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Katharine Blum

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Neuntes Kapitel
Die Rückkehr

Es war wirklich Katharine Blum, die von Paris zurückkam.

Sie war, wie wir schon sagten, ein schönes Mädchen von achtzehn bis neunzehn Jahren, schlank wie ein Rohr, und die liebliche deutsche Sanftmut sprach sich in ihrem ganzen Wesen aus, wie das blonde Haar, die blauen Augen und die zarte Weichheit der Wangen die deutsche Abkunft verriet.

Zuerst sank sie in die ihr sich entgegenstreckenden Arme des Vaters Watrin, weil sie wahrscheinlich wußte, daß er sie am innigsten liebte. Dann kam die Reihe des Umarmens auch an die Mutter. Unterdeß sah sich Watrin um, denn er konnte es nicht begreifen, daß Bernhard jetzt fehlen sollte, da Katharine da war.

Gleich darauf vernahm man draußen Jubel und Fanfaren, denn Franz brachte mit den Kameraden den erlegten Eber.

Vater Watrin schwankte einen Augenblick, ob er Katharine noch ein Mal umarme oder hinauseile, um die Jagdbeute zu sehen, da er nicht zweifeln konnte, daß man das Wildschwein bringe.

In dem Augenblicke, als er sich für das Letztere entscheiden zu wollen schien, kamen die Jäger am Hause an, und trugen das mit den vier Beinen zusammen- und angebundene Thier an einer Stange.

Diese Erscheinung lenkte die Aufmerksamkeit der Alten von Katharinen für den Augenblick ab, die Jäger aber stimmten bei dem Anblicke des Mädchens ein freudiges Hurra an.

Wir dürfen indes nicht verschweigen, daß Vater Watrin, nachdem er die alte und die neue Wunde des Wildschweins besichtigt, und seine Anweisung über das Ausweiden und Verteilen gegeben hatte, seine Aufmerksamkeit sofort wiederum der Nichte zuwendete.

Franz seinerseits, der sich freute, Katharinen wieder zu sehen, welche er von ganzem Herzen liebte, der sich namentlich freute, daß sie lachte, folglich nichts Schlimmes geschehen sein sollte, erklärte, er glaube genug getan zu haben, und werde bei Katharinen bleiben. Die Folge davon war, daß sich bald eine sehr lebhafte Unterhaltung entspann.

Vater Watrin sah sich endlich genöthigt, einige Ordnung wenigstens in das Reden zu bringen.

»Wie geht es zu,« fragte er. »daß Du so bald, und über Ferté-Milon kommst?«

Franz spitzte bei dieser Frage die Ohren, denn er erfuhr durch dieselbe was er noch nicht wußte, daß Katharine nämlich nicht über Gondreville gekommen.

»Ja,« fragte auch die Mutter, »wie geht es zu, daß Du früh um sieben, statt um zehn Uhr kommst?«

»Das will ich Euch erklären, lieber Vater und liebe Mutter,« antwortete das Mädchen. »Ich bin anstatt mit der Post von Villers-Cotterets, mit der von Meaux und la Ferté-Milon gekommen, die um fünf Uhr von Paris abfährt, anstatt um zehn Uhr wie die andere.«

»Gut,« murmelte Franz sichtbar zufrieden, nun ist der Pariser mit seinem Tilbury doch umsonst gefahren.«

»Und warum bist Du so gefahren?« fragte Watrin, dem es nie recht war, wenn man einen Umweg statt des geraden Weges, unnötig vier Stunden zu viel machte.

»Nun,« sagte Katharine, die in ihrer Unschuld über die Lüge errötete, es war kein Platz mehr in der Post von Villers-Cotterets.«

»Ja. ja,« sagte Franz leise, »weil Du einen Gedanken hattest, Engel, für den Dir Bernhard danken wird.«

»Aber sieh sie nur an!« rief Mutter Watrin, die nun ins Einzelne einzugehen anfing; »um einen ganzen Kopf ist sie größer geworden.«

»Warum nicht auch noch mit um einen Hals!« sagte Watrin, der die Achseln zuckte.

