Бесплатно

Der Graf von Monte Christo

Текст
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

»Ja,« machte der unbewegliche Greis.

»Und Du willst uns, die wir Deine Kinder sind, gegen den Willen meinen Vaters beschützen?«

Noirtier heftete seinen gescheiten Blick auf Morrel, als wollte er ihm sagen:

»Je nachdem.«

Maximilian verstand ihn und sprach-

»Mein Fräulein, Sie haben eine heilige Pflicht in dem Zimmer Ihrer Großmutter zu erfüllen, wollen Sie mir erlauben. daß ich die Ehre habe, einen Augenblick mit Herrn Noirtier zu sprechen?«

»Ja, ja, das ist es,« machte das Auge des Greises.

Dann schaute er Valentine unruhig an.

»Wie er es machen werde, um Dich zu verstehen, willst Du sagen, guter Vater?«

»Ja.«

»Oh! sei unbesorgt, wir haben so oft von Dir gesprochen, daß er wohl weiß, wie ich mit Dir rede.«

Dann mit einem anbetungswürdigen Lächeln, obgleich dieses Lächeln durch eine tiefe Traurigkeit verschleiert war, sich gegen Maximilian wendend, fügte sie bei:

»Er weiß Alles, was ich weiß.«

Valentine erhob sich, rückte für Morrel einen Stuhl vor, empfahl Barrose, Niemand eintreten zu lassen, umarmte zärtlich ihren Großvater, drückte Morrel traurig die Hand und entfernte sich.

Um Noirtier zu beweisen, daß er daß Vertrauen von Valentine besaß und alle ihre Geheimnisse kannte, nahm er das Wörterbuch, die Feder und das Papier, und legte Alles auf einen Tisch, auf dem eine Lampe stand.

»Vor Allem,« sagte Morrel, »vor Allem erlauben Sie mir, Ihnen zu erzählen, mein Herr, wer ich bin, wie ich Fräulein Valentine liebe, und was meine Absichten in Beziehung auf Ihre Enkelin sind.«

»Ich höre,« machte Noirtier.

Er bot ein eindrucksvolles Schauspiel, dieser Greis, scheinbar eine unnütze Bürde, der der einzige Beschützer, die einzige Stütze, der einzige Richter von zwei jungen, schönen, starken Liebenden, welche eben in das Leben eintraten geworden war.

Sein Antlitz, mit dem Gepräge des Adels und einer merkwürdigen Strenge, brachte eine mächtige Wirkung auf Morrel hervor, welcher seine Erzählung zitternd begann.

Er teilte dem Greise mit, wie er Valentine kennen gelernt habe, wie er sie geliebt, und wie sie in ihrer Vereinzelung und in ihrem Unglück das Anerbieten seiner Ergebenheit aufgenommen. Er sprach von seiner Geburt, von seiner Stellung, von seinem Vermögen; und mehr als einmal, wenn er den Blick des Gelähmten befragte, antwortete ihm dieser Blick:

»Es ist gut; fahren Sie fort.«

Alb Morrel diesen ersten Teil seiner Erzählung beendigt hatte, sagte er:

»Mein Herr, soll ich nun, da ich Ihnen meine Liebe und meine Hoffnungen genannt, auch meine Pläne nennen?«

»Ja,« machte der Greis.

»Wohl, so hören Sie, was wir beschlossen.«

Und er setzte Noirtier Allen aus einander, wie ein Cabriolet in dem Gehege wartete, wie er Valentine zu entführen, zu seiner Schwester zu bringen, zu heiraten, und ehrfurchtsvoll wartend auf die Verzeihung von Herrn von Villefort zu hoffen gedachte.

»Nein,« machte der Greis.

»Nein,« versetzte Morrel, »wir sollen nicht so handeln?«

»Nein,«

»Dieser Plan hat also nicht Ihre Beistimmung?«

»Nein.«

»Gut, es gibt noch ein anderen Mittel,« sagte Morrel.

Der Blick des Greises fragte: »Welches?«

Ich werde Herrn Franz d’Epinay aufsuchen.« fuhr Maximilian fort. »ich bin glücklich, Ihnen dies in Abwesenheit von Fräulein von Villefort sagen zu können, und mich gegen ihn so benehmen, daß er sich als ein mutiger Mann zu handeln gezwungen sieht.«

Der Blick von Noirtier fragte fortwährend:

