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Die Zwillingsschwestern von Machecoul

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XII.
Wo gezeigt wird, daß nicht alle Juden von Jerusalem, und nicht alle Türken von Tunis sind

»Heda, Kaninchen!« rief Maître Jacques, als er an der lichten Stelle im Walde erschien.

Auf den Ruf ihres Anführers kamen die gehorsamen »Kaninchen« aus den Büschen hervor, in denen sie sich auf den ersten Lärmruf versteckt hatten, und musterten die Gefangenen so genau, wie es in der Dunkelheit möglich war.

Die Musterung in der Finsternis genügte ihnen aber nicht; einer von ihnen stieg in die Grube hinunter, zündete zwei Stücke Kienholz an und kam mit denselben zurück, um Petit-Pierre und den jungen Baron genau in Augenschein zu nehmen.

Maître Jacques hatte seinen gewohnten Platz auf dem Baumstamm wieder eingenommen; er plauderte mit Aubin Courte-Joie über den eben gemachten Fang mit derselben Ruhe und Gelassenheit, wie ein Landmann seiner Frau von einem auf dem Markte gemachten Einkauf erzählt.

Michel, den seine Wunde schmerzte, hatte sich ins Gras gelegt. Petit-Pierre stand neben ihm und betrachtete aufmerksam und zugleich mit einigem Widerwillen die Gesichter der Banditen, welche Maître Jacques seine »Kaninchen« nannte. Diese Beobachtung wurde ihm um so leichter, da die Letzteren, nachdem sie ihre Neugierde befriedigt, zu den unterbrochenen Beschäftigungen zurückgekehrt waren: sie sangen, spielten, schliefen oder putzten ihre Gewehre.

Aber während sie spielten, tranken, sangen und ihre Flinten, Büchsen und Pistolen putzten, ließen sie die beiden Gefangenen nicht aus den Augen; diese waren überdies mitten auf den freien Platz gestellt worden.

Erst jetzt bemerkte Petit-Pierre, daß sein Begleiter verwundet war.

»O mein Gott!« sagte er, als er das an Michel’s Arme herabfließende Blut sah, »Sie sind verwundet!«

»Ich glaube, ja, Mad—«

»Halt! bis auf Weiteres bin ich Petit-Pierre. Vergessen Sie das nicht. Haben Sie heftige Schmerzen?«

»Nein, es schien mir, als ob ich einen Stockschlag auf die Schulter erhielte, und jetzt ist mein Arm wie gelähmt.«

»Versuchen Sie ihn zu bewegen.«

»O, gebrochen ist nichts. Sehen Sie nur.«

Er bewegte den Arm wirklich ziemlich leicht.

»Nun, es scheint nicht gefährlich zu seyn, und dieser verwundete Arm wird das Herz Ihrer Theuern vollends mit Sturm nehmen. Wenn Ihr edles Benehmen nicht genügt, so werde ich ein gutes Wort für Sie einlegen – und ich glaube, daß meine Fürsprache nicht fruchtlos seyn wird.«

»O, wie gütig sind Sie, Mad— Petit-Pierre! Verfügen Sie über mich – befehlen Sie, daß ich eine Batterie von hundert Kanonen nehmen soll, und ich werde blindlings auf die Redoute losstürzen. Sie würden mich unendlich glücklich machen, wenn Sie mit dem Marquis von Souday —«

»Gesticuliren Sie nicht so,« mahnte Petit-Pierre, ihm in’s Wort fallend, »Sie befördern die Blutung der Wunde. – Also den Marquis fürchten Sie so sehr? Nun gut, ich will mit ihm sprechen, verlassen Sie sich darauf, so wahr ich – Petit-Pierre heiße! – Aber während man uns in Ruhe läßt, setzte er, sich umsehend, hinzu, »wollen wir von unsern Angelegenheiten sprechen. Wo sind wir? und wer sind diese Leute?«

»Es scheinen Chouans zu seyn,« sagte Michel.

