Бесплатно

Der Graf von Monte Christo

Текст
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

»Und die Mannschaft?« fragte Morrel.

»Gerettet,« antwortete das Mädchen, »gerettet durch das bordolesische Schiff, das so eben in den Hafen eingelaufen ist.«

Morrel hob seine beiden Hände mit einem Ausdruck voll Resignation und erhabener Dankbarkeit zum Himmel empor und sprach:

»Ich danke, mein Gott, ich danke; wenigstens schlägst Du nur mich allein.«

So phlegmatisch der Engländer war, so befruchtete doch eine Träne sein Augenlied.

»Tretet ein,« sagte Herr Morrel, »denn ich vermuthe, Ihr seid Alle vor der Thüre.«

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als wirklich Madame Morrel schluchzend eintrat; Emmanuel folgte ihr; im Vorzimmer sah man die rauhen Gesichter von sieben bin acht halb nackten Matrosen. Beim Anblick dieser Menschen bebte der Engländer, er machte einen Schritt, als wollte er auf sie zugehen, aber er bemeisterte sich und drückte sich im Gegenteil in den entferntesten, dunkelsten Winkel den Cabinets. Madame Morrel setzte sich in den Lehnstuhl und nahm eine von den Händen ihren Gatten in die ihrigen, während Julie an die Brust ihres Vaters gelehnt, stehen blieb. Emmanuel stand mitten im Zimmer und schien als Band zwischen der Gruppe der Familie Morrel und den Matrosen an der Thüre zu dienen.

»Wie hat sich das zugetragen? fragte Herr Morrel.

»Tretet näher Penelon,« sagte der junge Mann, »und erzählt das Ereignis.«

Ein alter, von der Sonne den Äquators bronzirter Matrose trat, zwischen seinen Händen den Überrest einen Hutes hin- und herdrehend, vor und sagte

»Guten Morgen, Herr Morrel,« als ob er Marseille am Tage vorher verlassen hätte und von Aix oder Toulon käme.

»Guten Morgen, mein Freund,« erwiderte Herr Morrel, der sich einen Lächelns unter seinen Tränen nicht enthalten konnte: »aber wo ist der Kapitän?«

»Was den Kapitän betrifft, Herr Morrel, er ist krank in Palma geblieben; doch wenn es Gott gefällt, wird es nichts sein, nur Sie sehen ihn in einigen Tagen so wohl und gesunde, als wir Beide sind, ankommen.«

»Gut . . . nun sprecht, Penelon.«

Penelon ließ seinen Kautabak aus der linken Backe in die rechte übergehen, hielt die Hand vor seinen Mund, schleuderte in das Vorzimmer einen Guß schwärzlichen Speichels, rückte den Fuß vor und sprach, sich auf seinen Hüften wiegend:

»Herr Morrel, wir waren so etwas zwischen dem Cap Blanc und dem Cap Boyador, und liefen mit einem guten Süd-Süd-West, nachdem wir nun acht Tage lang mit der Windstille abgemühet hatten, als sich der Kapitän Goumard mir näherte (ich muß Ihnen bemerken, daß ich am Steuerruder war), und zu mir sagte: »»Vater Penelon,«« sagte er, »»was denkst Du von den Wolken, die sich dort am Horizont erheben?«« Ich betrachtete sie mir gerade in diesem Augenblick. »»Was ich davon denke, Kapitän? ich denke, sie steigen ein wenig schneller, als es sich gebührt, und sind schwärzer, als es Wolken zusteht, welche keine schlimme Absicht haben.«« – »»Das ist auch meine Meinung,««sagte der Kapitän, »»ich will immerhin Vorsichtsmaßregeln treffen.Wir haben zu viele Siegel für den Wind, der sogleich kommen wird . . . Holla! He! bindet die Bramsegel ein und holt den fliegenden Klüver an.«« Es war die höchste Zeit. der Befehl war nicht sobald ausgeführt, als wir den Wind auf den Fersen hatten und das Schiff sich auf die Seite legte. »»Gut!«« sagte der Kapitän, »»wir haben noch zu viel Tuch außen: geit das große Segel auf!«« Fünf Minuten nachher war das große Segel gegeit und wir liefen mit der Focke, dem Marnsegel und den Toppsegeln. »»Nun, Vater Penelon,« sagte der Kapitän zu mir, »»was hast Du denn mit dem Kopfe zu schütteln.«« – Was ich habe? an Ihrer Stelle würde ich nicht auf so schönem Wege bleiben.«« »»Ich glaube, Du hast Recht, Alter, wir werden einen Windstoß bekommen.«« – »»Ah, den Teufel, Kapitän!«« antwortete ich, »»weh uns, was sich da unten braut, für einen Windstoß abkaufte, würde etwas dabei gewinnen; es ist ein guter schöner Sturm, oder ich verstehe mich nicht darauf.«« Das heißt, man sah den Wind kommen, wie man den Staub in Mondredon ankommen sieht; zum Glücke hatte er es mit einem Manne zu tun, der ihn kannte. »»Nehmt zwei Ringe in den Marssegeln ein, »rief der Kapitän, »»laßt die Boleinen laufen, braßt an, streicht die Marnsegel ein, zieht die Takel auf die Rahen herunter!««

