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Der Graf von Monte Christo

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Elftes Kapitel.

Erscheinungen

Franz richtete es so ein, daß Albert zu dem Colisseum gelangte, ohne an irgend einer antiken Ruine vorüberzukommen, und folglich ohne daß stufenweise Vorbereitungen dem mächtigen Gebäude auch nur eine Elle von seinen riesigen Verhältnissen benahmen. Dieß geschah dadurch, daß man der Via Sistina folgte, um die rechte Ecke von S. Maria Maggiore bog, die Via Urbana einschlug, bei San Pietro in Vincoli vorbeifuhr und so die Via del Colosseo erreichte.



Dieser Weg bot noch einen zweiten Verteil: Franz wurde in keiner Hinsicht dem Eindrucke entzogen, den die von Castrini erzählte Geschichte; mit der sein geheimnisvoller Amphitryon auf Monte Christo vermengt war, auf ihn gemacht hatte. Er lehnte auch in seiner Ecke und stellte an sich wieder die tausend Fragen ohne Ende, die er sich früher vorgelegt hatte, ohne daß ihm auch nur auf eine derselben eine genügende Antwort zu Teil geworden wäre.



Einen erinnerte ihn abermals an seinen Freund Simbad den Seefahrer: der geheimnisvolle Zusammenhang zwischen den Räubern und Matrosen. Was Meister Pastrini von der Zuflucht gesagt hatte, welche Vampa auf den Barken der Fischer und Schmuggler fand, rief in sein Gedächtnis die zwei corsischen Matrosen zurück, die er Abendbrot verzehrend bei der Mannschaft der kleinen Yacht gefunden, welche einzig und allein in der Absicht, dieselben an das Land zusetzen, von ihrem Wege abging und nach Porto Vecchio steuerte. Der Name, den sich sein Wirth auf Monte Christo gab, nun auch von dem Herrn des Gasthofes zur Stadt London ausgesprochen, bewies ihm, daß er dieselbe menschenfreundliche Rolle auf den Küsten von Piombino, Civita Vecchia, Ostia, Gaëta, wie auf denen von Tunis und Palermo spielte. Es diente dies zum Belege, daß er einen Kreis von ziemlich ausgedehnten Verbindungen umfaßte.



Aber so mächtig auch alle diese Betrachtungen auf den Geist des jungen Mannes wirkten, so verschwanden sie doch in dem Augenblick, wo er das düstere, riesige Gespenst des Colisseum, durch dessen Öffnungen der Mond jene langen, bleichen Strahlen warf, wie sie aus den Augen der Phantome fallen, vor sich emporragen sah. Der Wagen hielt einige Schritte von der Meta Sudans. Der Kutscher öffnete den Schlag, die jungen Leute sprangen heraus und standen vor einem Cicerone, der aus der Erde hervorzukommen schien. Da ihnen der von dem Gasthofe gefolgt war, so hatten sie nun zwei.



Es ist übrigens nicht möglich, in Rom den Luxus an Führern zu vermeiden: außer dem allgemeinen Cicerone, welcher sich des Fremden in dem Augenblick bemächtigt, wo er den Fuß auf die Schwelle des Gasthofes setzt, und denselben nicht eher verläßt, als bis er wieder von der Stadt scheidet, findet sich noch ein besonderer Cicerone bei jedem Monument, ich mochte sagen bei jedem Bruchteile eines Monuments, sollte es also an Ciceroni bei dem Colosseo, das heißt bei dem vorzugsweisen Monumente fehlen, von welchem Martial sagte: »Memphis höre auf, uns die barbarischen Wunder seiner Pyramiden zu rühmen, man besinge nicht ferner die Herrlichkeiten von Babylon, Alles muß weichen vor der ungeheuren Arbeit des Amphitheaters der Cäsaren, und alle Römer müssen sich vereinigen, um dieses Denkmal zu verherrlichen und zu preisen.«



Franz und Albert suchten sich der ciceronischen Tyrannei nicht zu entziehen. Dies wäre auch stets eine um so größere Schwierigkeit als den Führern allein das Recht zusteht, mit Fackeln in dem Gebäude umherzugehen. Sie leisteten also keinen Widerstand und überließen sich an Händen und Füßen gebunden ihren Cicerone.



Franz kannte diesen Spaziergang, denn er hatte ihn bereits mehr als zehnmal gemacht; aber auf seinen Gefährten, welcher das Monument von Flavius Vespasianus zum ersten Male betrat, brachte der Anblick, wir müssen es zu seinem Lobe sagen. trotz des unwissenden Geschwätzes seiner Führer, einen mächtigen Eindruck hervor. Man hat in der Tat, wenn man es nicht gesehen, seinen Begriff von der Majestät einer solchen Ruine, deren Verhältnisse insgesamt noch durch die geheimnisvolle Helle des südlichen Mondes verdoppelt werden, dessen Strahlen eine Abendämmerung des Occident zu sein scheinen.



