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Abenteuer und Drangsale eines Schauspielers

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XIV

Der Kapitän Chamblon. – Herr Gustave in seinem Matratzenrahmen. – Die heilige Cäcilie. – Dialog zwischen zwei Schiffen. – Die Enten und die Cocarden.– Ein Penaud. – Nutzen des Dictionnaire de l’Académie. – Der Second macht einen Penaud oder Pennon. – Gustave schnitzt ein altes Männchen. – Völlige Meeresstille. – Das Männchen der See. – Guadeloupe. – Das Wörterbuch von Bescherelle. —

Dieser Verzug von einem Monat hatte Jedermann und besonders den Kapiteln Chamblon in schlechte Laune versetzt.

Der Kapitän Chamblon war ein Mann von vierzig bis fünfundvierzig Jahren, groß, kalt, trocken, ernst und sogar traurig von Gesicht.

Er war Ritter der Ehrenlegion und hatte sich sein Kreuz auf einem Kriegsschiffe verdient.

Der Wind war übrigens gut: dieser, so lange man sich in den Gewässern des Canals befand, conträrer Wind wurde vortrefflich, sobald man das Cap Finisterre umsegelt hatte.

Troß dieses günstigen Wetters rührte sich Herr Gustave nicht aus seinem Matratzenrahmen, wo er sich damit beschäftigte, daß er, um uns eines Marineausdruckes zu bedienen, seine Hemden zählte.

Nach einer Fahrt von sechs bis acht Tagen näherte sich der Direktor, der in seiner Eigenschaft als patentirter Reisender den Fuß des Seemanns hatte, seinem Pensionär und sagte, indem er eine bewunderungswürdige Baßstimme ertönen ließ:

»He! Meister Gustave!«

»Herr Marest!« erwiederte Gustave mit kläglichem Tone.

»Sind Sie da?«

»Bei Gott! ich glaube wohl, daß ich da bin.«

Und er versuchte es, den Kopf aufzurichten.

»Gut! ich sehe Sie, das genügt. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß übermorgen das Fest der heiligen Cäcilie ist.«

»Nun?« «

»Nun, wir müssen der armen Heiligen etwas zu singen suchen.«

»Ah! Herr Marest, rollt das Schiff so fort, wie es in diesem Augenblicke thut, so erkläre ich Ihnen, daß ich meinen Rahmen nicht verlasse.«

»Seien Sie unbesorgt. wir werden ein herrliches Wetter haben. Ich habe das mit dem Regisseur angeordnet.«

Am zweiten Tage nachher, als man vor Madeira kam, legte sich in der That der Wind.

In zwei bis drei Stunden bot die See den Anblick eines ungeheuren Spiegels.

Gegen fünf Uhr Abends deckte man unter einem Azurhimmel und im Angesichte von Madeira den Tisch.

Der Kapitän bot den Passagieren ein außerordentliches Mahl, geschmückt mit Bordeaux und emaillirt mit Champagner.

Der Regisseur hatte Wort gehalten, das Wetter war herrlich, und das Schiff machte nicht die geringste Bewegung.

Nach beendigtem Mahle stieg Jedermann auf das Verdeck.

Das war einer von den wunderbaren Abenden, wie sie vom Himmel auf den Lago maggiore, auf die Meere Siciliens und auf jene riesigen Blumenkörbe fallen, die man die Inseln Oceaniens nennt.

Beim Anblicke dieser balsamischen Inseln, dieses funkelnden Meeres, dieses tiefen Azurs des spanischen Himmels, dachte Niemand mehr an das schlechte Wetter des vorhergehenden Tags, und alle Musiker begannen mit demselben Ensemble, als ob sie im Orchester gewesen waren.

Zu gleicher Zeit stimmte die ganze Truppe den Chor aus der Weißen Dame an:

»Beim Klange, beim Klange der Schalmei’n . . .«

Man sang und accompaguirte mit ebenso großer Begeisterung, als ob man ein Publikum gehabt hätte.

Eine englische Brigg hatte sich auf drei bis vier Kabellängen genähert, und ihr mit Zuschauern besetztes Verdeck klatschte diesem improvisirten Concert Beifall.

Als die Chöre aus der Weißen Dame aufgehört hatten, fing an Bord des englischen Schiffes ein mit seltener Vollendung ausgeführtes Hornduett an.

Es war nun an der Indrustrie zu applaudiren.

Dann begann der Dialog zwischen den zwei Schiffen: sie waren so nahe beisammen, daß man von einem Bord zum andern plaudern konnte.

»Sie haben also ein ganzes Orchester an Bord?« fragte die Brigg.

Ich glaube wohl, wir gehen nach Guadeloupe mit einer Opernntruppe,« antwortete die Industrie; »und Sie?«

»Wir, wir haben zwei Künstler, welche nach New-York gehen, um sich dort hören zu lassen.«

»Ah! bravo!«

Und man machte sich Complimente über Bord.

Sodann gaben die Musiker der Industrie zum zweiten Mal das Zeichen zum Singen, und man stimmte den Chor aus Joseph an:

»Gott Israels! . . .«

Das englische Schiff antwortete seinerseits durch ein zweites Concerto.