»Nun,« sagte Mutter Watrin mit der Hartnäckigkeit, die bei ihrem Charakter ganz natürlich war, und die sie bei den kleinsten, wie bei den größten Dingen sehen ließ; »das ist leicht nachzuweisen; bei ihrer Abreise habe ich sie gemessen, das Zeichen ist an der Türepfoste, da, ich habe es alle Tage angesehen. Komm, Katharine, wir wollen sehen.«

»Wir haben also den armen Alten nicht vergessen?« sagte Vater Wilhelm, der Katharinen zurückhielt.

»O kannst Du fragen, lieber Vater?« entgegnete das Mädchen.

»Komm, Katharine, an's Zeichen,« rief die hartnäckige Alte.

»Wirst Du mit Deinen Dummheiten schweigen, Alte!« lief Watrin und er stampfte mit dem Fuße auf.

»Ja doch,« murmelte Franz, der die Mutter Watrin ganz gut kannte, »sie und schweigen!«

»Bin ich denn wirklich so sehr gewachsen?« fragte Katharine den Vater.

»Komm an die Türe, da wirst Du es sehen,« sagte die Mutter.

»Alter Eigensinn!« sagte Watrin; »sie läßt nicht ab. So geh' denn an die Türe, Katharine, sonst wird den ganzen Tag kein Frieden.«

Katharine ging lächelnd an die Türe und stellte sich an ihr Zeichen, das hinter ihrem Kopfe verschwand.

»Seht ihr, was ich sagte,« rief triumphierend Mutter Watrin; »mehr als ein Zoll.«

»Freilich keinen ganzen Kopf, aber es schadet nichts.«

Als Katharine ihre Tante zufrieden gestellt hatte, kehrte sie zu Watrin zurück, der sie fragte:

»Du bist also die ganze Nacht gereist?«

»Ja, die ganze Nacht, Vater,« antwortete das Mädchen.

»Dann, armes Kind,« sagte die Mutter, »mußt Du ja wie gerädert und halb verhungert sein! . . . Was willst Du? Kaffee, Wein, Fleischbrühe? Der Kaffee würde das beste sein; ich will ihn Dir selbst kochen.«

Mutter Watrin durchsuchte alle ihre Taschen.

»Wo sind denn meine Schlüssel? Weiß ich nun nicht mehr, was ich mit meinen Schlüsseln gemacht habe. Sind meine Schlüssel verloren! Wohin habe ich nur meine Schlüssel gelegt? Warte nur, warte!«

»Wenn ich Dir sage, daß ich Nichts bedarf, liebe Mutter!«

»Nichts, nachdem Du eine Nacht im Wagen zugebracht hast? Wenn ich nur wüßte, wo meine Schlüssel sind.«

»Und Mutter Watrin wendete ihre Taschen noch ein Mal um.

»Das ist wirklich unnötig,« sagte Katharine.

»Da sind meine Schlüssel,« rief die Mutter. »Es wäre nicht nötig? Ich weiß das besser, als Du; wenn man gereist ist, und vorzüglich des Nachts, muß man sich stärken. Die Nacht ist keines Menschen Freund! Jetzt sind noch dazu die Nächte kühl. – —Und früh um acht Uhr noch nichts Warmes im Magen! Du sollst Deinen Kaffee im Augenblick haben, mein Kind, Du sollst ihn gleich haben.«

Und die gute Alte lief hinaus.

»Endlich,« sagte Wilhelm Watrin, der ihr mit dem Blicke folgte. »Gott sei Dank!«

»Mein gutes, liebes Väterchen,« sagte Katharine die ihrer Zärtlichkeit gegen den Alten jetzt freien Lauf ließ, da sie nicht mehr zu fürchten brauchte, die Eifersucht der Mutter zu erregen; »denke Dir, daß der Postillon mir meine ganze Freude verdorben bat, da er im Schritte fuhr, und drei Stunden zu dem Wege von la Ferté-Milon hierher brauchte.«

»Welche Freude hat er Dir oder vielmehr uns verdorben?«

»Ich wollte, wenn ich früh um sechs angekommen wäre, still in die Küche gehen, und wenn Du gerufen hättest: Frau, mein Frühstück! hätte ich es Dir gebracht, und wie früher gesagt: Hier Väterchen!«

