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Gabriele

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Madame Rémond sollte die Neuvermählten allen Denen vorstellen, zu denen sie durch Verwandtschaft oder andere Verhältnisse in genauen Beziehungen stand. Und da Yves einige Verbindungen angeknüpft hatte, die für ihn von großem Werth, seiner Familie aber ganz fremd waren, so wurde beschlossen, daß er seine junge Frau allein, ohne weitere Begleitung denen vorstellen sollte, deren nähere Bekanntschaft er mit ihr zu theilen wünschte.

Da diese Einrichtung allgemeinen Beifall fand, beschloß man, mit den Visiten, die unter der Aegide der Marquise unternommen werden sollten, den Anfang zu machen. Aber weil ein in solchem Frohndienst zugebrachter Tag zu angreifend für eine Frau ihres Alters war, wurde beschlossen, sie täglich nach zwei oder drei Visiten der Ruhe in ihren stillen Gemächern zurückzugeben und dann mit Madame Rémond oder all, in die andern nöthigen Besuche zu machen. So wurde ihnen durch Abwechselung diese langweilige Pflicht interessanter.

Madame Rémond konnte indeß die Bedingungen dieser Uebereinkunft nicht erfüllen, weil sie den Tag nach der Hochzeit nach Arnouville abgereist war. Der Vorwand, unter dem sie es that, war, daß dieses jetzt ihrer Tochter zugehörende Gut auf einige Zeit ihrer Gegenwart bedürfe. Der wahre Grund aber war, daß sie sich über die Art der Hochzeit, das wenige Vergnügen, welches sie bei derselben gehabt hatte, und die wenige Berücksichtigung ihrer Person verletzt fühlte, und, wie sie sagte, der Frau Marquise und dem Herrn Herzog zeigen wollte, daß Madame Rémond eben so gut, wie sie, feine Manieren kannte und deren Anwendung in Bezug auf sich verlangte. Aber ehe sie in Arnouville angekommen war, hatte die gute Mutter ihren Zorn vergessen, die Tochter hatte ihn nie gekannt, dem Schwiegersohne war er gleichgültig und.die Visiten wurden ohne sie gemacht.

In jeder andern Lage, in den gewöhnlich zwischen Neuvermählten bestehenden Verhältnissen und mit einer in der großen Welt erzogenen jungen Frau würde Yves diese Verpflichtung als eine schreckliche Last erschienen sein, von der er sich zu befreien gesucht haben würde und der man sich jetzt gewöhnlich durch eine Reise entzieht. Aber Gabriele war für ihn ein Gegenstand großer Aufmerksamkeit geworden; ihr plötzlicher Entschluß, der aus dem blöden Kinde eine bedeutende Frau gemacht hatte; das Unvorhergesehene aller ihrer Handlungen, die Naivität ihrer Bemerkungen, die Beweglichkeit ihres Geistes, diese ganze mächtige und energische Natur, die die großstädtische Luft noch nicht geschwächt hatte, bot ihm ein unendlich interessantes Schauspiel. Als die Visitenliste fertig war, strich Yves einige auf derselben befindliche Namen und versprach, die Verhältnisse mit einigen andern nach und nach abzubrechen, worauf der Cursus begann. Man machte den Anfang mit der Foubourg St. Germain.

Die Anmuth der Manieren, der feine Ton der verbindlichen Worte, die Kunst, liebenswürdig zu sein, die mehr in der Art, wie man redet, als darin, was man redet, besteht; der Reiz, der in dem gesellschaftlichen Tone liegt, der so wohlwollend ist, daß man ihn für wahr halten möchte, machten auf Gabrielen einen überaus angenehmen Eindruck. Da ist kein Anschein von Haß und Heftigkeit in den Unterhaltungen, weder Stolz noch Geringschätzung gegen die Untergeordneten, die man aufnimmt; einmal aufgenommen, verschwindet die Verschiedenheit des Ranges. Der neue, kaum dem Bürgerthum entsprossene Adel ist oft hochtrabend und geringschätzend, der alle Adel niemals. Da ist Alles so verbindlich und graziös, daß selbst der Haß, wenn es ihm gelänge, bis dahin durchzudringen, ein so sanftes und höfliches Wesen annehmen müßte, daß man ihn nicht erkennen würde.

Die junge Frau erstaunte oft über den Ernst und die Feierlichkeit dieser Salons; aber was sie vorzüglich überraschte, war diese Inbrunst der politischen Meinungen, die durch ihren blinden Glauben, ihre glühende Anhänglichkeit und unerschütterliche Hoffnung der Religion zu vergleichen ist.

