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Der Graf von Bragelonne

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»Ich werde die Gelegenheit abwarten, mein Herr,« sagte der junge Prinz.

»Sie könnte nicht besser sein, Monseigneur, wir sind hier mitten im Walde, und Niemand vermag uns zu hören.«

»Und der Postillon?«

»Der Postillon von dieser Station ist taubstumm, Monseigneur.«

»Ich gehöre Euch, Herr d’Herblay.«

»Beliebt es Euch, in diesem Wagen zu bleiben?«

»Ja, wir sitzen hier gut, und ich liebe diesen Wagen, es ist derjenige, welcher mich der Freiheit wiedergegeben hat.«

»Wartet, Monseigneur. Es ist noch eine Vorsichtsmaßregel zu nehmen.«

»Welche?«

»Wir sind hier aus der Landstraße; es können Reiter und Wagen vorüberkommen, die uns, wenn sie uns stille halten sähen, in Verlegenheit glauben würden. Vermeiden wir lästige Dienstanerbietungen.«

»Befehlt dem Kutscher, den Wagen in einer Seitenallee zu verbergen.«

»Das wollte ich gerade thun, Monseigneur.«

Aramis berührte den Stummen und machte ihm ein Zeichen. Er stieg ab, nahm die zwei Vorderpferde am Zügel und führte sie durch das weiche Heidekraut aus das moosige Gras einer gekrümmten Allee, in deren Hintergrund in dieser mondlosen Nacht die Wolken einen Vorhang bildeten, der schwärzer war, als Tintenflecken,

Nachdem dies geschehen war, legte sich der Mann auf eine Böschung in der Nähe seiner Pferde, welche rechts und links die jungen Eichenschößlinge abrißen.

»Ich höre Euch,« sagte der junge Prinz zu Aramis, »doch was macht Ihr da?«

»Ich ziehe die Kugeln aus den Pistolen, deren wir nicht mehr bedürfen.«

X.
Der Versucher

»Mein Prinz,« sagte Aramis, indem er sich im Wagen gegen seinen Gefährten wandte, »ein so schwaches Geschöpf, so mittelmäßig an Geist, so untergeordnet in der Klasse der denkenden Wesen ich auch bin, so ist es mir doch nie begegnet, daß ich mit einem Menschen gesprochen habe, ohne seine Gedanken durch die lebendige Maske zu ergründen, welche über unsern Verstand geworfen ist, um die Offenbarung darin zurückzuhalten. Aber heute Abend, in der Dunkelheit, in der wir uns befinden, bei der Zurückhaltung, die ich an Euch wahrnehme, vermag ich nicht in Euren Zügen zu lesen, und es sagt mir etwas, ich werde Mühe haben. Euch ein aufrichtiges Wort zu entreißen. Ich flehe Euch also an, nicht aus Liebe zu mir, denn die Unterthanen dürfen kein Gewicht in der Wage haben, welche die Fürsten halten, sondern, aus Liebe zu Euch, jede von meinen Sylben, jede von meinen Wendungen wohl zu behalten, denn jede wird einen Sinn und einen Werth von einer so hohen Bedeutung haben, als dies je in der Welt vorgekommen ist.«

»Ich höre, ohne etwas von dem, was Ihr mir sagen werdet, zu erstreben, zu befürchten,« sprach der junge Prinz mit Entschiedenheit.

Und er drückte sich noch tiefer in die dicken Kissen der Carosse und suchte seinem Gefährten nicht nur seinen Anblick, sondern sogar die Voraussetzung seiner Person zu entziehen.

Der Schatten war schwarz und fiel breit und undurchsichtig vom Gipfel der verschlungenen Bäume herab. Dieser mittelst eines großen Verdeckes geschlossene Wagen hätte auch nicht das geringste Lichttheilchen empfangen, selbst wenn ein leuchtendes Atom zwischen den Nebelsäulen, die sich aus dem Waldwege ausdehnten, durchgedrungen wäre.

»Monseigneur,« sprach Aramis, »Ihr kennt die Geschichte der Regierung, welche heute Frankreich leitet. Der König ist aus einer Kindheit hervorgegangen, welche die eines Gefangenen, wie die Einige, dunkel, wie die Eurige, beengt, wie die Eurige, gewesen war. Nur statt, wie Ihr, die Sklaverei des Gefängnisses, das Dunkel der Einsamkeit, die Beengung des verborgenen Lebens zu haben, mußte er alle Erbärmlichkeiten, alle Demüthigungen, alle Qualen beim hellen Tageslichte, bei der unbarmherzigen Sonne des Königthums ertragen; ein in Licht getauchter Platz, wo jeder Fleck wie ein abscheulicher Koth erscheint. Der König hat gelitten, er grollt, er wird sich rächen. Es wird ein schlechter König sein. Ich sage nicht, er werde Blut vergießen, wie Ludwig XI. oder Karl IX., denn er hat keine tödtliche Beleidigungen zu rächen, aber er wird das Geld und den Lebensunterhalt seiner Unterthanen verzehren, weil er Beleidigungen des Interesses und des Geldes erlitten hat. Ich schütze mich daher vor Allem vor meinem Gewissen, wenn ich den Verdiensten und den Fehlern dieses Fürsten ins Gesicht schaue, und wenn ich ihn verdamme, spricht mich mein Gewissen frei.«