Kaum hatte Franz der Denker hundert Schritte unter den inneren Säulengängen gemacht. als er, Albert seinen Führern überlassend. welche auf ihr unverjährbares Recht, ihm den Löwengraben, die Loge der Gladiatoren, das Podium der Cäsaren zu zeigen, nicht Verzicht leisten wollten, eine halb in Trümmer zerfallene Treppe hinaufstieg, während jene ihren symmetrischen Weg fortsetzten, und sich im Schatten einer Säule vor einem Ausschnitte niederließ, der ihm den Granitriesen in seiner ganzen majestätischen Ausdehnung zu umfassen gestattete. Franz war ungefähr eine Viertelstunde hier, wie gesagt, in dem Schatten einer Säule verloren, und beschäftigte sich damit, Albert zuzuschauen, der begleitet von seinen zwei Fackelträgern aus einem Vomicum am andern Ende des Colisseum hervorkam; die Führer stiegen eben wie Schatten, welche einem Irrlichte folgen, von Stufe zu Stufe zu den den Vestalinnen vorbehaltenen Plätzen hinab, als es ihm schien, als hörte er in die Tiefen des Gebäudes einen Stein rollen, der sich von einer Treppe losgemacht welche der gegenüber lag, die er hinaufgestiegen war, um zu dem Orte zu gelangen, wo er nun saß. Es ist nichts Seltsames um einen Stein, der sich unter dem Fuße der Zeit losmacht und in den Abgrund rollt, aber dies Mal kam es ihm vor, als wäre der Stein unter dem Fuße eines Menschen gewichen, und als vernähme er ein Geräusch, obgleich derjenige, welcher dasselbe veranlaßte, Alles that, was er konnte, um es zu dämpfen.



Nach einem Augenblick erschien wirklich ein Mensch; er trat allmälig aus dem Schatten hervor, während er die Treppe hinaufstieg, deren Mündung, Franz gegenüber liegend, von dem Monde beleuchtet war, indes ihre Stufen nach unten sich in der Dunkelheit verloren.



Es konnte ein Reisender sein, wie er, der eine einsame Betrachtung dem unbedeutenden Geschwätze seiner Führer vorzog, und seine Erscheinung hatte folglich nichts Staunenerregendes; aber aus einem gewissen Zögern, mit dem er die letzten Stufen erstieg, aus der Art und Weise, wie er, auf der Plattform angelangt, stille stand und zu horchen schien, ging klar hervor, daß er in einem besondern Zwecke gekommen war und auf Jemand wartete. Mit einer instinktartigen Bewegung verbarg sich Franz so viel als möglich hinter der Säule.



Zehn Schritte von dem Boden, wo sich Beide befanden, war das Gewölbe ausgebrochen, und eine runde Öffnung, der eines Brunnen ähnlich, ließ den mit Sternen besäten Himmel erschauen. Um diese Öffnung her, welche vielleicht schon seit Jahrhunderten den Mondstrahlen Durchgang gestattete, wuchsen Gesträuche, deren grüne Ausschnitte sich kräftig von dem matten Azur des Firmaments abhoben, während große Lianen und mächtige Epheuschöße von der obern Terrasse herabhingen und sich, schwebendem Tauwerk ähnlich, unter dem Gewölbe wiegten. Der Mann« dessen geheimnisvolle Erscheinung die Aufmerksamkeit von Franz erregt hatte, stand in einer Halbtinte, die ihm seine Züge zu unterscheiden nicht gestattete, aber nicht dunkel genug war, um denselben an Ermittelung der Tracht des Unbekannten zu verhindern; er war in einen großen braunen Mantel gehüllt, dessen einer Flügel, über die linke Schulter geworfen, den Unterteil seines Gesichtes verbarg, während sein breitkrämpiger Hut den obern Teil seines Kopfes bedeckte. Nur das äußerste Ende seiner Kleidung wurde von dem schiefen Lichte beleuchtet, das durch die Öffnung drang und ein schwarzes, zierlich einen gefirnißten Stiefel umschließendes, Beinkleid gewahren ließ. Dieser Mann gehörte offenbar, wenn nicht der Aristokratie, doch wenigstens der hohen Gesellschaft an.



