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Die Mohicaner von Paris

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IX
Die zwei Freunde von Salvator

Der Mond schien in der That herrlich, wie es der Commissionär der Rue aux Fers gesagt hatte.

Die Uhr der Tuchhalle deutete die zweite Stunde nach Mitternacht an.

Die Fontaine des Innocents, – dieses Meisterwerk von Jean Goujon, dem einzigen Bildhauer-Architekten, den wir gehabt haben, – erschien zur Rechten der jungen Leute, als sie die Schenke verließen, bewunderungswürdig beleuchtet von der glänzenden Lampe, welche die Hand Gottes selbst am Gewölbe des Firmamentes aufgehängt hat; ihre zierlichen verstäbten Pilaster, ein Wunder korinthischer Architektur, zeichneten sich in ihrer ganzen Gracie und in ihrer ganzen Reinheit; die Najaden, diese zu Frauen gemachten Wassertropfen, die der Chavalier Bernin so sehr angestaunt, die schönen Najaden mit den milden, lieblichen Umrissen schienen ihre Draperien von sich zu schieben und in das Bassin des Brunnens hinabzusteigen, um ihre kleinen Füße darin zu baden.

Die zwei jungen Leute nahmen sich trotz der socialen Entfernung, welche die Verschiedenheit der Rangstufen zwischen ihnen festzustellen schien, beim Arm und traten in die Rue Saint-Denis auf der Seite des Justizpalastes ein. Als sie auf dem Platze des Chatelei anlangten, blieben sie stehen; der Strom floß zu ihren Füßen; Notre-Dame erhob sich vor ihnen mit der Majestät der unbeweglichen Dinge; die Sainte-Chapelle ragte mit ihrem gezackten Kamme über den Häusern empor, wie Leviathan über den Wogen. Sie hätten sich mitten im Paris des fünfzehnten Jahrhunderts glauben können.

Um die Illusion zu vermehren, kam überdies ein Schwarm junger Leute in Costumen aus der Zeit von Karl VI. auf dem Quai de Gèvres herbei: sie schrien aus vollem Halse:

»Es ist zwei Uhr vierzehn Minuten; wir sind ruhig; Pariser, schlaft!«

Und in der That, nichts verhinderte, zu glauben, es sei eine von den Truppen Unzufriedener, welche die Bürgergemeinde, die oberlehensherrliche Eigenthümerin des Schlachthauses von Paris, von Zeit zu Zeit an König Karl VI. Absandte, um ihm neue Concessionen zu entreißen. Es waren die Gois, die Tibers, die Lhuillier, die Meulott, mit Cabache, dem furchtbaren Schinder, an ihrer Spitze.

Sie schienen spazieren zu gehen und, um die Unordnungen anzufangen, nur auf den Untergang des Mondes oder das Aufstehen des Königs zu warten.

Unsere zwei jungen Leute ließen die Maskerade an sich defilieren, gingen rasch über den Pont au Change und kamen auf den kleinen Platz. der zwischen dem Pont Saint-Michel und der Rue de la Harve liegt.

Etwa dreißig Studenten und Grisetten tanzten in fantastische Costumes, gekleidet, mit großem Freudengeschrei um fünf bis sechs brennende Strohbunde.

Jean Robert, welcher in seinen Arbeiten mitten im Studium der Geschichte von Frankreich begriffen, war suchte unwillkürlich mit den Augen den Weichstein, auf dem ein Kopf ausgehauen, der einen Beutel am Halse hängen hatte, und der, wie unsere alten Chronikschreiber sagen, auf diesem Platze bis zum siebzehnten Jahrhundert blieb.

Es schien, diese jungen Leute, welche fast alle das Costume des Mittelalters trugen, das sich großer Gunst zu erfreuen anfing, seien nur hierher gekommen, um vierhundert Jahre nach dem Ereigniß gegen den grässlichen Verrath zu protestieren, dessen Andenken dieser Platz zurückruft.

Es geschah in der That in einer friedlichen Nacht, in einer Nacht erleuchtet von einem Munde so glänzend als der, welcher in diesem Augenblick schimmerte, Morgens um zwei Uhr, das heißt zu derselben Stunde, daß am 12. Juni des Jahres 1487, Périnet Leclerc seinem Vater unter dem Kopfkissen seines Bettes hervor die Schlüssel des Saint-Germain-Thores stahl und die Stadt achthundert Leuten des Herzogs von Burgund öffnete, welche außerhalb der Mauern unter der Anführung von Villiers, Herrn der Isle-Adam, warteten.