»Das war in jener Gegend nicht genug,« sagte der Engländer; »ich hätte vier Ringe genommen und mich der Focke entledigt.«

Diese feste, sonore, unerwartete Stimme machte Jedermann beben. Penelon hielt seine Hand über die Augen und schaute denjenigen an, welcher mit so viel Sicherheit das Mauoeuvre seinen Kapitän beurteilte.

»Wir thaten noch etwas Besseres,« sagte er mit einer gewissen Achtung, »denn wir geiten die ganze Brigantine und legten den Helmstock nach dem Winde, um vor dem Sturm zu laufen. Zehn Minuten nachher geiten wir die Marnsegel auf und trieben vor Topp und Tafel.

Der Engländer schüttelte den Kopf und sprach:

»Dan Schiff war zu alt, um dies zu wagen.«

»Das ist es gerade, was unser Verderben herbeiführte. Nachdem wir zwölf Stunden lang hin- und hergeworfen worden waren, zeigte sich ein Leck. »»Penelon,«« sagte der Kapitän zu mir, »»ich glaube, wir sinken, mein Alter; gib mir das Steuerruder und steige in den Raum hinab.«« Ich gebe ihm das Steuerruder und gehe hinab; es hatte bereits drei Fuß Wasser. Ich steige wieder hinauf und rufe: »»Zu den Puinpen! Zu den Pumpen!«« Ah! ja wohl; es war zu spät. Man ging an die Arbeit; aber ich glaube, je mehr wir herauszogen, desto mehr kam hinein. Ho! Nach einer vierstündigen Arbeit . . . sinken wir, so wollen wir sinken lassen, man stirbt nur einmal. »»Ah! Meister Penelon,«« spricht der Kapitän, »»Ihr gebt ein solches Beispiel? wohl, wartet, wartet!«« Er holt ein Paar Pistolen aus der Kajüte und ruft zurückkehrend: »»»Dem Ersten, der die Pumpe verläßt, zerschmettere ich die Hirnschale!««

»Schön,« sagte der Engländer.

»Nichts verleiht so viel Mut, als gute Gründe,« fuhr der Matrose fort; »überdieß hatte sich das Wetter mittlerweile aufgehellt und der Wind sich gelegt; nichtsdestoweniger stieg das Wasser fortwährend, nicht um viel, vielleicht um zwei Zell in der Stunde, aber es stieg; zwei Zoll in der Stunde, sehen Sie, das sieht aus wie nichts, aber in zwölf Stunden macht es nicht weniger als vierundzwanzig Zoll, und vierundzwanzig geben zwei Fuß. Zwei Fuß und drei, die wir schon hatten, das machte uns fünf. Wenn aber ein Schiff fünf Fuß Wasser im Bauche hat, so kann es für wassersüchtig angesehen werden. »»Gut,«« sagte der Kapitän, »»es ist genug so, und Herr Morrel kann uns keinen Vorwurf machen; wir haben getan, was wir tun konnten, um das Schiff zu retten; nun müssen wir die Mannschaft zu retten suchen. An die Schaluppe, Kinder, so geschwind als immer möglich!««

»Hören Sie, Herr Morrel, »fuhr Penelon fort, »wir liebten den Pharaon ungemein; aber wie sehr auch der Seefahrer sein Schiff lieben mag, so liebt er doch noch mehr seine Haut. Wir ließen es uns auch nicht zweimal sagen: dabei war es, als spräche das Schiff zu uns: »»Geht doch! geht doch!«« und er log nicht, der arme Pharaon, wir fühlten ihn buchstäblich unter unseren Füßen in die Tiefe sinken. So viel ist gewiss, daß in einem Nu die Schaluppe in der See war und wir uns alle Acht darin befanden. Der Kapitän stieg zuletzt hinab, oder Vielmehr nein, er stieg nicht hinab, denn er wollte das Schiff nicht verlassen; ich faßte ihn mit dem Arme um den Leib, warf ihn den Kameraden zu und sprang dann ebenfalls. Es war die höchste Zeit. Kaum hatte ich den Sprung gemacht, als das Verdeck mit einem Geräusche zersprang, daß man es hätte für die Lage eines Schusses von achtundvierzig Kanonen halten sollen. Zehn Minuten nachher tauchte es mit dem Vorderteile unter, dann mit dem Hinterteile, dann drehte es steh um sich selbst, wie ein Hund, der seinem Schweife nachläuft, und endlich eine gute Nacht der Gesellschaft, brrrrrn! . . . Alles war abgetan, kein Pharaon mehr!