Aramis machte eine Pause, Dies geschah nicht, um zu horchen, ob die Stille des Waldes immer noch dieselbe wäre, sondern um seinen Gedanken im Grunde seines Geistes zusammenzufassen, um diesem Gedanken Zeit zu lassen, sich tief in den Geist seines Gefährten einzugraben.

»Gott thut Alles gut, was er thut,« fuhr der Bischof von Vannes fort, »und hiervon bin ich so sehr überzeugt, daß ich mir seit langer Zeit Glück gewünscht habe, von ihm zum Bewahrer des Geheimnisses, das ich Euch entdecken geholfen habe, erwählt worden zu sein. Der Gott der Gerechtigkeit und der Voraussicht bedurfte eines scharfen, ausdauernden, überzeugten Werkzeugs, um ein großes Werk zu vollbringen. Dieses Werkzeug bin ich, ich habe die Schärfe, ich habe die Ausdauer, ich habe die Ueberzeugung; ich regiere ein geheimnißvolles Volk, das zum Wahlspruch den Wahlspruch Gottes: Patiens quia aeternus! genommen hat.«

Der Prinz machte eine Bewegung.

»Monseigneur,« sagte Aramis, »ich errathe, daß Ihr das Haupt erhebt, und daß Euch das Volk, dem ich befehle, in Erstaunen setzt. Ihr wußtet nicht, daß Ihr mit einem König unterhandelt. Oh! Monseigneur, der König eines sehr kleinen Volkes, der König eines sehr demüthigen Volkes, der König eines sehr enterbten Volkes: demüthig, weil es nur kriechend Stärke hat, enterbt, weil nie, beinahe nie aus dieser Welt mein Volk einerntet, was es ausgesät hat, nie die Frucht von dem verzehrt, was es anbaut. Es arbeitet für eine Abstraction, es ballt alle die bis ins Unsichtbare kleinen Klümpchen seiner Macht zusammen, um einen Menschen daraus zu bilden, und diesem Menschen verleiht es mit dem Ertrag seiner Schweißtropfen eine Wolke, aus der das Genie dieses Menschen eine Glorie, vergoldet in den Strahlen aller Kronen der Christenheit, machen muß. Das ist der Mensch, den Ihr an Eurer Seite habt, Monseigneur. Und damit sage ich Euch, daß er Euch aus einem Abgrund in einer großen Absicht herausgezogen hat, und daß er Euch in dieser herrlichen Absicht über alle Mächte der Erde, auch über ihn selbst, erheben will.«

Der Prinz berührte leicht den Arm von Aramis und sagte:

»Ihr sprecht von dem religiösen Orden, dessen Haupt Ihr seid. Es geht für mich aus Euren Worten hervor, daß an dem Tage, wo Ihr denjenigen, welchen Ihr erhoben, stürzen wollt, dies sich machen wird, und daß Ihr Euer Geschöpf vom vorhergehenden Tage in der Hand haben werdet.«

»Ihr täuscht Euch, mein Prinz, ich würde mir nicht die Mühe geben, dieses furchtbare Spiel mit Eurer Königlichen Hoheit zu spielen, hätte ich nicht ein doppeltes Interesse, die Partie zu gewinnen. An dem Tage, wo Ihr erhoben werdet, seid Ihr für immer erhoben; Ihr werft, wenn Ihr hinaussteigt, den Fußtritt um, Ihr schleudert ihn so weit fort, daß Euch nie mehr auch nur sein Anblick an seinen Anspruch aus Dankbarkeit erinnern wird.«

»Oh! mein Herr!«

»Euere Bewegung, Monseigneur, zeugt von einer vortrefflichen Gemüthsbeschaffenheit. Ich danke Euch. Glaubt mir, daß ich nach mehr als Dankbarkeit trachte; ich bin überzeugt, daß Ihr, aus dem Gipfel angelangt, mich noch mehr Euer Freund zu sein würdig erachten werdet, und dann wollen wir zwei, Monseigneur, so große Dinge vollführen, daß man noch in fernen Jahrhunderten davon sprechen soll.«