Alles, was in die Hände der burgundischen Ritter fiel, Weiber, Kinder, Greise, wurde ohne Gnade und Barmherzigkeit umgebracht. Die Bischöfe von Coutances, von Saintes, von Bayeux, von Senlis, von Evreux wurden in ihrem Bette ermordet der Connetable und der Kanzler aus ihren Häusern gerissen und zusammengehauen, sodann ihre Glieder umhergestreut und ihre Köpfe durch die Straßen geschleppt.

Die Schlächterei dauerte acht Tage; nach acht Tagen vertrieben die Pariser die Burgunder und blieben Herren der Stadt. Man suchte dann den Verräther, die Ursache zugleich dieser Schande und dieses Unglücks; man durchwühlte ganz Paris von unten bis oben, um Périnet Leclerc zu finden.

Périnet Leclerc war verschwenden, und man hörte nie mehr etwas von ihm.

Ein Bildhauer-Meister verfertigte in der Eile ein plumpes Bild vom Verräther, und nachdem die Menge die Büste von Haus zu Haus, von Thüre zu Thüre getragen hatte, nachdem man sie an die Backen geschlagen und ihr ins Gesicht gespieen, haute derselbe Meister den Judas des fünfzehnten Jahrhunderts mit seinem Beutel am Halse auf diesem Weichsteine aus, wo ihn die alten Historiker gesehen.

Diese Erinnerung war es, was Jean Robert beschäftigte, dessen Augen die buntscheckige, muntere durch den vorübergehenden Reflex der Flammen beleuchtete Gruppe verlassen hatten, um im Halbschatten der Ecken und im Schatten der Straßen zu forschen; er fragte sich halblaut:

»Ich möchte wohl wissen wo dieser Weichstein war?«

»An der Ecke des Platzes und der Straße Sahn

»An des Ecke des Platzes und der Straße Saint-André-des Arcs,»erwiderte Salvator, als wäre er vom ersten bis zum letzten Worte im Geiste von Jean Robert dem Monolog gefolgt, dem seine Frage als Schluß diente.

»Woher wissen Sie eine Sache. die ich nicht weiß?« fragte Jean Robert.

»Vor Allem ist dieses Erstaunen ein wenig anmaßend!« versetzte Salvator lachend. »Glauben Sie, mein Herr Dichter, es seien immer die Leute, deren Handwert es ist, zu wissen, welche wirklich wissen? Mir schien die Unwissenheit Ihres Freundes Ludovic über den Baldrian hätte Ihnen als Lection dienen müssen.«

»Entschuldigen Sie mich,« erwiderte Jean Robert, »das Wort ist mir entschlüpft; es wird mir nicht mehr geschehen. Ich fange an wahrzunehmen, daß Sie alle Dinge wissen.«

»Ich weiß nicht alle Dinge,« entgegnete Salvator; »doch ich lebe mit dem Volke, das du ganze Welt ist, das die alte Fabel von Argus mit den hundert Augen, von Briareus mit den hundert Armen verwirklicht; das stärker ist als die Könige, und mehr Geist hat als Herr von Voltaire!« Nun denn, eine von den guten Eigenschaften oder von den Fehlern dieses Volkes ist das Gedächtniß, und besonders das Verräthereien rächende Gedächtniß. Ein Verräther, den die Könige wieder in Ehren eingesetzt und mit Ordensbändern bedeckt haben, dem die Aristokratie wieder ihre Thüre geöffnet hat. den die Bourgeoisie im Vorübergehen grüßt, ist immer ein Verräther für das Volk; für die übrige Gesellschaft wieder der Name eines ehrlichen Menschen geworden, ist sein Name für das Volk immer ein ehrloser Name, ein verfluchter Name, kurz ein Verräthername. Und die Zeit ist viel leicht nicht fern,« fügte Salvator mit einer düsteren Miene bei, weiche einen Augenblick seiner Physiognomie einen Ausdruck verlieh, dessen man sie nicht fähig gehalten hätte, »die Zeit ist vielleicht nicht fern, wo Sie ein Beispiel von dem, was ich Ihnen hier sage, haben werden. Nun wohl dieser Name von Périnet Leclerc, dessen sich nur die Gelehrten in den hohen Klassen der Gesellschaft erinnern, ohne daß das Volk viel, als Detail, von dem Verrathe weiß, den er ins Gedächtniß zurückruft, – ist eine der verfluchten Erinnerungen des Volks, um so mehr verflucht, als die Rache nicht befriedigt werden konnte, als die Strafe das Verbrechen nicht gesühnt hat, und als die Vorsehung, diesmal, wie ein eingeschlafener oder verkaufter Richter, die Augen geschlossen zu haben scheint, um den Schuldigen durchschlüpfen zu lassen . . . Kommen Sie!«

Salvator schlug den Weg durch die Rue Saint-André-des-Arcs ein.

