werde sie nach Hause bringen und nach einer Stunde – die Pferde sind gut – bin ich wieder da.«

Mutter Watrin begleitete den Maire unter fortwährendem Knixen und sagte dann:

»Auf Wiedersehen, Herr Maire, und entschuldigen Sie uns ja bei Mademoiselle Euphrosine.«

Vater Watrin war kopfschüttelnd sitzen geblieben. Er schien die Überzeugung erlangt zu haben, daß er sich in der Ursache der Freundschaft des Maire nicht getäuscht. Es sollte ihm allerdings die Schlafmütze über die Augen und Ohren gezogen werden.

Als seine Frau, jammernd über die Umkehr Euphrosinens, wieder zu ihm kam und sagte: »Diesmal, Alter, wirst Du einmal ernsthaft mit Bernhard reden,« fragte er barsch:

»Weswegen?«

»Weil er nur Augen hat für Katharine, und Euphrosine kaum grüßte.«

»Nun, Mutter, die Euphrosine hat er alle Tage gesehen, seine Cousine aber in anderthalb Jahren nur zwei Mal.«

»Das bleibt sich gleich . . . Ach, Gott! Ach Gott!« flüsterte Mutter Watrin.

Diese Verzweiflung rührte Watrin nicht nur nicht, sie schien ihn sogar etwas ungeduldig zumachen. Er sah seine Frau an und begann:

»Willst Du mir wohl etwas sagen?«

»Was?«

»Hast Du gehört, was der Maire sagte?«

»Worüber?«

»Nun, er gab Dir einen guten Rath; Du solltest ja in der Küche hübsch nachsehen.«

»Schon gut,« antwortete die Frau, die sich in ihrer Würde verletzt fühlte, »ich gehe schon.«

»Mutter,« rief ihr Watrin nach, »siehst Du, es ist Dir so leicht, recht liebenswürdig zu sein, und Du bist es so selten!«

»Weil ich gehe, bin ich liebenswürdig? Das ist hübsch von Dir, geh!«

Vater Watrin trat an das Fenster und pfiff, vor Freuden, denn er sah Bernhard und Katharine kommen. »Sehen sie nicht aus,« sagte er, obgleich ihn Niemand hören konnte, »wie ein Paar Engel, so schön und so glücklich sind sie? Sie kommen hierherwärts; wir wollen sie nicht stören.«

Er hörte zwar nicht auf, leise zu pfeifen, ging aber die Treppe hinauf. Eben hatte er dort sein Stübchen erreicht, als die beiden Liebenden unten in die Stube traten. Er murmelte da Oben noch: »Gott segne Euch, Kinder!«

»Wirst Du mich auch immer lieben?« fragte Katharine Bernhard.

»Immer!« antwortete dieser.

»Seltsam!« fuhr das Mädchen fort. »Dies Versprechen, das mir das Herz mit Freude füllen sollte, macht mich traurig.«

»Arme Katharine,« sagte Bernhard im sanftesten Tone, »wenn ich Dich dadurch traurig mache, daß ich Dir sage, ich liebe Dich, so weiß ich nicht mehr was ich Dir Angenehmes sagen soll.«

»Bernhard,« fuhr das Mädchen mehr als Antwort auf ihre eigenen Gedanken, als auf die Worte des Geliebten fort, »Deine Eltern sind seit sechsundzwanzig Jahren verheiratet und leben noch so glücklich mit einander, wie am ersten Tage, kleine Streitigkeiten abgerechnet. So oft ich sie ansehe, frage ich mich, ob wir wohl auch so glücklich, namentlich ob wir so lange glücklich sein werden.«

»Warum nicht?«

»Diese Frage, die ich an Dich richte,« entgegnete Katharine; »würde die Mutter, wenn ich eine hätte, an Dich tun; aber ich habe ja weder Vater noch Mutter, und mein ganzes Glück, wie meine ganze Liebe liegt in Deiner Hand. Bernhard, wenn Du es für möglich hältst, mich einmal weniger zu lieben als jetzt, laß uns heute brechen . . . Es würde das mein Tod sein, ich weiß es, aber wenn Du mich einmal weniger lieben solltest, würde ich doch lieber sterben so lange Du mich noch liebst, als bis zu jener Zeit warten.«

»Sieh mich an, Katharine,« antwortete Bernhard, »und Du wirst meine Antwort aus meinen Augen lesen.«

»Hast Du Dich geprüft, Bernhard? Weißt Du es gewiss, daß Du nicht brüderliche Liebe, sondern wirkliche Liebe für mich fühlst?«

»Ich habe mich nicht geprüft, Katharine, aber Du hast mich geprüft, Du.«

»Ich? Wie so?« fragte Katharine.