»Sagt mir, mein Herr, sagt es mir unverschleiert, was ich heute bin und was ich nach Eurem Willen morgen sein soll.«

»Ihr seid der Sohn von König Ludwig XIII., Ihr seid der Bruder von König Ludwig XIV., Ihr seid der natürliche und gesetzliche Thronerbe von Frankreich. Indem er Euch bei sich behielt, wie man Monseigneur, Euren jüngeren Bruder, behalten hat, reservirte sich der König das Recht, legitimer Fürst zu sein. Nur die Aerzte und Gott allein konnten ihm die Legitimität streitig machen. Die Aerzte lieben stets mehr den König, der es ist, als den, welcher es nicht ist. Gott würde ein Unrecht begehen, wenn er einen Fürsten, der ein ehrlicher Mensch, benachtheiligte. Es war aber Gottes Wille, daß man Euch verfolgte, und diese Verfolgung salbt Euch heute zum König von Frankreich; Ihr hattet also das Recht, zu regieren, da man es Euch streitig macht; Ihr hattet also das Recht, erklärt zu werden, da man Euch heimlich aus die Seite brachte. Ihr seid also von göttlichem Blut, da man es nicht gewagt hat, Euer Blut zu vergießen, wie das Eurer Diener. Seht nur, was er für Euch gethan hat, dieser Gott, den Ihr so oft beschuldigtet, er habe Alles gegen Euch gethan. Er hat Euch die Züge, die Gestalt, das Alter und die Stimme Eures Bruders gegeben, und aus allen Ursachen Eurer Verfolgung werden Ursachen Eurer siegreichen Auferstehung werden. Morgen, übermorgen, im ersten Augenblick, werdet Ihr, das königliche Gespenst, der lebendige Schatten von Ludwig XIV., Euch aus seinen Thron setzen, von dem ihn der Wille Gottes, einen mächtigen Arme zur Vollziehung anvertraut, unwiederbringlich gestoßen haben wird.«

»Ich begreife,« sagte der Prinz, »man wird das Blut meines Bruders nicht vergießen.«

»Ihr seid allein der unumschränkte Herr seines Geschicks.«

»Das Geheimniß, das er gegen mich gemißbraucht hat . . . «

»Werdet Ihr gegen ihn gebrauchen. Was that er, um es zu verbergen? Er verbarg Euch. Ein lebendiges Ebenbild von ihm selbst, würdet Ihr das Komplott von Mazarin und Anna von Oesterreich verrathen. Ihr, mein Prinz, Ihr werdet dasselbe Interesse haben, denjenigen zu verbergen, welcher Euch als Gefangener gleichen wird, wie Ihr ihm als König gleichen werdet.«

 

»Ich komme aus das zurück, was ich Euch sagte. Wer wird ihn verwahren?«

»Wer verwahrte Euch?«

»Ihr kennt dieses Geheimniß, Ihr habt für mich davon Gebrauch gemacht. Wer kennt es noch mehr?«

»Die Königin Mutter und Frau von Chevreuse.«

»Was werden sie thun?«

»Nichts, wenn Ihr es wollt.«

»Wie so?«

»Wie werden sie Euch erkennen, wenn Ihr so handelt, daß man Euch nicht erkennt?«

»Das ist wahr. Es gibt noch ernstere Schwierigkeiten.«

»Sprecht, mein Prinz.«

»Mein Bruder ist verheirathet; ich kann nicht die Frau meines Bruders nehmen.«

»Ich werde machen, daß eine Auflösung der Ehe von Spanien bewilligt wird; das ist das Interesse Eurer neuen Politik, das ist die menschliche Moral. Alles, was es wahrhaft Edles und wahrhaft Nützliches in der Welt gibt, wird dabei seine Rechnung finden.«