»Ohne Zweifel,« sagte Gabriele naiv, nachdem sie das Leben in diesen alten berühmten Familien lange aufmerksam beobachtet hatte, »haben alle die Personen, die wir in diesen Salons sich bewegen sahen, Greise, Mütter, junge Mädchen und junge Frauen, die so unzufrieden und allein zu sein scheinen, deren Betrübniß in üble Laune und ihre Erwartung in Ungeduld überzugehen droht, ihre Söhne, Männer, Brüder und Verlobte dem künftigen Könige entgegengeschickt, um ihn zu schützen und zurückzuführen. Sie sind wie die Frauen der Alten, in Trauer und Verlassenheit um das Vaterland und um den König, . . . während die, die sie lieben, ihr Vermögen und ihr Leben auf's Spiel setzen und der Gefahr blosgestellt sind an Orten wie . . .«

»Wie das Boulevard der Italiener,« unterbrach sie Yves lachend. »Wenn sie ihr Leben auf's Spiel sehen, so ist es in einem Wettrennen nach der Uhr; wenn sie ihr Vermögen wagen, so ist es am grünen Tische. Und dennoch,« fügte er traurig hinzu, »kann ich betheuern, daß weder Muth noch Stärke uns fehlen; aber unsere Mütter, unsere Schwestern und Alle, die Sie da sehen, haben abgeschlossen gelebt mit den von unsern Vätern auf sie vererbten Ideen und Gewohnheiten; sie haben Niemand kennen gelernt, der mehr will; sie haben weder in den Schulen, noch in den Zerstreuungen der Gesellschaft oder in den täglichen Beziehungen zu Menschen aus allen Ständen andere Ansichten und Interessen, als ihre bisherigen kennen gelernt. Die neuen Grundsätze und sogar Tugenden sind außer ihrem Gesichtskreise und sie haben noch nicht gelernt, an ihrer eigenen Unfehlbarkeit zu zweifeln. Die Sorglosigkeit ist oft Folge des Zweifels, man handelt nur kräftig, wenn man lebhaft überzeugt ist, und wenn die Hand fest sein soll, muß das Herz nicht zögern.«

»Yves!. . .« rief die Marquise schmerzlich, »hast Du denn Alles, sogar Deine eigenen Meinungen aufgegeben?«

Gabriele ergriff sanft die Hand der Marquise, als wolle sie ihre Vorwürfe unterbrechen und ihren Geist von ernsten und traurigen Vorstellungen ablenken und sagte lächelnd:

»Sagt man nicht, daß jede Religionsform Ungläubige gefunden hat? . . . Aber beunruhigen Sie sich nicht, es hat auch jede Wunder hervorgebracht!. . .« Hierbei näherte Gabriele so anmuthig ihre Stirn dem Gesichte der Marquise, daß diese sie liebevoll küßte und lachend sagte:

»Ach, ich errathe Sie!. . . Sie wollen meinen Zorn auf sich ziehen, kleiner Schelm, damit ihm ja kein Vorwurf gemacht wird!. . .

»Man liebt ihn also sehr?« fügte sie mit einiger Malice hinzu, »diesen schönen Bösewicht?. . . Er hat es also gut verstanden, sich Alles verzeihen zu lassen?. . . Ja, der, den man liebt, hat niemals Unrecht, nicht wahr? . . .«

Beide schwiegen verlegen und sie fuhr mit einem ernsteren, aber sehr zärtlichen Tone fort:

»Meine Tochter, Sie haben ihn viel vergessen zu machen, Yves ist nicht glücklich gewesen; wenn ich, seine Großmutter, ihn zuweilen tadeln durfte, so ist es dagegen Sache seiner Frau, ihn jetzt zu trösten.«

Bei diesen Worten sah Gabriele Yves unwillkürlich mit ihren großen, ausdrucksvollen Augen an. Eine Thräne, die dem Herzen entquoll, hing glänzend und rein an ihren langen, schwarzen Wimpern, aber die Seele des jungen Mannes betrachtete sie als Eigenthum und er staunte über diese neue Bewegung, auf die keine frühere ihn vorbereitet hatte. Eine lebhafte Hoffnung ging seinem Leben auf, denn es schien ihm plötzlich, daß sein Herz, welches er durch Vergnügen erschöpft glaubte, noch ihm bis jetzt unbewußte, unerschöpfliche Quellen des Glücks enthalte.