»Das wolltest Du tun, liebes Gotteskind;« sagte Vater Watrin. »Da muß ich Dir gleich einen Kuß geben, als ob Du es getan hättest. Der dumme Postillion! Du hättest ihm kein Trinkgeld geben sollen.«

»Ich sagte es ihm so, wie Du; aber er hat es doch.«

»Wie so?«

»Ja, als ich das liebe Haus sah, wo ich meine Jugend verlebt habe und das mir da an der Straße entgegen schimmerte, vergaß ich Alles; ich nahm einen Thaler aus der Tasche und sagte: »Hier, das ist für Sie, und möge Gott Sie segnen!«

»Liebes Kind! Liebes Kind! Liebes Kind!« rief Watrin aus.

»Aber sage mir, Vater,« sagte Katharine, die seit ihrer Ankunft immer nach Jemand gesehen und doch nicht den Mut hatte, sich länger mit dieser stummen Umschau zu begnügen.

»Ja. nicht wahr?« fragte Wilhelm Watrin, der die Ursache der Traurigkeit des Mädchens erriet.

»Es scheint . . .« murmelte Katharine.

»Als ob der, der vor allen andern da sein sollte, fehlte?« fiel Vater Wilhelm Watrin ein.

»Bernhard!«

»Ja, aber sei ruhig, er war noch vor kurzem da, und kann nicht weit sein. Ich will zum »Hirschsprung« laufen; von da kann ich den Weg auf eine Viertelstunde übersehen, und werde ihm, sobald ich ihn bemerke, ein Zeichen geben.«

»Du weißt auch nicht, wo er ist?«

»Nein,« sagte Wilhelm Watrin; »aber wenn er nicht weiter, als über eine Viertelstunde im Umkreise entfernt ist, wird er meine Art, ihn zu rufen, erkennen.«

Und Vater Watrin, der eben so wenig, als Katharine, die Abwesenheit Bernhards begriff, trat aus dem Hause und ging so schnell er konnte nach dem »Hirschsprunge«, wie er es Katharinen versprochen hatte.

Katharine, die mit Franz allein blieb, näherte sich, dem jungen Manne, der, wie man gesehen hat, in der vorhergehenden Scene fast stumm geblieben war, und fragte ihn, während sie ihn ansah, als ob sie im Grunde seines Herzens lesen wollte, sobald er ihr etwas verbergen sollte:

»Und Du, Franz, weißt Du, wo er ist?

»Ja,« erwiderte Franz zugleich mit den Lippen und dem Kopfe.

»Wo ist er?«

»Auf dem Wege nach Gondreville,« sagte Franz.

»Auf dem Wege nach Gondreville!« rief Katharine aus. »Mein Gott!«

»Ja,« fuhr Franz langsam fort, um den Worten die Wichtigkeit zu geben, die sie wirklich verdienten, »er ist Ihnen entgegen gegangen.«

»Mein Gott!« wiederholte Katharine mit wachsender Aufregung; »ich danke Dir, Du hast mir es eingegeben über la Ferté-Milon zurückzukommen, statt über Villers-Cotterets.

»Still! Die Mutter kommt!« sagte Franz. »Nun hat sie aber den Zucker vergessen.«

»Desto besser,« sagte Katharine.

Dann näherte sie sich mit einem Blick auf Mutter Watrin, die den Kaffee hinstellte und schnell wieder hinausging, um, wie Franz gesagt hatte, den Zucker zu holen, dem jungen Mann, ergriff seine Hand und sagte zu ihm:

»Franz, eine große Gefälligkeit!«

»Eine? Zehn, zwanzig, dreißig, vierzig; Tag und Nacht stehe ich zu Ihren Befehlen.«

»Lieber Franz, geh' ihm entgegen, und sage ihm, daß ich auf dem Weg von la Ferté-Milon gekommen bin.«

 

»Das ist Alles?« rief Franz.

Und schnell wollte er durch die Türe auf die Straße gehen; aber Katharine hielt ihn lächelnd zurück und sagte:

»Nein, auf diesem Wege nicht.«

»Sie haben Recht; ich bin ein Esel. Vater Brummbär würde mich sehen, und fragen, wohin ich gehe.«

Und Franz sprang, anstatt durch die Türe zu gehen, die nach der Straße führte, durch ein Fenster, das nach dem Walde sah.