»Wir brachten drei Tage zu, ohne zu essen und zu trinken, und sprachen schon davon, das Loos zu ziehen, wer den Anderen zur Nahrung dienen sollte, als wir die Gironde gewahrten; wir machten ihr Signale, sie sah uns, segelte auf uns zu schickte uns ihre Schaluppe und nahm uns auf. So hat sich die Sache ereignet, auf Ehrenwort, Herr Morrel, auf Seemannswort! Nicht wahr, Ihr Leute?«

Ein allgemeines Gemurmel der Beistimmung deutete an, daß der Erzähler alle Stimmen durch die Wahrheit der Hauptsache und durch das Pittoreske der einzelnen Umstände vereinigt hatte.

»Gut, mein Freund,« sagte Herr Morrel, »Ihr seid brave Leute, und ich wußte zum Voraus. daß bei dem Unglück, das mir begegnet ist, niemand Anderes die Schuld hatte, als mein Verhängnis. Es ist der Wille Gottes, und nicht der Fehler der Menschen. Verehren wir den Willen Gottes. Nun sagt, wie viel Sold ist man Euch schuldig?«

»Ah! bah . . . sprechen wir nicht davon, Herr Morrel.«

»Im Gegenteil. sprechen wir davon,« erwiderte mit einem traurigen Lächeln der Reeder.

»Nun wohl, man ist uns drei Monate schuldig.«

»Cocles, bezahlen Sie jedem von diesen braven Leuten zweihundert Franken. In einer andern Epoche, meine Freunde,« fuhr Herr Morrel fort, »hätte ich beigefügt: Geben Sie jedem zweihundert Franken als außerordentliches Geschenk, aber die Zeiten sind ungünstig, meine Freunde, und das wenige Geld, das mir übrig bleibt, ist nicht mehr mein Eigentum; entschuldigt mich also und liebt mich darum nicht minder.«

Penelon machte eine Grimasse der Rührung, wandte sich gegen seine Gefährten um, sprach einige Worte, mit ihnen, kam dann zurück und sagte, nachdem er seinen Kautabak in die andere Seite des Mundes übergearbeitet und einen zweiten Guß Speichel, welcher das Pendant zu dem ersten werden sollte, in das Vorzimmer geschleudert hatte.

»Was das betrifft, Herr Morrel, was das betrifft . . . «

»Was denn?«

 

»Das Geld.«

»Nun?«

»Nun, Herr Morrel, die Kameraden meinen, sie hätten für diesen Augenblick mit fünfzig Franken jeder genug, und sie könnten mit dem Reste warten.«

»Ich danke, meine Freunde,« rief Herr Morrel, tief erschüttert; »Ihr seid brave Leute; aber nehmt nur, nehmt, und wenn Ihr einen guten Dienst findet, tretet ein, Ihr seid frei.«

Diese letzten Worte brachten eine wunderbare Wirkung auf die Matrosen hervor; sie schauten einander mit bestürzter Miene an. Penelon, dem es an Atem fehlte, hätte beinahe seinen Kautabak verschluckt; zum Glück fuhr er zu rechter Zeit mit der Hand an seine Zunge.

»Wie, Herr Morrel!« sagte er mit einer zusammengepreßten Stimme, »wie! Sie schicken uns weg, Sie sind also unzufrieden mit uns?«

»Nein, meine Kinder,« erwiderte der Reeder, »nein, ich bin nicht unzufrieden mit Euch, im Gegenteil; nein, ich schicke Euch nicht weg. Aber was wollt Ihr, ich habe kein Schiff mehr, und bedarf folglich auch keiner Matrosen.«

»Wie! Sie haben keine Schiffe mehr?« rief Penelon; »wohl, Sie lassen andere bauen, und wir warten.«

»Ich habe kein Geld mehr, um Schiffe bauen zulassen, Penelon,« entgegnete Herr Morrel traurig lächelnd; »ich kann also Euer Anerbieten nicht annehmen, so freundlich es auch ist.«

»Wohl, wenn Sie kein Geld haben, so müssen Sie uns nicht bezahlen, wir machen es, wie es der arme Pharaon gemacht hat, und treiben vor Topp und Tafel.«

»Genug, genug, meine Freunde,« erwiderte Herr Morrel, dem vor Rührung die Sprache beinahe versagte. »Wir werden uns in besseren Zeiten wiederfinden. Emmanuel,« fügte der Reeder bei, »begleiten Sie diese braven Leute und seien Sie dafür besorgt, daß meine Wünsche erfüllt werden.«

»Also wenigstens auf Wiedersehen, nicht wahr Herr Morrel?« versetzte Penelon.