Und wie sich in Gabriele's Augen sowohl Neugierde als Zärtlichkeit zeigte, fügte die Marquise hinzu:

»Es ist ein großes Unglück um getäuschte Hoffnungen und schöne, aber unthätige und unangewendete Fähigkeiten!. . . Mein Enkel, Gabriele, hätte wohl einen Platz unter denen verdient, die nützlich und ehrenvoll dem Vaterlande dienen, und ich habe oft an seinem traurigen Schweigen, wie an seiner tollen Lustigkeit die Leiden seiner Seele errathen.«

Yves machte eine unwillkürliche Bewegung, um seine Großmutter zu unterbrechen.

»Ja, Du hast Recht, mein Freund,« fuhr sie fort, »die Geheimnisse Deines Innern gehören Dir allein, Du allein hast das Recht, sie mitzutheilen . . . und die vertraulichen Mittheilungen sind einer der größten Reize der Liebe.«

Während sie nach Beendigung dieser Rede Beiden zulächelte, betrachtete Yves Gabrielen beständig mit freudiger Ueberraschung. Er empfand etwas von dem Mücke eines Reisenden, der, nachdem er sich in dem heißen Sande der Wüste verirrt hat, plötzlich eine Oase entdeckt, . . . aber, schon in seinen Hoffnungen getauscht, sich ihnen noch nicht zu überlassen wagt. Yves sah ein himmlisches Glück plötzlich zu ihm auf die Erde versetzt, fürchtete aber immer noch, sich einer Täuschung hinzugeben und dieselbe zerrinnen zu sehen. Doch fühlte das bewegte Herz des jungen Mannes sich schon neu belebt; er hatte ein Interesse gefunden,« hoffte und fürchtete wieder, kurz, er lebte.

Nachdem sie die Bekanntschaft einiger der reichsten Familien von Paris gemacht hatte, sagte Gabriele eines Abends heiter zur Marquise:

»Oh! was für blendende Sachen habe ich gesehen! Meine Phantasie malt mir Alles golden und zeigt mir nichts als Pracht. Die Meuble, die Wände, die Plafonds, die Treppen, die Thüren, Alles ist mit Golde bedeckt; ich wundere mich, daß man nicht ein Mittel gefunden hat, auch auf dem Straßenpflaster und den Trottoirs vor den Häusern solcher reichen Leute etwas Gold anzubringen, um die Vorübergehenden zu benachrichtigen, wer hier wohnt, und ihnen schon aus größter Entfernung Respect vor diesem schönen Metall einzuflößen. Aber noch mehr habe ich mich gewundert, daß du Adel und die Titel, wovon im Foubourg St. Germain Niemand spricht, und worauf daselbst, wie es scheint, Niemand stolz ist, in den Zirkeln dieser Reichen der Hauptgegenstand der Unterhaltung sind. Man bemüht sich, diejenigen, mit denen man sich unterhält, so bald als möglich wissen zu lassen, daß man Graf oder Marquis ist, ja man scheint es sich selbst zu wiederholen, als wäre man des Besitzes dieser Würden noch nicht recht sicher. Man scheint beinah den Reichthum über dem Adel zu vergessen, vielleicht weil man des Ersteren schon gewohnter ist, ihn länger genossen hat, in Betreff des Letzteren hingegen sich beeilen zu müssen glaubt, das Verlorene nachzuholen.«

 

Am Abend wurde Gabriele in eine zahlreiche Réunion geführt. Man hatte absichtlich den Salon gewählt, der den mehrsten Wechsel bot. Die Herrin des Hauses gehörte einer sehr alten Familie an, war«der durch den Ehrgeiz ihres Mannes gezwungen, die jetzigen Gewalthaber bei sich zu empfangen und solche, die dazu dienen konnten, Gewalt zu erreichen oder sich in derselben zu erhalten. Ein Theil der Foubourg St. Germain kam ihretwillen, die Andern ihres Mannes wegen; auch eine große Menge Schriftsteller fand man da, denn diese sind jetzt auch die Mächtigen des Tages. Die Feder ersetzt das Schwert in Angriff und Vertheidigung; ihre Streiche sind weniger gefährlich, aber auch weniger ehrenvoll zu geben wie zu empfangen.

Dieses erklärte Heinrich von Marcenay Gabrielen, denn da aus seiner Jagdpartie nichts geworden war, hatte Yves nicht umhin gekonnt, ihn seiner Gemahlin vorzustellen und es war ihm gelungen, in dieser zahlreichen Gesellschaft bis zu ihr durchzudringen und einen Platz an ihrer Seite zu gewinnen.