Es war die höchste Zeit, die Mutter kam mit dem Zucker zurück.

Bevor Franz unter den Bäumen verschwand, gab er Katharinen ein letztes Zeichen.

Dabei rief er ihr zu: »Seien Sie ruhig, Fräulein Katharine, ich werde ihn zurückbringen.«

Mutter Watrin trat ein, warf den Zucker in den Kaffee, wie sie es für ein Kind getan haben würde, reichte die Tasse Katharinen und sagte:

»Nimm Deinen Kaffee, aber warte, er ist vielleicht zu heiß, ich will darauf blasen.«

»Danke, Mutter,« sagte Katharine lächelnd und nahm die Tasse; »glaube mir, daß ich seit meiner Abreise gelernt habe, meinen Kaffee selbst zu blasen.«

Die Mutter sah Katharinen mit einer Zärtlichkeit an, die mit Bewunderung gemischt war, faltete die Hände und schüttelte freudig den Kopf.

Dann fragte sie:

»Ist es Dir recht schwer geworden, die große Stadt zu verlassen?«

»O! lieber Gott, nein! Ich kenne ja Niemand dort.«

»Du hast die schönen Herren, die Schauspiele, die Spaziergänge nicht ungern verlassen?«

»Ich habe Nichts vermisst, gute Mutter.«

»Du liebtest also dort unten Niemanden?«

»Dort unten?«

»In Paris?«

»In Paris? Nein. Niemanden.«

»Desto besser,« sagte die Alte, die ihren Gedanken nachhing, den Wilhelm Watrin vor einer Stunde so schlecht aufgenommen hatte; »denn ich habe einen Gedanken für Dich.«

»Für mich?«

»Ja; Du weißt, Bernhard . . .«

O, liebe, gute Mutter!« rief Katharine voller Freude aus, denn sie täuschte sich bei diesem Anfang.

»Nun ja, – Bernhard . . .«

»Bernhard?« wiederholte Katharine nicht ohne einige Furcht.

»Nun ja,« fuhr die Mutter vertraulich fort, »Bernhard liebt die Euphrosine.«

Katharine stieß einen Schrei aus, und wurde bleich.

»Bernhard?« stammelte sie mit zitternder Stimme; »Bernhard liebt Euphrosine? Mein Gott! Mein Gott! was sagst Du mir da, Mutter!«

Sie setzte ihre Tasse Kaffee, die sie kaum berührt hatte, auf den Tisch, und sank auf einen Stuhl.

Wenn die Mutter Watrin einem Gedanken nachging, hatte sie die freiwillige Kurzsichtigkeit der Starrköpfe, das heißt sie beachtete nur ihren Gedanken.

»Ja,« fuhr sie fort, »Bernhard liebt Euphrosine, und sie, sie liebt den Bernhard, so daß man nur noch zu sagen braucht: »Ich willige ein,« und die Sache ist abgemacht.«

Katharine strich seufzend mit dem Taschentuch über die Stirn, von der der Schweiß herabfloss.

»Nur,« fuhr die Mutter fort, »will der Alte nicht.«

»Wirklich?« murmelte Katharine, die wieder etwas mehr Leben erhielt.

»Ja, er behauptet, es wäre nicht wahr, und ich wäre blind wie ein Maulwurf, und Bernhard liebe die Euphrosine nicht.«

»Ah!« rief Katharine aus, die wieder freier atmete.

»Ja, er behauptet das; er sagt, er wisse es gewiss.«

»Mein lieber Onkel,« murmelte Katharine.

»Aber, Gott sei Dank, jetzt bist Du hier, mein Kind, und Du wirst nur schon helfen ihn zum Glauben zu bringen.«

»Ich?«

»Und,« fuhr die Mutter fort, wie um einen guten Rat zu geben, »wenn Du heiratest, suche ja Deine Macht über Deinen Mann zu bewahren, denn wenn Du das nicht tust, geht es Dir, wie mir.«

»Wie denn?«

»Ja . . . Du wirst Nichts im Hause gelten.«

»Liebe Mutter,« sagte Katharine, welche die Augen mit einem unbeschreiblichen Ausdrucke zum Himmel erhob, wenn mein Leben dem Deinigen gleicht, werde ich am Ende meiner Tage sagen, daß Gott mich mit Güte überhäuft hat.«

»Oho!«

»Beklage Dich nicht! Der Oheim liebt Dich so sehr.«

»Gewiß liebt er mich,« erwiderte die Alte verlegen; »aber . . .«

»Kein Aber,« liebe Tante! Du liebst ihn, er liebt Dich; der Himmel hat Eure Vereinigung gestattet; das Lebensglück besteht in diesen Worten.«

Und Katharine erhob sich und tat einen Schritt gegen die Treppe.