»Durch Deine anderthalbjährige Abwesenheit. Hältst Du liest für keine genügende Prüfung? Abgesehen von meinen beiden kurzen Reisen nach Paris und einigen glücklichen Tagen habe ich seitdem gar nicht gelebt, denn man kann es nicht leben nennen, wenn man ohne Herz lebt, Nichts liebt, an Nichts Gefallen findet und fortwährend übler Laune ist. Alle meine Bekannten werden Dir sagen, daß mir, seit Du fort warst, Nichts mehr gefallen hat, nicht einmal mein schöner Wald, die rauschenden großen Eichen und die schlanken Buchen. Wenn ich sonst hinaus ging, hörte ich in allen Vogelstimmen, die in dem Walde erklangen. Deine Stimme; Abends, auf dem Heimwege, schritt ich mitten durch den Wald, und es war mir, als schwebe zwischen den Bäumen vor mir hin eine weiße freundliche Gestalt, die mehr und mehr schwand, je näher ich dem Hause kam und die mich dann in der Türe erwartete. Seit Du fort wärst habe ich gewiss jeden Morgen gefragt: »Wo sind nur die Vögel? Ich höre sie nicht mehr singen wie sonst, und jeden Abend bin ich zuletzt, müde und verstimmt, nach Hause gekommen.«

»Du guter Bernhard!« sagte Katharine, die ihn ans die Stirn küßte.

»Seit Du nun wieder da bist, Katharine,« fuhr Bernhard mit der jugendlichen Begeisterung der ersten Liebe fort, hat sich Alles geändert. . . Die Vögel hüpfen und singen wieder auf den Zweigen, im Walde erwartet mich gewiss auch die lieblich lockende weiße Gestalt wieder, und in der Türe hier finde ich von nun sicherlich nicht nur den Traum meines Glückes, sondern das Glück selbst.«

»Ach, Bernhard, wie liebe ich Dich!«

»Dann,« fuhr Bernhard fort, der die Stirn runzelte und mit der Hand darüber strich, . . . »aber ich will lieber gar nicht davon sprechen.«

»Sprich von Allem mit mir! Sage mir Alles; ich will Alles wissen.«

»Heute früh, Katharine, als der Versucher, der Mathias, mir den Brief des Parisers zeigte, – den Brief, in welchem dieser Mensch mit Dir, mein Waldvergißmeinnicht, wie mit leichtfertigen Stadtmädchen spricht, da gab es mir einen so heftigen Stich ins Herz, daß ich sterben zu müssen glaubte und ich kam sogleich so in Wut, daß ich zu mir sagte: »gut, ich will sterben, aber vorher will ich ihn erst umbringen.«

»Ja,« sagte Katharine mit ihrem liebkosendsten Tone, »und deshalb gingst Du auf die Straße von Gondreville mit dem geladenen Gewehre, statt Deine Katharine ruhig hier zu erwarten; deshalb bist Du wie besessen gelaufen . . . Aber Du bist dafür auch gestraft: Du sahst Deine Katharine eine ganze Stunde später. Freilich wurde die Unschuldige ebenso gestraft wie der Schuldige . . . Eifersüchtiger, Du!«

»Ja, eifersüchtig bin ich!« sagte Bernhard zähneknirschend, »und Du weißt nicht, was Eifersucht ist.«

 

»Nun – ich bin auch eifersüchtig gewesen,« antwortete Katharine, »aber Du kannst ganz ruhig sein, ich bin es nicht mehr.«

»Siehst Du,« fuhr Bernhard fort und er drückte die geballte Faust gegen die Stirn, »wenn Du unglücklicherweise jenen Brief nicht bekommen oder keinen andern Weg genommen hattest; wenn Du über Villers-Cotterets gekommen und dem Narren begegnet wärst, . . . siehst Du, wenn ich daran nur denke, greift die Hand unwillkürlich nach dem Gewehre.«

»Schweig!« fiel Katharine ein, denn sie erschrak über den Ausdruck des Gesichtes Bernhards und zugleich über eine Erscheinung.

