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Gabriele

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»O Himmel!« rief Gabriele, »was will er sagen?«

Und das Papier zitterte in ihren Händen . . . und ihre Thränen verhinderten sie, weiter zu lesen . . . sie trocknete sie ungeduldig und fuhr fort:

»Wo haben Sie gelernt, daß Yves von Mauléon sich ungestraft beleidigen lasse? daß man ihm ein Vermögen zuwerfen könne, das ihm nicht zukommt, und Anderen die Zuneigung zuwenden, die er fordern könnte? Behalten Sie, Madame, diese Reichthümer, nach denen Sie mich so begierig glauben! Ich habe sie mir niemals gewünscht; mein Herz stieß sie zurück, schon ehe Ihre Vorwürfe und der Entschluß, den Sie faßten, mir verboten, die Hand darnach auszustrecken. Sie werben bald erfahren, was ich seit unserem Hochzeitstage hierüber beschlossen hatte.

»Aber warum haben Sie mir, als Ihr erzürntes Herz sich in Vorwürfen gegen mich ergoß, nicht auch gestanden, daß eine andere Liebe von Ihrer Seite, die Liebe zu mir unmöglich machte? Das würde ehrlicher und Ihres Herzens, das nicht gemacht ist, zu betrügen, würdiger gewesen sein:«

»Yves von Mauléon.«

Gabriele's Ueberraschung war ihrer Betrübniß gleich. Sie kannte noch nicht die verschiedenen Schattierungen, mit denen ein in der Welt des Hochmuths und der Falschheit lebendes Herz die Leidenschaften malt, und errieth unter der Hülle dieser harten Worte weder Eifersucht noch Liebe! . . .

Sie sank in ihren Fauteuil zurück und rief unter Tränenströmen:

»Nun mehr als jemals geschieden!«

Drittes Kapitel
Elénore

Frau von Savigny hatte in der Soiree, wo sie Gabrielen begegnete, in Betreff Elénore's die Wahrheit gesagt. Der unerwartete Schlag, der an Gabriele's Hochzeitstage das arme Mädchen traf, hatte sie in einen Zustand versetzt, der weder Leben noch Sterben war. Die Eigenschaft ihrer Seele, alle Gewalt derselben auf Eine Empfindung zu concentriren, hatte sich durch die heftige Bewegung, die sie empfand, zu einem solchen Grade entwickelt, daß sie, so zu sagen, für Alles, außer der heftigen Leidenschaft, die sie aufrieb, todt war,

Elénore, seit ihrer Kindheit kränklich, hatte ihre moralische Regsamkeit auf Kosten ihrer physischen Kräfte gesteigert. Von ihrem nicht mehr jungen und in Folge von Gewissensbissen, die seine Seele folterten, schwächlichen Vater hatte sie eine krankhaft nervöse Reizbarkeit geerbt, die die friedliche Stille und das regelmäßige Leben im Kloster unterdrückt, aber nicht geheilt hatten, und die zu lebhafte und schmerzliche Eindrücke nothwendig mit erhöhter Kraft erwecken mußten. Vis zu ihrem ersten Austritte aus dem friedlichen Haue hatte ein warmes, inniges religiöses Gefühl dieser sanften, liebevollen Seele genügt. Niemals hatte das Betragen des sanften Kindes ernste Vorwürfe veranlaßt, nie hatte es der Strenge bedurft, um einen Charakter zu leiten, der sich von selbst zum Guten neigte und sich ohne Zwang in alle ihre Pflichten fügte. Das religiöse Gefühl in dieser so zarten Seele gab der ganzen Persönlichkeit des schwachen Kindes einen Anstrich von Sanftmuth und Gelassenheit und ihrem Geiste eine träumerische Stille, die, indem sie ihre angebornen Eigentümlichkeiten mäßigte, diese gebrechliche Natur zu einer zwar langsamen, aber doch vollständigen Entwicklung kommen ließ. Als Elénore fünfzehn Jahre alt war, schien sie kaum deren zwölf zu zählen und behielt immer, auch in dem Alter der vollsten weiblichen Blüthe, das Ansehen, das eine zarte und schwache Constitution gibt.