»Chouans!l Die Wegelagerer, welche harmlose Reisende anfallen – das kann nicht seyn!«

»Aber es ist doch so.«

»Was wollen sie denn mit uns machen?«

»Das werden wir sogleich erfahren; denn sie rühren sich und wollen uns wahrscheinlich die Ehre erweisen, sich mit uns zu beschäftigen.«

»Es wäre doch merkwürdig,« sagte Petit-Pierre, »wenn für uns die Gefahr von meinen Anhängern käme. Auf jeden Fall halten Sie reinen Mund.«

Michel gab durch einen Wink zu verstehen, daß von seiner Seite keine Uebereilung zu fürchten sey.

Der junge Baron hatte Recht: Maître Jacques, der inzwischen mit Aubin Courte-Joie und einigen seiner Leute gesprochen, gab Befehl, die Gefangenen vorzuführen.

Petit-Pierre trat mit zuversichtlicher Haltung auf den Baum zu, unter welchem der Bandenführer zu Gericht saß; aber Michel, der wegen seiner Wunde und seiner gebundenen Hände nur mit Mühe aufstehen konnte, leistete dem Befehl nicht so rasch Folge. Trigaud trat nun auf einen Wink Aubins zu dem jungen Baron, faßte ihn beim Gürtel, hob ihn so leicht auf, wie ein Anderer ein dreijähriges Kind aufgehoben hätte, und legte ihn in derselben Lage, in der er ihn gefunden, vor Maître Jacques nieder. Dieses Manöver führte Trigaud sehr geschickt aus, indem er Michels Füße vorwärts schleuderte, den Schwerpunkt der gebundenen menschlichen Maschine zu Boden senkte und dieselbe endlich fallen ließ.

»Lümmel!« murrte Michel, dem der Schmerz seine angeborene Schüchternheit genommen hatte.

»Sie sind nicht artig, Herr Baron Michel de La Logerie,« sagte Maître Jacques, »dieser brave Bursch hätte bessern Dank verdient. Doch zur Sache.«

Er sah den jungen Mann schärfer an und setzte hinzu:

»Ich habe mich doch nicht geirrt! Sie sind wirklich der Baron Michel de La Logerie?«

»Ja,« antwortete Michel.

»Was haben Sie denn in der Nacht und mitten im Walde auf der Landstraße nach Légé zu thun?«

»Ich könnte Euch antworten, daß ich Euch keine Rechenschaft davon zu geben habe und daß alle Wege frei sind —«

»Aber das werden Sie nicht antworten, Herr Baron.«

»Warum nicht?«

»Weil Sie, mit Erlaubniß zu sagen, eine Dummheit antworten würden – und dazu haben Sie zu viel Verstand.«

»Wie?«

»Allerdings. Sie sehen wohl, daß Sie mir Rechenschaft zu geben haben, denn ich verlange es ja von Ihnen; Sie sehen wohl, daß die Straßen nicht frei sind, denn Sie konnten ja nicht weiter.«

»Ich will mit Euch darüber nicht rechten. Ich war auf dem Wege zu meinem Meierhofe Banlœuvre, der, wie Ihr wißt, an dem einen Ende des Waldes liegt.«

»Das läßt sich hören, Herr Baron. Erweisen Sie mir die Ehre, immer so zu antworten, dann werden wir uns bald verständigen. Wie kommt es aber, daß der Baron de La Logerie, der so viele gute Pferde im Stalle, so viele gute Kutschen in der Remise hat, zu Fuß wandert, wie ein schlichter Bauersmann?«

»Wir hatten ein Pferd, aber es stürzte und lief davon.«

»Auch gut, Herr Baron. Jetzt hoffe ich daß Sie uns etwas erzählen werden.«

»Ich?«

»Ja, Was geht drüben vor?«

»Was kann Euch denn kümmern, was bei uns vorgeht?« erwiderte Michel, der noch nicht recht wußte, mit wem er zu thun hatte, und daher zurückhaltend in seinen Antworten war.