Als die junge, schöne Herzogin von Mauléon in dem Salon angekommen war, waren alle Höflichkeiten des Hausherrn und der Hausfrau und die Aufmerksamkeit aller Anwesenden ihr gewidmet gewesen, als aber die Neugierde befriedigt und der Höflichkeit genügt war, konnte die junge Frau sich ungestört ihren Beobachtungen und Betrachtungen überlassen; denn abgesehen davon, daß sie in dieser Gesellschaft noch Niemand näher kannte, versammeln diese Salons zu viel Menschen, um eine allgemeine Unterhaltung zu gestatten. Heinrich von Marcenay machte sie aufmerksam darauf, daß die Männer sich in abgesonderten Winkeln, aber weder geistreich noch gelehrt unterhalten, während die Frauen unbeweglich in einem Kreise sitzen bleiben; man sieht nur ihre Gesichter und ihre Toiletten, aber was den Geist anbetrifft, diesen höchsten Reiz einer zivilisierten Gesellschaft, der bei der Unterhaltung so unentbehrlich ist, so ist derselbe dermaßen verbannt, daß es scheint, als hätten die thörigtsten, blödsinnigsten Menschen allein die jetzige Art der Unterhaltung des feinsten und geistreichsten Volkes der Erde erfunden.

Dadurch, daß er einen Stuhl neben Gabriele erobert hatte, gewann Heinrich von Marcenay den doppelten Vortheil, sich erstlich als Freund dieses jungen eleganten Paares zu zeigen und zweitens seiner mokanten Laune freien Lauf lassen zu können, indem er die junge Herzogin und ihre nächsten Nachbarn an seinen Beobachtungen über die den Salon füllende Menge Theilnehmen ließ.

»Sehen Sie,« sagte er, »die neuen Acquisitionen des Ministeriums; . . . die im März 1838 ihre Meinungen gewechselt haben, wie man, wenn der Sommer kommt, den Mantel ablegt . . . Ja, diese drei jungen Leute, die sich da ganz leise unterhalten, sie haben eine bescheidene und ehrenvolle Stellung gegen Renten aufgegeben, die ihnen nur Insultationen einbringen werden, und dennoch würde Niemand auf sie geachtet haben, wenn sie es geschickter angefangen hätten. Das Publikum hat ganz Andere ungestört walten lassen, aber sie sind rechtlich genug gewesen, baare Zahlung zu leisten und den auf ihr Gewissen ausgestellten Wechsel sogleich zu honoriren. In der jetzigen Welt ist nichts gefährlicher, als solche Capitulationen!. . . Die Schurken verstehen ihre Sache viel besser. Sie verkaufen ihre Ueberzeugung zwanzig Mal hinter einander, ohne die wahre je sichtbar zu machen!

»Sehen Sie doch,« fügte Marcenay, sich umdrehend, hinzu, »hier diesen jungen Journalisten, der wie ein großer Herr sich nachlässig auf ein Sopha hin gelehnt hat! Hin Minister macht ihm die Cour . . . Ganz richtig! er bedarf seiner.«

Gabriele drehte sich um und schrie beinah vor Erstaunen auf; der junge Mann, den fremde Gedanken gegen alles Anwesende gleichgültig zu machen schienen, und dem diese Zerstreuung etwas Verachtendes gab, war ihr Vetter Georg; jetzt trat der Minister zu ihm; Georg stand auf. Sie waren der jungen Frau so nahe, daß sie folgende Unterhaltung hören konnte:

»Welch schönes Werk haben Sie uns gegeben, mein Herr!. . . Noch gestern sagte ich zu dem Direktor: Mau kann einen Schriftsteller, dessen Moral ebenso rein, als sein Geschmack fein ist, nicht genug aufmuntern. Kommen Sie doch zuweilen zu mir, daß wir uns über Literatur unterhalten, . . . denn ich liebe sie, ich nehme viel Interesse an ihr . . . Und Sie schreiben jetzt? . . .«

»Ich habe so eben ein Lustspiel beendigt.«

»Aber Sie schreiben noch außerdem?«

»Nein, mein Herr!«

»Ein Journal, dächte ich, müßte viele Beschäftigung geben?. . .«

»Zu viel, mein Herr! . . . deßhalb habe ich demselben entsagt und die Redaction des Journals gestern dem Herrn von Marcenay übergeben, den Sie hier sehen.«

Der mächtige Mann wendete sich zu diesem.