Als ober ein tiefes Gefühl von diesem schon so empfindungsvollen Herzen Besitz nahm, unterdrückte dasselbe alle noch darin befindliche Lebenssaft, Wenn Elénore's Wahl glücklich gewesen wäre, wenn ihr Geschick sie mit dem Manne, den sie liebte, vereinigt hätte, so würde sie nur den Reiz einer durch Tugend geheiligten Liebe kennen gelernt haben. In friedlicher Zurückgezogenheit, gehorsam und hingebend, würde nur der Gedanke an den Mann ihrer Liebe ihr Herz berührt und ihren Geist beschäftigt haben. Sie hätte vergessen und vergessend in der Verborgenheit gelebt; ihr Glück hätte Nichts mit der Welt um sie her zu thun gehabt; sie hätte geliebt. . . und weiter Nichts gewünscht! Aber als das erste Unglück in Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit eine Liebe auflöste, die ihr ganzes Dasein hatte ausmachen sollen, erhielt diese schwache Natur eine, für eine so empfindliche Organisation zu gefährliche Wunde.

Durch Gabriele's zarte Sorgfalt, ihre Heiterkeit, ihr freundliches, Hoffnung spendendes Kosen, hatte diese arme, vom Sturme geknickte Pflanze sich wieder zu heben angefangen, als sie von einem neuen Schlage, und ohne Möglichkeit auch nur der leisesten Hoffnung, getroffen wurde. Nun nahm ihr Schmerz den Charakter von vernichtendem Erschrecken an; sie war nicht bloß unglücklich, sondern sie fürchtete sich vor ihrem Unglücke!

Als Frau von Savigny sie nach Gabriele's Hochzeitstage besuchte, fand sie sie der Pflege und Gesellschaft so bedürftig, daß sie Herrn Simon vorschlug, sie wieder zu sich zu nehmen, und ihn bat, sie dahin zu begleiten. Elénore, die sich zwar nach der Stille und Einsamkeit des Klosters gesehnt hatte, ließ sich an einen andern Ort führen, ohne die leiseste Einwendung zu machen, ja, ohne diesen Wechsel ihres Aufenthaltsortes kaum zu bemerken. Herr Simon dankte Frau von Savigny für ihre freundschaftliche Sorgfalt und die Theilnahme, die sie bewies, indem sie die Pflege ihrer kranken Freundin übernahm; aber des Greises zitternde Stimme sprach so verwirrte, unzusammenhängende Worte, daß er allein schon das lebhafteste Mitleid in Anspruch nahm und daß Frau von Savigny dieses Gefühl jetzt wirklich aufrichtig für Vater und Tochter empfand.

Ohne die Bande, die Herrn Simon an Elénore fesselten, zu kennen, hatte sie sie errathen. Ihr Schweigen achtete dieses traurige Geheimniß, aber der Schmerz Simons, der es ihr bestätigte, vermehrte die Vorwürfe, die sie sich über ihre unkluge Aufführung, die diese unheilbringende Liebe genährt hatte, machte; sie fühlte, daß sie dem Vater Rechenschaft über das Glück des ihr von ihm anvertrauten Kindes schuldig war, und ihre durch ihre eignen Leiden verwundete Seele war um so empfänglicher für fremden Schmerz. Sie liebkoste Elénoren, trocknete die Thränen, die, ihrer unbewußt, über ihre Wangen rollten, ohne daß sie sich bemüht hätte, sie zu trocknen, oder zurückzuhalten;, dann, als periodisch ein fieberhaftes Zittern den ganzen Körper des zarten Wesens erschütterte, wobei sie um sich her sah, ohne Etwas zu sehen, und Worte ohne Bedeutung ausstieß, suchte Frau von Savigny Herrn Simon zu entfernen, indem sie ihm auftrug, Einiges für die Kranke herbei zu holen, und war nun allein mit der Leidenden, die jetzt anfing, zusammenhängender zu reden von den Strafen des Himmels, einem dem Unglück geweihten Dasein durch die Strenge des Himmels, die sie doch nie verdient habe!. . . Aber der arme Greis blieb nicht lange aus und setzte sich an das Lager seines angebeteten sterbenden Kindes. Unbeweglich beobachtete er jeden ihrer Athemzüge und in seine Augen stahlen sich noch einige seltene, aber bittere und brennende Thränen, die langsam auf seinem bleichen Gesichte hinabglitten, in Runzeln, welche frühere Thränen hineingegraben hatten.

Mit der Zeit wurde Elénorens Schmerz sanfter, und ihre frühere Resignation erfüllte ihre Seele wieder; die Gefahr war vorüber, der Tod war verscheucht, aber das Leben noch nicht zurückgekehrt!. . . Als die Wärterin, die ihren jetzt ruhigeren Schlummer bewachte, ihr vorschlug, aufzustehen, gab sie sich sanft ihren Vorschlägen hin, fügte sich gleichgültig allen ihren Anordnungen und kleidete sich schweigend, einfach, aber ziemlich nachlässig an. Ihre zarten, blonden Locken umgaben immer noch in reicher Fülle ihr länger gewordenes Gesicht und schmiegten sich schmeichelnd an, ihre blassen, jetzt gänzlich entfärbten und leicht ausgehöhlten Wangen. Sie ging in den Salon, setzte sich in einen Fauteuil und nahm, wenn Gesellschaft da war, eine kleine Stickerei zur Hand, der sie ihre ganze Aufmerksamkeit widmete, wahrend sie mit schwacher und sanfter Stimme die etwa an sie gerichteten Fragen beantwortete; sobald man aber nicht durch Fragen ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, fiel sie in ihre Apathie zurück.