Robert folgte dem seltsamen Manne, den der Zufall zu seinem Führer gemacht hatte, und ging mit ihm durch die öde, düstere Straße.«

Zwischen der Rue Macon und der Place Saint-André-des Arcs blieb der Gefährte des Dichters vor einem kleinen, weißen, reinlichen, aber schmalen Hause, das nur drei Fenster in der Fronte hatte, stehen.

Eines eichenholzfarbig angemalte kleine Thüre gewährte den Eingang in dieses Haus.

Salvator zog einen Schlüssel aus der Tasche und schickte sich an, einzutreten.

»Es ist also ausgemacht, daß wir den Rest der Nacht miteinander zubringen?« sagte er zu Jean Robert.

»Sie haben es mir angeboten, ich habe es angenommen; wollen Sie Ihr Anerbieten zurücknehmen?«

»Nein. Gott sei Dankt Doch was wollen Sie? so wenig ich auch bin, ich habe zwei Wesen welche über meine Abwesenheit besorgt würden, wenn sich meine Abwesenheit über eine gewisse Grenze hinaus verlängerte: diese zwei Wesen sind eine Frau und ein Hund.«

»Beruhigen Sie dieselben; ich werde Sie hier erwarten.«

»Geschieht es aus Discretion, daß Sie es ausschlagen, hinaufzugehen? Dann hätten Sie Unrecht: ich bin einer von den Geheimnisvollen, welche nichts verbergen, und die der Sonne trotzend unbekannt bleiben. Ist es nicht ein Wort von Talleyrand, daß an dem Tage, wo ein Diplomat die Wahrheit sage, er alle Welt täuschen werde? Ich bin dieser Diplomat; nur habe ich nicht die Mühe, eine Welt zu täuschen die sich nicht um mich bekümmert.«

»Dann,« erwiderte Jean Robert, welcher vor Begierde, hinaufzugehen, um das Hauswesen des Commissärs zu sehen, brannte, »dann, wie die Italiener sagen Permesso

»Si,« antwortete Salvator in vortrefflichem Toskanisch:«sottante vederete il cane, ma nonla signora

Die Thüre öffnete sich, und die zwei jungen Leute traten in den Gang ein.

»Warum Sie, daß ich Ihnen Licht mache.« sagte Salvator.

Und er zog aus seiner Tasche ein Phosphor-Feuerzeug und schickte sich an, ein Zündhölzchen einzutauchen; plötzlich aber erschien oben auf der Treppe ein Licht und ließ seine Strahlen längs der Wand herabfallen.

 

Dann vernahm man eine sanfte Stimme, welche fragte:

»Bist Du es, Salvator?«

»Ja, ich bin es,« erwiderte der junge Mann. »Bei meiner Treue,« fügte er bei, indem er sich umwandte, »nicht Sie waren es, der sich täuschte, sondern ich: Sie werden die Frau und den Hund sehen.«

Der Hund war derjenige, welchen man zuerst erblickte; auf die Stimme seines Herrn war er nach der Treppe gesprungen, deren Stufen er wie ein Wetterwirbel herabkam.

Vor seinem Herrn angelangt, legte diesem das colossale Thier seine Vorderpfoten auf die Schultern, drückte schmeichelnd seinen Kopf an die Wangen des jungen Mannes, und fing an kleine Schreie der Zärtlichkeit auszustoßen, wie es ein King-Charles hätte thun können.

»Es ist gut. Roland, es ist gut!« sagte Salvator: »laß mich passieren; Du siehst wohl, daß mir Deine Herrin Fragola etwas zu sagen hat!«

Doch der Hund. der Jean Robert erblickte, streckte den Kopf über die Schulter seines Gebieters und ließ ein Knurren vernehmen, das übrigens mehr eine Frage als eine Drohung war.

»Es ist ein Freund, Roland; sei also vernünftig,« sagte Salvator.

Und nachdem er den Hund auf sein schwarzes Maul geküßt, wiederholte er:

»Vorwärts! laß mich passieren, Roland!«

Roland trat auf die Seite, ließ seinen Herrn passieren, beroch Jean Robert im Vorübergehen, leckte dem Dichter die Hand und nahm hinter ihm, als wollte er den Zug schließen, seinen Rang auf der Treppe.

Jean Robert hatte auf Roland einen raschen Liebhaberblick geworfen.

Es war ein herrliches Thier von der Race der St. Bernhardshunde, halb Dogge, halb Neufundländer, das wenn es sich auf den Hinterpfoten erhob, fünf und einen halben Fuß hoch sein mochte; seine Haare hatten die Farbe des Löwen.