»Ja, meine Freunde, ich hoffe wenigstens; geht.

Auf ein Zeichen seiner Hand marschierte Cocles voran. Die Matrosen folgten dem Kassier und Emmanuel folgte den Matrosen.

»Nun laßt mich einen Augenblick allein,« sagte der Reeder zu seiner Frau und zu seiner Tochter, »ich habe mit diesem Herrn zu sprechen.«

Und er bezeichnete mit den Augen den Bevollmächtigten des Hauses Thomson und French, welcher unbeweglich in seiner Ecke während dieser Szene stehen geblieben war, an der er nur mit den von uns erwähnten paar Worten Teil genommen hatte. Die Frauen schauten den Fremden an, den sie völlig vergessen hatten, und entfernten sich sodann; aber während sich die Tochter zurückzog, warf sie auf diesen Mann einen erhabenen Blick inständiger Bitte, den er mit einem Lächeln erwiderte, welches auf diesem eisigen Gesichte hervortreten zu sehen, ein kalter Beobachter erstaunt sein würde. Die zwei Männer blieben allein.

»Nun, mein Herr,« sagte Morrel, »Sie haben Alles gesehen, Alles gehört, und ich habe Ihnen nichts mehr mitzutbeilen.«

»Ich habe gesehen, mein Herr,« erwiderte der Engländer, »daß Ihnen ein neues Unglück, so unverdient als die anderen, widerfahren ist, und das hat mich in meinem Wunsche, Ihnen angenehm zu sein. Bestärkt.«

»Oh! mein Herr . . . «

»Ich bin einer von Ihren Hauptgläubigern, nicht wahr?«

»Sie sind wenigstens derjenige, welcher die kurzsichtigsten Wechsel von mir in Händen hat.«

»Sie wünschen eine Fristverlängerung, um mich zu bezahlen?«

»Eine Fristverlängerung könnte mir die Ehre und folglich das Leben retten.«

»Wie viel verlangen Sie?«

»Zwei Monate,« sagte Morrel zögernd.

»Gut,« sprach der Fremde, »ich gebe Ihnen drei.«

»Doch glauben Sie, daß das Haus Thomson und French . . . ?«

»Seien Sie unbesorgt, ich nehme Alles auf mich,  . . . Wir haben heute den 5. Juni?«

»Ja.«

»Nun, erneuern Sie mir alle diese Papiere auf den 5. September, und am 5. September um elf Uhr Morgens (die Pendeluhr bezeichnete gerade in diesem Augenblick die elfte Stunde), werde ich mich bei Ihnen einfinden.«

»Ich werde Sie erwarten, mein Herr, und Sie sollen Bezahlung erhalten, oder ich bin tot.«

Diese letzten Worte sprach Morrel so leise, dass sie der Fremde nicht hören konnte. Die Papiere wurden erneuert, man zerriß die alten, und der arme Reeder hatte wenigstens drei Monate vor sich, um seine letzten Mittel aufzubieten. Der Engländer empfing seinen Dank mit dem seiner Nation eigenthümlichen Phlegma und nahm von Morrel Abschied, der ihn unter Segnungen bis an die Thüre zurückführte. Auf der Treppe traf er Julie; das Mädchen that, als ob es hinabginge, aber es wartete auf ihn.

»O! mein Herr . . . « rief Julie, die Hände faltend.

»Mein Fräulein,« sagte der Fremde, »Sie werden eines Tages einen Brief, unterzeichnet . . . Simbad der Seefahrer . . .  bekommen. Thun Sie Punkt für Punkt, was der Brief sagt, so seltsam Ihnen auch die Aufforderung erscheinen mag.«

»Gut, mein Herr,« erwiderte Julie.

»Versprechen Sie es mir?«

»Ich schwöre es Ihnen.«

»Leben Sie wohl, mein Fräulein; bleiben Sie stets ein gutes, frommes Mädchen, und ich hoffe, Gott wird Sie dadurch belohnen, daß er Ihnen Herrn Emmanuel zum Gatten gibt.«

Julie stieß einen leichten Schrei aus, wurde rot wie eine Kirsche, und hielt sich am Geländer, um nicht zu fallen. Der Engländer entfernte sich mit einer Gebärde des Abschiedes. Im Hofe begegnete er Penelon; dieser hatte eine Rolle von hundert Franken in jeder Hand, und schien sich nicht entschließen zu können, das Geld fortzutragen.