»Was ich tun werde?«

»Ja.«

»Hören Sie. Ich werde Franz. wie ich Ihnen sagte . aufsuchen und ihm erzählen, welche Bande mich mit Fräulein Valentine vereinigen; ist er ein Mann von Zartgefühl, so wird er es dadurch beweisen. Daß er von selbst auf die Hand seiner Braut Verzicht leistet, und von dieser Stunde an bis zum Tode kann er auf meine Freundschaft und Ergebenheit rechnen; weigert er sich, mag ihn nun das Interesse antreiben oder ein lächerlicher Stolz zu seiner Beharrlichkeit veranlassen, so werde ich mich, nachdem ich ihm auseinandergesetzt, daß er Valentine Zwang antue, daß sie mich liebe und keinen Andern lieben könne, meinem Gegner alle Vorteile einräumend, mit ihm schlagen und ihn töten, oder mich von ihm töten lassen: töte ich ihn, so wird er Valentine nicht heiraten, tötet er mich, so bin ich sicher, daß Valentine ihn nicht heiratet.«

Noirtier betrachtete mit unsäglichem Vergnügen dieses edle, aufrichtige Antlitz, auf welchem sich alle Gefühle ausprägten, die seine Zunge sprach, denn durch den Ausdruck eines schönen Gesichtes fügte sich bei Morrel seinen Worten Alles bei, was die Farbe einer genauen und wahren Zeichnung beifügt.

Als jedoch Morrel zu sprechen aufgehört hatte, schloß Noirtier wiederholt die Augen, was, wie man sich erinnert, nach seiner Weise Nein hieß.

»Nein?« Versetzte Morrel, »Also mißbilligen Sie diesen zweiten Plan, wie Sie den ersten mißbilligt haben?«

»Ja, ich mißbillige ihn.« machte der Greis.

»Aber was soll ich tun, mein Herr?« fragte Morrel. »Nach den letzten Worten von Frau von Saint-Meran wird die Heirat Ihrer Enkelin bald vollzogen werden; soll ich die Dinge in Erfüllung gehen lassen?«

Noirtier blieb unbeweglich.

»Ja, ich begreife,« sagte Morrel, »ich soll warten.«

»Ja.«

»Aber jeder Verzug wird und Verderben bringen,« Versetzte der junge Mann. »Allein ist Valentine ohne Kraft, und man wird sie zwingen wie ein Kind. Auf eine wunderbare Weise hierher gekommen, um zu erfahren, was vorgehe, wunderbar vor Sie gelassen, kann ich vernünftig nicht hoffen, daß sich diese glücklichen Fälle wiederholen. Glauben Sie mir . . . verzeihen Sie diese Eitelkeit meiner Jugend, glauben Sie mir nur einer von den Plänen, die ich Ihnen Vorschlage, kann gut sein; sagen Sie mir, welchen von beiden Sie vorziehen: ermächtigen Sie Valentine, sich meiner Ehre anzuvertrauen?«

»Nein.«

»Soll ich Herrn d’Epinay aufsuchen?«

»Nein.«

»Mein Gott! von wem soll und die Hilfe zukommen. die wir vom Himmel erwarten?«

Der Greis lächelte mit den Augen, wie er zu lächeln pflegte, wenn man ihm vom Himmel sprach. Es war immer ein wenig Atheismus im Geiste des alten Jacobiners zurückgeblieben.

»Vom Zufall?« fragte Morrel.

»Nein.«

»Von Ihnen?«

»Ja,«

»Von Ihnen?«

»Ja,« wiederholte der Greis.

»Begreifen Sie wohl, was ich Sie frage, mein Herr? Entschuldigen Sie mich, doch mein Leben hängt von Ihrer Antwort ab; wird unser Heil von Ihnen kommen?«

»Ja,«

»Sind Sie dessen sicher?«

»Ja.«

Es lag eine solche Festigkeit in dem Blicke, der diese Versicherung gab, daß man unmöglich an dem Willen, wenn vielleicht auch an der Macht, zweifeln konnte.

»Oh! ich danke, mein Herr, ich danke tausendmal. Doch wenn nicht ein Wunder des Herrn Ihnen die Sprache, die Gebärde, die Bewegung zurückgibt. Wie können Sie. an diesen Stuhl gefesselt, stumm, unbeweglich, sich dieser Heirat widersetzen?«

Ein Lächeln erleuchtete das Antlitz des Greises, ein seltsames Lächeln, das der Augen auf einem unbeweglichen Gesichte.

»Ich soll also warten?« fragte der junge Mann.

»Ja.«

»Doch der Vertrag?«

Es erschien dasselbe Lächeln.

»Wollen Sie mir sagen« er werde nicht unterzeichnet?«

»Ja,« machte Noirtier.

»Also wird der Vertrag nicht unterzeichnet werden,« rief Morrel. »Oh! verzeihen Sie mir, mein Herr, bei der Ankündigung eines großen Glückes ist man zu zweifeln berechtigte der Vertrag wird also nicht unterzeichnet werden?«

»Nein,« machte der Gelähmte.