Diese Bemerkungen wurden zwischen dem Erdgeschoße und dem ersten Stocke gemacht; hier verließen alle Beobachtungen von Jean Robert den Hund und wandten sich gegen Fragola.

Es war eine junge Frau von ungefähr zwanzig Jahren, deren lange blonde Haare das bleiche und sanfte Gesicht umrahmten, unter dessen Haut man rosige Tinten von einer reizenden Feinheit erblickte; die Kerze die sie in einem Kristallleuchter in der Hand hielt»beleuchtete ihre großen, azurblauen Augen, und ihr lächeln der, halb geöffneter Mund ließ zwei Reihen Perlen unter Lippen so roth wie frische Kirschen sehen.

Ein kleinen Muttermahl unter dem rechten Auge, von den Frauen des Volkes ein Wunsch genannt, nahm in gewissen Jahreszeiten die Farbe einer kleinen Erdbeere an und hatte ihr wohl den poetischen Namen Fragola eingetragen, der ganz gemacht war, um Jean Robert zu ergreifen.

Die Gegenwart des Letzteren hatte ihr Anfangs, wie Roland, einige Besorgniß eingeflößt; doch sie war wie Roland, beruhigt worden durch die Antwort: »Es ist ein Freund.«

Sie fing also damit an, daß sie Salvator eine lächelnde Stirne darbot, auf die der junge Mann zärtlich, wir möchten beinahe sagen, ehrfurchtsvoll seine Lippen drückte.

Sie wandte sich sodann an Jean Robert und sagte mit einem reisenden Lächeln:

»Freund meines Freundes, seien Sie willkommen!«

Und während sie dem Dichter mit einer Hand leuchtete, kehrte sie. mit der anderen den Hals von Salvator umschlingend, ins Zimmer zurück.«

Jean Robert folgte ihnen.

Nur blieb er discret in einer ersten kleinen Stube stehen, die als Speisezimmer zu dienen schien.

»Ich hoffe, Du bist nicht aus Besorgniß nicht schlafen gegangen?« fragte Salvator; »ich würde mir das nie verzeihen, mein Kind.«

Der junge Mann sprach diese Worte mit einem Ausdruck, der etwas Väterliches hatte.

»Nein.‹ erwiderte das Mädchen mit einer sanften Stimme; »doch ich habe einen Brief von jener Freundin bekommen, von der ich zuweilen mit Dir sprach.«

»Von welcher?« versetzte Salvator; »Du hast drei Freundinnen, von denen Du oft sprichst.«

»Du könntest sagen, ich habe vier.«

»Ja, das ist wahr . . . Nun, von welcher ist im Augenblick die Rede?«

»Von Carmelite.«

»Sollte ihr ein Unglück zugestoßen sein?

»Das ahnet mir. Wir sollten uns, sie, Lydie, Regina und ich, morgen in der Messe von Notre-Dame zusammenfinden, wie wir dies alle Jahre zu thun pflegen, und statt dessen gibt sie uns aus sieben Uhr Morgens Rendez-vous.«

»Wo dies?«

Fragola lächelte

»Sie verlangt von uns Geheimhaltung, mein Freund.«

»Oh! bewahre das Geheimnis!« sagte Salvator. »Ein Geheimnis! Du kennst meine Ansicht hierüber: das ist die heilige Arche!«

Er wandte sich sodann gegen Jean Robert um und sprach:

»Ja einem Augenblick gehöre ich Ihnen . . . Kennen Sie Neapel?«

Nein; doch ich hoffe in den nächsten paar Jahren dahin zu gehen.«

»Nun. so unterhalten Sie sich damit, daß Sie dieses kleine Speisezimmer anschauen: es ist eine sehr genaue Erinnerung an das des Hauses vom Dichter in Pompeji, und wenn Sie zu Ende sind, plaudern Sie mit Roland.«

Nachdem er so gesprochen. trat Salvator mit Fragola in das zweite Zimmer ein, dessen Thüre er hinter sich schloß.«

X
Plauderei eines Dichters mit einem Hunde

Als Jean Robert allein war, nahm er die Kerze und näherte sie den Wänden des Speisezimmers, indeß Roland sich mit einem Seufzer der Zufriedenheit auf einen Teppich legte. der quer vor der Thüre ausgebreitet war, durch die der Junge Mann und das Mädchen sich entfernt hatten, was sein gewöhnliches Lager zu sein schien.

Eine Zeit lang mochte Jean Robert das Licht immerhin an die Wand halten, er sah nichts; seine Augen schauten gewisser Maßen im Innern, seine Erinnerungen zogen zwischen ihm und dem, was er vor sich hatte, durch.