»Kommt, mein Freund,« sagte der Engländer zu ihm, »ich habe mit Euch zu sprechen.«

Siebentes Kapitel.
Der fünfte September

Die von dem Mandatar des Hausen Thomson und French in dem Augenblick, wo es Morrel am wenigsten erwartete, bewilligte Frist glaubte der arme Reeder als eine von jenen Wiederscheinungen des Glückes betrachten zu dürfen, welche dem Menschen verkündigen, das Schicksal sei endlich müde geworden, auf sein Verderben los zuarbeiten. An demselben Tage erzählte er das, was ihm begegnet war, seiner Tochter, seiner Frau und Emmanuel, und es kehrte ein wenig Hoffnung, wenn nicht Ruhe, in die Familie zurück. Leider aber hatte es Morrel nicht allein mit dem Hause Thomson und French zu tun, das sich so nachsichtig gegen ihn zeigte. Im Handel hat man, wie er selbst sagte, Correspondenten und keine Freunde. Bei schärferer Überlegung konnte er sogar das edelmüthige Benehmen der Herren Thomson und French gegen Ihn gar nicht begreifen, und er erklärte sich dasselbe nur durch folgende selbstsüchtige Betrachtung, welche dieses Haue angestellt haben dürfte: Besser einen Mann unterstützen, der uns beinahe dreimal hunderttausend Franken schuldig ist, und diese dreimal hunderttausend Franken nach Verlauf von drei Monaten haben, als seinen Untergang beschleunigen und sechs bis sieben Procent vom Kapital bekommen.


Zum Unglück stellten, sei es aus Haß, sei es aus Verwendung, nicht alle Correspondenten von Morrel dieselben Betrachtungen an, und einige machten sogar den entgegengesetzten Schluß. Die von Morrel unterzeichneten Tratten wurden daher mit ängstlicher Strenge an der Kasse präsentiert, aber von Cocles, in Folge der von dem Engländer bewilligten Frist, ohne Verzug bezahlt; Cocles verharrte fortwährend in seiner prophetischen Ruhe. Herr Morrel allein sah mit Schrecken, das er, wenn er am 15. die hunderttausend Franken von Herrn von Boville, und am 30. die zweiunddreißig tausend fünfhundert Franken, für welche er, wie für die Schuldforderung des Inspektors der Gefängnisse, eine Frist erhalten, hätte bezahlen müssen, schon am Ende dieses Monats ein verlorener Mann gewesen wäre.

Der ganze Handelsstand in Marseille war der Meinung, nach den Unglücksfällen, welche Herrn Morrel hintereinander getroffen, könnte dieser sich nicht halten. Man staunte daher nicht wenig, als man sah, daß sein Monatsschluß sich mit der gewöhnlichen Pünktlichkeit bewerkstelligte. Doch das Vertrauen kehrte darum nicht in die Geister zurück, und man verschob einstimmig auf das Ende des nächsten Monats die Insolvenzerklärung des unglücklichen Reeders.

Der ganze Monat verging in unerhörten Anstrengungen von Seiten Morrels, um alle seine Mittel aufzubieten. Früher wurde sein Papier, auf welches Datum es auch ausgestellt sein mochte, mit Vertrauen angenommen, und sogar gesucht. Morrel wollte Papier auf neunzig Tage negociren, und fand alle Bauten geschlossen. Zum Glück hatte Morrel selbst einige Heimzahlungen zu erwarten, auf welche er rechnen konnte, und die erwarteten Gelder gingen auch wirklich ein; Morrel fand sich dadurch abermals in den Stand gesetzt, seinen Verbindlichkeiten zu entsprechen, als das Ende des Juli erschien.