Trotz dieser Versicherung zögerte Morrel, zu glauben. Das Versprechen eines ohnmächtigen Greises war seltsam, daß es, statt einer Willenskraft zu entfließen, eben sowohl von einer Schwächung der Organe herrühren konnte; ist es nicht natürlich, daß der Wahnsinnige, der nichts von der Störung seines Geistes weiß, seine Gewalt überschreitende Dinge verwirklichen zu können glaubt? Der Schwache spricht von Lasten, die er aufhebt, der Schüchterne von Riesen, denen er Trotz bietet, der Arme von Schätzen, über die er zu gebieten hat, der niedrige Bauer nennt sich in seinem Stolze Jupiter.

Ob nun Noirtier die Unentschiedenheit des jungen Mannes begriffen hatte, ob er der Gelehrigkeit, die er gezeigt, keinen vollen Glauben schenkte, er schaute Maximilian fest an.

»Was wollen Sie, mein Herr?« fragte Morrel, »soll ich Ihnen mein Versprechen, nichts zu tun, wiederholen?«

Der Blick von Noirtier blieb fest und starr, als wollte er sagen, ein Versprechen genüge nicht; dann ging er von dem Gesichte auf die Hand über.

»Soll ich schwören, mein Herr?« fragte Maximilian.

»Ja,« machte der Lahme mit derselben Feierlichkeit, »ich will es.«

Morrel begriff, daß der Greis ein großes Gewicht auf diesen Eid legte.

Er streckte die Hand aus und sprach:

»Ich schwöre Ihnen bei meiner Ehre, abzuwarten, was Sie beschlossen haben, um gegen Herrn d’Epinay zu handeln.«

»Gut,« machten die Augen des Greises.

»Nun befehlen Sie, mein Herr, daß ich mich zurückziehe?« fragte Morrel.

»Ja.«

»Ohne Fräulein Valentine wiederzusehen?«

»Ja.«

Morrel bedeutete durch ein Zeichen, er wäre bereit zu gehorchen.

»Erlauben Sie, mein Herr,« fuhr Morrel fort, »daß Ihr Sohn Sie umarmt, wie es so eben Ihre Tochter getan hat?«

Man konnte sich in dem Ausdrucke der Augen des Greises nicht täuschen.

Der junge Mann drückte auf der Stirne von Noirtier seine Lippen an dieselbe Stelle, an welche Valentine die ihrigen gedrückt hatte.

Dann verbeugte er sich zum zweiten Male vor dem Greise und ging hinaus.

Außen fand er den alten Diener, welchen Valentine in Kenntnis gesetzt hatte; er erwartete Morrel und geleitete ihn durch die Krümmungen eines düsteren Ganges, der zu einer nach dem Garten gehenden kleinen Thüre führte.

 

Bald hatte Morrel das Gitter erreicht: durch die Hagenbuchenhecke war er in einem Augenblicke oben an der Mauer und durch seine Leiter in einer Sekunde indem Luzernengehege, wo sein Cabriolet immer noch seiner harrte.

Er stieg ein, lehrte gelähmt durch so viele Gemüthsbewegungen, aber mit freierem Herzen in die Rue Meslay zurück, warf sich auf sein Bett und schlief, als ob er in tiefe Trunkenheit versunken wäre.

Achtzehntes Kapitel.
Die Gruft der Familie Villefort

Zwei Tage nachher versammelte sich eine beträchtliche Menge Menschen, gegen zehn Uhr Morgens, vor der Thüre von Herrn von Villefort, und man sah eine Reihe von Trauerwagen und Privatgefährten den Faubourg Saint-Honoré und die Rue de la Pépiniére entlang ziehen.

Unter diesen Wagen war einer von sonderbarer Form, der eine lange Reise gemacht zu haben schien. Es war eine Art von schwarz angemaltem Fourgon und er hatte sich unter den ersten auf dem Versammlungsorte des Leichenbegängnisses eingefunden.

Man erkundigte sich und erfuhr, daß dieser Wagen-durch ein seltsames Zusammentreffen von Umständen den Körper des Herrn Marquis von Saint-Meran enthielt, und daß diejenigen, welche wegen eines einzigen Leichenbegängnisses gekommen waren, zwei Leichnamen folgen sollten. Die Zahl der Anwesenden war sehr groß. Der Herr Marquis von Saint-Meran, einer der eifrigsten und getreusten Würdeträger von König Ludwig XVIII. und König Carl X., hatte sich eine große Schaar von Freunden erhalten, die im Verein mit den Personen, welche durch die gesellschaftlichen Convenienzen mit Villefort verbunden waren, eine beträchtliche Truppe bildeten.