»Erzählen Sie nur, Herr Baron,« fuhr Maître Jacques fort, »kümmern Sie sich nicht, ob mir etwas nützlich oder gleichgültig seyn kann. Besinnen Sie sich nur, was haben Sie unterwegs gesehen?«

Michel sah Petit-Pierre verlegen an.

Jarques bemerkte diesen Blick. Er rief Trigaud und befahl ihm, sich zwischen die beiden Gefangenen zu stellen, wie die Mauer im »Sommernachtstraume.«

»Wir haben Soldaten gesehen,« fuhr Michel fort, »man sieht ja seit drei Tagen in der Gegend von Machecoul auf allen Wegen und zu jeder Stunde Soldaten.«

»Haben Sie mit Ihnen gesprochen?«

»Nein.«

»Was! man hat Sie durchgelassen, ohne Sie anzureden?«

»Wir sind den Soldaten aus dem Wege gegangen.«

»Bah!« sagte Maître Jacques zweifelnd.

»Wir wollten uns nicht in Dinge mengen, die uns nichts angehen.«

»Wer ist der junge Mensch, der bei Ihnen ist.?«

Petit-Pierre nahm schnell das Wort, ehe Michel Zeit hatte zu antworten.

»Ich bin bei dem Herrn Baron im Dienste,« sagte er.

»Dann muß ich aufrichtig gestehen, Freund,« erwiderte Maître Jacques, »daß Ihr ein sehr schlechter Diener seyd. Ich bin freilich nur ein Bauer, aber ich sehe nicht gern, wenn ein Diener für seinen Herrn antwortet, zumal wenn er nicht gefragt wird. – So! der junge Mensch ist Ihr Diener, Herr Baron? Ein hübscher Bursch!«

Der Bandenführer sah Petit-Pierre mit großer Aufmerksamkeit an, während einer seiner Leute seine Kienfackel vor das Gesicht des Letzteren hielt, um die Musterung zu erleichtern.

»Jetzt saget, was Ihr von mir wollt,« erwiderte Michel. »Wenn Ihr’s auf meine Börse abgesehen habt, so nehmt sie, aber laßt uns gehen.«

»O pfui!« antwortete Maître Jacques. »Wenn ich ein Edelmann wäre, wie Sie, so würde ich Genugthuung für eine solche Beleidigung fordern. Halten Sie uns denn für Straßenräuber? Das ist wirklich eine Beleidigung, und wenn ich nicht fürchtete, Ihnen unangenehm zu seyn, so würde ich Ihnen sagen, wer ich bin. Aber Sie kümmern sich ja nicht um Politik, wie Ihr Herr Vater, den ich gekannt habe, – und er hat sein Vermögen nicht dabei verloren. Ich gestehe Ihnen daher, daß ich in Ihnen einen eifrigen Diener des Königs Louis Philipps zu finden glaubte.«

»Da würdet Ihr Euch geirrt haben, lieber Freund,« antwortete Petit-Pierre sehr vorlaut, »der Herr Baron ist vielmehr ein sehr eifriger Anhänger Heinrichs V.«

»Wirklich!« sagte Maître Jacques. – »Ist es wirklich wahr, Herr Baron, was Ihr Reisegefährte – Ihr Diener, wollte ich sagen, so eben behauptet hat?«

»Ja, es ist die reine Wahrheit,« antwortete Michel.

»Das freut mich unendlich, ich glaubte mit abscheulichen Patauds zu thun zu haben. Ich bin ganz beschämt, daß ich Sie so behandelt habe – ich bitte tausendmal um Verzeihung, Herr Baron. Schlagen Sie ein – und Ihr auch, mein junger Freund; der Diener wie der Herr. Mein Gott, ich bin ja nicht stolz —«

»Ihr könnt uns ja euer Bedauern sehr leicht zu erkennen geben,« erwiderte Michel, dessen üble Laune durch die spöttische Höflichkeit des Bandenführers keineswegs beschwichtigt war, »schickt uns wieder an den Ort zurück, wo Ihr uns gefangen genommen habt.«

»O nein,« erwiderte Maître Jacques.