»Der eingesperrte König wird sprechen?«

»Mit wem soll er sprechen? mit den Wänden?«

»Ihr nennt Wände die Menschen, zu denen Ihr Vertrauen habt.«

»Im Nothfall, ja, Eure Hoheit kann übrigens . . . «

»Uebrigens . . . «

»Ich wollte sagen, Gott bleibe bei seinen Absichten nicht auf so schönem Wege stehen. Jeder Plan von dieser Bedeutung wird vervollständigt durch die Resultate, wie eine geometrische Berechnung, Der ein, gesperrte König wird für Euch nicht die Verlegenheit sein, die Ihr für den regierenden König gewesen seid. Gott hat diese Seele stolz und ungeduldig von Natur gemacht. Er hat sie überdies verweichlicht, entwaffnet durch den Gebrauch der Ehren und die Gewohnheit der unumschränkten Gewalt. Gott, dessen Wille es war, daß das Ende der geometrischen Berechnung, von der ich mit Euch zu sprechen die Ehre hatte, Eure Thronbesteigung und die Zerstörung dessen, was Euch schädlich ist, sein sollten, hat beschlossen, daß der Besiegte bald seine Leiden mit den Eurigen endigen werde. Er hat also diese Seele und diesen Leib für die Kürze des Todeskampfes vorbereitet. In das Gefängnis gebracht, ein einfacher Privatmann mit Euren Zweifeln eingesperrt, von Allem beraubt, an ein einsames Leben gewöhnt, habt Ihr widerstanden. Doch ein vergessener, eingeschränkter Gefangener, wird Euer Bruder sein Ungemach nicht ertragen, und Gott wird seine Seele zur bestimmten Zeit, das heißt bald, zu sich nehmen.«

In diesem Augenblick der finsteren Analyse von Aramis stieß ein Nachtvogel aus dem Grunde des Gehölzes jenes lange, gedehnte Klagegeschrei aus, das jedes Geschöpf beben macht.

»Ich würde den entthronten König verbannen, das wäre menschlicher.« sagte Philipp bebend.

»Das Belieben des Königs wird diese Frage entscheiden,« erwiederte Aramis. »Habe ich das Problem nun gut gestellt? habe ich die Lösung wohl nach den Wünschen oder den Vorhersehungen Eurer Königlichen Hoheit herbeigeführt?«

»Ja, mein Herr, ja. Ihr habt nichts vergessen, wenn nicht etwa zwei Dinge.«

»Das erste?«

»Sprechen wir sogleich hiervon mit derselben Offenherzigkeit, mit der wir bei unserer Unterredung zu Werke gegangen sind; sprechen wir von den Gründen, welche die Auflösung der Hoffnungen, die wir gefaßt haben, herbeiführen können; sprechen wir von den Gefahren, die wir laufen.«

»Sie wären ungeheuer, unermeßlich, furchtbar, unübersteiglich, wenn nicht, wie gesagt, Alles dazu beitrüge, sie nichtig zu machen. Es gibt weder für Euch, noch.für mich Gefahren, wenn die Beharrlichkeit und die Unerschrockenheit Eurer Königlichen Hoheit der vollkommenen Aehnlichkeit gleichkommen, die Euch die Natur mit dem König verliehen hat. Ich wiederhole Euch, es gibt keine Gefahren, es gibt nur Hindernisse. Dieses Wort, das ich in allen Sprachen finde, habe ich immer schlecht verstanden, und wenn ich König wäre, ließe ich es als albern und unnütz ausstreichen.«

»Doch, mein Herr, es gibt ein sehr ernstes Hinderniß, es gibt eine Gefahr, die Ihr vergeßt.«

»Ah!« machte Aramis.

»Es gibt das Gewissen, welches schreit, es gibt den Gewissensbiß, welcher zerreißt.«

»Ja, es ist wahr,« sagte der Bischof; »Ihr erinnert mich daran, es gibt die Schwäche des Herzens. Oh! Ihr habt Recht, das ist ein ungeheures Hinderniß. Das Pferd, das vor dem Graben Angst hat, springt mitten hinein und tödtet sich! Der Mensch, der zitternd den Degen kreuzt, läßt der Klinge des Feindes Blößen, durch die der Tod eindringt! Es ist wahr! es ist wahr!«

»Habt Ihr einen Bruder?« fragte der junge Mann.

»Ich bin allein aus der Welt,« erwiederte Aramis mit ein er Stimme so trocken und nervig, wie der Drücker der Pistole.

»Aber Ihr liebt Jemand aus dieser Erde?« fügte Philipp bei.

»Niemand! Doch, ich liebe Euch.«

Der junge Mann versank in ein so tiefes Stillschweigen, daß das Geräusch seines eigenen Athems ein Tumult für Aramis wurde.