Man benachrichtigte auch die Behörden, und es wurde erlaubt, diese zwei Leichenbegängnisse zu gleicher Zeit stattfinden zu lassen. Ein zweiter Wagen, mit derselben Pracht geschmückt, wurde vor die Thüre von Herrn von Villefort geführt und der Sarg von dem Postfourgon auf den Leichenwagen gebracht.

Die zwei Toten sollten in dem Friedhofe des Père la Chaise bestattet werden, wo seit langer Zeit Herr von Villefort das für das Begräbniß seiner ganzen Familie bestimmte Gewölbe hatte errichten lassen. In diesem Gewölbe ruhte bereits der Leichnam der armen Renée, mit der sich ihr Vater und ihre Mutter nach einer zehnjährigen Trennung wieder vereinigten.

Stets neugierig, stets bewegt durch Leichengepränge, sah Paris mit religiösem Stillschweigen den glänzenden Zug, welcher nach ihrer letzten Ruhestätte zwei von den, hinsichtlich des traditionellen Geistes, der Sicherheit des Handels und der hartnäckigsten Anhänglichkeit an die Prinzipien, berühmtesten Namen der alten Aristokratie begleitete.

Mit einander in demselben Trauerwagen unterhielten sich Beauchamp. Debray und Chateau-Renaud über diesen so plötzlichen Tod.

»Ich habe Frau von Saint-Meran bei meiner Rückkehr von Algerien im vorigen Jahre in Marseille gesehen,« sagte Chateau-Renaud; mit ihrer vollkommenen Gesundheit, mit ihrer Geistesgegenwart und ihrer wunderbaren Thätigkeit schien sie zu einem Leben von hundert Jahren bestimmt. Wie alt war die Marquise?«

»Sechs und sechzig Jahre,« wenigstens wie mich Franz versicherte,« antwortete Albert. »Doch das Alter ist es nicht, was sie getötet, sondern der Kummer über den Tod des Marquis; es scheint, daß sie seit diesem Tode, der sie auf das Heftigste erschütterte, nicht mehr völlig zur Vernunft gekommen ist.«

»Doch, woran ist sie denn gestorben i« fragte Debray.

»An einer Hirncongestion, wie es scheint, oder an einem Schlagflusse. Ist das nicht dasselbe?«

»So ungefähr.«

»Schlagfluß,« versetzte Beauchamp, »das ist schwer zu glauben. Frau von Saint-Meran, die ich ebenfalls ein oder zweimal in meinem Leben gesehen habe, war klein, von schwächlicher Gestalt und von mehr nerviger, als sanguinischer Constitution; die Schlagflüsse, durch den Kummer auf einen Körper wie der von Frau von Saint-Meran hervorgebracht, sind selten.«

»Wie dem sein mag,« sagte Albert, »hat sie der Arzt oder die Krankheit getötet: Herr von Villefort oder Fräulein Valentine, oder vielmehr unser Freund Franz ist nun im Besitze einer herrlichen Erbschaft, achtzig tausend Franken Rente, glaube ich.«

»Eure Erbschaft, welche bei dem Tod des alten Jacobiners Noirtier beinahe verdoppelt wird.«

»Das ist ein hartnäckiger Großvater,« versetzte Beauchamp. »Tanacem propositi virum,« Er hat, glaube ich, gegen den Tod gewettet, er würde alle seine Erben beerdigen, und es wird ihm, meiner Treue, gelingen. Er ist das alte Conventsmitglied von 93, das im Jahr 1814 zu Napoleon sagte:

»»Sie sinken, weil Ihr Kaiserreich ein junger, durch sein Wachsen ermüdeter Stamm ist; nehmen Sie die Republik zum Vormund; lassen Sie uns mit einer guten Constitution auf die Schlachtfelder zurückkehren, und ich verspreche Ihnen fünfmal hundert tausend Soldaten, ein anderes Marengo und ein zweites Austerlitz. Die Ideen sterben nicht, Sire, sie schlummern zuweilen, aber sie erwachen stärker, als sie vor dem Entschlafen gewesen.««

»Es scheint, für ihn sind die Menschen, wie die Ideen; nur Eines beunruhigt mich, ich möchte wissen, wie sich Franz d’Epinay in einen Großschwiegervater fügen wird, der seine Frau nicht entbehren kann; doch wo ist Franz?«

»In dem ersten Wagen mit Herrn von Villefort, der ihn bereits als zur Familie gehörig betrachtet.«

In jedem von den Wagen, welche dem Leichenbegängniß folgten, fand ungefähr dasselbe Gespräch statt; man staunte über diese zwei so plötzlichen und so rasch hinter einander eingetretenen Todesfälle; doch in keinem ahnete man das furchtbare Geheimnis, das Herr d’Avrigny bei seinem nächtlichen Spaziergang Herrn von Villefort mitgeteilt hatte.