»Jetzt,« fügte George Hinzu, »werde ich Zeit genug haben, zuweilen über Literatur mit dem Herrn Minister mich zu unterhalten . . .«

»Aber,« erwiderte der Minister, »es bleiben mir nur wenige Augenblicke, . . . Sie wissen. . ..«

»Und Ihre Protection bei dem Director des Theaters würde mir unschätzbar sein,« fuhr George lächelnd fort. —

Aber er wurde nicht mehr gehört; Herr von Marcenay nahm alle Höflichkeit und Aufmerksamkeit des Ministers in Anspruch. Als er sich entfernt hatte, sagte Marcenay:

»Einen Vortheil gewährt wenigstens die jetzige Zeit, den, daß selbst die feinsten Intriguen sich nicht zu verbergen brauchen. Man spielt mit unverdeckten Karten selbst die verbotenen Spiele; die, welche kein Lob zu verdienen verstehen, kaufen es, wie denn Reputationen jeder Art in Paris jetzt käuflich sind. Aber welche Menge von Grüßen, Höflichkeiten und Zuvorkommenheiten belagern seinerseits auch wieder den Minister, . . . wie viele Menschen haben etwas zu wünschen oder zu erwarten; . . . er sieht nur bittende Mienen um sich her, bis sie etwa über eine abschlägige Antwort zu schmollen haben. Mag die Gesellschaft noch so reich und glänzend sein, so halt das Niemand ab, seine Vortheile zu verfolgen. Hat man es bis zu einem guten Auskommen gebracht, so will man auch noch Macht und Ehre gewinnen— Wenn ein König von Frankreich ein Gesetz geben könnte, das Jedem zum Millionair machte, so müßte er den folgenden Tag eines geben, damit Jeder Minister wäre.«

In diesem Augenblicke ging ein großer, blasser Mann vor Heinrich vorüber; sie reichten sich freundschaftlich die Hände; kaum aber war er weiter gegangen, als Heinrich spöttelnd lächelte.

Gabriele schien verwundert: dieser freundschaftliche Händedruck, dies spöttische Lächeln und diese falsche Theilnahme konnte sie sich nicht zusammen reimen und suchte auf Marcenay's Gesichte die Ursache dieser sonderbaren Vereinigung. Er erklärte sie ihr auf folgende Weise:

»Germancé ist Advocat, aber er plaidirt wenig Processe mehr, seit er seinen eigenen beim Publikum verloren hat. Vor zehn Jahren verschafften ihm zwei oder drei politische Processe einen Ruf, den Niemand anzutasten wagte; es war entschieden, daß er ein großer Advokat sei, weil er in seinen Reden einige der liberalen Gedanken aussprach, die seit Jahrhunderten die klügsten Köpfe ausgedrückt haben, und von denen er sich ganze Phrasen angeeignet hatte; auch war es ausgemacht, daß er ein Mann von muthigem und erhabenem Charakter war, weil er ohne Gefahr anscheinend Unterdrückte vertheidigte, von denen ihm recht gut bekannt war, daß sie nichts zu fürchten hatten. Das Talent, das ihm fehlte, und die Gefahr, die er nur fingirte, brachten ihm einen großen Namen vor dem Gouvermentswechsel und eine gute Stelle nach demselben ein. Aber die öffentliche Meinung begnügte sich nun mit dem, was sie ihm gewährt hatte, um auch Andern Freuden und Triumphe zu bewahren; denn sein Talent und seine Erfolge verschwanden, als er Ehre und Vermögen gewonnen hatte. Man fand ihn gemein, weitläufig, ohne Erhabenheit, ohne Gerechtigkeit und ohne Ideen; man sah ihn endlich wie er war.

»Aber er, der allein fest in der Ueberzeugung von seinem Talent geblieben war, konnte sich über die Ungerechtigkeit, deren Opfer er sich glaubte, nicht trösten. Er ficht nichts als Neider, Feinde, Schlingen und Intriguen um sich her. Er bewundert sich und beunruhigt sich unausgesetzt. Sein Gesicht, das sonst von Selbstgenügsamkeit strahlte, tragt jetzt den Ausdruck immerwährenden Kummers und Schreckens. Er hat keinen intimen Freund, der ihm begreiflich machen könnte, daß der Parteigeist sein Recht ausübt, indem er jetzt, wo es ihm durchaus nichts mehr nützt, einen Ruf und eine Ehre zurücknimmt, die er unverdient geliehen hatte.«

Lächelnd fügte er hinzu: »Es ist gerecht,« und Gabriele sah, wie seine Blicke auf einen jungen Mann fielen, der soeben den Herzog von Mauléon demüthig begrüßte.

»Dies ist ein wilder Republikaner, allbekannt durch seine demagogischen Uebertreibungen; aber ich weiß nicht wie es kommt, daß er seines Gleichen flieht, die ihm Untergeordneten verachtet und nur mit den betitelten Personen sich unterhält.