Er war ungefähr zehn Minuten anwesend und begann sichtbare Zeichen der Ungeduld von sich zu geben, als sich ein leichtes Geräusch auf der obern Terrasse hören ließ. In demselben Augenblick fing ein Schatten das Licht auf, ein Mann erschien an der Öffnung, tauchte seinen durchdringenden Blick in die Finsternis, und gewahrte den Mann im Mantel, sogleich ergriff er eine Handvoll herabhängender Lianen und Epheuranken, ließ sich hinabgleiten und sprang, sobald er nur noch drei bis vier Fuß vom Boden entfernt war, leicht zur Erde. Dieser hatte die vollständige Tracht eines Trasteveriners.



»Entschuldigen Sie mich, Exzellenz,« sagte er in römischem Dialekt, »ich ließ Sie warten; doch ich komme nur um ein paar Minuten zu spät, denn es hat so eben zehn Uhr auf S. Giovanni in Laterano geschlagen.«



»Ich kam zu früh, und nicht Ihr zu spät,« antwortete der Fremde im reinsten Toscanisch, »also keine Umstände; hättet Ihr mich übrigens auch warten lassen, so würde ich vermutet haben, ein von Euerem Willen unabhängiger Beweggrund halte Euch zurück.«



»Und Sie hätten Recht gehab, Exzellenz, ich komme vom Castell St. Angelo, wo ich die größte Mühe hatte, bis es mir endlich gelang, mit Beppo zu sprechen.«



»Wer ist Beppo?«



»Beppo ist ein Angestellter beim Gefängnis, dem ich eine kleine Rente dafür zukommen lasse, daß ich erfahre, was im Innern der Burg Seiner Heiligkeit vorgeht.«



»Ah!ah! ich sehe, Ihr seid ein vorsichtiger Mann, mein Lieber.«



»Man weiß nicht, was geschehen kann, Exzellenz; vielleicht werde ich auch eines Tags im Netze gefangen wie der arme Peppino, und bedarf einer Ratte, um einige Maschen meines Gefängnisses zu durchnagen.«



»Sprecht, was habt ihr in Erfahrung gebracht?«



»Dienstag um zwei Uhr sollen zwei Hinrichtungen stattfinden, wie dies in Rom bei Eröffnung großer Feste gebräuchlich ist; einer von den Verurteilten wird

mazzolato

, ein Elender, der einen Priester umgebracht hat, von welchem er erzogen worden ist, und keine Teilnahme verdient, der Andere wird

decapitato

, und das ist der arme Peppino.«



»Was wollt Ihr, mein Lieber. Ihr flößt einen so großen Schrecken nicht nur der päpstlichen Regierung, sondern auch den benachbarten Staaten ein, daß. man durchaus ein Beispiel geben will.«

 



»Aber Peppino gehört nicht einmal zur Bande, er ist ein armer Hirte, der kein anderen Verbrechen beging, als daß er uns Lebensmittel lieferte.«



»Was ihn vollkommen zu Eurem Mitschuldigen macht. Ihr seht auch, daß man ihn sehr berücksichtigt. Statt ihn tot zu schlagen, wie es bei Euch der Fall sein wird, wenn man sich je Euerer bemächtigt, begnügt man sich, ihn zu guillotinieren. Das bringt überdies Abwechselung in die Vergnügungen des Volkes, und es wird ein Schauspiel stattfinden, das jeden Geschmack befriedigt.«



»Abgesehen von dem, welches ich ihm vorbehalte, ohne daß man es erwartet,« versetzte der Trasteveriner.



»Mein lieber Freund,« entgegnete der Mann im Mantel, »erlaubt mir die Bemerkung, daß Ihr mir ganz geneigt zu sein scheint, irgend eine Albernheit zu begehen.«



»Ich bin zu Allem geneigt, um die Hinrichtung des armen Teufels zu verhindern, der in der Klemme steckt, weil er mir gedient hat; bei der heiligen Jungfrau, ich müßte mich als feig betrachteten, wenn ich nicht etwas für den braven Jungen unternähme.«



»Und was gedenkt Ihr zu tun?«



»Ich stelle etwa zwanzig Mann um das Schafott, und in dem Augenblicke, wo man ihn herbeibringt, stürzen wir auf ein Signal, das ich geben werde, mit dem Dolche in der Faust auf die Escorte los und entführen ihn.«



»Das scheint mir sehr unsicher, und mein Plan taugt entschieden mehr als der Eurige.«



»Und worin besteht dieser Plan, Exzellenz?«



»Ich gebe irgend Einem, den ich kenne, zweitausend Piaster; dafür bewirkt er, daß die Hinrichtung von Peppino auf das nächste Jahr verschoben wird; im Verlaufs des Jahres gebe ich sodann weitere tausend Piaster einem andern Jemand, den ich ebenfalls kenne, und bringe es dahin, daß man ihn entschlüpfen läßt.«



»Sind Sie des Gelingens sicher?«



»Pardieu!« versetzte in französischer Sprache der Mann in dem Mantel.