Den Mandatar des Hauses Thomson und French hatte man übrigens nicht mehr in Marseille gesehen, Er war am ersten oder zweiten Tage nach seinem Besuche bei Herrn Morrel verschwunden, und da er in Marseille nur mit dem Maire, dem Inspector der Gefängnisse und Herrn Morrel verkehrt hatte, so ließ seine Anwesenheit keine andere Spur zurück, als die verschiedenen Erinnerungen, welche diese drei Personen von ihm bewahrten. Die Matrosen des Pharaon hatten, wie es scheint, irgend ein Unterkommen gefunden, denn sie waren ebenfalls verschwunden,

Von der Unpäßlichkeit, die ihn in Palma zurückgehalten, wiedergenesen, kehrte der Kapitän Gaumard ebenfalls zurück. Er zögerte, sich bei Morrel zu zeigen, aber dieser erfuhr seine Ankunft und suchte ihn selbst auf. Der würdige Reeder kannte vorher schon, durch die Erzählung von Penelon, das mutige Benehmen des Kapitäns während des unglücklichen Ereignisses, und er war es nun, der den Seemann zu trösten suchte. Er brachte ihm den Betrag seines Soldes, den der Kapitän Gaumard nicht zu erheben gewagt hätte.

Als Herr Morrel die Treppe hinabging, begegnete er Penelon, welcher gerade heraufstieg. Penelon hatte, wie es schien, sein Geld gut angewendet, denn er war ganz neu gekleidet. Seinen Reeder erblickend, wurde der würdige Rudergänger sehr verlegen; er drückte sich in die entfernteste Ecke des Ruheplatzes, schob abwechselnd seinen Kautaback von der Rechten zur Linken und von der Linken zur Rechten, wälzte seine Augen ganz verwirrt in ihren Höhlen umher und erwiderte nur mit einer schüchternen Berührung den Händedruck, den ihm Herr Morrel mit seiner gewöhnlichen Herzlichkeit bot. Herr Morrel schrieb die Verlegenheit von Penelon seiner eleganten Toilette zu: der brave Mann hatte sich offenbar nicht auf seine Rechnung einen solchen Luxus erlaubt; er war also ohne Zweifel bereits an Bord eines anderen Schiffes angeworben und schämte sich, daß er nicht, wenn man so sagen darf, länger Trauer um den Pharaon getragen hatte. Vielleicht kam er sogar, um Kapitän Gaumard sein Glück mitzuteilen und ihm Anerbietungen im Auftrage seines neuen Herrn zu machen.

»Brave Leute!« sprach Herr Morrel sich entfernend, »möchte Euer neuer Herr Euch lieben, wie ich Euch liebte, und glücklicher sein, als ich bin!«

Der August verlief in beständig erneuerten Versuchen von Herrn Morrel, seinen alten Credit wieder zu heben und sich einen neuen zu eröffnen. Am 20.August wußte man in Marseille, daß er einen Platz auf der Mallepost genommen hatte, und man sagte sich jetzt, am Ende dieses Monates müßte die Insolvenzerklärung stattfinden, und Morrel wäre vorher schon abgereist, um nicht diesem grausamen, ohne Zweifel seinem ersten Commis Emmanuel oder seinem Kassier Cocles übertragenen Akte beizuwohnen. Als aber der 31. kam, öffnete sich die Kasse wie gewöhnlich gegen alle Voraussicht. Cocles erschien hinter dem Gitter, ruhig wie der Gerechte von Horaz, untersuchte mit derselben Aufmerksamkeit das Papier, welches man ihm präsentierte, und bezahlte die Tratten von der ersten bis zur letzten mit gleicher Pünktlichkeit. Man begriff dies durchaus nicht und verschob mit der den Propheten schlimmer Kunde eigenthümlichen Hartnäckigkeit den Bankerott auf das Ende des September.

Am 1. kam Herr Morrel zurück, er wurde von seiner ganzen Familie mit der größten Bangigkeit erwartet; auf dieser Reife beruhte die letzte Hoffnung auf ein Rettungsmittel. Morrel hatte an Danglars gedacht, der heute ein Millionär und ihm einst verpflichtet war; denn auf die Empfehlung von Morrel war Danglars in den Dienst des spanischen Banquier getreten, bei welchem er sein ungeheures Vermögen zu erwerben angefangen hatte. Heute hatte Danglars, wie man sagte, selbst sechs bis acht Millionen und einen unbegränzten Credit. Danglars konnte Morrel retten, ohne einen Thaler aus der Tasche zu ziehen; er durfte sich nur für ein Anlehen verbürgen, und Morrel war gerettet. Morrel dachte seit geraumer Zeit an Danglars: aber es gibt ein instinktartiges Widerstreben, das man nicht zu bemeistern vermag: Morrel zögerte so lange als möglich, zu diesem letzten Mittel seine Zuflucht zu nehmen. Und er hatte Recht, denn er kam gelähmt unter der Demütigung einer abschlägigen Antwort zurück.

 

Er stieß bei seiner Ankunft keine Klage aus, brachte keine Anschuldigung vor; er umarmte nur weinend seine Frau und seine Tochter, reichte Emmanuel freundschaftlich die Hand, verlangte nach Cocles und schloß sich mit diesem in sein Cabinet im zweiten Stocke ein.