»Dieser,« fuhr Herr von Marcenay fort, »der mir soeben die Hand reichte und fort lief, ehe ich sie ergreifen konnte, ist ein Neuling; jedes Jahr bringt denn; sie kommen mit der Post an, durchlaufen die Salons, die Ministerien, fordern mit einem Protectortone, rauben Stellen, Aemter, Gunstbezeugungen, ehe diejenigen, denen sie eigentlich zukämen, nur einmal daran denken konnten; dann kehren sie mit der Post zurück, heirathen die reichste Erbin, ihres Bezirks und finden die Wähler, deren Stimmen das Ministerium ihnen so gut bezahlt hat . . . und die sie nicht . . .

»Doch sehen Sie,« unterbrach er sich, »diesen andern jungen Mann, der in diesem Augenblick Germancé anredet; es ist einer unserer ausgezeichnetsten Literaten, aber er legt mehr Werth auf seinen Tilbury, seinen Groom und seinen kleinlichen Luxus, als auf seine geistigen Erzeugnisse. In Paris will man immer scheinen, was man nicht ist. Die Reichen wollen Geist und die Geistreichen Reichthum affectiren. So quälen und belästigen sie sich einander, um zu leisten, was nicht in ihren Kräften steht. Was diesen schon alten Mann, der mit ihm spricht, anbetrifft, so soll er ein talentvoller und gewissenhafter Mann sein, immer zuverlässig in den verschiedenen Meinungen, deren Verfechter er ist., aber er hat wahrhaft Gott zu danken, der ihm immer im vortheilhaftesten Augenblicke neue Ueberzeugungen eingibt.

»Hier, der Herr Herzog von R ***,«, der sich auf eine sehr sonderbare Art auszuzeichnen sucht. Im Gegensatz zu der glänzenden und liberalen Lebensweise seiner Ahnen, flieht er allen Luxus, verkauft seine Güter, bringt seine Gelder zu zehn Procent unter, empfängt nie Gesellschaft, fährt im Fiaker, sogar im Omnibus, gibt Niemand etwas, und nennt das . . . liberal sein!

»Sehen Sie diesen jungen Mann! man gibt ihm Schuld, daß, wenn ihm hundert Louis geboten würden, um eine gute That, und fünfzig um eine schlechte zu thun, er, obgleich er das Geld sehr liebt, die fünfzig Louis vorziehen würde.

»Mertoil spricht mit ihm: was erwartet er denn von ihm? denn Mertoil spricht nie ein Wort, wenn es ihm nichts einbringt! Was diesen komischen Menschen anbetrifft, der sich jetzt an Yves wendet, so können Sie nach der Art, wie er Sie anredet, den Grad der Achtung, in der Sie bei ihm stehen, errathen; vergißt er einmal Sie zu begrüßen, so verlassen Sie sich darauf, daß Sie in seiner Meinung unwiederherstellbar verloren sind.

»Ich sage Ihnen nichts über den größten Theil der. Frauen, die Sie da sehen: sie sind so unbedeutend wie die Rolle, die sie spielen! Niemand gibt sich übrigens die Mühe, zu untersuchen, ob dem anders sei, das Ansehen ihrer Männer müßte sich ihnen denn etwas mittheilen. Einige gibt es indessen unter dieser Menge, deren Eigenschaften ausgezeichnet und liebenswürdig sind, die Geist, Schönheit, Liebe, mitunter Leidenschaften haben, Einige zeichnen sich durch geprüfte und bewährte Tugend, Andere durch hohes, würdig erduldetes Unglück aus; aber man achtet wenig darauf und nimmt keine Notiz davon.

»Was die Gewalthaber anbetrifft, so haben die Salons wenig von ihnen zu erwarten, da sogar das Land, das ihnen seine Rechte und Angelegenheiten anvertraute, nicht einmal viel von ihnen verlangt. Ihr Geist, ihre Zeit und Thätigkeit sind beständig in Anspruch genommen durch das Bestreben, sich auf ihrem Platze zu erhalten! Auch haben die, welche ihnen nützlich sind, allein Rechte an ihre Gefälligkeit; sie vergessen oder verscheuchen die Talente, deren Anwendung nicht zur Erreichung ihrer Zwecke förderlich ist, verachten das Verdienst, wenn es ihnen nicht opfert, sie belohnen nur Schmeichler, bezahlen die Meinung und sind nur höflich gegen Deputirte. Denn es ist nicht zu leugnen, die so viel verleumdete Demokratie war und ist noch tausendmal liebenswürdiger und aufmunternder für Genie und Talent als die jetzigen Gewalthaber. Jede Ueberlegenheit, von welcher Art sie auch sei, sichert in der höheren Gesellschaft eine gute Aufnahme, sie gibt beinahe ein zurückstoßendes Recht neben den Unbedeutenderen. Die Emporkömmlinge aber, die jetzt im Besitz der Macht sind – zeigen fast alle Gleichgültigkeit, wenn nicht Feindseligkeit gegen die Intelligenz, der sie ihre Rechte verdanken, sie gleichen den undankbaren Kindern, die reich oder vornehm geworden, sich ihrer armen Mutter schämen.