»Wohin gehst Du?« fragte die Mutter.

»In mein Kämmerchen,« sagte Katharine.

»Ja, ja; wir erwarten Besuch und da willst Du Dich putzen.«

»Besuch?«

»Ja . . . Herrn Raisin, Euphrosine, Herrn Louis Chollet, den Pariser. Den kennst Du wohl?«

Und die Mutter, die diese Frage mit einem schelmischen Lächeln begleitet hatte, setzte hinzu:

»Putze Dich, putze Dich, mein Kind!«

Aber Katharine schüttelte traurig den Kopf und sagte:

»Ah! Gott weiß, daß ich nicht deshalb hinaufgehe.«

»Warum denn sonst?«

»Weil mein Kämmerchen auf die Straße sieht, auf welcher Bernhard zurückkommen muß, und weil Bernhard der Einzige ist, der mich in diesem lieben Hause noch nicht willkommen geheißen hat.«

Und Katharine stieg langsam die Treppe hinauf, deren hölzerne Stufen unter ihren Füßen knarrten, so leicht und niedlich dieselben auch waren.

In dem Augenblicke, als das Mädchen die Kammer betrat, hörte die Mutter einen tiefen Herzensseufzer, und da erst schien sie die Wahrheit zu ahnen.

Ohne Zweifel wäre Mutter Watrin, deren Geist nicht leicht von einem Gedanken zum andern überging, in der Aufsuchung des Lichtpunktes versunken geblieben, der sich ihr plötzlich gezeigt, wenn nicht ein: Stimme hinter ihr sich hätte hören lassen.

»Hören Sie doch, Mutter Watrin!« sprach diese Stimme.

Mutter Watrin wandte sich um und erkannte Mathias in einem schlechten Rocke, der einmal eine Livree gewesen sein wollte.

»Ach, Du bist es, Taugenichts?« rief sie.

»Danke,« sagte Mathias, der seinen Hut abnahm, auf dem eine alte Tresse von unechtem Gold schwarz wurde; »nur bemerken Sie, daß ich von heute an die Stelle des alten Peters einnehme, und im Dienste des Herrn Maire stehe. Wenn Sie mich schimpfen, schimpfen Sie auch den Herrn Maire.«

»Was willst Du?«

»Ich komme als Läufer – man hat noch keine Zeit gehabt, mir die Milz auszuschneiden, deshalb bin ich außer Atem – ich komme also als Läufer, um anzuzeigen, daß Euphrosine und ihr Vater im Augenblicke in der Kalesche ankommen werden.«

»In der Kalesche!« rief die Alte, wie geblendet von dem Glück, den Besuch von Leuten zu empfangen, die in einer Kalesche ankommen.

»Ja, weiter Nichts.«

»Mein Gott!« rief Mutter Watrin aus, und wo sind sie?«

»Der Vater und Herr Watrin sprechen mit einander von Geschäften.«

»Und Euphrosine?«

»Sehen Sie,« sprach, Mathias, »da ist sie!«

Er nahm seine Bedientenrolle an, und meldete: »Fräulein Euphrosine Raisin, Tochter des Herrn Maire.«

Zehntes Kapitel
Euphrosine Raisin

Das Mädchen, das so pomphaft angekündigt wurde, trat majestätisch herein und schien keinen Augenblick zu zweifeln, daß sie dem Hause eine sehr große Ehre erzeige.

Euphrosine war unbestreitbar schön, aber in jener mehr abstoßenden, als gewinnenden Art, die ein Gemisch von Hochmut und Gemeinheit mit Jugendfrische ist.