»Warum nicht?«

»Nein, nein, so dürfen Sie uns nicht verlassen. Ueberdies müssen zwei Legitimisten, wie wir Beide, Herr Baron, viel mit einander über die große Frage des allgemeinen Aufstandes zu sprechen haben; meinen Sie das nicht auch?«

 

»Das ist wohl wahr; aber eben das Interesse dieser Sache verlangt, daß ich mit meinem Diener schleunigst Schutz auf meinem Meierhofe suche.«

»Herr Baron, ich schwöre Ihnen, daß Sie nirgends sicherer seyn können, als bei uns. Ueberdies dürfen Sie uns nicht verlassen, bevor ich Ihnen einen Beweis meiner innigen Theilnahme gegeben.«

»Hm! die Sache scheint bedenklich zu werden.« sagte Petit-Pierre leise.

»Laßt hören,« sagte Michel.

»Sind Sie Heinrich V. ergeben?«

»Ja.«

»Treu ergeben?«

»Ja.«

»Unbedingt ergeben?«

»Ihr habt’s gehört.«

»Ich habe es gehört und zweifle nicht daran. Ich will Ihnen Gelegenheit geben, diese Ergebenheit in glänzender Weise zu zeigen.«

»Redet. Ich höre.«

»Sie sehen diese braven Leute,« sagte Maître Jacques, auf seine Bande zeigend, »es sind etwa vierzig Mann, die eher Callot’schen Banditen als ehrlichen Bauern ähnlich sind; sie sind bereit, für unsern jungen König und seine heldenmüthige Mutter das Leben zu lassen; aber es fehlt ihnen an Allem, was nothwendig ist, diesen Zweck zu erreichen; sie haben keine Waffen, um zu kämpfen; keine Kleider, um anständig in den Kampf zu gehen; kein Geld, um die Strapazen zu erleichtern. Sie werden gewiß nicht dulden, Herr Baron, daß diese würdigen Diener in der Erfüllung einer von Ihnen selbst anerkannten Pflicht ihre Gesundheit verlieren.«

»Aber wo soll ich denn Kleider und Waffen für eure Leute finden?« unterbrach ihn Michel, »ich habe ja keine Magazine zu meiner Verfügung.«

»Herr Baron,« erwiderte Maître Jacques, »glauben Sie denn, ich würde einen Mann, wie Sie sind, mit solchen Dingen belästigen? Nein, ich habe hier einen ausgezeichneten Diener —« er zeigte auf Aubin – »der Ihnen alle Mühe ersparen und Alles mit möglichster Schonung Ihrer Börse besorgen wird.«

»Wenn Ihr sonst nichts verlangt,« sagte Michel mit jugendlichem Leichtsinn und mit der Begeisterung einer eben erst gewonnenen Parteiansicht, »von Herzen gern! Wie viel braucht Ihr?«

»Das läßt sich hören!« erwiderte Maître Jacques, über diese Willfährigkeit etwas verwundert. »Halten Sie es für übertrieben, wenn ich fünfhundert Francs für den Mann anspreche? Ich möchte außer der grünen Uniform, wie die Jäger des Herrn von Charette trugen, die Tornister wohl gefüllt sehen. Fünfhundert Francs – das ist etwa die Hälfte des Preises, den Philipp für jeden Mann von dem Lande verlangt, und jeder meiner Leute ist so gut wie zwei Soldaten Philipps. Sie sehen also, daß meine Forderung nicht unbillig ist.«

»Auch und gut, was für eine Summe verlangt Ihr?«

»Nun, ich habe vierzig Mann, mit Inbegriff derer, die auf Urlaub abwesend sind, aber sich auf das erste Zeichen stellen müssen. Es macht gerade zwanzigtausend Francs – eine Kleinigkeit für einen so reichen Mann wie Sie, Herr Baron.«

»Gut, in zwei Tagen sollt Ihr die zwanzigtausend Francs haben,« sagte Michel und versuchte aufzustehen, »ich gebe Euch mein Wort.«

»O nein, Herr Baron, wir wollen Ihnen gar keine Mühe machen. Sie haben gewiß in der Nähe einen Freund, einen Notar, der Ihnen die Summe vorstreckt. Schreiben Sie ihm ein paar Zeilen und machen Sie es recht dringend; einer meiner Leute soll den Brief besorgen.«

»Sehr gern; gebt mir nur Schreibzeug und bindet mir die Hände los.«

»Mein Gevatter Courte-Joie wird Ihnen Feder, Tinte und Papier geben.«

Aubin Courte-Joie zog wirklich ein vollständiges Schreibzeug aus der Tasche.