»Warum soll ich schweigen?« fragte der junge Mann.

»Dort! Dort!« flüsterte Katharine. »Er steht dort . . . an der Türe.«

»Er?« wiederholte Bernhard. »Was will er hier?«

»Still!« bat Katharine dringend und sie drückte Bernhards Arm; Deine Mutter selbst hat ihn mit dem Maire und Euphrosinen eingeladen . . . Bernhard, er ist Dein Gast.«

Der junge Herr, in kurzem Rock und buntem Halstuch, eine Reitpeitsche in der Hand, erschien wirklich in der Türe und als er das Pärchen fast Arm in Arm sah, schien er mit sich zu Rate zu gehen, ob er umkehre oder eintrete.

Der Blick Bernhards traf jetzt den seinigen und der Pariser erriet, daß er in die Höhle des Löwen trete.

»Ich bitte um Entschuldigung,« sagte er, »ich suchte. . .«

»Ja, ja,« unterbrach ihn Bernhard, »und Sie fanden, was Sie nicht suchten?«

»Bernhard! Bernhard!« bat Katharine leise.

»Laß mich!« antwortete er und suchte sich von Katharine frei zu machen. »Ich habe einige Worte mit Herrn Chollet zu reden; ist das geschehen, dann werden wir bestimmt wissen, wie wir mit einander stehen.«

»Bernhard, sei ruhig!« bat Katharine.

»Sei Du ruhig! laß mich ein Paar Worte mit ihm reden oder . . . es werden mehr.«

Und er schob das Mädchen kräftig nach der Türe zu. Katharine ihrerseits erkannte wohl, daß jedes Hindernis den Zorn ihres Geliebten noch höher steigern werde, sie ging also mit einem flehentlichen Blicke fort.

Die beiden jungen Männer waren allein. Bernhard überzeugte sich, daß die Türe fest verschlossen sei, dann trat er zu dem Pariser und begann:

»Auch ich suchte Etwas oder vielmehr Jemanden, und ich war glücklicher, als Sie, denn ich fand den Gesuchten. Ich suchte Sie, Herr Chollet.«

»Mich?«

»Ja, Sie.«

Der junge Mann lächelte. Er fand seinen Mut vollständig wieder.

»Ich bin, denke ich, nicht schwer zu finden.«

»Ausgenommen, wenn Sie früh in dem Tilbury fortfahren, um auf die Pariser Post zu warten.«

»Ich gehe oder fahre aus, wenn es mir beliebt und wohin es mir beliebt,« antwortete der Pariser mit verächtlichem Lächeln. »Das ist nur meine Sache.«

»Sie haben ganz Recht; Jeder kann tun was er will, aber etwas Anderes werden Sie eben so wenig bestreiten.

»Nun?«

»Das, was dem Einen gehört, geht dem Andern nichts an.«

»Das bestreite ich nicht.«

»Wenn ich Bauer bin, gehört mir mein Feld; bin ich Viehzüchter, mein Vieh . . . Kommt ein Wildschwein aus dem Walde und verwüstet mir mein Feld, so lauere ich ihm auf und schieße es nieder. Kommt ein Wolf aus dem Walde und stiehlt mir Schafe, so schieße ich ihm eine Kugel in den Leib; kommt ein Fuchs in meinen Hühnerstall und erwürgt mir die Hühner, so fange ich ihn im Fuchseisen und schlage ihm dann den Kopf entzwei. Ist das Feld, das Vieh, der Hühnerstall nicht mein, so Maße ich mir ein solches Recht nicht an; sind sie mein, so ändert sich die Sache . . . Also, Herr Chollet, ich habe die Ehre, Ihnen anzuzeigen, daß ich, die Einwilligung der Eltern vorausgesetzt, Katharine heirathe, daß Katharine binnen vierzehn Tagen meine Frau wird, meine Frau, mein Eigentum. Das heißt: wehe dem Wildschweine, das auf meinem Felde wühlt; wehe dem Wolfe, der um meine Schafe schleicht; wehe dem Fuchse, der nach meinen Hühnern geht! . . . Haben Sie etwas dagegen zu sagen, so tun Sie es, Herr Chollet, . . . ich bin ganz Ohr.