War sie allein im Salon, so pflegte sie ein Buch in der Hand zu haben; aber Frau von Savigny hatte sich überzeugt, daß sie es Stundenlang so hielt, ohne umzublättern, oder auch nur zu wissen, was es enthielt. Oft ging, weil der Arzt, hoffend, die frische Luft werde diesen schwachen, empfindungslosen Körper beleben, es wünschte, Elénore, ungeachtet der Kalte, auf den Balcon; aber mochte die strengste Kälte ihren zarten Körper erschüttern, mochte ein Feuer ihn wieder wohlthuend erwärmen, es brachte keine' Veränderung in ihrem Gesichte hervor . . . Nur eines Tages überraschte ein schwacher Schrei Frau von Savigny; sie lief schnell zu Elénoren und sah sie lange mit den Augen Jemand verfolgen, der sich oft umdrehte; es war Yves von Mauléon, der vorüberging und den der Anblick Elénorens erschreckt hatte.

An demselben Abende ging Frau von Savigny nach der Soiree, wo sie Gabriele wiederfand. Den folgenden Tag konnte Elénore, weniger leidend, ausfahren und entdeckte von Weitem auf einer Promenade Herrn v. Mauléon . . . Dies schien sie noch viel mehr zu beleben; den nämlichen Abend machte Frau von Savigny Gabrielen ihren Besuch, fand den jungen Herzog unzufrieden, eifersüchtig und aufgeregt, und sah ihn sich entfernen, um einer lächerlichen und peinlichen Lage zu entfliehen.

Seit Elénore nicht mehr in Lebensgefahr war, hatte ein Ausdruck von Ironie auf dem Gesichte der Frau von Savigny dem zarten Mitleide mit den Leiden ihrer Freundin Platz gemacht. Eine sehr lebendige Heiterkeit und eine neue Tätigkeit belebten sie; es war nicht mehr die Mutlosigkeit, die dem Verluste der Hoffnungen folgt, es schien im Gegentheil, als habe Frau von Savigny neue, unvorhergesehene Hoffnungen geschöpft, und niemals war ihr Geist so reich an scherzhaften Neckereien gewesen, die Niemand verschonten, an geschickten Anzüglichkeiten, die entweder die Eitelkeit oder das Gefühl Derer, mit denen sie zusammenkam, verletzten. Ausfälle gegen die Eigenliebe, gegen den Ehrgeiz jeder Art. selbst gegen die heiligsten Empfindungen, hämische Epigramme, falsche Auslegungen, doppelsinnige Worte, die im Gründe des Herzens den verwundbaren Fleck aufsuchen, um Schmerz zu erregen, begleiteten Frau v. Savigny, die Alles errieth und immer sicher traf. Sie hatte sich den gefürchteten Frauen zugesellt, welche die Welt aufnimmt, schmeichelt, fürchtet und verabscheut, Frauen, die oft eben so viel Mitleid als Tadel verdienen, die über die Anderen die Galle ergießen, von der ihr Herz überfüllt ist, die vielleicht gut gewesen sein würden, wenn sie glücklich gewesen waren, die aber in ihrer Liebe, wie in ihrem Stolze getäuscht, Anderen das Glück nicht gönnen, was sie selbst nicht erreichten,

 

»Komm, Elénore,« sagte sie, als sie nach Hause kam, »zieh Dich schnell und elegant an; ich selbst will Dir helfen.«

Das junge willenlose Mädchen ließ Alles mit sich machen und folgte ihr ohne Einwendung und Vergnügen in die Oper.

Frau v. Savigny holte im Vorbeifahren eine jener unbesonnenen, unbedeutenden jungen Frauen ab, die man bewunderungswürdig benutzen kann durch Schritte, die man ableugnet, und durch unpassende Worte, die der, die sie veranlaßt, ohne sie zu compromittiren, vortreffliche Dienste leisten.