 

»Was aber in den jetzigen Gesellschaften am meisten auffällt, ist, daß Jeder ein Ziel verfolgt und sich um die Andern nur bekümmert, wenn sie ihm nützen können. Man will sich eine Stellung gründen, das heißt, sich die Mittel verschaffen, zu schaden, um das Recht zu erlangen zu fordern. Die Gewandtesten stützen sich auf eine Coterie, die Klügsten auf eine Partei, die Rechtschaffensten auf Gemeinnützigkeit. Alle streben zum Ziele und betrachten die Gesellschaft als eine fremde Masse, in der Jeder das Recht hat, Alles zu zertreten oder umzustoßen, was ihm im Wege ist.«

Jetzt näherte sich Georg. Als Gabriele ihn gewahr wurde, hatte er sie nur von fern begrüßt, dann war er nach und nach so nahe gekommen, daß er jeden Ausdruck ihres Gesichts beobachten, aber sich nicht in die Unterhaltung mischen konnte. Er hatte sich fest vorgenommen, seine Cousine zu vermeiden, fand aber doch endlich, daß Herr von Marcenay die Unterhaltung zu sehr verlängerte und konnte sich nicht enthalten, sie zu unterbrechen, um sie wo möglich zu beendigen.

»Sehen Sie,« sagte Heinrich, »hier ist Herr Rémond, ein Mann, der Talent ohne Intrigue, Anmuth ohne Falschheit, und Selbstvertrauen ohne Charlatanismus beweist; fragen Sie ihn, wie weit er damit kommt?«

»Bis an das Ziel, welches ich mir gesteckt habe,« antwortete Georg gleichgültig lächelnd.

Yves, der eben zu ihnen trat, hörte noch, daß Gabriele, indem sie sich zu Marcenay wendete, hinzufügte:

»Die Achtung Aller, die ihn kennen und seine eigne gewinnt er vor Allem,«

»Herr Rémond hatte eine Gewalt in den Händen, er hat darauf Verzicht geleistet,« entgegnete Marcenay, »nämlich sein Journal.«

»Die Zeil, die ich ihm widmen mußte, entzog ich

meinen Arbeiten und die würden darunter gelitten haben,« sagte Georg ruhig.

»Sie würden nur um so besser aufgenommen worden sein. Sie hatten eine Festung, um Ihren Platz zu vertheidigen; jetzt stehen Sie entwaffnet gegen lauter bewaffnete Gegner und werden unterliegen.«

»Ach!« rief Georg in edlem Eifer, »ich werde das Ziel verfolgen, mit edlen Ueberzeugungen, hohen Gedanken, mit Talent und Genie, das ich durch Arbeit und heilige Begeisterung gewinnen werde! Muß man denn, um sein Glück zu machen, mit der Lanze, oder vielmehr der Feder in der Hand, mit Schmähungen und Unverschämtheiten kämpfen? dann wähle ich tausendmal lieber Dunkelheit und Elend als Glück und Ehre um solchen Preis!«

»Wahrhaftig, Sie sind ein Narr, Herr Rémond,« sagte Heinrich und plauderte immer weiter mit der jungen Herzogin.

»Aber,« sagte Gabriele, »mein Cousin hat ungeachtet seines rauhen Betragens und seiner strengen Grundsätze, gleich mit seinen ersten Werken viel Glück gemacht.«

»Ja,« antwortete Heinrich, »das ist gut für den Anfang! das erste Werk! Man war darauf vorbereitet und Niemand konnte so schnell zur Widerlegung kommen . . . auch schildert Georg die Gesellschaft wie sie nicht ist! Eine Kritik hat sehr richtig gesagt, daß es in seinen Werken nur Schafe und durchaus keine Wölfe gebe.«

»O! ich weiß wohl,« sagte Georg lachend, »daß es Wölfe und Tiger gibt, daß in diesem Getriebe von Eigennutz, Geschäften und Eitelkeiten wenige Menschen rechtschaffen bleiben; aber bliebe es nur Einer unter Tausenden, so ist es gerade der, den man malen muß. Die Künste, die der Schmuck des moralischen Lebens sind, müssen das Schöne darstellen; die Bänke der Tribunale zeigen Laster und Verbrechen genug! wird man Schlamm und Koth nehmen, um seine Wohnung zu schmücken? Wählt man nicht im Gegentheil die schönsten Blumen aus, um sich damit zu umgeben?«

Yves machte Georg herzliche Vorwürfe, sie noch nicht besucht zu haben. Was Gabriele anging, fing an, ihm wichtig zu werden.