»Leider,« sagte der Pariser, der trotz seinem Muthe froh zu sein schien, in guter Manier aus der unangenehmen Stellung zu kommen, »sind Sie es nicht allein. Soll ich Ihnen in Gegenwart einer Frau und eines Geistlichen antworten?«

Bernhard drehte sich um und sah den Abbé Gregoire mit Katharine an der Türe stehen.

»Sie haben Recht,« sagte er, »schweigen Sie.

»Also morgen?« fragte Chollet.

»Morgen – übermorgen, . . wenn Sie wollen, wo und wie Sie wollen.«

»Sehr wohl.«

»Bernhard,« sagte Katharine, froh durch den Abbé Gregoire diese Unterbrechung herbeiführen zu können, »da ist unser lieber Abbé, den ich für meine Person seit achtzehn Monaten nicht gesehen.«

»Guten Tag, Kinder!« sagte der Abbé!

Die beiden jungen Männer wechselten einen letzten Blick, der einer gegenseitigen Aufforderung gleichkam, und während dann Chollet mit einer Verbeugung sich entfernte, küßte Bernhard dem Geistlichen die Hand, während er sagte: »Willkommen, Mann des Friedens in dem Hause, in dem man so gern in Frieden leben möchte!«

Zwölftes Kapitel
Der Abbé Gregoire

Selbst in dem einfachsten Leben kommen Ereignisse vor, welche als Fügung der Vorsehung angesehen werden können. Das Erscheinen des Abbé gerade in dem Augenblicke, als die beiden jungen Männer vielleicht eine Aufforderung aussprechen wollten, war ein solches Ereignis.

Da es ein anstrengender Gang für den Abbé war, zwischen der stillen Messe und der Vesper in das »neue Haus« zu kommen, in welchem er überhaupt erst ein Mal erschienen war, da sein Erscheinen zu dieser Zeit durchaus nicht zu erklären war, fragte denn auch Bernhard lachend:

»Was suchen Sie hier, Herr Abbé? Ich wette, daß Sie nicht geahnt haben, was Sie hier tun werden.«

»Der Mensch denkt und Gott lenkt,« antwortete der Geistliche, ohne lange über diese rätselhafte Rede nachzudenken. »Er möge über mich verfügen . . . wollte ich nur dem Vater einen Besuch machen.«

»Haben Sie ihn schon gesehen?« fragte Bernhard.

»Noch nicht.«

»Herr Abbé,« fuhr Bernhard, mit einem zärtlichen Blicke auf Katharine, fort, »Sie sind immer willkommen, heute aber am willkommensten.«

»Wahrscheinlich wegen der Ankunft des guten Kindes da,« bemerkte der Abbé.

»Etwas, ja, mehr aber aus einem andern Grunde.«

»Ihr werdet mir es erzählen,« entgegnete der Geistliche, indem er sich nach einem Stuhle umsah.

Bernhard rückte ihm sogleich den Lehnsessel zurecht, auf dem dann der ermüdete Abbé auch ohne Weiteres Platz nahm.

»Herr Abbé,« sagte er dann, »ich sollte vielleicht eine große Rede halten, aber ich will die Sache lieber mit einem Paar Worten sagen. Wir Beide da, Katharine und ich, wollen einander heiraten.«

»So liebt Ihr einander?«

»Von ganzem Herzen,« antwortete Katharine.

»Das hättet Ihr aber zunächst den Eltern zu sagen.«

»Ja wohl, Herr Abbé,« sagte Bernhard, »aber Sie sind ein Freund des Vaters, der Gewissensrat der Mutter und uns Allen lieb und werth; sprechen Sie mit dem Vater, der dann schon mit der Mutter reden wird. Verschaffen Sie uns die Einwilligung, was hoffentlich nicht schwer sein wird, und Sie werden zwei Menschen glücklich machen. Da,« setzte er hinzu, indem er seine Hand auf die Achsel des Abbé legte, »da kommt der Vater von oben herunter; Sie wissen, welche Schanze Sie zu nehmen haben, stürmen Sie, wir wollen unterdes draußen umhergehen und für das Gelingen beten. Komm, Katharine.«

Beide eilten hinaus und nach dem Walde zu.