Aber Petit-Pierre trat einen Schritt vor und sagte entschlossen:

»Halt, Herr Baron! – Und Ihr, Maître Courte-Joie, wie man Euch nennt, steckt euer Schreibzeug nur wieder ein; es wird nichts daraus.«

»Wirklich!« sagte Maître Jacques. »Seit wann führt denn der Diener für seinen Herrn das Wort? Warum wird nichts daraus?«

»Weil Ihr es gerade so machet wie die Banditen in Calabrien und Estremadura. Das schickt sich nicht für Männer, die sich für Soldaten Heinrichs V. ausgeben. Kurz, es ist eine Erpressung, die ich nicht zugeben werde!«

»Ihr, mein junger Freund?«

»Ja, ich!«

»Wenn ich Euch nicht für das hielte, wofür Ihr Euch ausgebet, so würde ich Euch so behandeln, wie es ein frecher Lakai verdient; aber es scheint mir, daß Ihr einige Ansprüche habt auf die Achtung, die man dem weiblichen Geschlecht schuldig ist, und ich will den Ruf der Artigkeit, in welchem ich stehe, nicht verscherzen. Für jetzt ersuche ich Euch nur, Euch nicht in Dinge zu mengen, die Euch nicht angehen.«

»Dies geht mich sehr viel an,« entgegnete Petit-Pierre mit Würde. »Denn es liegt mir sehr viel daran, daß der Name Heinrich V. nicht zu Räubereien mißbraucht werde.«

»O! Ihr scheint Euch die Angelegenheiten Sr. Majestät sehr zu Herzen zu nehmen, mein junger Freund; was berechtigt Euch dazu?«

»Schickt eure Leute fort, dann will ich’s Euch sagen.«

»Geht ein bisschen auf die Seite,« sagte Maître Jacques zu seiner Bande.

Die Leute gehorchten.

»Es war nicht nothwendig,« setzte Jacques hinzu, »denn ich habe kein Geheimniß vor diesen braven Leuten. Aber Ihr seht, daß ich Euch zu Gefallen Alles thue. Wir sind jetzt allein – laßt hören was Ihr mir zu sagen habt.«

»Ich befehle Euch,« begann Petit-Pierre auf den Bandenführer zutretend, »diesen jungen Mann augenblicklich in Freiheit zu setzen. Ihr sollt uns eine Escorte mitgeben, uns augenblicklich an den Ort unserer Bestimmung führen lassen, und die Freunde, die wir erwarten, von unserm Aufenthalte in Kenntniß setzen.«

»Ihr befehlt? ich soll? – Ihr sprechet ja wie der König auf seinem Throne, mein Turteltäubchen! Und wenn ich nicht gehorche, was werdet Ihr dann sagen?«

»Wenn Ihr nicht gehorcht, so lasse ich Euch binnen vierundzwanzig Stunden erschießen!«

»Ei der tausend! Habe ich vielleicht die Ehre, mit der Regentin zu sprechen?«

»Ja wohl, mit der Regentin.«

Maître Jacques brach in ein lautes Gelächter aus; seine »Kaninchen« kamen näher, um in die Heiterkeit ihres Anführers mit einzustimmen.