Zwischen Elénore und der unbedeutenden Frau von Artigues in einer Loge des ersten Ranges, einer der Logen, welche von Mitgliedern des Jockey-Clubbs eingenommen war, gegenüber sitzend, glich Frau von Savigny unter dem Feuer der Blicke etwas einem Soldaten auf der Bresche; aber sie hatte wenigstens an diesem Tage nicht das Verdienst des Muthes, indem sie die Gefahr ganz vergaß; in diesem Augenblicke hätte weder Himmel noch Hölle ihren Gedanken eine andere Richtung geben können. Indessen führten eine ausgesuchte Toilette, ein Heiterkeit strahlendes Gesicht, graziöse Stellungen, der wechselndste Ausdruck ihrer Mienen, wobei sie die schönsten Zähne zeigte, eine Menge Besucher in ihre Loge, die mit den einnehmendsten Blicken empfangen wurden. So wird alle die kleinliche Kunst der Koquetterie angewendet und nicht berücksichtigt, wie wenig sie gilt.

»Sie wissen,« sagte sie zu Frau von Artigues, nachdem sie eine halbe Stunde in der Loge gewesen waren, »daß ich nur hierher gekommen bin, um Sie zu begleiten, weil andere Engagements mich binden; Sie haben Ihren Wagen und der General Barlemont, den ich Ihnen lasse, wird Sie begleiten. Sie werden mir die Gefälligkeit erzeigen, Elénore nach Hause zu bringen?«

Und während Frau von Artigues antwortete, bemerkte Frau von Savigny, kein Auge von der Bühne verwendend, ein leichtes Geräusch, das einen in der Loge Neuangekommenen anzeigte. Sie erkannte ihn, ohne ihn zu sehen, und ohne Frau von Artigues Zeit zu lassen, ihre Rede zu vollenden, verließ sie sie schleunigst.

Elénore blieb also allein mit einer Frau, die sie kaum kannte und die überdem immer nur mit sich selbst beschäftigt war und mit dem vortrefflichen General Barlemont, wie ihn alle Frauen nannten, die er zuweilen begleitete, wenn ihnen daran gelegen war, einen Führer zu haben, der weder sah, hörte, noch verstand.

Der Eintritt des Neuangekommenen machte eine Art Theatereffekt in der Bühnenloge.

»Schon!« sagte der Eine. »Erst jetzt!« der Andere.

»Drei Wochen! das ist zu wenig; die Flitterwochen dauern einen Monat!« sagte ein Dritter.

»Die Flitterwochen eines Lion dürfen nur einen Tag dauern!« entschied ein Vierter,

Und Yves von Mauléon, denn er war der Neu angekommene, stand da, betäubt von den unnützen Worten und Scherzen, die so wenig mit seinen Gedanken harmonierten, und verwünschte die Thorheit, die ihn, allein und unbeschäftigt, wie er war, bewogen hatte, die Genossen seines früheren Lebens, deren Sprache und Gewohnheiten er so lange geteilt hatte, aufzusuchen. Indem ihm plötzlich die zarte Scheu vor aller Gemeinheit eines in der Einsamkeit und unter dem Einfluß edler Vorbilder gebildeten Geistes einfiel, dachte er: »Ach! Gabriele konnte mich nicht lieben,«

Und der traurige Ausdruck seines ernsten Gesichts munterte seine lustigen Gefährten zu noch tolleren Neckereien auf.

Yves neigte sich über die Brüstung der Loge, seine Aufmerksamkeit auf die Personen wendend, die in den Logen waren, und plötzlich blieben seine Blicke an einer Stelle haften.

»Ach! Du siehst diese blonde junge Dame, die so bleich wie ein Gespenst, und doch so schön wie ein Engel ist! Sie sieht aus wie eine Erscheinung, sagte ein junger aristokratischer Dichter.«

»Ich erkenne sie,« sagte der Unternehmendste von ihnen. »Ich habe sie bei Frau von Savigny gesehen; sie ist aus Liebe toll geworden! . . . Welcher von uns ist der Schuldige?«

Yves wollte wie die Andern lächeln, aber es gelang ihm nicht.

»Wer von uns wird sie trösten?« sagte einer dieser jungen Thoren mit einem Tone, der großes Vertrauen zu seinen Tröstungen aussprach.

Duprez begann zu singen, Alles hörte zu.

Die Augen Yves von Mauléon verließen das junge Mädchen nicht mehr, die der Reiz der Musik sanft einwiegte, ohne sie ihren Träumereien zu entziehen. Es war leicht zu erkennen, daß das Leben in dieser gebrechlichen Hülle nur noch schwach war; daß die äußeren Gegenstände ihre Sinne wenig mehr berührten und daß sie nur noch durch einen Gedanken lebte, den sie Niemand mittheilen konnte, oder wollte.