Vater Watrin war unterdes oben an dem Treppenanfang stehen geblieben, der Abbé sah ihn da und grüßte ihn.

»Ich sah Sie kommen,« sagte Watrin, »und dachte bei mir: hm! hm! der Abbé? Ich konnte es fast nicht glauben. Wie gut sich das trifft! Gerade heute! Sie kommen gewiss auch des Mädchens wegen, nicht wahr?«

»Das nicht . . . Ich wußte von ihrer Ankunft Nichts.«

»So werden Sie sich um so mehr gefreut haben, sie zu finden, nicht? Ist sie nicht recht hübsch geworden? Sie bleiben doch zum Essen? Herr Abbé, das sage ich im voraus, wer heute zu uns kommt, darf vor zwei Uhr früh nicht wieder fort.«

»Zwei Uhr früh?« wiederholte der Abbé. »Das wäre mir doch noch nicht vorgekommen. Wie sollte ich auch wieder nach Hause kommen?«

»Der Herr Maire nimmt Sie in seinem Wagen mit.«

Der Abbé schüttelte den Kopf und sagte:

»Der Maire und ich stimmen nicht gut zusammen.«

»Ihre Schuld,«

»Warum meine Schuld?« fragte der Abbé erstaunt.

»Sie haben das Unglück gehabt, in seinem Beisein zu sagen: »Du sollst nicht begehren Deines Nächsten Gut.««

»Nun, ich dachte mir es wohl,« sagte der Abbé, »daß ich nicht so bald wieder fortkommen würde und habe deshalb den Pfarrer gebeten, bei der Vesper mich zu vertreten.«

»Bravo, Abbé! Sie geben mir meine gute Laune wieder.«

»Um so besser,« sagte dieser, indem er die Hand auf den Arm des Alten legte, »denn in solcher Laune brauche ich Sie.«

»Mich?« fragte Watrin erstaunt.

»Ja . . . Sie gehören doch manchmal zu den Brummbären. Wenn Sie die gute Laune haben, ist mir's drum lieb, denn ich habe Sie um Einiges zu bitten.«

»Mich? Um Einiges?«

»Um zweierlei, will ich sagen, damit Sie nicht erschrecken.«

»Für wen?«

»Daran gewöhnt müssen Sie schon sein, denn so oft ich Ihnen die Hand entgegenstrecke, bitte ich auch um eine milde Gabe.«

»Nun was ist's jetzt? Heraus damit!« sagte Watrin lachend.

»Zuerst betrifft's den alten Peter.«

»Ja . . . der arme Teufel! Ich kenne sein Unglück schon . . . dem Mathias ist's gelungen, ihn auszubeißen.«

»Er war seit zwanzig Jahren im Dienste und nun. . . wegen eines verlorenen Briefes!«

»Herr Raisin hat nicht wohl daran getan,« sagte Watrin, »ich hab's ihm auch nicht verschwiegen und Sie können es ihm auch wiederholen, wenn er wieder kommt. Einen Diener, der zwanzig Jahre ausgehalten hat, jagt man nicht so ohne Weiteres fort; er gehört fast mit zur Familie. Ich könnte keinen Hund fortjagen, der zehn Jahre in meinem Hofe gewesen.«

»Ich kenne schon Ihr gutes Herz, deshalb machte ich mich denn auch sogleich auf, um etwas einzusammeln für den alten Armen. Manche haben mir zehn, Manche zwanzig Sous gegeben. Da dachte ich: nun gehe ich noch in das neue Haus – anderthalbe Stunde hin, anderthalbe Stunde her, zusammen drei Stunden. Zwanzig Sous für die Stunde muß Watrin geben . . . macht drei Francs, ungerechnet das Vergnügen, ihn einmal zu sehen.«

»Gott vergelt's Ihnen, Abbé Sie sind ein Goldherz!«

Watrin griff in die Tasche, brachte zwei Fünffrancstücke heraus und gab sie dem Abbé.