Nach einem Marsche von ungefähr einer Stunde gelangte man an das Thor des Friedhofes: es war ein ruhiges, aber düsteres Wetter, das folglich mit der eben stattfindenden Trauerfeierlichkeit im Einklange stand. Unter den Gruppen, die sich nach dem Familiengrabgewölbe wandten, erkannte Chateau-Renaud Morrel, der ganz allein und im Cabriolet gekommen war; er ging, sehr bleich und schweigsam, auf dem schmalen, mit Eibenbäumen eingefaßten Pfade.

»Sie hier?« sagte Chateau-Renaud, seinen Arm unter den des jungen Kapitäns legend; »Sie kennen also Herrn von Villefort? Wie kommt es denn, daß ich Sie nie bei ihm gesehen habe?«

»Ich kenne nicht Herrn von Villefort,« entgegnete Morrel, »sondern ich kannte Frau von Saint-Meran.«

In diesem Augenblick trat Albert mit Franz zu ihnen.

»Der Ort ist für eine Vorstellung schlecht gewählt,« sagte Albert; »doch gleichviel, wir sind nicht abergläubisch. Herr Morrel, erlauben Sie mir, Ihnen Herrn Franz d’Epinay, einen vortrefflichen Reisegesellschafter, vorzustellen, mit welchem ich eine Wanderung durch Italien gemacht habe. Mein lieber Franz, Herr Maximilian Morrel, ein vortrefflicher Freund, den ich mir in Deiner Abwesenheit erworben, und dessen Namen Du in meiner Unterhaltung so oft hören wirst, als ich von Geist, Herz und Liebenswürdigkeit zu sprechen habe.

Morrel war einen Augenblick unentschieden. Er fragte sich, ob er nicht als eine verdammenswerte Heuchelei den freundschaftlichen Gruß an einen Mann gerichtet, den er im Verborgenen bekämpfte, zu betrachten hätte: doch sein Schwur und die ernste Bedeutung der Umstände stellten sich vor seinen Geist: er bemühte sich, nichts auf seinem Gesichte durchblicken zu lassen, und grüßte auf eine ruhige Weise.

»Fräulein von Villefort ist wohl sehr trauriges,« sagte Debray zu Franz.

»Oh! mein Herr, sie ist unaussprechlich traurig; diesen Morgen war sie so entstellt, daß ich sie kaum erkannte.«

Die scheinbar so einfachen Worte brachen Morrel das Herz. Dieser Mensch hatte also Valentine gesehen, er hatte mit ihr gesprochen!

Der junge brausende Offizier bedurfte seiner ganzen Kraft, um dem Verlangen, seinen Schwur zu brechen, zu widerstehen.

Er nahm Chateau-Renaud beim Arm und zog ihn rasch nach dem Grabgewölbe fort, vor welchem die mit den Ceremonien des Leichenbegängnisses Beauftragten die zwei Särge niedergesetzt hatten.

»Eine herrliche Wohnung,« sprach Beauchamp, das Mausoleum betrachtend, »ein Sommerpalast, ein Winterpalast. Sie werden ebenfalls hier wohnen, mein lieber d’Epinay, denn Sie gehören nun bald zu der Familie. Ich als Philosoph will ein Landhäuschen, eine Hütte dort unter jenen Bäumen, und nicht so viele Quadersteine auf meinem armen Körper haben. Sterbend werde ich zu denen, welche mich umgeben, sagen, was Voltaire an Piron schrieb: Eo rus, und Alles wird vorbei sein . . . Vorwärts, Mut gefaßt, Franz, Ihre Frau erbt!«

»In der Tat, Beauchamp, Sie sind unerträglich,« versetzte Franz. »Die politischen Angelegenheiten verleihen Ihnen die Gewohnheit, über Alles zu lachen, und die Menschen, welche diese Angelegenheiten lenken, die Gewohnheit, nichts zu glauben. Doch, mein lieber Beauchamp, wenn Sie die Ehre haben, mit gewöhnlichen Menschen zusammen zu sein, und das Glück, sich einen Augenblick von der Politik zu trennen, so suchen Sie Ihr Herz wieder aufzunehmen, das Sie gewöhnlich indem Stöckeaufbewahrungs-Bureau der Kammer der Abgeordneten oder der Kammer der Pairs lassen.«

»Ei, mein Gott!« versetzte Beauchamp, »was ist das Leben? ein Halt im Vorzimmer des Todes.«

»Beauchamp wird mir widerwärtig,« sagte Albert, zog sich vier Schritte mit Franz zurück und überließ es Beauchamp, seine philosophischen Abhandlungen mit Debray fortzusetzen.