Yves dachte: »Wenn Gabriele mich so geliebt hätte!«

Und es drang auch nicht, ein Schatten der ihn umgebenden Albernheiten in seine Seele ein! . . .

Weil er, seit seiner Verheiratung, nur wahre Empfindungen, richtige Urtheile . . . und natürliche Handlungsweise in seiner Umgebung gefunden hatte, begriff er nicht mehr die Ausgelassenheit seiner Freunde. Am Schluß des Aktes wollte er die Loge verlassen, sie hielten ihn zurück.

»Aber seht doch,« sagte der Eine, »diese Ehemannsmiene! sorgenvoll und gelangweilt! So kehren sie alle zu uns zurück.«

»Bah! es ist besser, lustig als ernsthaft zu leben,« sagte ein Anderer. »Wenn man vernünftig wird, amüsirt man sich bei uns nicht mehr, und sich amüsiren ist doch Alles . . .« fügte er mit der gelangweiltesten Miene von der Welt hinzu. »Die Zeit tödten,« sagte er nach einigem Schweigen gähnend, »das ist die große Aufgabe. Ich bin überzeugt, daß die größten Staatsumwälzungen dadurch entstanden sind! . . . und seht, hat wohl Napoleon etwas Anderes gethan, als sich damit zu amüsiren, daß er über alle Anderen wegkletterte, um sich von dem Drucke der Zeit zu befreien, die auf ihm lastete? Vielleicht hat er sich niemals Rechenschaft über diesen Grund gegeben . . . aber ich wette, es war nur das, was ihn durch alle Länder jagte! . . . Seine Manier zu reisen war Vielen unbequem; die Anwendung seiner Zeit mißfiel Andern und eine große Menge mußte sein Vergnügen sehr theuer bezahlen; aber Alle hatten einen solchen Respekt vor dem, der eine so großartige Weise sich zu amüsiren erfunden hatte, daß sie, selbst wenn sie seinen Amüsements zum Opfer fielen, sterbend nachriefen: »Es ist herrlich!«

»Es ist indessen nicht Allen gegönnt,« sagte er seufzend, »sich so großartig zu amüsiren, laßt uns also sehen, wie wir leichteren Kaufs dazu kommen.«

Und nach Beendigung dieser schönen Tirade schlief der Redner in einem Winkel der Loge ein.

Yves entschlüpfte seinen alten Freunden einen Augenblick vor Beendigung der Oper

Elénore halte sich ganz dem Zauber hingegeben, den die Musik auf ihre nervöse, zarte Organisation ausübte . . . Ganz mit dem, was auf dem Theater vorging, beschäftigt, hatte sie nicht ein einziges Mal ihre Blicke auf das Haus gewendet; auch hatte Yves sich so gesetzt, daß sie ihn nicht entdecken konnte. Aber als sie mitten im Gedränge die Treppe hinab stieg, der Frau von Artigues, die dem General Barlemont den Arm gab und über die Grüße und Höflichkeiten ihrer Bekannten ihre Schutzbefohlene ganz vergaß, folgend, wurde sie plötzlich gezwungen, stehen zu bleiben denn eine gänzliche Erstarrung war die Wirkung der heftigen Bewegung, die alle andern Kräfte in ihr fesselte, als Frau von Artigues laut rief'.

»Wie, Herr von Mauléon hier? Sie waren in der Oper und sind nicht in meine Loge gekommen!«

Und die glänzende Menge, wie eine gewaltige Meeresfluth sich ergießend, trennte das junge Mädchen von ihren Begleitern, sie unbeweglich an die kalte Mauer gelehnt zurücklassend. Als Alle vorübergegangen waren, folgte sie, über ihre Verlassenheit instinktmäßig erschrocken, dieser unzählbaren Menge, in der Niemand sich um sie bekümmerte, und unter dem Peristyle in eine Gruppe gerathend; die nach dem Boulevard zu wogte, ließ sie sich mechanisch mit fortziehen, bis auch diese sich nach allen Richtungen hin zertheilte, und sie, zu ihrem Schrecken, sich nun mitten in der Straße allein sah. Ihre erste Bewegung war, nach dem Theater zurückzukehren, dessen Erleuchtung und die Bewegung vor demselben ihre Aufmerksamkeit fesselten, Ihre kleinen mit Atlasschuhen bekleideten Füße und ihre mit Furcht gemischte Zerstreutheit machten ihren Gang ungleich und unsicher. Unter dem Peristyle wieder angelangt, war sie plötzlich, ohne es zu wissen, mitten in einem Haufen junger Leute, die mit ihren mehr oder weniger wohlwollenden Beobachtungen die Besucher und besonders Besucherinnen der Oper bis zu ihren Equipagen zu verfolgen pflegen. Es waren die Freunde Yves von Mauléons . . . Ihr spöttisches Lachen, ihre unschickliche, beleidigende Aufmerksamkeit, ihre sonderbaren Ausdrücke empfingen sie.