Was seine Augen sahen, das war in diesem verlorenen Quartier oben auf der düsteren Treppe das schöne Mädchen, das sich mit seiner Kerze in der Hand herabneigte; es waren diese langen Haare mit den goldenen Reflexen, es waren diese herrlichen blauen Augen, die ein Wiederschein des Himmels, selbst wenn der Himmel nicht mehr da; das war diese durchsichtige Haut so fein wie ein Rosenblatt; das war diese unendliche Grazie, welche zuweilen beim Menschen oder beim Thiere ein übermäßig langer Hals verleiht: beim Thiere im Schwanen, im Menschen bei Raphael; es war dieser ganze geschmeidige Körper, auf dem. man fühlte dies, die fiebernde Hand der Krankheit oder die eisige Hand des Unglücks gelastet haben mußte; es war endlich diese Erscheinung dort Fragola, nicht minder wunderbar, als die von Salvator, wobei die eine die andere zu vervollständigen schien, um in den Augen des Dichters einen lebendigen und belebten Traum zu machen.

Alles dünkte ihm seltsam bis aus das carminrothe Fleckchen unter dem Auges das Salvator wahrscheinlich veranlaßt hatte, dem Mädchen den Namen Fragola zu geben, was wieder das reizende Diminutiv Fragoletta gab.

Sodann hatte der Name Regina, den das Mädchen ausgesprochen, im Dichter eine aristokratische Erinnerung zurückgerufen, weiche in keiner Beziehung zu den Geschöpfen von niedriger Lage stehen konnte, mit denen er für den Augenblick sein Leben verbunden, die aber nichtsdestoweniger in seinem Herzen die sonorsten Fasern der Jugend vibrieren gemacht.

allmählich aber wurde der Schleier, den er vor den Augen hatte, immer durchsichtiger, und er fing an durch einen Nebel die Bilder zu sehen, welche die Wand bedeckten.«

Die artistische Seite gewann die Oberhand über die mysteriöse, die Wirklichkeit über den Traum; der Dichter war vor einer der genausten Copien der dekorativen Malerei des Alterthums.

Die vier großen Theile der Wand enthielten Rahmen mit Gehäusen umgeben: jeder Rahmen stellte eine Landschaft die Säulen eines Peristyls oder die Fenster eines Zimmers gesehen vor.

Die Gehäuse stellten alle jene Phantasien vor, welche die archäologische Wissenschaft seitdem populär gemacht hat, so die Stunden des Tages und der Nacht, die Tänzer, die Grille zwei Schnecken, die an ihren Wagen gespannt, führend, die Tauben aus derselben Schaale trinkend u. s. w.

Das Ganze war mit vollkommenem Geschmack und einer Treue des Tons, die den Coloristen bezeichnete, copirt.

Das wäre ein neues Erstaunen für Jean Robert gewesen, hätte ihn etwas von Seiten seines neuen und seltsamen Freundes in Erstaunen setzen können.

Er stellte also nicht erstaunt, sondern nachdenkend, zuerst seinen Leuchter auf den Tisch, der einen Umfang von nur fünf bis sechs Fuß mitten im Zimmer bildete, und setzte sich sodann auf einen Stuhl.

Dann richteten sich seine Augen unbestimmt auf die verschiedenen Gegenstände des Speisezimmers, und sie verweilten am Ende auf dem Hunde.

Er erinnerte sich der Worte von Salvator: »Wenn Sie zu Ende sind, plaudern Sie mit Roland.«

Und er lächelte bei dieser Erinnerung.

Diese Worte, die einem Andern vielleicht ein schlechter Spaß geschienen hätten, erschienen ihm als eine ganz natürliche Empfehlung; sie hatten ihm eine Sympathie mehr zwischen ihm und seinem neuen Freunde geoffenbart.