»Zehn Francs?« sagte dieser. »Das ist viel für Sie, mein lieber Watrin.«

»Ich muß schon etwas mehr geben, als die Andern,« weil ich den jungen Wolf Mathias hergebracht habe und er eigentlich von diesem Hause ausgegangen ist,«

»Es wäre mir lieber,« sagte der Abbé, welcher die beiden Geldstücke zwischen den Fingern drehte, als tue es ihm leid, der nicht reichen Familie eine solche Summe zu entziehen, »es wäre mir lieber, Sie gäben mir nur die drei Francs oder auch gar Nichts, und daß Sie ihm erlaubten, sich etwas Holz zu holen.«

Vater Watrin sah den Abbé scharf an; dann sagte er in seiner rauen Ehrlichkeit:

»Das Holz gehört dem Herrn Herzog von Orleans, mein lieber Abbé, und das Geld ist mein. Nehmen Sie also das Geld, und Peter soll ja kein Holz anrühren . . . Nun ist eine Sache abgemacht, also zur andern. Was haben Sie noch?«

»Ich bin mit einer Bitte beauftragt.«

»Für wen?«

»Für Sie.«

»Von wem?«

»Von Bernhard.«

»Was will er?«

»Er will . . .«

»Nun?«

»Heiraten will er.«

»Oho!« sagte Vater Watrin.

»Warum »oho?« Ist er nicht alt genug dazu?«

»O ja; wen will er heiraten?«

»Ein gutes Mädchen, das er liebt und das ihn liebt.«

»Wenn's Euphrosine nicht ist, kann er heiraten wen er will, meinetwegen seine Großmutter.«

»Er liebt – Katharine.«

»Wirklich? Das ist wahr?« fragte Vater Watrin erfreut. »Bernhard liebt Katharine und sie ihn?«

»Haben Sie Nichts gemerkt?«

»O ja, ich fürchtete nur, mich zu irren.«

»So geben Sie Ihre Einwilligung?«

»Von ganzem Herzen,« sagte Vater Watrin, der indes plötzlich inne hielt und hinzusetzte: »Aber. . .«

»Was für ein Aber?«

»Wir müssen nur erst mit der Alten sprechen. Alles, was wir seit sechsundzwanzig Jahren getan haben, taten wir in Einigkeit. Bernhard ist so gut ihr Sohn, wie der meinige; wir müssen also die Alte fragen.«

Er ging an die Küchentüre und rief:

»He, Mutter! Komm einmal herein!«

Dann kehrte er um, biss derb auf die Pfeife und rieb sich die Hände, was bei ihm ein Zeichen großer Zufriedenheit war.

 

»Der Bernhard!« sagte er. »Das ist der gescheiteste von seinen Streichen, die er gemacht hat.«

In diesem Augenblicke erschien Mutter Watrin in der Türe und wischte sich die Stirn mit der weißen Schürze ab.

»Was ist's?« fragte sie.

»Hierher sollst Du kommen, Alte,« antwortete Watrin.

»Ist es so nöthig gerade jetzt? Ich habe keine Zeit.«

Mit einem Male bemerkte sie den Gast, den sie noch nicht gesehen hatte, und sogleich sagte sie:

»Ei, der Herr Abbé Gregoire? Ihre Dienerin, Herr Abbé! Ich wußte nicht, daß Sie da waren, sonst würde ich mich nicht erst haben rufen lassen.«

»Hören Sie?« sagte Watrin zu dem Abbé. »Nun ist die Zunge in Bewegung.«

»Sie befinden sich doch hübsch wohl?« fuhr Mutter Watrin fort. »Und auch ihre Nichte? Sie wissen wohl schon, daß heute bei uns große Freude ist, weil Katharine angekommen?«

»Das geht! Das geht! Nicht wahr, Herr Abbé, Sie helfen mir ihr den Mund zuhalten, wenn ich es allein nicht sollte durchsetzen können?«

»Warum hast Du mich gerufen,« antwortete die Frau, die von dem vorigen Male noch einigen Groll hegte, »wenn ich dem Herrn Abbé meine Complimente nicht machen und ihn nicht nach seinem Befinden fragen soll?«

»Ich habe Dich gerufen, daß Du mir eine Freude machst.«

»Welche?«

»Du sollst mir mit einem Paar Worten und ohne Umschweife Deine Meinung über eine wichtige Sache sagen. Bernhard will heirathen.«