»Ha! ha! ha! kommt her, Kinder und hört,« sagte er. »Ihr habt Euch gewiß sehr gewundert, als der Herr Baron de La Logerie, der Sohn des bewußten Michel, uns erklärte, er sey der beste Freund unseres jungen Königs Heinrich V. Aber was jetzt hier vorgeht, ist noch unerhörter, noch unglaublicher. Denkt Euch, dieser hübsche Bauernbursch, der Euch vielleicht Mancherlei zu denken gegeben, den ich aber ganz einfach für die Geliebte des Herrn Barons angesehen habe, dieser Bauernbursch straft uns alle Lügen: es ist – Ihr werdet’s gewiß nicht errathen – es ist die Mutter unseres Königs!«

Ein Gemurmel des Zweifels und Spottes durchlief die Bande.

»Und ich schwöre Euch,« betheuerte Michel, »ich schwöre Euch, daß es die Wahrheit ist!«

»Fürwahr ein schöner Gewährsmann,« höhnte Maître Jacques.

»Ich versichere Euch,« entgegnete Petit-Pierre.

»Und ich versichere Euch, meine schöne irrende Dame,« unterbrach Jacques, »wenn euer Knappe in zehn Minuten nicht gethan hat, was ich von ihm verlange, so wird er den über unsern Köpfen wachsenden Eicheln Gesellschaft leisten. Er hat zu wählen, die Bedenkzeit ist kurz.«

»Das ist schändlich!« eiferte Petit-Pierre, im höchsten Grade entrüstet.

»Ergreifet ihn!« sagte Jacques.

Vier Chouans traten vor, um den Befehl zu vollziehen.

»Wir wollen doch sehen,« sagte Petit-Pierre, »wer von Euch wagen wird, Hand an mich zu legen!«

Trigaud, auf den die würdevolle Sprache und Haltung keinen Eindruck machte, kam immer näher.

»Was,« eiferte Petit-Pierre, vor der schmutzigen Hand zurückweichend und zugleich Hut und Perrücke vom Kopf nehmend, »was, unter allen diesen Banditen ist nicht ein einziger Soldat, der mich erkennt? Hat mich denn Gott verlassen? —«

»O nein!« sagte eine Stimme hinter Maître Jacques. »Und ich erkläre diesem Herrn hier, daß sein Benehmen eine Schmach ist für die weiße Cocarde, die er trägt!«

Maître Jacques sah sich blitzschnell um und richtete sein Pistol auf den Neuankommenden; alle Banditen griffen zu den Waffen, und Bertha – denn sie war es – trat, von Mordwerkzeugen umgeben, in den Kreis, der die beiden Gefangenen umgab.

»Die Wölfin! die Wölfin!« flüsterten einige Chouans, welche das Fräulein von Souday kannten.

»Was wollen Sie hier?« fragte der Bandenführer trotzig. »Wissen Sie denn nicht, daß ich den Oberbefehl, den sich Ihr Herr Vater über meine Bande anmaßt, keineswegs anerkenne und daß ich nicht in seine Division treten will?«

»Schweigt, Tölpel!« sagte Bertha.

Und aus Petit-Pierre zugehend, beugte sie ein Knie und setzte hinzu:

»Ich bitte Sie um Verzeihung im Namen dieser Leute, die Ihnen so viel Ehrerbietung schuldig sind, und Sie dennoch beleidigt und bedroht haben.«

»Sie kommen wie gerufen,« erwiderte Petit-Pierre lächelnd, »die Sache fing an bedenklich zu werden, und dieser junge Herr schwebte sogar in Lebensgefahr. Es wäre recht schade gewesen, wenn Sie nicht gekommen wären, denn man sprach schon von Aufhängen.«

»Ja wohl,« sagte Michel, den Aubin Courte-Joie inzwischen seiner Fesseln entledigt hatte.

»Es wäre wirklich fatal gewesen,« setzte Petit-Pierre hinzu, »denn mein Begleiter scheint mir der Theilnahme einer guten Royalistin ganz würdig.«

Bertha lächelte und schlug die Augen nieder.

»Sie werden also meine Schuld abtragen,« fuhr Petit-Pierre fort, »Sie werden mir nicht zürnen, wenn ich, um mein Versprechen zu hatten, einige Worte mit Ihrem Herrn Vater spreche?«

Bertha bückte sich, um Petit-Pierre die Hand zu küssen und ihr Erröthen zu verbergen.