»Es ist das vor Liebe toll gewordene junge Mädchen!« rief Einer von ihnen.

»Sagte ich nicht, daß sie auf uns rechnete, um getröstet zu werden!« entgegnete ein Anderer,

Und sie wollten ihre zitternden Hände ergreifen.

»Meine Herren!« sagte mit starker, drohender Stimme Yves von Mauléon, der herbeieilte.

Und auf dieses Wort entfernten sich Alle ehrfurchtsvoll, so viel Gewalt verlieh die tiefe Bewegung seiner Seele der schon an sich imponierenden Stimme! . . . Das erschrockene junge Mädchen erholte sich und näherte sich ihm unwillkürlich, in dem Augenblicke, wo sie fühlte, daß sie wankte und die Besinnung verlor.

Yves führte sie in seinen Armen fort, zögerte jedoch etwas, ehe er sie in seinen Wagen hob, der soeben herankam; aber wohin sollte er, mit einem ohnmächtigen Mädchen, mitten in einer von Menschen, Pferden und Wagen angefüllten Straße, die von allen Seiten und in jedem Augenblicke Gefahr drohte?

Der Fußtritt war herabgelassen, er setzte sie in den Fond des Wagens, sich auf den Rücksitz und bezeichnete dem Kutscher die Wohnung der Frau von Savigny.

Elénore öffnete die Augen, sah Yves von Mauléon, der ihre Hände hielt und sie mit lebhafter Theilnahme betrachtete; sie wußte nicht, wo sie war, wohin' sie fuhr! Sie sah nur ihn, den sie liebte!

Elénore hatte seit dem Abende, wo der Schmerz ihr in Gegenwart der Frau von Savigny ihr Geheimniß entriß, Yves nicht wiedergesehen, als in dem Augenblicke, wo er sich auf immer mit einer Andern verband.

Tag und Nacht hatte sie nur sein Bild – aber kalt und gleichgültig gegen sie, vor Augen gehabt! Diese immer gegenwärtige Erscheinung stellte sich zwischen sie und die ganze übrige Welt! Immer sah sie dieses Gesicht, aber immer drückte es eine Verachtung aus, von der sie sich tödtlich berührt fühlte. Jetzt war er selbst da – drückte Freundschaft, Zärtlichkeit, Schmerz aus. . .

Yves sah, wie sie sich erst erholte . . . dann erstaunte . . . dann sich von Neuem beunruhigte.

»Verzeihung!« sagte er, ihre kalten, erstarrten Hände in den seinigen wärmend, »Verzeihung!«

Und sich den Eingebungen seines von Natur rechtschaffenen und guten Gemüthes hingebend, rief er aus:

»O, es ist schrecklich! Dieses junge Mädchen, so ohne Besinnung, ohne Zukunft, ohne Glück! Ein leidender Engel!. . . O, mein Gott. . .!«

Und er klagte sich selbst an, zürnte über sich selbst; dann, ohne eigentlich zu wissen, ob und bis zu welchem Grade diese Vernunft zerrüttet war, redete er mit ihr fragte sie aus, und dann zu den Füßen dieses besinnungslosen Mädchens sinkend, richtete er Bitten, Beschwörungen an sie, die sie nicht verstand.

Elénore kehrte langsam von ihrer Apathie zurück, sah Yves mit leichter Ueberraschung an; ihre erwärmten Hände berührten sein Haar und sein Gesicht, beunruhigt und zögernd, um sich zu überzeugen, daß es nicht ihre gewöhnliche Vision sei; dann mit Erstaunen diese zärtliche, mitleidige Miene betrachtend, schweigend und aufmerksam seine immer noch schmeichelnd wie zu einem Kinde ausgesprochenen Worte anhörend, strahlte der himmlische Abglanz einer unaussprechlichen Freude aus ihren Augen, und sie rief entzückt:

 

»Aber es ist ja Er! Er!« und ihre Arme umschlossen den Hals des jungen Mannes, wie um eine Erscheinung fest zu halten, von der sie jeden Augenblick fürchten mußte, daß sie verschwinden würde! Sie hatte Alles, außer ihre Liebe, vergessen.

In diesem Augenblicke hielt der Wagen in dem Hofe des Hotels der Frau von Savigny. .