»Diesmal,« sagten die zwei Frauen zu Emmanuel, »diesmal sind wir verloren.«

In einer kurzen Berathung, welche sie unter sich pflogen, wurde sodann beschlossen, daß Julie an ihren Bruders der in Nimes in Garnison lag, schreiben und ihn auffordern sollte, sogleich zu kommen. Die armen Frauen fühlten, daß sie aller ihrer Kräfte bedürften, um den Schlag zu ertragen, der sie bedrohte. Überdies übte Maximilian Morrel, obgleich erst zweiundzwanzig Jahre alt, doch bereits einen großen Einfluß auf seinen Vater aus.

Es war ein fester, rechtschaffener junger Mann. Als es sich darum handelte, eine Laufbahn zu wählen, wollte ihm sein Vater nicht zum Voraus seine Zukunft bestimmen, und fragte die Geschmacksrichtung des jungen Maximilian um Rath. Dieser erklärte sich für die militärische Laufbahn, machte vortreffliche Studien und trat mittelst einer Prüfung in die polytechnische Schule ein, welche er, zum Unterlieutenant im 53sten Linien-Regiment ernannt, wieder verließ. Im Regiment bezeichnete man Maximilian Morrel als strengen Beobachter, nicht nur aller dem Soldaten auferlegten Verbindlichkeiten, sondern auch aller dem Manne obliegenden Pflichten, und man nannte ihn nur den Stoiker. Es versteht sich, daß viele von denjenigen, welche ihm diesen Beinamen gaben, denselben wiederholten, weil sie ihn gehört hatten, und nicht einmal wußten, was er bedeutete. Dies war der junge Mann, den seine Mutter und seine Schwester herbeiriefen, um sie in den ernsten Umständen, in denen sie sich befinden sollten, zu unterstützen.

Sie täuschten sich nicht über das Mißliche ihrer Lage, denn einen Augenblick nachdem Herr Morrel mit Cocles in sein Cabinet gegangen war, sah Julie den letzteren bleich, zitternd und mit völlig verstörtem Gesichte wieder herauskommen. Sie wollte ihn fragen, als er an ihr vorüberging, doch der brave Mann lief mit einer bei ihm ungewöhnlichen Eile unaufhaltsam die Treppe hinab und rief ihr nur, die Hand zum Himmel erhebend zu:

»Oh, mein Fräuleins welch ein furchtbares Unglück; wer hätte das je gedacht!«

Eine Minute nachher sah ihn Julie mit ein paar dicken Handlungsbüchern, einem Portefeuille und einem Sacke Geld wieder hinaufgehen. Morrel untersuchte die Bücher, öffnete das Portefeuille und zählte das Geld. Alle baaren Mittel beliefen sich auf sechs bis achttausend Franken, die Einnahmen bis zum 5ten auf vier bis fünftausend Franken, was also im höchsten Fall einen Activstand von vierzehn tausend Franken bildete, womit einer Tratte von zweimal hundert siebenundachtzig tausend fünfhundert Franken entsprochen werden sollte. Eine solche Abschlagszahlung anzubieten, war nicht möglich.

Als jedoch Herr Morrel zum Mittagessen herabkam, schien er ziemlich ruhig. Diese Ruhe erschreckte die zwei Frauen mehr, als es die tiefste Niedergeschlagenheit hätte tun können. Nach dem Mittagsbrote pflegte Morrel auszugehen, im Kreise der Phocäer seinen Kaffee zutrinken und den Semaphore zu lesen; an diesem Tage blieb er zu Hause und ging wieder in sein Bureau hinauf.

Coeles schien ganz stumpfsinnig; er hielt sich einen Teil des Tages, auf einem Steine sitzend und mit bloßem Kopfe bei dreißig Graden Wärme, im Hofe auf.

Emmanuel suchte die Frauen zu trösten; aber es mangelte ihm an Beredsamkeit. Der junge Mann war zu sehr in die Angelegenheiten des Hauses eingeweiht, um nicht zu fühlen, daß eine große Katastrophe der Familie Morrel bevorstand. Es kam die Nacht: die Frauen wachten in der Hoffnung, Morrel würde von seinem Cabinet herabgehend bei ihnen eintreten, doch sie hörten, wie er ohne Zweifel aus Furcht, man könnte ihn rufen, seine Tritte dämpfend, an ihrer Thüre vorüber schlich. Sie horchten: er kehrte in sein Zimmer zurück und schloß die Thüre von innen.