»Bernhard? Heiraten? Wen?«

»Seine Cousine.«

»Katharine?«

»Ja, Katharine . . . Also Deine Meinung . . . geschwind!«

»Katharine,« sagte Mutter Watrin, »ist ein gutes Kind, ein braves Mädchen.«

»Das fängt gut an . . . Weiter!«

»Die uns keine Schande machen würde. . .«

»Schnell! Schnell!«

»Sie hat nur Nichts.«

»Frau, lege in die Waagschale nicht einige erbärmliche Thaler und das Unglück der armen Kinder.«

»Ohne Geld, Alter, lässt es sich schlecht leben.«

»Ohne Liebe, Alte, noch viel schlechter.«

»Das ist freilich wahr.«

»Hatten wir Geld, als wir heirateten?« fuhr Vater Watrin fort. »Wir waren Beide arm wie die Kirchenmäuse – wir sind freilich jetzt auch noch nicht sehr reich. . . Was würdest Du gesagt haben, wenn uns die Eltern hätten trennen wollen, weil uns einige hundert Thaler zum guten Anfange fehlten?«

»Das ist Alles recht schön und recht gut,« antwortete Mutter Watrin, »und auch nicht die Hauptsache . . . Das größte Hinderniß . . .«

Sie sagte dies in einem Tone, aus dem Watrin erkennen mußte, daß er sich sehr irre, wenn er glaube, die Sache sei abgemacht.

»Nun,« fragte er, und machte sich seinerseits kampfbereit, »was für ein Hindernis giebt's denn?«

»Du weißt es schon,« antwortete die Frau.

»Rede nur als wüßte ich es nicht.«

»Wilhelm, Wilhelm,« sagte die Frau kopfschüttelnd, »wir können diese Heirat nicht auf unser Gewissen nehmen.«

»Warum nicht?«

»Weil Katharine eine Ketzerin ist.«

»Frau, Frau,« fiel Watrin ein, und er stampfte mit dem Fuße auf, »ich merkte wohl, daß dies der Stein des Anstoßes sein würde, mochte es aber nicht glauben.«

»Ja, Alter, wie ich vor zwanzig Jahren war, so bin ich noch. Ich habe mich nach Kräften der Heirat ihrer armen Mutter mit Friedrich Blum widersetzt. Leider war sie Deine Schwester, frei und brauchte meine Einwilligung nicht, aber ich sagte zu ihr: »Rosa, denke an meine Prophezeiung; die Heirat mit einem Ketzer bringt Dir Unglück.« Sie hörte nicht auf mich, heiratete und meine Prophezeiung ging in Erfüllung: Der Vater blieb im Kriege, die Mutter starb und die Kleine blieb als Waise allein.«

»Das willst Du ihr doch nicht zum Vorwurf machen?«

»Nein; ich mache ihr nur den Vorwurf, daß sie eine Ketzerin ist.«

»Unglücksweib, weißt Du denn nur, was ein Ketzer ist?«

»Ein Mensch, der nicht in den Himmel kommt.«

»Selbst wenn er rechtschaffen ist?«

»Selbst wenn er rechtschaffen ist.«

»Unsere Katharine auch, wenn sie eine gute Tochter, eine gute Frau und eine gute Mutter ist?«

»Wenn sie alles das ist.«

»Wenn sie alle Tugenden besitzt?«

»Alle Tugenden helfen ihr Nichts, wenn sie eine Ketzerin ist.«

»Himmel tausend . . .!« rief Vater Watrin.

»Fluche so viel Du willst,« antwortete die Frau; »es hilft Nichts.«

»Da hast Du Recht; ich mische mich auch nicht mehr ein,« sagte Watrin, der sich an den würdigen Geistlichen wendete, welcher bisher schweigend zugehört hatte. »Herr Abbé,« fuhr er fort, »Sie haben gehört; es ist jetzt Ihre Sache.«

Er ging dabei rasch nach der Türe zu, als ersticke er, wenn er nicht bald frische Luft atme, und brummte vor sich hin:

»Ach, die Weiber, die Weiber! Sie sind doch nur in die Welt gekommen, um die Männer unglücklich zu machen.«

Die Frau schüttelte unterdes den Kopf und sprach bei sich:

»Was er auch sagt – es geht nicht. Bernhard darf keine Ketzerin heirathen . . . Alles, was er will, nur das nicht. . . Nein, das nicht!«

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