Während Yves Elénoren aussteigen half, kam Frau von Savigny bis an die Freitreppe, mit Ausrufungen der,Verwunderung und Freude, rief Frau von Artigues, um sie zu beruhigen, und heuchelte eine große Unruhe, um einigen bei ihr. versammelten Personen einen großen Begriff von ihrer aufopfernden Freundschaft beizubringen.

Yves wurde gezwungen, bei ihr einzutreten. . . und mit ironischem Lächeln, das nur Er sehen durfte, empfangen! . . . Elénore schien aus einem Traume zu erwachen, und wenn nicht Alle, die gegenwärtig waren, durch Frau, von Savigny von Elénorens durch die Krankheit hervorgebrachtem Geisteszustande unterrichtet gewesen wären, so würde ihnen der Ausdruck ihrer Physiognomie, sowie die verschiedenen Bewegungen, die dasselbe nach und nach zeigte, sehr sonderbar vorgekommen sein.

Der Anblick ihres Geliebten hatte eine plötzliche Umwälzung in ihrem Innern hervorgebracht! Das immerwährende Leiden, welches die ihr beständig vor Augen schwebende Vision veranlaßte, war der Wirklichkeit gewichen, und während man ihr so trauriges Schicksal beklagte, ahnte man nicht ihr ganzes Unglück. . . Sie hatte ihre Vernunft wieder erhalten!

Als man sich trennte, hatte Yves alle Wünsche der Frau von Savigny errathen und es sich zur Pflicht gemacht, über Elénore zu wachen, deren Glück und Leben auf's Spiel zu setzen Frau von Savigny bereit zu sein schien.

Als Elénore ihr Zimmer wieder betrat, erinnerte Nichts mehr an ihn, an den stumpfen Geisteszustand, in dem sie es verlassen hatte. Durch die Verzweiflung belebt und wieder in den Besitz ihrer Geisteskräfte gesetzt, hatte sie plötzlich durchschaut, daß Frau von Savigny sich ihrer bedienen wollte, um ein Glück zu stören, das ihrer Rache unerträglich war; zugleich hatte sie aber auch empfunden, daß sie wohl dem Hasse, aber nicht der Liebe würde widerstehen können.

Ihr Entschluß war sogleich gefaßt. Sie zog den Ring, den Gabriele ihr als Erinnerung an Stunden des Vertrauens, der Freundschaft und der Hoffnung gegeben hatte, weinend von ihrem Finger. . . dann wickelte sie ihn in Papier, adressiert es an Gabriele und beauftragte ein Kammermädchen, es am folgenden Morgen zu besorgen. . . Als sie darauf ganz allein war, besorgte sie mit der kleinlichsten, genauesten Sorgfalt in größter Ruhe sehr einfache Kleider, die sie vor ihr Bett legte, und versuchte, da es schon drei Uhr Morgens war, etwas zu ruhen. Die Aufregung, die ihr schon lange Zeit den Schlummer geraubt hatte, war besänftigt; sie schlief fest bis sieben Uhr, stand auf und kleidete sich allein an. Sie zog ein braunes Kleid an, setzte einen schwarzen Hut auf, nahm einen dunkeln Mantel um, steckte etwas Geld ein und, den Augenblick wahrnehmend, wo es Niemand bemerken konnte, verließ sie das Hotel der Frau von Savigny an einem kalten, trüben Morgen.

Am Quai angelangt, wunderte sich Elénore, soviel Menschen zu sehen. Der Straßen und ihres täglichen Geräusches wenig gewohnt, hatte sie auf eine vollständige Verödung derselben gerechnet, zu dieser Stunde, wo von ihren gewöhnlichen Umgebungen noch Niemand aufgestanden zu sein pflegte, sie zögerte dann rief sie einen vorbeifahrenden Fiaker an und bestellte ihn, sie nach Sévres zu fahren.

Dahin hatte sie mit Frau von Savigny einst eine Wasserpartie gemacht. . . Die Ruhe und Kaltblütigkeit, die seit dem gestrigen Abende in ihrem Herzen eingekehrt waren, verließen sie nicht einen Augenblick. Während des Weges sagte sie langsam alle die kleinen Gebete her, die sie wußte. . . als der Wagen hielt, athmete sie auf, wie Jemand, der nach einer langen, beschwerlichen Reise das bestimmte Ziel erreicht hat. . . und leicht, ohne sich einmal des Fußtrittes zu bedienen, aus dem Wagen springend, fühlte sie sich plötzlich von einem beschützenden Arme umfaßt. Er half ihr über einen Graben, der den Weg begrenzte, öffnete ihr die Thür einer hinter demselben befindlichen Mauer und ließ sie erst, als keiner der Vorübergehenden sie mehr sehen konnte, in dem eleganten Garten eines allerliebsten unbewohnt scheinenden Häuschens sich niedersetzen.