Das Familienbegräbniß von Villefort bildete ein Gevierte von weißen Steinen und war etwa zwanzig Fußhoch; eine innere Trennung schied in zwei Abteilungen die Familie Saint-Meran und die Familie Villefort, und jede Abteilung hatte ihre eigene Thüre.

Man sah nicht, wie in den andern Gräbern, die gemeinen, über einander gelegten Schubladen, in welcher eine sparsame Verteilung die Toten mit einer Inschrift einschließt, welche einer Etiquette gleicht; Alles, was man Anfangs durch die Bronzethüre erblickte, war ein strenges, ernstes, durch eine Mauer von dem wahren Grabe getrenntes Vorgemach.

Mitten in dieser Mauer öffneten sich die zwei von uns so eben erwähnten Thüren, welche mit den Begräbnissen Villefort und Saint-Meran in Verbindung standen.

Hier konnten sich die Schmerzen frei aushauchen, ohne daß leichtfertige Spaziergänger, welche aus einem Besuche auf dem Père la Chaise eine Landpartie oder eine Liebeszusammenkunft machen, durch ihren Gesang, durch ihr Geschrei oder durch ihr Geläufe die stumme Betrachtung oder das von Tränen überströmte Gebet stören.

Die zwei Sarge kamen in das Grabgewölbe rechts: es war das der Familie Saint-Meran; sie wurden auf Gestelle gesetzt, welche der Toten harrten. Villefort, Franz und einige nahe Verwandte traten allein in das Allerheiligste.

Da die religiösen Ceremonien vor der Thüre vollzogen worden waren, und man keine Rede zu halten hatte, so trennten sieh die Anwesenden als bald; Chateau-Renaud, Albert und Morrel gingen auf der einen Seite ab, Debray und Beauchamp auf der andern.

Franz blieb mit Herrn von Villefort; an dem Thore des Friedhofes stand Morrel unter dem nächsten dem besten Vorwand stille; er sah Franz in einem Trauerwagen mit Herrn von Villefort herausfahren und es erfaßte ihn eine schlimme Ahnung, als er dieses Zusammensein unter vier Augen wahrnahm. Er kehrte daher nach Paris zurück, und obgleich er in demselben Wagen mit Chateau-Renaud und Albert fuhr, hörte er doch nicht ein Wort von dem, was die zwei jungen Leute sprachen.

Als Franz Herrn von Villefort zu verlassen im Begriffe war, hatte dieser gesagt:

»Mein Herr Baron, wann werde ich Sie wiedersehen?«

»Wann Sie wollen,« hatte Franz erwidert.

»Sobald als möglich.«

»Ich bin zu Ihren Befehlen, mein Heer; ist es Ihnen genehm, daß wir zusammen zurückkehren?«

»Wenn es Sie nicht belästigt,«

»Keines Wegs.«

So stiegen der zukünftige Schwiegervater und der zukünftige Schwiegersohn in einen Wagen, und Morrel wurde, als er sie vorüberfahren sah, mit Recht von einer Unruhe erfaßt.

Villefort und Franz kehrten nach dem Faubourg Saint-Honoré zurück.

Ohne bei Jemand einzutreten, ohne mit seiner Frau oder seiner Tochter zu sprechen, ließ der Staatsanwalt den jungen Mann in sein Cabinet gehen, bezeichnete ihm einen Stuhl und sprach:

»Mein Herr d’Epinay, ich muß Sie daran erinnern, und der Augenblick ist nicht so schlecht gewählt, als man von Anfang glauben dürfte, denn der Gehorsam gegen die Toten ist das erste Opfer, das man auf ihren Sarg zu legen hat; ich muß Sie also daran erinnern, daß nach dem von Frau von Saint-Meran auf ihrem Sterbebette vorgestern ausgedrückten Wunsche die Heirat von Valentine keinen Aufschub duldet. Sie wissen, daß die Angelegenheiten der Hingeschiedenen vollkommen in Ordnung sind; daß ihr Testament Valentine das ganze Vermögen der Saint-Meran sichert; der Notar hat mir gestern die Akten gezeigt, welche auf eine bestimmtes Weise den Ehevertrag abzufassen gestatten. Sie können den Notar besuchen und sich in meinem Auftrage die Akten mitteilen lassen. Der Notar ist Herr Deschamps, Place Beauveau, Faubourg Saint-Honoré.«

 