»Monseigneur,« sprach er, »ich habe nicht Alles gesagt, was ich Eurer Königlichen Hoheit zu sagen hatte: ich hatte meinem Fürsten nicht Alles angeboten, was ich für ihn an heilsamen Rathschlägen und nützlichen Mitteln besitze. Es handelt sich nicht darum, einen Blitz in den Augen desjenigen glänzen zu machen, der den Schatten liebt; es handelt sich nicht darum, die Herrlichkeit der Kanonen in den Ohren des sanften Menschen donnern zu lassen, der die Ruhe und die Stille des Landes liebt. Monseigneur, ich habe Euer Glück ganz bereit in meinem Geiste; ich will es von meinen Lippen fallen lassen: hebt es sorgfältig für Euch aus, der Ihr den Himmel, die grünen Wiesen und die reine Lust so sehr geliebt habt. Ich kenne ein Land der Wonne, ein unbekanntes Paradies, einen Winkel der Erde, wo Ihr allein, frei, fremd, in den Blumen, im Walde, im lebendigen Wasser, Alles vergessen werdet, was Euch die menschliche Thorheit, die Versucherin Gottes, so eben an Erbärmlichkeiten vorgeschwatzt hat. Oh! höret mich an, mein Prinz, ich spotte nicht! Seht Ihr, ich habe eine Seele, und ich errathe den Abgrund der Eurigen. Ich werde Euch nicht unvollständig nehmen, um Euch in den Schmelztiegel meines Willens, meiner Laune oder meines Ehrgeizes zu werfen. Alles oder nichts. Ihr seid wund gerieben, krank, beinahe ausgelöscht durch den Zuwachs an Athem, den Ihr seit einer Stunde der Freiheit geben mußtet. Das ist für mich ein sicheres Zeichen, daß Ihr nicht werdet fortwährend weit, lang athmen wollen. Halten wir uns daher an ein geringfügigeres, mehr unseren Kräften angemessenes Leben. Gott ist mein Zeuge, ich rufe seine Allmacht zur Zeugin an, daß ich Euer Glück aus der Prüfung will hervorgehen lassen, in die ich Euch versetzt habe.«

»Sprecht, sprecht,« sagte der Prinz mit einer Lebhaftigkeit, welche Aramis, nachdenken machte.

»Ich kenne,« fuhr Aramis fort, »in Nieder-Poitou einen Kanton, von dessen Dasein in Frankreich Niemand eine Ahnung hat. Zwanzig Meilen Landes, nicht wahr, das ist ungeheuer? Zwanzig Meilen, Monseigneur, und alle bedeckt mit Wasser, mit Gras und Binsen, Alles vermischt mit waldbewachsenen Inseln. Diese großen Teiche, bekleidet mit buschigem Schilfrohr, schlummern stille und tief unter dem Lächeln der Sonne. Einige Fischerfamilien durchmessen sie träge mit ihren großen Flößen von Pappeln und Weiden, deren Boden von einem Schilfbette, deren Dach von kräftigen Binsen gemacht ist. Diese Barken, diese schwimmenden Häuser gehen aus gut Glück unter dem Hauche des Windes. Berühren sie zufällig ein User, so geschieht es so sanft, daß der schlafende Fischer nicht durch den Stoß erweckt wird. Hat er landen wollen, so geschah dies, weil er lange Schwärme von Rallen oder von Kibitzen, von Enten oder von Brachvögeln, von Kriechenten oder von Becassinen gesehen hat, woraus er seine Beute mit der Falle oder mit dem Blei der Muskete macht.

»Die silbernen Elsen, die ungeheuren Aale die nervigen Hechte, die grau- und rosenfarbenen Barse fallen in Massen in seine Netze. Er braucht nur die größten Stücke zu wählen und das Uebrige zurückzulassen. Nie ist ein Mensch der Städte, nie ist ein Soldat, nie ist Jemand in diese Gegend gedrungen. Die Sonne ist hier mild. Gewisse Erdstrecken sind der Weinrebe günstig und nähren mit einem edlen Saft ihre schönen schwarzen und weißen Trauben. Einmal in der Woche holt eine Barke aus dem gemeinschaftlichen Ofen das warme gelbe Brod, dessen Duft von fern anlockt und reizt. Dort werdet Ihr leben wie ein Mensch der alten Zeiten. Ein mächtiger Gebieter Eurer Pudelhunde, Eurer Leinen, Eurer Flinten und Eures schönen Hauses von Schilfrohr, lebt Ihr dort im Reichthum der Jagd, in der Fülle der Sicherheit: Ihr bringt so Jahre hin, an deren Ende Ihr, unkenntlich, verwandelt, Gott genöthigt haben werdet, Euch abermals ein Schicksal zu machen. Es sind tausend Pistolen in diesem Sack, Monseigneur, das ist mehr, als Ihr braucht, um das ganze Moor zu kaufen, von dem ich gesprochen habe; es ist mehr, als Ihr brauchtet, um so viele Jahre zu leben, als Ihr Tage zu leben haben werdet; es ist mehr, als Ihr braucht, um der Reichste, der Freiste, der Glücklichste der Gegend zu sein. Nehmt es an, wie ich es Euch biete, aufrichtig, freundlich. Sogleich spannen wir vor den Wagen hier zwei Pferde; dieser Stumme, mein Diener, wird Euch, in der Nacht marschirend, bei Tage ruhend, bis in die Gegend führen, von der ich spreche, und es wird mir wenigstens die Befriedigung zu Theil werden, daß ich mir sagen kann, ich habe meinem Prinzen den Dienst geleistet, den er gewählt. Ich werde einen Menschen glücklich gemacht haben. Gott wird mir mehr Dank dafür wissen, als wenn ich einen Menschen, mächtig gemacht hätte. Das ist viel schwieriger. Nun, was antwortet Ihr mir, Monseigneur? Hier ist das Geld. Oh! zögert nicht. Im Poitou wagt Ihr nichts, außer etwa, das Fieber zu bekommen. Dabei werden Euch die Zauberer des Landes für Eure Pistolen heilen können. Spielt Ihr die andere Partie, die bewußte, so setzt Ihr Euch der Gefahr aus, auf einem Throne erdolcht oder in einem Gefängnis erdrosselt zu werden. Bei meiner Seele, ich sage es, nun, da ich beide abgewogen habe, bei meinem Leben, ich würde nicht zögern.«