Gekleidet war sie mit dem übertriebenen Putz, welcher eine Modedame in einem Landstädtchen immer bezeichnet.

Gleich bei dem Eintreten sah sie sich um, und offenbar suchte sie zwei Personen, die nicht da waren – Bernhard und Katharine.

Mutter Watrin stand wie geblendet vor der strahlenden Schönheitssonne, die sich früh um neun Uhr so geputzt zeigte, wie etwa Abends bei Kerzenlicht zu einem Balle. Dann stürzte sie nach einem Stuhle, rückte ihn der schönen Besucherin näher und sagte:

»Ach, meine liebe Demoeiselle!«

»Guten Tag, Mutter Watrin,« antwortete Euphrosine herablassend, während sie andeutete, daß sie lieber stehen bleibe.

»Sie sind's also wirklich?« fuhr Mutter Watrin fort. »In unserm armen Häuschen? . . . Ach, setzen Sie sich doch. Unsere Stühle sind freilich nicht so weich gepolstert, wie die Ihrigen, aber setzen Sie sich nur . . . Und ich bin nicht einmal ordentlich angezogen! So früh erwartete ich Sie nicht.«

»Sie werden das nicht übel nehmen, meine gute Madame Watrin,« antwortete Euphrosine, »aber zu Leuten, zu denen man gern geht, kommt man immer je eher, je lieber.«

»Sie sind sehr gütig! Und . . . Sie beschämen mich ganz.«

»Ach,« entgegnete Euphrosine, welche die Mantille auseinander machte und ihr kostbares Kleid zeigte, »ich mache, wie Sie sehen, auch keine Umstände.«

»Ich sehe,« antwortete Mutter Watrin geblendet, »daß Sie schön sind, wie ein Engel und geputzt, wie ein Heiligenbild . . . Aber, daß ich noch so weit zurück bin, ist meine Schuld nicht; unser Mädchen ist heute früh aus Paris wieder angekommen.«

»Ihre Nichte meinen Sie, die kleine Katharine?« fragte Euphrosine leicht hin.

»Ja wohl, ja wohl, aber klein ist sie nicht mehr; groß ist sie geworden, einen Kopf größer, als ich.«

»Das freut mich,« entgegnete Euphrosine, »denn ich gestehe, ich habe Ihre Nichte recht lieb.«

»Viel Ehre für das Mädchen,« antwortete Mutter Watrin mit einem Knix.

»Wo haben Sie denn Ihren Sohn?« fragte Euphrosine weiter. »Er ist wohl auf der Jagt? Habe ich nicht gehört, der Inspektor habe die Erlaubnis gegeben, ein Wildschwein zu schießen?«

»Ja, zur Kirchweih und zu Ehren Katharinens.«

»Glauben Sie, daß der Inspektor an das Mädchen gedacht hat?« fragte Euphrosine mit einer Miene, welche sagen zu wollen schien: »er müßte herzlich wenig zu tun haben, wenn er an ein solches Mädchen denken kann.«

Mutter Watrin fühlte das Übelwollen Euphrosinens und suchte dem Gespräche eine ihr wahrscheinlich angenehmere Richtung zu geben.

»Wo Bernhard sei, fragten Sie? Das weiß ich wahrhaftig nicht. Er sollte hier sein, da Sie da sind . . . Weißt Du, wo er ist, Mathias?«

»Wie sollte ich's wissen?« antwortete dieser.

»Wahrscheinlich ist er bei seiner Cousine,« meinte Euphrosine spitz.

»Ach nein, nein!« fiel die Alte abwehrend ein.

»Ist denn Ihre Nichte . . . hübsch geworden?« fragte die Tochter des Maire.

»Nun,« antwortete Mutter Watrin verlegen, »sie ist ein ganz nettes Ding.«

»Mich freut es, daß sie wieder zurück ist,« fuhr Fräulein Euphrosine mit besonders gnädiger Gönnermiene fort.