Jean Robert, ein naives Herz. zart und gut, glaubte in seinem Stolze nicht, Gott habe für die Menschen allein die Ausgabe einer Seele gemacht: wie die Dichter des Orients, wie die Brahminen Indiens, war er nahe daran, zu glauben, das Thier sei eingeschlafene oder bezauberte Seele, welche an den Ufern des Ganges den Zauber der Natur, bei den Occidentalen die Magie der großen Circe erdulde. Oft hätte er sich den Menschen in der Kindheit der Welt vorgestellt, den Menschen, dem in der Schöpfung die Thiere, seine untergeordnete Brüder, vorangegangen, und es hatte ihm dann geschienen, seien die Thiere, und sogar die Pflanzen, die untergeordneten Schwestern der Thiere, gewesen, welche der Menschheit als Führer und Lehrer gedient. Nach dem dankbaren Traume seinen Geistes waren es die Wesen die wir heute leiten, welche uns damals führten, welche unsere schwankende Vernunft mit ihrem schon befestigten Instincte lenkten, die uns riethen, sie diese Kleinen und diese Einfachen, die wir heute verachten! Und in der That, sagte der Dichter, wenn er um sich selbst sprach, der Boabab, der damit angefangen, daß er ein Baum gewesen, der ein Wald geworden, der Jahrhunderte wie eine Kette von großen Greisen, die sich an der Hand halten, hat vorüberziehen sehen; der Wandervogel der mit jedem Flügelschlage eine Meile macht, und der alle Länder gesehen; der Adler, der der Sonne ins Antlitz schaut, vor welcher wir die Blicke niederschlagen; der Nachtvogel mit den Gluthaugen, der in der Finsternis fliegt, wo wir straucheln; die großen Ochsen, welche unter den grünen Eichen oder den dunklen Fichten wiederkäuen und mit den Füßen auf eine zerstörte Civilisation in den weiten Campagnen von Rom mit ihren breiten, fahlen Horizonten treten; alle diese Thiere sollten nicht etwas Unbekanntes dem Menschen zu sagen haben, wenn es dem Menschen gelänge, ihre Sprache zu verstehen, und wenn er sie zu befragen sich herabließe?

Jean glaubte sich zu entsinnen, er habe in seiner Kindheit mit seiner seiner Hand die allgemeine Verbrüderung berührt, er war überzeugt, er habe eine Zeit lang das Bellen junger Hunde, den Gesang kleiner Vögel verstanden, und sogar den Wohlgeruch der Rosenknospen, die er zuweilen. in dem Augenblick wo sie sich erschlossen, die Zuckerstücke, die ihm seine Mutter gegeben, wollte essen lassen.

Sodann, wie er groß geworden, hatte es ihm geschienen, dieser fast menschliche Verstand, den er als Kind bei den Thieren und bei den Pflanzen gefunden, sei verschwunden und habe sich verwirrt, wie der Hanf, den die Poltergeister am Rocken des bretonischen Mädchens verwirren, das ihn, der vergeblichen Arbeit müde, in seiner Ungeduld ins Feuer wirft.

Was hat diese rührende Einigkeit gebrochen. die den Menschen mit dem Thiere und der Pflanze. d. h. mit dem Demüthigen und dem Einfachen verband?

Die Hoffart!

Das war der Unterschied zwischen der orientalen Welt und der occidentalen.

Indien, auf das der Europäer immer zurückkommen muß, so oft er seines streitsüchtigen Occidents müde, seine Seele wieder in den Urquelten zu stärken nötig hat; Indien, diese gemeinschaftliche Mutter den Menschengeschlechts; Indien, unsere majestätische Ahnfrau, wurde für sein zartes Mitleid dadurch belohnt. daß es fruchtbar blieb; sein Symbol ist die nährende Kuh. Kriege, Mißgeschicke, Knechtschaften gehen über dasselbe seit dreitausend Jahren hin, und seine unversiegbare Brust ist immer bereit, dreihundert Millionen Menschen, Eingeborene und Fremde, zu stillen.«

So ist es nicht mit unserer armen occidentalen Welt, mit unserer kargen griechischen und italienischen Civilisation gewesen. Die griechische Stadt. die römischen Stadt haben die Kunst vergöttlicht und die Natur ihrer Würde entsetzt; sie machten aus den Menschen Sklaven; sie nannten die Thiere Bestien; sie zwangen die Erde, auszugeben, ohne daß sie darauf bedacht waren, der Erde neue Kräfte zu verleihen. Einen Tage fand sich Athen eine Ruine, Rom eine Wüste; es waren herrliche Wege da, auf denen Niemand mehr reiste, Triumphbögen, welche bei Nacht die Schatten der Heere, geführt von den Schatten der Triumphatoren vorüberziehen sahen, und Meilen lange Aquäducte, die fortwährend das Wasser der Flüsse nach den stummen Städten führten, welche keine Einwohner mehr zu tränken hatten.

 

Und alle diese Ideen. weiche drei Civilisationen aufrührten und durch die elektrische Kette des Gedankens, die sie der modernen Welt offenbart, in ihrem Grabe die alte Welt beben machen, erwachten im Geiste des Dichters beim Anblick den Hundes und bei der Erinnerung an die Worte von Salvator: »Wenn Sie zu Ende sind, plaudern Sie mit Roland.«

Jean Robert war mit dem Anschauen und sogar mit dem Denken zu Ende; er rief also Roland, um mit ihm zu plaudern.