»Wie beliebt?« fragte der Trasteveriner.



»Mein Lieber, ich sage, ich werde für mich allein mit meinem Golde mehr bewirken, als Ihr und Euere Leute mit allen ihren Dolchen, Pistolen, Büchsen und Carabinern, Laßt mich also machen.«



»Vortrefflich; doch wenn Sie scheitern, sind wir immer noch bereit.«



»Haltet Euch immerhin bereit, wenn es Euch Vergnügen macht, doch seid überzeugt, daß ich die Freiheit für ihn erlange.«



»Vergessen Sie nicht, daß schon übermorgen Dienstag ist. Sie haben nur noch morgen.«



»Wohl, aber ein Tag besteht aus vier und zwanzig Stunden, jede Stunde aus sechzig Minuten, jede Minute auf sechzig Sekunden, und in sechs und achtzig tausend vierhundert Sekunden bringt man viel zu Wege.«



»Wie werden wir es erfahren, Exzellenz, wenn es Ihnen gelungen ist?«



»Das ist ganz; einfache die drei letzten Fenster des Palastes Rospoli sind von mir gemiethet; habe ich den Aufschub erlangt, so sollen die zwei Fenster an der Ecke mit gelbem Damast, das in der Mitte aber mit weißem Damast, woran ein rotes Kreuz, behängt werden.«



»Gut; und durch wen werden Sie die Begnadigung in die betreffenden Hände gelangen lassen?«



»Schickt mir einen von Eueren Leuten als Reuer verkleidet, und ich gebe sie ihm. Mit seinem Gewande wird er bis zum Fuße des Schafotts vordringen, wo er die Bulle dem Obersten der Brüderschaft übergibt, der sie dem Nachrichter einhändigt. Mittlerweile laßt diese Kunde Peppino zu Ohren kommen, daß er nicht vor Angst stirbt oder ein Narr wird, sonst hätten wir eine, unnötige Ausgabe für ihn gemacht.«



»Hören Sie, Exzellenz,« sprach der Trasteveriner, »ich bin Ihnen ergeben, und davon sind Sie überzeugt, nicht wahr?«



»Ich hoffe es wenigstens.«



»Nun. wenn Sie Peppino retten, so soll es mehr als Ergebenheit, es soll Gehorsam sein.«



»Gebt wohl Acht auf das, was Ihr sagt, mein Lieber, ich werde Euch eines Tags daran erinnern, denn vielleicht bedarf ich Euerer einst ebenfalls.«



»Wohl, Exzellenz, dann sollen Sie mich zur Stunde der Not finden, wie ich Sie zu derselben Stunde gefunden habe; wären Sie am andern Ende der Welt, so haben Sie mir nur zu schreiben: »Thue dies,« und ich werde es tun, so wahr ich . . . «



»Stille!« sagte der Unbekannte, »ich höre Geräusch.«



»Es sind Reisende, welche das Colisseum mit Fackeln besuchen.«



»Sie sollen uns nicht beisammen finden. Diese Spione von Führern könnten Euch erkennen, und so ehrenwert auch Euere Freundschaft ist, mein Lieber, so befürchte ich doch, es dürfte mir von meinem Credit benehmen, wenn man erführe, in welchem Grade wir mit einander verbunden sind.«



»Also, wenn Sie den Aufschub haben?«



»So ist am mittleren Fenster ein Damastvorhang mit einem roten Kreuze.«



»Wenn Sie die Bulle nicht haben?«



»Drei gelbe Vorhänge.«



»Und dann?«



»Dann spielt mit dem Dolche nach Euerem Belieben, ich erlaube es Euch und werde da sein, um Euch zuzusehen.«