»Mein Herrn,« entgegnete d’Epinay, »es ist vielleicht für Fräulein Valentine bei ihrem heftigen Schmerze nicht der Augenblick, um an einen Gatten zu denken; ich würde in der Tat befürchten . . . «

»Valentine,« unterbrach ihn Herr von Villefort, »Valentine wird kein lebhafteres Verlangen haben, als das, den letzten Willen ihrer Großmutter zu erfüllen; die Hindernisse werden somit, dafür stehe ich Ihnen, nicht von ihrer Seite kommen.«

»Da sie in diesem Falle auch nicht von meiner Seite kommen,« erwiderte Franz, »so mögen Sie nach Ihrem Gutdünken handeln; mein Wort ist gegeben, und es gereicht mir nicht nur zum Vergnügen, sondern auch zum Glück, es zu halten.«

»Es steht also nichts im Wege,« versetzte Villefort; »der Vertrag sollte vor drei Tagen unterzeichnet werden, wir finden ihn völlig bereit, und man kann ihn heute unterzeichnen.«

»Doch die Trauer?« sagte Franz zögernd.

»Seien Sie unbesorgt, mein Herr: der Wohlanstand wird in meinem Hause nicht vernachläßigt werden. Fräulein von Villefort kann sich für die drei vorgeschriebenen Monate auf ihr Gut Saint-Meran zurückziehen; ich sage ihr Gut, denn heute ist es ihr Eigentum. Dort wird in acht Tagen, wenn Sie wollen, ohne Geräusch, ohne Gedränge, die bürgerliche Heirat vollzogen. Es war ein Wunsch von Frau von Saint-Meran, daß ihre Enkelin sich auf diesem Gute verheiraten möchte. Ist der Ehebund geschlossen, so können Sie nach Paris zurückkehren, während Ihre Frau die Trauerzeit mit ihrer Stiefmutter zubringt.«

»Ganz nach Ihrem Belieben,« sprach Franz.

»So haben Sie die Güte, eine halbe Stunde zuwarten: Valentine wird in den Salon herabkommen. Ich lasse Herrn Deschamps rufen, wir lesen und unterzeichnen den Vertrag auf der Stelle, und noch diesen Abend führt Frau von Villefort Valentine auf ihr Gut, wohin wir Ihnen in acht Tagen nachfolgen.«

»Mein Herr, ich habe Sie nur um Eines zu bitten,« sagte Franz.

»Um was?«

»Ich wünschte, daß Albert von Morcerf und Raoul von Chateau-Renaud bei dieser Unterzeichnung gegenwärtig sein möchten, Sie wissen, sie sind meine Zeugen.«

»Eine halbe Stunde genügt, um sie in Kenntnis zu setzen; soll ich sie holen lassen, oder wollen Sie diese Herren selbst holen?«

»Ich ziehe es vor, sie selbst zu holen.«

»Ich erwarte Sie in einer halben Stunde, und in einer halben Stunde wird auch Valentine bereit sein.«

Franz verbeugte sich und verließ das Zimmer.

Kaum hatte sieh die Thüre des Hausen hinter dem jungen Manne geschlossen, als Villefort Valentine sagen ließ, sie sollte in einer halben Stunde in den Solon herabkommen, weil der Notar und die Zeugen von Herrn d’Epinay erscheinen werden.

Diese unerwartete Kunde brachte einen mächtigen Eindruck in dem Hause hervor. Frau von Villefort wollte nicht daran glauben, und Valentine war wie von einem Donnerschlage niedergeschmettert.

Sie schaute umher, als ob sie suchen wollte, von wem sie Hilfe verlangen könnte.

Sie gedachter ihrem Großvater hinabzugehen; doch sie begegnete auf der Treppe Herrn von Villefort, der sie beim Arme nahm und in den Salon führte.

In dem Salon traf Valentine Barrois, sie warf dem alten Diener einen verzweifelten Blick zu.

Einen Augenblick nach Valentine trat Frau von Villefort mit dem kleinen Eduard in den Salon. Die junge Frau hatte sichtbar ihren Teil an dem Kummer der Familie gehabt; sie war bleich und schien furchtbar ermattet.

Frau von Villefort nahm Eduard auf ihren Schooß und drückte von Zeit zu Zeit mit beinahe krampfhaften Bewegungen diesen Kind an ihre Brust, auf welches sich ihr ganzen Leben zusammenzudrängen schien.

Bald hörte man das Geräusch von zwei Wagen, welche in den Hof fuhren.

Der eine war der des Notars, der andere der von Franz.

In einem Augenblick hatten sich Alle im Solon versammelt.

Valentine war so bleich, daß man die blauen Adern ihrer Schläfe um ihre Augen sich abzeichnen und ihre Wangen entlang laufen sah.