Als sein Name mit dem kurzen. entschiedenen Tone des Jägern ausgesprochen wurde, richtete Roland, der, die Schnauze zwischen seinen Pfoten ausgestreckt, schlief, oder vielmehr sich den Anschein gab, als schliefe er rasch den Kopf auf und schaute Jean Robert an.

Jean Robert sprach zum zweiten Male den Namen des Hundes und und schlug dabei mit seiner Hand auf seinen Schenkel.

Der Hund erhob sich auf seine Vorderpfoten und blieb auf die Weise der Sphinxe hocken

Jean Robert wiederholte zum dritten Male seinen Ruf.

Der Hund kam auf ihn zu, legte seinen Kopf auf die Kniee des Dichters und schaute ihn freundlich an.

»Armer Hund!« sagte Jean Robert mit liebkosendem Tone.

Roland ließ ein halb zärtlichen. halb klagendes Geknurre hören.«

»Ah! Ah!« sprach Jean Robert, »dein Herr Salvator hatte Recht: es scheint, wir werden und verstehen.«

Beim Namen Salvator ließ der Hund ein kleines Gebelle der Freundschaft vernehmen und schaute nach der Thüre.

»Ja,« sagte Jean Robert, »er ist dort im Zimmer neben an, mit Deiner Gebieterin Fragola, nicht wahr Roland?«

Roland ging an die Thüre. hielt seine Schnauze an den Zwischenraum, der zwischen dem Untertheil der Thüre und dem Boden bestand, athmete geräuschvoll, kam wieder zurück und legte, seine lebhaften, verständigen. fast menschlichen Augen schließend, seinen Kopf auf den Schooß des Dichters.«

»Sehen wir ein wenig, wer unser Vater und unsere Mutter sind, sagte Jean Robert . . . »Gib deine Pfote. wenns beliebt.«

Der Hund hob feine dicke Pfote auf und legte sie mit einer Leichtigkeit, welche unmöglich schien, in die aristokratische Hand von Jean Robert.

Jean Robert untersuchte die Zwischenräume der Zehen.«

»Ah!« sagte er, »ich vermuthete es . . . Sehen wir unser Alter.«

Und er that die mächtigen Lippen den Thieren auseinander und entblößte hierdurch eine doppelte Reihe furchtbarer, elfenbeinweißer Zähne, welche jedoch in den Tiefen des Rachens schon ein wenig angegriffen waren.

»Ah! Ah!« sagte Jean Robert. »wir sind nicht mehr von der ersten Jugend: wären wir eine Frau, so würden wir unser Alter seit zehn Jahren verbergen; wären wir ein Mann, so würden wir anfangen es zu verbergen.«

Der Hund blieb unempfindlich; es schien ihm völlig gleichgültig zu sein, daß Jean Robert sein Alter wußte. Als der Dichter dies sah, setzte er seine Untersuchung fort, in der Hoffnung, zu einem Detail zu gelangen, das auf eine wirksamere Art die Empfindlichkeit der Nerven von Roland reizen würde.

Diesen Detail bot sich bald dem Blicke von Jean Robert.

Roland hatte, wie gesagt, – abgesehen von etwas mehr Länge in seinem unter dem Bauche besondere leicht gekräuselten Haare, – die falbe Haut den Löwen; nur bemerkte Jean Robert an der Flanke der rechten Seite zwischen der ersten und fünften Rippe einen weißen Punkt von sieben bis acht Linien im Durchmesser.

»Ah! Ah!« fragte er, »was ist das, mein armer Roland?«

Und er drückte mit der Fingerspitze auf den weißen Punkt.«

Roland stieß einen Seufzer aus.

»Ei! eine Narbe!« sagte Robert.

Eh war Robert nicht unbekannt. daß die Wunden oder die Brandmahle das färbende Oel zerstören, das im Haargewebe kreist; er hatte in den Gestüten Rappen gesehen, denen man einen Stern dadurch auf die Stirne machte, daß man ein glühend heißes Instrument darauf drückte; er begriff, daß hier eine Wunde oder ein Brandmahl war.

Eher eine Wunde,als ein Brandmahl, da der Finger eine Narbe erkannte.

Er schaute nach der linken Flanke.

An der linken Flanke trug Roland, nur ein wenig tiefer, eine ähnliche Narbe.

Robert drückte mit dem Finger darauf, wie er es das erste Mal gethan hatte; der Hund stieß bei diesem zweiten Drucke einen schmerzlichen Seufzer aus, der dem jungen Beobachter durch die Narbe der Rippe erklärt wurde,

Auf der linken Seite war die Rippe gebrochen worden.

Ah! ah! mein schöner Roland,« sagte der Dichter, »es scheint wir haben, wie unser Homonyme, Krieg geführt.«

Roland hob den Kopf empor, öffnete halb das Maul und gab ein Gebelle von sich, das Jean Robert bin in die Tiefe der Adern schauern machte.