In diesem Augenblicke kündigte man Frau von Savigny an. Gabriele sah unwillkürlich ihren Mann an: er schien es nicht gehört zu haben. Sobald Henry von Marcenay sich überzeugt hatte, daß die Neuangekommene ihn neben der jungen Herzogin hatte sitzen sehen, ging er zu ihr. Georg benutzte seine Entfernung, um zu Gabriele zu sagen:

»Wenn ich von der Einladung des Herrn von Mauléon wenig Gebrauch mache, so zürnen Sie mir darum nicht, ich liebe die große Gesellschaft nicht und bedarf der Einsamkeit.«

Georg suchte Vorwände für seine Zurückgezogenheit, weil er die wahre Ursache nicht sagen konnte.

Seine schöne Cousine sah ihn an.

»Ach! . . . Sie werden nicht kommen?« sagte sie bestürzt; dann fügte sie traurig hinzu: »Uebrigens bin ich ja gewohnt, allein zu leben!«

Georg machte eine Bewegung der Ueberraschung . . . wagte aber weder zu fragen, noch den Grund von Gabriele's Worten auch nur errathen zu wollen,

Frau von Savigny hörte die Bemerkungen Marcenay's an, sah aber dabei mit höhnischem Lächeln auf Gabriele und sagte:

»Er ist also, wie Sie sagen, Ihr Cousin, ein Träumer, ein Dichter und . . . noch verliebt in Sie?«

»Dies fügen Sie hinzu,« entgegnete Heinrich; »aber unwahrscheinlich ist es nicht . . .«

Darauf grüßten sich die beiden Frauen, die junge Herzogin mit Zurückhaltung und Frau von Savigny mit der größten Herzlichkeit.

Nachdem sie einige Höflichkeiten gewechselt hatten, sagte Frau von Savigny mit einem gleichgültig scheinenden, aber forschenden Blicke auf die beiden Neuvermählten:

»Wenn ich Ihnen noch nicht meinen Besuch machen konnte, so zürnen Sie mir nicht, ich bin seit Ihrem Hochzeitstage zu Niemand gekommen. Mußte ich nicht eine Sterbende pflegen? meine arme Freundin Elénore.«

Bei diesen Worten durchschnitt ein heftiger Schmerz die Herzen der beiden jungen Gatten. Yves ließ sich nichts davon merken, Gabriele zeigte ihren Schmerz, ohne es zu wissen.

»Sterbend? . . .« wiederholte sie.

Oft hatte, seit dem traurigen Augenblicke der Entdeckung, Elénorens Bild ihrem Geiste vorgeschwebt; aber, wenn Gabriele's Charakter auch noch so fest, noch so kräftiger Entschlüsse fähig war, so mußte doch ihrem Muthe, ihren Entschlüssen ein Ziel winken oder ein augenblicklicher Instinct ihrer Seele ihre Handlungen bestimmen. Sie hatte viel über ihre und ihrer Freundin Lage nachgedacht, ohne ein Mittel zur Verbesserung der einen, wie der andern aufzufinden, und da sie einsehen mußte, daß es ihr nicht gelingen würde, sie zu ändern, so stellte sie ihre beiderseitige Zukunft zuletzt dem Himmel anheim, behielt sich jedoch vor, jede Wendung der Verhältnisse aufmerksam zu beobachten und dieselbe so viel möglich zu ihrem beiderseitigen Vortheil zu benutzen. Sie suchte sich über ihre wahre Lage zu betäuben, indem sie ihre Aufmerksamkeit äußeren Dingen zuwendete und war dahin gekommen, das sie Verletzende aus ihren Gedanken zu verdünnen.

Es gibt unruhige, kränkliche Seelen, welche eine Art Befriedigung darin finden, ihren Leiden nachzuhängen. Die starken, vortrefflichen Geister hingegen suchen schnell die Hilfsquellen auf, die ihre, wenn auch schwierige Lage ihnen bietet und benutzen sie dreist, wenn die Gelegenheit ihnen dazu günstig scheint; wenn sie sich aber überzeugt haben, daß ihre Bemühungen ohne Erfolg bleiben müssen, so geben sie sie auf. Dahin war Gabriele mit ihrer Sorge um Elénoren gekommen; aber der neue Zuwachs von Schmerz, die zu den geistigen noch hinzugekommenen körperlichen Leiden, erschreckten und beschäftigten Gabriele's Seele auf's Neue.

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