»Mein Herr,« erwiederte der junge Prinz, »ehe ich mich entschließe, laßt mich aus diesem Wagen steigen, aus der Erde gehen und die Stimme um Rath fragen, welche Gott in der freien Natur sprechen macht. Zehn Minuten, und ich werde antworten.«

»Thut es, Monseigneur sagte Aramis, indem er sich voll Ehrerbietung verbeugte, so feierlich und erhaben war die Stimme gewesen, die sich so ausgedrückt hatte.

XI.
Krone und Tiare

Aramis war vor dem jungen Mann ausgestiegen und hielt ihm den Kutschenschlag offen. Er sah ihn den Fuß aus das Moos mit einem Zittern seines ganzen Körpers setzen und einige zaghafte, beinahe wankende Schritte um den Wagen machen. Es hatte das Aussehen, als wäre der junge Gefangene nicht daran gewöhnt, aus der Erde der Menschen zu gehen.

Es ereignete sich dies am 15. August gegen elf Uhr Abends; große Wolken, die einen Sturm weissagten, hatten den Himmel überzogen und raubten unter ihren Falten alles Licht und alle Perspective. Kaum hoben sich die Enden der Alleen vom Baumwerk durch einen Halbschatten von einem undurchsichtigen Grau ab, das, nachdem man eine Zeit lang geprüft hatte, mitten in dieser völligen Dunkelheit fühlbar wurde. Aber die Düfte, welche vom Grase ausstiegen, der noch viel schärfere und frischere Geruch, den die Eichen ausströmen, die laue Atmosphäre, die ihn zum ersten Mal ganz nach so vielen Jahren umgab, der unbeschreibliche Genuß der Freiheit in Gottes Natur sprachen eine für den Prinzen so verführerische Sprache, daß er, so groß auch die Zurückhaltung, wir möchten sagen, die Verstellung war., von der wir einen Begriff zu geben versucht haben, sich bei seiner Gemüthsbewegung ertappen ließ und einen Seufzer der Freude von sich gab.

Allmälig erhob er seinen beschwerten Kopf und athmete die verschiedenen Lustschichten ein, wie sie sich, mit Aromen beladen, seinem aufblühenden Gesichte boten. Seine Arme über seiner Brust kreuzend, als wollte er diese verhindern, beim Einbruch dieser neuen Glückseligkeit zu zerspringen, zog er voll Wonne die unbekannte Lust ein, welche bei Nacht unter dem Dome der Hochwaldungen hinströmt. Der Himmel, den er betrachtete, das Wasser, das er rauschen hörte, die Geschöpfe, die er sich bewegen sah, war das nicht die Wirklichkeit? War Aramis nicht verrückt, daß er glaubte, es gebe in dieser Welt etwas Anderes zu träumen?

Diese Gemälde des von Sorgen, Befürchtungen und Belästigungen freien Landlebens, dieser Ocean glücklicher Tage, der beständig vor jeder jungen Einbildungskraft spiegelt, das war der wahre Köder, an dem man einen unglücklichen, durch die Kerkermauern abgenutzten, in der so spärlichen Luft der Bastille welk gewordenen Gefangenen wird festnehmen können. Es war der, welchen ihm Aramis dargereicht hatte, wie man sich erinnert, als er ihm die im Wagen enthaltenen tausend, Pistolen und das zauberhafte Eden bot, welches vor den Augen der Welt die Einöden von Nieder-Poitou verbargen.

 

Dies waren die Betrachtungen von Aramis, während er mit einer nicht zu beschreibenden Angst den schweigsamen Gang der Freud, von Philipp verfolgte, den er sich stufenweise in die Tiefen seines Nachsinnens sich versenken sah.