»Wenn sie sich in Paris nur nichts über ihren Stand an« gewöhnt hat.«

»Damit hat es keine Gefahr. Sie wissen doch, daß sie nur nach Paris ging, um das Putzmachen ordentlich zu erlernen.«

»Und Sie glauben nicht, daß sie dabei auch etwas Anderes gelernt hat? Um so besser! Meine gute Madame Watrin, Sie kommen mir recht unruhig vor.«

»Ach, liebe Demoiselle, achten Sie nicht darauf. . . Wenn Sie es erlauben, will ich die Katharine rufen, daß sie Ihnen Gesellschaft leistet, während ich . . .«

Mutter Watrin blickte verzweifelnd auf ihren Anzug.

»Ganz, wie Sie wollen,« antwortete Euphrosine mit würdevoller Unbefangenheit. »Ich werde mich jedenfalls freuen, die Kleine zu sehen.«

Kaum hatte Mutter Watrin die Erlaubniß erhalten, so ging sie an die Treppe und rief:

»Katharine! Komm geschwind herunter, Demoiselle Euphrosine ist da.«

Bald daraus kam Katharine herunter und Mutter Watrin sagte:

»Nun, erlauben Sie?«

»Gehen Sie in Gottes Namen,« antwortete die Tochter des Maire«, welche dabei von der Seite nach Katharinen sah und bei sich dachte: »sie ist mehr als nett, wie die Alte sagte.«

Katharine kam unterdeß unbefangen näher und blieb vor Euphrosinen stehen, die sie mit ihrer majestätischen Miene ansah.

»Ich bitte um Entschuldigung,« begann Katharine ruhig, »aber ich wußte Nichts von Ihrer Ankunft, sonst würde ich sogleich erschienen sein, um Ihnen mein Compliment zu machen.«

»Wie sie die Worte setzt!« dachte Euphrosine. »Sie ist ganz und gar Pariserin geworden und der Pariser muß sie heiraten. Das gäbe ein Paar!« Darauf sagte sie etwas steif: »Ich habe die Ehre, mich zu empfehlen!«

»Hat die Tante schon gefragt, ob Sie Etwas wünschen?« fiel Katharine ein, ohne im Geringsten merken zu lassen, daß sie den Hohn in den Worten recht wohl gefühlt.

»Ich bedarf durchaus Nichts,« entgegnete sie, und um sich eine andere Stellung Katharinen gegenüber zu geben, fuhr sie fort:

»Haben Sie etwas Neues aus Paris mitgebracht?«

»Ich habe seit vier Wochen das Neueste zu sammeln mich bemüht.«

»Haben Sie Häubchen zu machen gelernt?«

»Häubchen und Hüte.«

»Waren Sie in einem der ersten Häuser?«

»Nein, ich war in einem bescheideneren, hoffe aber trotzdem, in meinem Fache Alles gelernt zu haben.«

»Das werden wir sehen,« antwortete die Tochter des Maire mit ihrer Gönnermiene; »sobald Sie das Geschäft der Rigolot übernommen haben, werde ich Ihnen Einiges zu ändern schicken.«

 

»Ich sage Ihnen im Voraus meinen Dank,« antwortete Katharine mit einer Verbeugung. Plötzlich aber richtete sie sich auf, horchte und zuckte zusammen. Es war ihr, als höre sie ihren Namen nennen, und allerdings rief eine ihrem Herzen gar teure Stimme draußen:

»Katharine! Wo ist Katharine?«

Gleichzeitig stürzte Bernhard in die Stube herein, bestaubt und erhitzt.

»Ach!« rief er, als er Katharine erblickte, mit dem Tone eines Menschen etwa, der im Wasser an die Oberfläche heraufkommt und wieder atmen kann. »Gott sei Dank, da bist du ja! Endlich! Endlich!« Er sank dabei erschöpft auf einen Stuhl und hielt beide Hände Katharinas fest.

»Bernhard! Lieber Bernhard!« sagte Katharine, die ihm um den Hals fiel.