Maître Jacques trat ganz beschämt näher und stammelte eine Entschuldigung.

Petit-Pierre, sah wohl ein, daß es unklug seyn würde, dem Bandenführer seinen Abscheu zu erkennen zu geben.

»Eure Absicht ist vielleicht gut,« sagte er, »aber euer Benehmen ist abscheulich und bringt uns in den Ruf von Wegelagerern wie vormals die »Genossen Jehu’s.« Ich hoffe, daß Ihr Euch künftig besser betragen werdet.«

Dann wandte er sich ab, als ob die ganze Bande gar nicht mehr da wäre, und sagte zu Bertha:

»Jetzt erzählen Sie mir, wie Sie den Weg zu uns gefunden haben.«

»Ihr Pferd witterte die unsrigen,« antwortete Bertha, »wir fingen es auf und entfernten uns, denn wir hörten die nachjagenden Reiter. Als wir die beiden Dornenbündel sahen, welche das arme Thier trug, dachten wir wohl, daß Sie um Ihrer Sicherheit willen das Pferd fortgeschickt hatten. Wir zerstreuten uns, Sie zu suchen, nachdem wir verabredet, uns auf dem Meierhofe Banlœuvre wieder zusammenzufinden. Die Lichter und Stimmen erregten meine Aufmerksamkeit. Ich ließ mein Pferd zurück, um nicht durch das Wiehern desselben verrathen zu werden; ich näherte mich vorsichtig. Niemand bemerkte mich. Das Uebrige wissen Sie.«

»Gut,« erwiderte Petit-Pierre. »Jetzt wünsche ich einen Führer zu dem Meierhofe; denn ich gestehe Ihnen, liebe Bertha, dass ich todmüde bin.«

»Ich will selbst Ihr Führer seyn, Madame,« sagte Maître Jacques, der sich ehrerbietig näherte.

Petit-Pierre nickte zum Zeichen der Einwilligung.

Maître Jacques traf sehr zweckmäßige Vorkehrungen.

Zehn seiner Leute marschirten voran; er selbst begleitete mit zehn Anderen seine drei Schutzbefohlenen.

Zwei Stunden nachher, als Petit-Pierre, Bertha und Michel eben ihr Abendessen beendet hatten, kam der Marquis von Souday mit Mary an. Der Marquis war sehr erfreut, seinen »jungen Freund,« wie er ihn genannt hatte, in Sicherheit zu finden. Er zeigte sich freilich als ein Mann vom alten Regime, und wie aufrichtig und innig seine Freude auch war, so ward sie doch durch tiefe Ehrerbietung gemäßigt.

Abends hatte Petit-Pierre mit dem Marquis von Souday in einer Ecke der Stube eine lange Unterredung, deren Ende Bertha und Michel mit der größten Spannung erwarteten. Die Aufmerksamkeit wurde indeß bald durch das Erscheinen Oullier’s in Anspruch genommen.

Als der alte Diener eben erschienen war, trat der Marquis von Souday auf die beiden jungen Leute zu, faßte Bertha’s Hand und sagte zu dem jungen Baron: »Herr Petit-Pierre sagt mir, daß Sie um die Hand meiner Tochter Bertha werben. Ich hätte vielleicht andere Absichten hinsichtlich der Versorgung meiner Tochter gehabt, aber eine so huldreiche Fürsprache bewegt mich zu der Erklärung, daß Bertha nach Beendigung des Krieges Ihre Frau werden soll.«

Michel wäre nicht mehr bestürzt gewesen, wenn der Blitz zu seinen Füßen eingeschlagen hätte.

Während der Marquis die Hand Bertha’s in die seinige legte, wollte er sich an Mary wenden, um sie zu einer Erklärung zu bewegen.

Aber Mary flüsterte ihm die Schreckensworte zu:

»Ich liebe Sie nicht!«

Von Schmerz gebeugt und außer sich vor Erstaunen faßte Michel die Hand, die ihm der Marquis bot.

 
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