Entsetzt, bestürzt, konnte Elénore nur ausrufen: »Yves von Mauléon!« Er war es wirklich.

Yves hatte sich nicht zu Bett gelegt; unruhig über Elénore, hatte er einige Zeilen geschrieben, in denen er sie bat, selbst über ihre Sicherheit zu wachen und einen andern Zufluchtsort, als das Haus der Frau von Savigny, zu wählen; alsdann, fürchtend, dieser unschuldige Brief könne dem jungen Mädchen auf irgend eine Weise nachtheilig werden, beschloß er, selbst sie zu bewachen. Durch eine schlaflose Nacht erschöpft, Bewegung wünschend, um seinen Gedanken zu entfliehen, war er mit dem frühesten Morgen ausgegangen, und Nichts war seinem Erstaunen zu vergleichen, als er Elénore allein und zu Fuß in dieser Stunde auf der Straße erkannte. Er folgte ihr, und als sie in den Wagen stieg, warf er sich in ein Cabriolet und verließ nicht den von ihr bezeichneten Weg.

Diese Fahrt, der Ort, die Stunde. . . Alles erweckte einen unglücklichen Plan in ihm, dessen Ausführung er hätte verhindern sollen und müssen; und als der Wagen hielt, hatte er, nur den Eingebungen des Augenblicks folgend, an die Zukunft nicht denkend, das hilflose Mädchen in seine Arme genommen und sie in ein Haus gebracht, das ihm bekannt war; und da, allein mit ihr, folgte er dem augenblicklichen Zuge seines Herzens. Er führte sie, die zu betäubt war, um den geringsten Widerstand zu leisten, in einen kleinen Salon im Erdgeschoß und sagte zu ihr:

»Sie antworten nicht, Elénore? Sie wagen die grausame Absicht, in der Sie hierher kamen, nicht zu leugnen! Was, so jung und schön, wollten Sie dem Leben entsagen? Solche Gewissensbisse, solche Verzweiflung wollen Sie veranlassen! O, es ist fürchterlich!«

Und Yves konnte die Thränen nicht zurückhalten, indem er dieses schwache, reizende Wesen betrachtete, das ihn zärtlich ansah und zu ihm sagte:

Was soll ich noch in der Welt? Was habe ich zu hoffen, zu erwarten? Wer denkt an mich armes Mädchen ohne Eltern, ohne Verwandte . . . ohne Freunde! Betrogen von der Freundschaft, wie von der Liebe!. . . Nichts vor mir sehend, als eine lange Reihe unglücklicher Tage!. . . Ist es nicht viel besser, zu sterben? Es wird nicht einmal Jemand sagen: »Sie ist nicht mehr!« Wer weiß denn, ob ich lebe, ob ich leide, ob ich in jedem Augenblicke sterbe?«

Diese Worte wurden nicht ganz zusammenhängend gesprochen, aber unaufhörlich unterbrochen durch die tröstendsten Worte, die Yves einfielen; und als ihm die Worte fehlten, als der tiefe Schmerz Elénorens alle Worte zu übersteigen schien, küßte er ihre zarten Hände.und drückte sie an sein Herz. Noch waren es nur die unschuldigen Liebkosungen, die man einem Kinde macht, um seine leichten Schmerzen zu stillen. Aber Elénore war schön und leidenschaftlich; Yves war sechsundzwanzig Jahre alt; eine lebhafte Bewegung hatte sie Beide ergriffen. . . und sie waren allein!

Unterdessen hatte Gabriele Elénore's Ring erhalten; erschreckt und beunruhigt, hatte sie geeilt, sie aufzusuchen; sie kam an, als ihre Flucht das ganze Haus in Bewegung setzte, und ging allein die Straße hinauf, wo mehrere Fragen bei den Kaufleuten sie auf die Spur der Entflohenen leiteten; sie kam bis zum Quai. Dort erfuhr sie, daß Elénore ganz laut den Ort genannt hatte, wo sie hinfahren wollte. Gabriele, bestürzt und außer sich, ließ sich denselben Weg fahren; ihre Nachforschungen führten sie endlich bis zu dem ihr bekannten Hause, in welchem Elénore war. In den letzten Tagen vor ihrer Hochzeit hatte Yves davon gesprochen, daß er es miethen wolle, um seiner Großmutter ganz nahe bei Paris einen Aufenthaltsort zu sichern, wo auch sie Beide zuweilen die Freuden des Landlebens würden genießen können, ohne sich von der Stadt zu entfernen.

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