Chateau-Renaud und Albert schauten sich erstaunt an; die so eben vollzogene Ceremonie kam ihnen nicht trauriger vor, als die, welche nun beginnen sollte.

Frau von Villefort hatte sich hinter einen Sammetvorhang in den Schatten gesetzt, und da sie sich beständig über ihren Sohn neigte, so konnte man nur schwer auf ihrem Gesichte lesen, was in ihrem Herzen vorging.

Herr von Villefort war, wie immer, unempfindlich.

Nachdem der Notar, nach der gewöhnlichen Methode der Leute des Gesetzes, seine Papiere auf dem Tische geordnet, in seinem Lehnstuhle Platz genommen und seine Brille etwas in die Höhe gehoben hatte, wandte er sich gegen Franz und fragte ihn, obgleich er es vollkommen wußte:

»Sie sind Herr Franz von Quesnel, Baron d’Epinay?«

»Ja, mein Herr,« antwortete Franz.

Der Notar verbeugte sich und fuhr fort:

»Ich muß Sie davon in Kenntnis setzen, mein Herr, und zwar im Auftrage von Herrn von Villefort, daß Ihre mit Fräulein von Villefort beabsichtigte Heirat die Gesinnung des Herrn von Noirtier gegen seine Enkelin völlig verändert hat, und daß er auf Andere das Vermögen übergehen läßt, welches er ihr hätte vermachen sollen. Ich muß indes sogleich beifügen, daß, insofern der Erblasser nur berechtigt ist, ihr einen Teil seines Vermögens zu entziehen, während er ihr das ganze entzogen hat, daß, sage ich, das Testament einem Angriffe nicht widerstehen und für null und nichtig erklärt werden wird.«

»Ja,« sprach Villefort; »nur setze ich Herrn d’Epinay zum Voraus davon in Kenntnis, daß zu meinen Lebzeiten das Testament meines Vaters nie angegriffen werden wird, in Betracht, daß ich bei meiner Stellung den Skandal bis zum Schatten zu vermeiden habe.«

»Mein Herr,« sagte Franz, »es tut mir leid, daß eine solche Frage in Gegenwart von Fräulein Valentine erhoben worden ist. Ich habe mich nie nach der Summe ihres Vermögens erkundigt, welches, so beschränkt es auch sein mag, immerhin beträchtlicher sein wird, als das meinige. Meine Familie suchte in der Verbindung mit Herrn von Villefort das Ansehen, ich suche darin das Glück.«

Valentine machte ein unmerkliches Zeichen des Dankes, während zwei stille Tränen über ihre Wangen flossen.

»Abgesehen jedoch,« sprach Villefort sich an seinen zukünftigen Schwiegersohn wendend, »abgesehen von einem teilweisen Verluste Ihrer Hoffnungen hat dieses unerwartete Testament nichts, was Sie persönlich verletzen dürfte. Es erklärt sich durch die Geistesschwäche von Herrn Noirtier. Meinem Vater mißfällt es nicht, daß Fräulein von Villefort sich mit Ihnen verbindet, sondern daß Valentine heiratet. Ein Ehebund mit jedem Anderen hätte ihm denselben Kummer eingeflößt. Das Alter ist selbstsüchtig, mein Herr, und Fräulein von Villefort war für Herrn Noirtier eine treue Gesellschafterin, was die Baronin d’Epinay nicht mehr wird sein können. Der unglückliche Zustand meines Vaters macht, daß man selten mit ihm über ernste Gegenstände spricht, welche die Schwäche seines Geistes zu verfolgen ihm nicht gestatten würde, und ich bin fest überzeugt daß Herr Noirtier, während er die Erinnerung an den Umstand der Verheiratung seiner Nichte bewahrt, denjenigen, welcher sein Enkel werden soll, bis auf den Namen vergessen hat.«

Kaum vollendete Villefort diese Worte, welche Franz durch eine Verbeugung erwiderte, als die Thüre des Salon sich öffnete und Barrois erschien.

»Meine Herren,« sagte er mit einer für einen Diener, der unter so feierlichen Umständen mit seinen Gebietern spricht, seltsam festen Stimme, »meine Herren Herr Noirtier von Villefort wünscht auf der Stelle Herrn Franz von Quesnel, Baron d’Epinay zu sprechen.«

Wie der Notar, gab er, damit kein Irrtum entstehen könnte, dem Verlobten alle seine Titel.

Villefort bebte, Frau von Villefort ließ ihren Sohn über ihren Schooß hinab gleiten Valentine erhob sich bleich und stumm tote eine Bildsäule.

Albert und Chateau-Renaud schauten sich abermals und noch mehr erstaunt als das erste Mal an.

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»