Ganz seinen Gedanken hingegeben, berührte der junge Prinz in der That die Erde nur noch mit den Füßen, und zum Throne Gottes entflogen, flehte ihn seine Seele an, einen Lichtstrahl diesem Zögern zu schicken, aus dem sein Leben oder sein Tod hervorgehen mußte.

Dieser Augenblick war furchtbar für den Bischof von Vannes. Er hatte sich noch nie einem so großen Unglück gegenüber befunden. Gewohnt, im Leben unter Hindernissen ohne Haltbarkeit zu spielen, sollte diese stählerne Seele, die sich nie untergeordnet oder besiegt gesunden, bei einem so weit umfassenden Plane scheitern, weil sie den Einfluß nicht vorhergesehen hatte, den aus einen menschlichen Körper einige Baumblätter, besprengt mit ein paar Litres Wasser übten.

An dieselbe Stelle durch die Bangigkeit seines Zweifels gefesselt, betrachtete Aramis also die schmerzliche Agonie von Philipp, der den Kampf gegen die zwei geheimnißvollen Engel aushielt. Diese Folter dauerte die zehn Minuten, die der junge Mann verlangt hatte. Während dieser Ewigkeit schaute Philipp unablässig den Himmel mit einem flehenden, traurigen, feuchten Auge an. Aramis schaute unablässig Philipp mit einem gierigen, entflammten, verzehrenden Auge an.

Plötzlich neigte sich der Kopf des jungen Mannes. Sein Gedanke stieg wieder zur Erde herab. Man sah seinen Blick sich verhärten, seine Stirne sich falten, seinen Mund sich zu einer wilden Zuckung waffnen; dann wurde sein Blick abermals starr, doch diesmal war es ein Widerschein der Flamme der weltlichen Herrlichkeiten; diesmal glich er einem Blicke von Satan auf dem Berge, als er die Königreiche und Mächte der Erde als Verführungsmittel für Jesus vorüberziehen ließ.

Das Auge von Aramis wurde wieder so mild, als es düster gewesen war. Da faßte ihn Philipp mit einer raschen nervigen Bewegung bei der Hand und rief:

»Auf, gehen wir dahin, wo man die Krone von Frankreich findet.«

»Ist das Eure Entscheidung, mein König?«

»Es ist meine Entscheidung?«

»Unwiderruflich!«

Philipp antwortete nicht einmal. Er schaute den Bischof fest an, als wollte er ihn fragen, ob es möglich sei, daß ein Mensch von einem gefaßten Entschluß abgehe.

»Diese Blicke sind Feuerzüge, welche die Charaktere malen,« sagte Aramis, indem er sich aus die Hand von Philipp neigte, »Ihr werdet groß sein, dafür flehe ich Euch.«

»Nehmen wir, wenn es Euch beliebt, das Gespräch da wieder aus, wo wir es gelassen haben. Ich sagte Euch, glaube ich, ich wolle mich mit Euch über zwei Punkte verständigen: die Gefahren oder die Hindernisse. Dieser Punkt ist entschieden, die andern sind die Bedingungen, die, Ihr mir stellen würdet. Die Reihe, zu sprechen, ist an Euch, Herr d’Herblay.«

»Die Bedingungen, mein Prinz?«

»Allerdings. Ihr werdet mich wegen einer solchen Bagatelle nicht unter Weges aushalten, und Ihr werdet mir auch nicht die Beleidigung anthun, anzunehmen, ich glaube, Ihr seid ohne Interesse bei dieser Sache. Ohne Umschweife und ohne Furcht also, öffnet mir den Grund Eures Gedankens.«

»Ich thue es, Monseigneur, seid Ihr einmal König . . . «

»Wann wird das der Fall sein?«

»Morgen am Abend. Ich will sagen in der Nacht.«

»Erklärt mir, wie?«

»Wenn ich eine Frage an Eure Königliche Hoheit gemacht haben werde.«

»Thut es.«

»Ich habe an Eure Hoheit einen mir ergebenen Mann geschickt, der beauftragt war, ihr ein Heft fein geschriebener, mit Sicherheit abgefaßter Noten zu übergeben, welche Eure Hoheit gründlich alle Personen, die ihren Hof bilden, kennen zu lernen gestatten.«

»Ich habe alle diese Noten gelesen.«

»Aufmerksam?«

»Ich weiß sie auswendig.«

»Und begriffen? Verzeiht, ich darf das den armen Verlassenen der Bastille fragen. Es versteht sich von selbst, daß ich in acht Tagen einen Geist, wie der Eurige, der seine Freiheit in seiner Allmacht genießt, nichts mehr zu fragen haben werde.«

»Befragt mich; ich will der Schüler sein, den der gelehrte Meister die verabredete Lection wiederholen läßt.«

»Zuerst von Eurer Familie.«

»Meine Mutter Anna von Oesterreich? All ihren Kummer, ihre traurige Krankheit! Oh! ich kenne sie, ich kenne sie, ich kenne sie.«

»Euer zweiter Bruder?« sagte Aramis, sich verbeugend.