»Gott befohlen, Exzellenz, ich zähle auf Sie, zählen Sie auf mich.«



Nach diesen Worten verschwand der Trasteveriner auf der Treppe, während der Unbekannte, sein Gesicht noch mehr als zuvor mit dem Mantel verhüllend, auf zwei Schritte an Franz vorüberging und auf den äußeren Stufen in die Arena hinabstieg. Eine Secunde nachher hörte Franz seinen Namen unter den Gewölben erschallen: es war Albert, der ihn rief. Er wartete, um zu antworten, bis sich die zwei Männer entfernt hatten, denn er wollte nicht, daß sie erführen, sie hätten einen Zeugen gehabt, der, wenn er auch ihr Gesicht nicht sehen konnte, wenigstens kein Wort von ihrem Gespräche verlor. Kaum waren zehn Minuten vergangen, als Franz nach der Stadt London zurückfuhr, wobei er mit einer sehr beleidigenden Zerstreutheit die gelehrte Abhandlung anhörte, welche Albert, nach Plinius und Calpurnius über die mit eisernen Spitzen besetzten Netze zum Besten gab, die es verhinderten, daß sich die wilden Tiere auf die Zuschauer stürzten. Er ließ ihn gewähren, ohne zu widersprechen; denn er wollte so bald als möglich allein sein, um ungestört das, was in seiner Gegenwart vorgefallen war, Überlegen zu können.



Von den zwei Männern war ihm der Eine offenbar fremd, und er sah und hörte ihn zum ersten Male; nicht so war es mit dem Andern, und obgleich Franz sein beständig im Schatten vergrabenes oder durch den Mantel verborgenes Gesicht nicht hatte unterscheiden können, so waren ihm doch die Töne dieser Stimme, als er sie zum ersten Male vernahm, zu sehr aufgefallen, als daß er sie je hätte in seiner Gegenwart erklingen hören können, ohne sie wiederzuerkennen. Besonderes in dem Ausdrucke dieser Stimme lag etwas Scharfes, Metallisches, was ihn eben so sehr im Colisseum, als in der Grotte von Monte Christo erbeben gemacht hatte; er war auch Vollkommen überzeugt, dieser Mann mußte Simbad der Seefahrer sein.



Unter allen andern Umständen wäre die Neugierde, die ihm dieser Mann eingeflößt, so groß gewesen, daß er sich ihm zu erkennen gegeben hätte; aber das Gespräch, das er bei dieser Veranlassung gehört, war so vertraulicher Natur, daß ihn die gegründete Furcht, seine Erscheinung müßte ihm unangenehm sein, zurückhielt. Doch während er, wie man gesehen, fern von ihm blieb, gelobte er sich, wenn er ihm noch einmal begegnen würde, diese zweite Gelegenheit nicht entschlüpfen zu lassen, wie er es bei der ersten getan.



Franz war zu sehr von seinen Gedanken in Anspruch genommen, um zu schlafen. Er brachte die Nacht damit hin, daß er alle Umstände, welche eine Beziehung zu dem Manne der Grotte und dem Unbekannten des Colisseum hatten und daraus abzielten, aus diesen zwei Personen denselben Menschen zu machen, in Erwägung zog; und je mehr Franz nachdachte, desto mehr wurde er in seiner Meinung bestärkt. Er entschlummerte bei Tagesanbruch und erwachte daher sehr spät. Albert hatte als ächter Pariser bereits seine Maßregeln für den Abend getroffen und eine Loge im Theater Argentina genommen. Franz mußte mehrere Briefe schreiben und überließ deshalb Albert den Wagen für den ganzen Tag.



Um fünf Uhr kehrte Albert zurück; er hatte seine Empfehlungsbriefe abgegeben, Einladungen für alle Abende erhalten und Rom gesehen.



Ein Tag war für Albert zu allem Dem hinreichend gewesen, und dabei hatte er noch Zeit gehabt, sich nachdem Stücke, das man spielte, und nach den Künstlern, die es spielen würden, zu erkundigten. Das Stück hatte den Titel

Parisiana

, die Künstler hießen: Coselli, Moriani und die Spech.



Unsere jungen Leute waren, wie man sieht, nicht ganz unglücklich; sie sollten der Vorstellung von einer der besten Opern des Componisten von

Lucia di Lammermoor

, gespielt von den drei berühmtesten Künstlern Italiens beiwohnen.



Albert konnte sich nie an die ultramontanen Theater gewöhnen, welche weder Balkons, noch entblößte Logen haben; das war hart für einen jungen Mann, der seinen Sperrsitz bei den Bousses

8

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  Les Bousses nennt man in Paris die Mitglieder der italienischen Oper; aller aux Bousses in die italienische gehen. Der Übers.



 und seinen Anteil an der höllischen Loge der großen Oper hatte; was jedoch Albert nicht abhielt, eine glänzende Toilette zu machen, so oft er mit Franz in das Theater ging, eine verlorene Toilette, denn zur Schande von einem der würdigsten Repräsentanten unserer Fashion müssen wir gestehen, daß Albert seit den vier Monaten, die er Italien in allen Richtungen durchfurchte, nicht ein einziges Abenteuer gehabt hatte.