Madame Morrel hieß ihre Tochter schlafen gehen; eine halbe Stunde, nachdem sich Julie entfernt hatte, stand sie auf, zog ihre Schuhe aus und schlüpfte in den Gang, um zu sehen, was ihr Gatte machte. Im Gang erblickte sie einen Schatten, der sich zurückzog. Sie erkannte Julie, welche selbst unruhig, ihrer Mutter zuvorgekommen war. Julie ging auf Madame Morrel zu und sagte:

»Er schreibt.«

Die zwei Frauen hatten sich erraten, ohne sich zu sprechen.

Madame Morrel neigte sich zum Schlüsselloche herab. Morrel schrieb wirklich; aber was ihre Tochter nicht bemerkt hatte, das bemerkte Madame Morrel: ihr Gatte schrieb auf gestempeltes Papier. Es kam ihr der furchtbare Gedanke, er mache sein Testament; sie bebte an allen Gliedern und hatte dennoch die Kraft, nichts zusagen.

Am andern Tage erschien Herr Morrel ganz ruhig; er hielt sich wie gewöhnlich in seinem Bureau auf, kam wie gewöhnlich zum Frühstück herab; nur ließ er nachdem Mittagsbrote seine Tochter zu sich sitzen, nahm den Kopf des Kindes in seinen Arm und hielt ihn lange an seine Brust. Am Abend sagte Julie zu ihrer Mutter, sie habe, obgleich ihr Vater scheinbar ruhig gewesen, doch sein Herz heftig schlagen gefühlt. Die zwei nächsten Tage gingen ungefähr auf dieselbe Weise hin. Am 4. September Abends forderte Herr Morrel von seiner Tochter den Schlüssel seines Cabinets zurück. Julie bebte bei dieser Forderung, welche ihr Unglück weissagend vorkam. Warum forderte ihr der Vater diesen Schlüssel ab, den, sie immer gehabt hatte, und den man ihr in ihrer Kindheit nur abnahm, wenn man sie bestrafen wollte. Sie schaute Herrn Morrel an und sagte:

»Was habe ich denn Schlimmen getan, mein Vater daß Sie mir diesen Schlüssel wieder abnehmen?«

»Nichts, mein Kind,« antwortete der unglückliche Morrel, dem bei dieser einfachen Frage die Tränen in die Augen traten: »nichts, ich brauche ihn nur.«

Julie stellte sich, als suchte sie diesen Schlüssel, sprach: »Ich werde ihn in meinem Zimmer gelassen haben,« und ging hinaus, aber statt sich in ihr Zimmer zu begeben, eilte sie hinab, um Emmanuel um Rath zu fragen.

»Geben Sie ihm den Schlüssel nicht,« sprach dieser, »und verlassen Sie ihn morgen früh, wenn es möglich ist, keinen Augenblick.«

Sie suchte Emanuel auszuforschen, doch dieser wußte nicht mehr, oder wollte nicht mehr wissen.

Die ganze Nacht vom 4. auf den 5. horchte Madame Morrel, ihr Ohr fester an das Täfelwerk haltend; bis drei Uhr Morgens hörte sie ihren Gatten in großer Aufregung im Zimmer umhergehen; erst um drei Uhr warf er sich auf sein Bett. Die zwei Frauen brachten die Nacht beisammen zu. Seit dem Vorhergehenden Abend erwarteten sie Maximilian. Um acht Uhr trat Herr Morrel in ihr Zimmer: er war ruhig, aber die Aufregung der Nacht zeigte sich auf seinem bleichen, verstörten Gesicht. Die Frauen es wagten nicht, ihn zu fragen, ob er gut geschlafen. Morrel war freundlicher gegen seine Frau und väterlicher gegen seine Tochter, als er es je gewesen; er konnte nicht satt werden, das arme Kind anzuschauen und zu küssen.

Julie erinnerte sich dessen, was ihr Emmanuel zu tun empfohlen hatte, und wollte ihrem Vater folgen, als er sich entfernte; er stieß sie jedoch sanft zurück und sagte:

»Bleib, bei Deiner Mutter.«

Julie drang in ihn, doch er sprach:

»Ich will es.«

Es war das erste Mal, daß Morrel zu seiner Tochter sprach: »Ich will es.« aber er sagte dies mit einem väterlich sanften Ausdruck, daß Julie keinen Schritt zu tun wagte. Sie blieb stumm und unbeweglich an ihrem Platze stehen. Eine Minute nachher öffnete sich die Thüre, und sie fühlte zwei Arme, die sie umschlangen, und einen Mund, der sich auf ihre Stirne preßte. Sie schlug die Augen auf und stieß einen Freudenschrei aus.

»Maximilian! mein Bruder!« rief sie.

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»