»Ihr habt diesen Noten so wunderbar entworfene, gezeichnete und gemalte Portraits beigefügt, daß ich durch diese Portraits die Leute erkannte, deren Charaktere, Sitten und Geschichte Eure Noten bezeichneten. Monsieur, mein Bruder, ist ein schöner Mann mit braunen Haaren und bleichem Gesicht; er liebt seine Frau Henriette nicht, die ich, ich Ludwig XIV.. ein wenig geliebt, die ich noch aus eine coquette Weise liebe, obgleich sie mich so viel an dem Tage weinen machte, wo sie Fräulein de la Vallière wegjagen wollte.«

»Ihr werdet Euch vor den Augen von dieser in Acht nehmen,« sagte Aramis. »Sie liebt den gegenwärtigen König aufrichtig, und man täuscht schwer die Augen einer Frau, welche liebt.«

»Sie ist blond, sie hat blaue Augen, deren Zärtlichkeit mir ihre Identität offenbaren wird. Sie hinkt ein wenig, sie schreibt jeden Tag einen Brief, den ich durch Herrn von Saint-Aignan beantworten lasse.«

»Kennt Ihr diesen?«

»Als sähe ich ihn vor mir, und ich weiß die letzten Verse, die er mir gemacht hat, wie die, welche ich in Erwiederung der seinigen gedichtet habe.«

»Sehr gut. Kennt Ihr Eure Minister?«

»Colbert, ein häßliches, düsteres, aber verständiges Gesicht: Habe, die seine Stirne bedecken, großer, voller, plumper Kopf; Todfeind von Herrn Fouquet.«

»Um diesen bekümmert Euch nicht.«

»Nein, weil Ihr nothwendig von mir verlangen werdet, daß ich ihn verbanne, nicht wahr?«

Von Bewunderung durchdrungen, erwiederte Aramis nur:

»Monseigneur, Ihr werdet sehr groß sein.«

»Ihr seht,« fügte der Prinz bei, »ich weiß meine Lection vortrefflich, und mit Gottes Hilfe und mit der Eurigen werde ich mich nie täuschen.«

»Ihr habt noch ein paar sehr lästige Augen, Monseigneur.«

»Ja, der Kapitän der Musketiere, Herr d’Artagnan, Euer Freund.«

»Mein Freund, ich muß es sagen.«

»Derjenige, welcher la Vallière nach Chaillot begleitet, derjenige, welcher Monk in einer Kiste Karl II. überliefert, derjenige, welcher meiner Mutter so gut gedient hat, derjenige, welchem die Krone Frankreichs so viel, welchem sie Alles schuldig ist. Werdet Ihr auch von mir verlangen, daß ich diesen verbanne?«

»Nie, Sire. D’Artagnan ist ein Mann, dem ich im gegebenen Augenblick Alles zu sagen gedenke; doch mißtraut ihm; denn wenn er uns vor dieser Offenbarung auf die Fährte kommt, werdet Ihr oder ich festgenommen oder getödtet werden. Es ist ein handfester Mann.«

»Ich werde aus der Hut sein. Doch sprecht von Herrn Fouquet. Was wollt Ihr mit ihm machen?«

»Ich bitte, noch einen Augenblick Geduld, Monseigneur. Verzeiht, wenn ich dadurch, daß ich Euch fortwährend befrage, mich gegen die Achtung zu verfehlen scheine.«

»Es ist Eure Pflicht, dies zu thun, und es ist auch noch Euer Recht.«

»Ehe wir zu Herrn Fouquet übergehen, würde ich Bedenken tragen, einen andern Freund von mir zu vergessen.«

»Herrn du Vallon, den Hercules von Frankreich. Was diesen betrifft, so ist sein Glück gesichert.«

»Nein, ich wollte nicht von ihm sprechen.«

»Vom Grafen de la Fère also?«

»Und von seinem Sohne, dem Sohne von uns Vieren.«

»Dieser Junge, der aus Liebe für la Vallière stirbt, dem sie mein Bruder aus eine so unredliche Art genommen hat? Seid unbesorgt, ich werde sie ihm wieder verschaffen. Sagt mir Eines, Herr d’Herblay: vergißt man die Beleidigungen, wenn man liebt? Verzeiht man der Frau, welche verrathen hat? Ist dies einer der Gebräuche des französischen Geistes? Ist es eines der Gesetze des menschlichen Herzens?«

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