Albert versuchte es zuweilen, über diesen Punkt zu scherzen, im Grunde aber fühlte er sich tief gedemütigt: er Albert von Morcerf, einer von den gesuchtesten jungen Leuten, sollte immer noch selbst die Kosten seiner Unterhaltung tragen. Die Sache war um so peinlicher, als Albert, nach der bescheidenen Gewohnheit unserer Landsleute, von Paris mit der Überzeugung abgereist war, er wurde in Italien sich des größten Erfolges erfreuen und bei seiner Rückkehr mit der Erzählung seinen Glückes dem Boulevard de Gand den köstlichsten Genuß bereiten. Ach! es war dem nicht so gewesen: die reizenden genuesischen, florentinischen und neapolitanischen Gräfinnen hielten sich, nicht an ihre Ehemänner, sondern an ihre Liebhaber, und Albert erlangte die grausame Überzeugung, die Italienerinnen hätten vor den Französischen wenigsten den Vorzug, daß sie ihrer Untreue treu blieben. Damit will ich indessen nicht behaupten, daß es nicht in Italien, wie überall, Ausnahmen gebe.



Und dennoch war Albert nicht nur ein vollkommen eleganter Cavalier, sondern auch ein Mann von viel Geist: ferner war er Vicomte, allerdings Vicomte von neuem Adel; doch heut zu Tage, wo man keine Proben mehr zu liefern hat, was liegt daran, ob man von 1399 oder von 1815 datiert? Dabei hatte er, was schwerer in das Gewicht fiel, als allen Dies, fünfzigtausend Franken Rente, und das war mehr, als man braucht, um in Paris in der Mode zu sein. Es erschien also einiger Maßen demütigend, daß er noch von Niemand ernstlich in irgend einer von den Städten, die er besucht, bemerkt worden war.



Er hoffte sich auch in Rom zu entschädigen, insofernder Carneval in allen Ländern der Erde, welche diesen herrliche Institut feiern, eine Epoche der Freiheit ist, wo sich die Strengsten zu einer Tollheit hinreißen lassen. Da sich nun der Carneval am andern Tage eröffnete, so waren für Albert von großer Wichtigkeit, seinen Prospect noch zuvor in die Welt zu schleudern.



Albert hatte daher eine von den am meisten in das Auge fallenden Logen des Theaters gemiethet, und und sich dahin zu begeben, eine tadellose Toilette gemacht. ES war im ersten Range, den bei und die Galerie ersetzt. Übrigens sind die drei ersten Etagen gleich aristokratisch, weshalb der einen wie der andern das Prädicat noble verliehen wird. Diese Loge, welche ganz bequem zwölf Personen faßte, kostete die zwei Freunde etwas weniger. als eine Loge von vier Personen im Ambigu.



Albert hegte noch eine andere Hoffnung: er dachte, wenn es ihm gelänge, einen Platz in dem Herzen einer schönen Römerin zu erobern, so würde es ihn natürlich auch zur Eroberung einen

Posto

 im Wagen führen, und er könnte folglich den Carneval von der Höhe eines aristokratischen Gefährtes oder eines fürstlichen Balcon herab sehen.



Alle diese Betrachtungen machten Albert beweglicher, als er es je gewesen war. Er wandte den Schaupielern den Rücken zu, neigte sich mit dem halben Leibe aus der Loge heraus, lorgnirte alle jungen Frauen mit einem Zwillingsglase von sechs Zoll Länge, was nicht eine hübsche Frau bewog, ihn mit einem einzigen Blicke zu belohnen, und wäre es nur aus Neugierde gewesen, so sehr er sich auch Gebärden mochte. Jedermann plauderte von seinen Angelegenheiten, von seinen Liebschaften, von seinen Vergnügungen, vom Carneval, der sich am andern Tage eröffnete, von der nächsten heiligen Woche ohne nur einen Augenblick den darstellenden Künstlern oder dem Stücke die geringste Aufmerksamkeit zu schenken, . . abgesehen von gewissen Momenten, wo Jeder sich umwandte, um einen Teil von einem Recitativ von Coselli zu hören, oder eine glänzende Passage von Moriani zu beklatschen, oder der Spech bravo! zu rufen; dann nahmen die Gespräche der einzelnen Personen wieder ihren Fortgang. Gegen das Ende den ersten Aktes öffnete sich die Thüre einer Loge, welche bis jetzt leer geblieben war, und Franz sah eine Person eintreten, der er in Paris vorgestellt zu werden die Ehre gehabt hatte; bis dahin war er der Meinung gewesen, sie befände sich noch in Frankreich. Albert sah die Bewegung, welche sein Freund bei dieser Erscheinung machte, wandte sich gegen ihn und fragte ihn:

 



»Kennen Sie diese Frau?«



»Ja; wie finden Sie dieselbe?«



»Reizend, mein Lieber, und blond. Ah! die göttlichen Haare! Es ist eine Französin?«



»Nein, eine Venetianerin!«



»Und sie heißt?«



»Gräfin G***«



»Ah! ich kenne sie dem Namen nach,« rief Albert; »man sagt, sie sei ebenso geistreich, als hübsch. Teufel, wenn ich bedenke, daß Ich mich bei dem letzten Ball von Frau von Villefort, den sie besuchte, ihr hätte können vorstellen lassen, und daß ich Dummkopf dies versäumte!«



»Soll ich diesen Fehler wieder gut machen?« fragte Franz.



»Wie! Sie kennen sie so genau, daß Sie mich in ihre Loge führen wollen?«



»Ich habe drei oder viermal in meinem Leben die Ehre gehabt, sie zu sprechen, aber Sie wissen, das ist gerade genug, um nicht eine Unschicklichkeit zu begehen.«



In diesem Augenblick gewahrte die Gräfin Franz und machte ihm mit der Hand ein anmutiges Zeichen, das er mit einer ehrfurchtsvollen Verbeugung erwiderte.



»Ah! es scheint mir, Sie stehen sehr gut mit ihr?« sagte Albert.



»Mein Lieber, was Sie hier täuscht und was uns Franzosen im Auslande tausend Albernheiten begehen läßt, ist, daß wir Alles unsern Pariser Gesichtspunkten unterwerfen. In Spanien und in Italien besonders dürfen Sie die Vertrautheit der Leute nie nach der Freiheit in ihren Umgangsformen beurteilen. Wir sind in einer gewissen Sympathie zu einander gestanden und mehr nicht.«



»In einer Sympathie des Herzens?« fragte Albert lachend.



»Nein, in einer Sympathie des Geistes,« antwortete Franz ernsthaft.



»Bei welcher Gelegenheit?«



»Bei Gelegenheit eines Spazierganges im Colisseum, dem ähnlich, welchen wir miteinander machten.«



»Beim Mondenschein?«



»Ja.«



»Allein?«



»So ungefähr.«



»Und Ihr sprachet?«



»Von den Toten.«



»Ah!« rief Albert, »das ist in der Tat sehr ergötzlich. Nun, ich meines Teils gelobe Ihnen, wenn Ich das Glück habe, der Cavalier der schönen Gräfin bei einem ähnlichen Spaziergang zu sein, nur von den Lebenden mit ihr zu sprechen.«



»Und Sie haben vielleicht Unrecht.«



»Mittlerweile werden Sie mich ihr, wie Sie mir zugesagt haben, wohl vorstellen?«



»Sobald der Vorhang fällt.«



»Was dieser erste Akt teufelsmäßig lang ist!«



»Hören Sie das Finale, es ist sehr schön und Coselli singt es vortrefflich.«



»Ja, aber Welche Marter!«



»Die Spech ist im höchsten Maße dramatisch.«



»Sie begreifen, wenn man die Sontag und die Malibran gehört hat . . . «



»Finden Sie die Methode von Moriani nicht ausgezeichnet?«



»Ich liebe die Braunen nicht, welche blond singen.«



»Ah! mein Theater,« sagte Franz sich umwendend, während Albert zu lorgniren fortfuhr, »in der Tat, Sie sind zu schwer zu befriedigen.«



Endlich fiel der Vorhang zur großen Freude des Vicomte von Morcerf, der seinen Hut nahm, rasch seine Haare, seine Halsbinde und seine Manchetten zurecht richtete, und seinem Freunde zu verstehen gab, er erwarte ihn. Da die Gräfin, welche Franz mit den Blicken fragte, dies ein durch ein Zeichen begreiflich machte, er wäre willkommen, so zögerte Franz nicht mehr, dem Eifer seines Freundes zu entsprechen, ging, gefolgt von seinem Gefährten, der die Reise benutzte, um die falschen Falten wieder in Ordnung zu bringen, welche die Bewegungen seinem Hemdkragen und dem Umschlage seines Frackes hatten verleihen können, durch den Halbkreis und klopfte an die Lage Nro. 4, welche die Gräfin inne hatte. Sogleich erhob sich der junge Mann, der neben ihr vorne in der Loge saß, und trat seinen Platz, der italienischen Sitte gemäß, dem Ankömmling ab, welcher seiner Seits weichen muß, wenn ein neuer Besuch kommt.