Diese Klage hatte einen so traurigen Charakter, daß Salvator aus dem Zimmer herauskam und Jean Robert fragte.

»Was ist denn Roland geschehen?«

»Nichts . . . Sie haben mich mit Roland plaudern heißen,« erwiderte lachend Jean Robert; »ich habe ihn nach seiner Geschichte gefragt. und er war eben im Zuge, sie mir zu erzählen.«

»Und was hat er Ihnen erzählt? Lassen Sie hören! Ich wäre begierig, die Wahrheit zu erfahren.«

»Warum soll er lügen?« versetzte Jean Robert; »es ist kein Mensch.«

»Ein Grund mehr, daß Sie mir Ihr Gespräch wiederholen,« erwiderte Salvator mit einer Dringlichkeit, die mit einer gewissen Unruhe gemischt zu sein schien.

»Nun, so vernehmen Sie Wort für Wort unsern Dialog. Ich fragte ihn, wessen Sohn er sei: er antwortete mir, er sei gekreuzt von einem St. Bernhardshunde und einem Neufundländer; ich fragte ihn nach seinem Alter. er antwortete mir, er sei zwischen neun und zehn Jahre alt; ich fragte ihn, woher der weiße Fleck rühre, den er an jeder seiner Flanken habe, und er antwortete mir, eh sei die Spur einer Kugel, welche in seine rechte Seite eingedrungen und an seiner linken Seite, ihm eine Rippe brechend, herausgekommen.«

»Ah! Ah!« versetzte Salvator. »Alles das ist völlig genau.«

»Desto besser! Das beweist, daß ich kein Ihrer Lectionen ganz unwürdiger Beobachter bin.«

»Das will ganz einfach besagen, daß Sie Jäger sind, daß Sie folglich an der Haut. welche Roland zwischen den Zehen der Pfoten hat und der Farbe seines Felles seine Verwandtschaft mit dem Schwimmhunde und dem Gebirgshunde erkannten; daß Sie seine Zähne anschauten und am Hundszahne, von dem die Marke verschwunden, und an dem etwas beschädigten Mahlzahne sahen, daß er nicht mehr markiert; daß Sie die zwei Flecken betasteten und hierbei an der Höhlung der Haut und der Erhabenheit des Knochens fühlten daß er eine Kugel bekommen, welche auf der rechten Seite eingedrungen aus der linken Seite herausgekommen war und eine Rippe gebrochen hatte. Ist das so?«

»Ich fühle mich gedemüthigt.«

»Und er hat Ihnen nichts Anderes gesagt?«

»Sie traten gerade in dein Augenblicke ein, als er mir erzählte, er habe seine Wunde nicht vergessen und bei Gelegenheit werde er sich wahrscheinlich desjenigen, welcher sie ihm gemacht, erinnern. Ich rechne nun auf Sie, daß Sie mir das Uebrige sagen.«

»Es ist nur ein Unglück, – und ich gestehe in diesem Punkte meine tiefe Unkenntniß: daß ich nicht mehr weiß, als Sie.«

»Wahrhaftig?«

»Als ich eines Tags, vor vier bis fünf Jahren, in der Umgegend von Paris jagte . . . «

»Sie jagten?«

»Wilderte wollte ich sagen: ein Commissionär jagt nicht . . . Ich fand dieses arme Thier in einem Graben; es war ganz blutig, von einer Kugel durchbohrt verscheidend. Seine Schönheit erregte mein Mitleid; ich trug es an eine Quelle und wusch seine Wunde mit kaltem Wasser, in das ich ein paar Tropfen Branntwein gegossen; bei der Pflege, die ich ihm gab, schien es wiedergeboren zu werden. Es erfaßte mich die Lust,.mir dieses herrliche Thier anzueignen, an welchem, nach dem Zugstande, in dem ich es fand, seinem Herrn wenig zu liegen schien; ich brachte es auf den Wagen eines Gemüsegärtners und kehrte diesen Wagen folgend zurück. An dem selben Abend und sogleich nach meiner Ankunft, behandelte ich es wie ich, im Val-de-Grace, von Flintenschüssen getroffenen Menschen hatte behandeln sehen, und ich hatte das Glück, den Hund zu heilen; das ist Alles, was ich von Roland weiß . . . Ah! verzeihen Sie, ich irre mich: ich vergaß, daß Roland eine Dankbarkeit für mich hegt, welche Menschen beschämen würde, und daß er bereit ist, sich für mich und für die Leute, die ich liebe, tödten zu lassen: – nicht wahr, Roland?«

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