Mutter Watrin, welche die Stimme des Sohnes gehört hatte, kam herein, und als sie die Tochter des Maire allein und unbeachtet, offenbar sehr ärgerlich, auf der einen Seite sah, während Bernhard und Katharine auf der andern in ihrem Glücke Alles um sich her vergaßen, erkannte sie wohl ihren Irrtum über die Gefühle ihres Sohnes gegen Euphrosine. Ärgerlich darüber, daß ihr Scharfblick sich so sehr getäuscht, rief sie:

»Bernhard! Bernhard, ist denn das Lebensart?«

Bernhard hörte eben so wenig auf die Mutter, als er auf Euphrosinen achtete und sagte zu Katharine:

»Wenn Du wüßtest, was ich gelitten habe! Ich glaubte . . . ich fürchtete . . . aber es ist gut, Du bist da! Du bist über La Ferté Milon gekommen? Ich weiß es; Franz hat es mir gesagt; die ganze Nacht bist Du gefahren, arme Katharine! Aber wie freue ich mich, daß Du da bist!«

»Bernhard! Bernhard!« rief die Mutter unwillig, »siehst Du denn nicht, daß Demoiselle Euphrosine da ist?«

»Ah, ich bitte um Verzeihung,« entgegnete Bernhard, der erstaunt aufsah; »ich hatte Sie nicht gesehen . . . Ihr gehorsamer Diener!«

Sogleich aber richtete sich seine Aufmerksamkeit wieder auf Katharine, denn er fuhr fort:

»Ist sie groß und hübsch geworden! Mutter, sieh sie nur einmal an!«

»Haben Sie eine gute Jagt gehabt?« fragte Euphrosine.

Bernhard hörte wohl den Klang der Stimme, aber den Sinn der Worte verstand er nicht.

»Ich? – —Nein. . . ja, doch. . . ich weiß nicht,« sagte er. »Jagt? Nehmen Sie's ja nicht übel, ich kann vor Freude keinen Gedanken festhalten . . . Ich bin nur Katharinen entgegen gegangen.«

»Sie trafen sie aber nicht, wie es scheint.«

»Zum Glück nicht,« antwortete Bernhard.

»Zum Glück?«

»Ja wohl . . . und dies Mal, weiß ich, was ich sage.«

»Ich aber,« fiel Euphrosine ein, welche die Hand ausstreckte, als suche sie etwas, »ich weiß nicht, wie mir wird . . . so übel . . .«

Bernhard war so ganz mit Katharinen beschäftigt, lächelte sie so zärtlich an, drückte ihr so dankbar die Hand, daß er wieder nicht hörte, was Euphrosine sagte und noch weniger sah. wie sie zu zittern und zu erbleichen begann.

Mutter Watrin dagegen ließ die vornehme Dame aus der Stadt nicht aus den Augen.

»Ach, du lieber Gott!« rief sie. »Bernhard, hörst Du nicht, daß Demoiselle Euphrosine unwohl wird?«

»Ein Wunder ist es nicht,« antwortete Bernhard, »es ist so heiß hier . . . Führe sie hinaus, Mutter, und Du, Franz, trage ihr einen Stuhl hinaus.«

»Nein, nein!« fiel Euphrosine ein. »Es vergeht bald wieder.«

»Aber, meine liebe Demoiselle,« sagte Mutter Watrin, »Sie sehen wahrhaftig ganz blaß aus, als wollten Sie in Ohnmacht fallen.«

»Frische Luft,« bemerkte Bernhard, »wird die Dame sogleich wieder gesund machen.«

»So führen Sie mich hinaus,« sagte Euphrosine schmachtend zu ihm.

Bernhard sah, daß er nicht ausweichen konnte und antwortete:

»Mit dem größten Vergnügen.«

Katharinen flüsterte er zu:

»Bleibe hier, ich komme sogleich wieder.«

Er bot dann Euphrosine den Arm und ging schneller mit ihr fort, als ihre scheinbare Schwäche zu gestatten schien, während Franz den Stuhl nachtrug und Mutter Watrin mit der Essigflasche kam, um der Halbohnmächtigen die Schläfe zu reiben.

Katharine blieb allein zurück. Alles, was eben vor ihr geschehen war, hatte deutlicher zu ihrem Herzen gesprochen, als Erläuterungen und Schwüre. »Mag die Mutter nun sagen, was sie will!« dachte sie bei sich.

Gleich darauf kam Bernhard zurück und Franz drückte hinter ihm die Türe zu, so daß das glückliche Paar allein war. Sie sahen selbst das häßliche Gesicht des Mathias nicht, welcher die Küchentüre halb aufmachte und vor sich hin brummte:

»Eine Ohrfeige, Bernhard? Die soll Dir teuer zu stehen kommen!«

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