Franz stellte Albert der Gräfin als einen von unseren, durch ihre gesellschaftliche Lage und ihren Geist, ausgezeichnetsten Männer vor, denn in Paris und in der Mitte, wo Albert lebte, war er ein tadelloser Cavalier. Er fügte bei, in Verzweiflung darüber, daß er den Aufenthalt der Gräfin in Paris nicht benützt, um sich ihr vorstellen zulassen, habe er ihn beauftragt, diesen Fehler gut zu machen, und er entledigte sich dieses Auftrags, indem er die Gräfin, bei der er selbst eines Fürsprechers bedurft hätte, bitte, seine Unbescheidenheit entschuldigen zu wollen. Die Gräfin antwortete Albert anmutig begrüßend und Franz die Hand reichend. Von ihr eingeladen, nahm Albert den leeren Platz vorne und Franz setzte sich in die zweite Reihe hinter die Gräfin.



Albert fand einen vortrefflichen Gegenstand zur Unterhaltung: Paris; er sprach mit der Gräfin von ihren gemeinschaftlichen Bekannten. Franz begriff, daß er auf seinem Gebiete war: er ließ ihn gewähren, forderte seine Riesenlorgnette von ihm, und fing ebenfalls an, den Saal zu durchforschen. Allein auf dem Vordersitze einer Loge, im dritten Range ihnen gegenüber, saß eine bewunderungswürdig hübsche Frau in einem griechischen Costume, welches sie mit so viel Leichtigkeit trug, daß es offenbar ihre Landestracht sein mußte. Hinter ihr erschien die Form eines Mannes, dessen Gesicht sich jedoch durchaus nicht unterscheiden ließ. Franz unterbrach das Gespräch von Albert und der Gräfin, um diese zu fragen, ob sie die schöne Albaneserin kenne, welche wohl würdig wäre, nicht nur die Aufmerksamkeit der Männer, sondern auch die der Frauen zu erregen.



»Nein,« sagte sie, »ich weiß nur, daß sie seit dem Anfange der Saison in Rom ist, denn bei Eröffnung des Theaters habe ich sie da gesehen, wo sie jetzt sitzt, und seit einem Monat versäumt sie keine Vorstellung; bald begleitet sie der Mann, welcher in diesem Augenblick bei ihr ist, bald folgt ihr nur ein einfacher schwarzer Diener.«



Franz und die Gräfin tauschten ein Lächeln aus, dann setzte die Gräfin ihr Gespräch mit Albert fort, während Franz wieder seine Albaneserin lorgnirte. Der Vorhang zum Ballett ging auf. Es war eine von den guten italienischen Compositionen, in die Szene gesetzt durch den berühmten Henry, der sich als Choreograph in Italien einen colossalen Ruf gemacht hat, eines von den Balletten, bei denen Jedermann, von dem ersten bis zum letzten Comparsen, einen so thätigen Anteil nimmt, daß fünfhundert Personen gleichzeitig dieselbe Gebärde machen und mit einander denselben Arm oder denselben Fuß aufheben. Dieses Ballett hieß

Dorliska



Franz war zu sehr mit seiner schönen Griechin beschäftigt, um dem Ballett, so interessant es auch sein mochte, Aufmerksamkeit zu schenken. Sie aber fand ein sichtbares Vergnügen an diesem Schauspiel, ein Vergnügen, das in gewaltigem Widerspruch mit der tiefen Sorgenlosigkeit ihres Begleiters stand, welcher, so lange dieses choreographische Meisterstück währte, keine Bewegung machte und« trotz des höllischen Lärmens der Trompeten, Cymbeln und des chinesischen Hutes im Orchester, die himmlischen Süßigkeiten eines friedlichen, erquickenden Schlafes zu genießen schien.



Endlich endigte das Ballett und der Vorhang fiel, unter dem wütenden Beifallsgeschrei eines berauschten Parterre. In Folge der Gewohnheit, die Oper mit einem Ballett zu durchschneiden, sind die Zwischenakte in Italien sehr kurz und die Sänger haben Zeit, auszuruhen und ihr Costüme zu wechseln, während die Tänzer ihre Pirouetten und Entrechats machen. Die Ouverture des zweiten Aktes begann. Bei den ersten Bogenstrichen sah Franz den Schläfer aufstehen und sich der Griechin nähern, welche sich umwandte, um einige Worte an ihn zu richten, und sich dann abermals mit dem Ellenbogen auf die Brüstung der Loge stützte. Das Gesicht ihres Begleiters war immer noch im Schatten, und Fr

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