Und das dauerte einen Theil der Nacht so fort, eine heitere, balsamische, harmonische Nacht, welche bei Allen, die dabei waren, im Andenken blieb.

Endlich spielten die französischen Musiker die Melodie von Vive Henri IV.; die englischen Musiker antworteten durch das God save the King. Man sagte sich guten Abend, man wünschte sich eine gute Nacht, Jeder stieg, langsam, mit Bedauern, hinab, um wieder seinen Platz in seinem Rahmen einzunehmen, und es blieb Niemand auf dem Verdeck, als der Untersteuermann, der mit dem Auge seinen Compaß nicht verließ, und der Kapiteln Chamblon, der über das Hintertheil geneigt, mit dem Blicke dem Sog des Schiffes folgte, das ein Feuermeer zu durchschneiden schien.

Als am andern Morgen die Passagiere wieder auf das Verdeck kamen, erblickte man das englische Schiff, das ein besserer Segler war, als die Industrie, nur noch als einen weißen Punkt, welcher einer mit ausgebreiteten Flügeln über die Wogen am Horizont hinstreifenden Möve glich.

Nach zwei bis drei Tagen hatte man zu viel an der Windstille, nach der man sich so sehr gesehnt; man machte nur noch zehn Meilen in vierundzwanzig Stunden; der Kapitän Chamblon besonders zeigte unablässig eine schlimme Laune.

Der Kapitän Chamblon glich Herrn Jean: man hatte vergessen, ihn das Lachen zu lehren, als er jung war.

Nur war Herr Jean ernst, aber ruhig.

Der Kapitän Chamblon trat nur aus seiner Schweigsamkeit heraus, um zu der heftigsten inneren Aufregung überzugehen.

Die einzigen Augenblicke, in denen er eine schwache Empfindung des Wohlbehagens zu haben schien, waren die, wo er, wie wir vorhin sagten über den Sog des Schiffes geneigt, mit dem Blicke die ungeheuren Abgrunde des Meeres zu messen schien.

Man fühlte, daß im Grunde des Herzens von diesem Manne entweder ein tiefer Kummer, oder ein entsetzlicher Gedanke war.

Vielleicht Beides.

Diese Windstille reizte ihn im höchsten Grade.

Diese Windstille ergötzte im Gegentheil Gustave ungemein, weil sie ihm auf dem Verdecke umherzuspazieren und als Maler die herrlichen Sonnenuntergänge des Aequators zu studiren erlaubte.

Eines Tags erging sich Herr Gustave auf dem Verdeck mit den anderen Passagieren, die sich damit unterhielten, daß Sie den Enten Cocarden anhingen. . .Ah! verzeihen Sie, meine Leser, haben Sie nicht lange Seefahrten gemacht, so müssen Sie durchaus nichts von dem, was diese Unterhaltung ist, wissen.

Wir wollen es ihnen sagen.

Man macht eine Cocarde von weißem, blauem, gelbem, rothem oder grünem Papier, die Farbe ist gleichgültig, – von einem bis drei Zoll im Durchmesser; die Größe wie die Farbe hängen durchaus vom Geschmacke des Cocardenmachers ab.

Man befestigt am Mittelpunkte der Cocarde ein Fadenende.

Außen an diesem Faden bindet man ein Stück Brod.

Man wirft das Ganze der Ente zu.

Die Ende zieht natürlich das Brod der Cocarde vor, und mit ihrer gewöhnlichen Gefräßigkeit verschluckt sie das Brod; der Faden folgt dem Brode, die Cocarde folgt dem Faden.

Am Ende des Schnabels vom Thiere angelangt, zögert sie ein wenig; dann entscheidet sie sich für die Rechte oder die Linke, und sie klebt sich am Ende von einem oder dem andern Auge an; was der Ente ein groteskes Aussehen verleiht und die Zuschauer lachen macht.

Das würde Sie nicht lachen machen, antworten Sie verächtlich. Schwimmen Sie vierzehn Tage auf offener See; sehen Sie vierzehn Tage nichts Anderes als den Himmel und das Wasser, am Himmel nichts als Albatros und Tropikvögel, im Meere nur Boniten und Goldbrassen, zwischen dem Himmel und dem Meere nur fliegende Fische, und ich versichere Sie, daß Sie, um zu lachen, durchaus nicht mehr Ravel, Arnal oder Grassot brauchen, wenn sie ein Stück von meinen guten und witzigen Collegen Duvert und Lauzanne spielen.

Alle Welt lachte also, da man auf dem Verdecke ernst ein Dutzend Enten umherspazieren sah, von denen jede am Schlafe eine Cocarde von verschiedener Farbe und Größe hatte, als man die Stimme des Kapitäns hörte, der zum Second sagte:

»Mein Herr, machen Sie einen Penaud, daß wir wenigstens sehen, von welcher Seite der Wind kommt.«

Die Passagiere schauten einander an und fragten sich leise: »Was ist denn ein Penaud?«

Niemand wußte es

Einer derselben hatte ein Dictionnaire de l’Academie. Er ging in seine Cajüte hinab und suchte Penaud.

Er fand:

PENAUD, AUDE, adj. qui est embarrassé, honteux, interdit, Quand on lui dit cela, il demeura très penaud; ellefutbien penaude. Il n’est d’usage que daus le style familier. 9

Der Passagier stieg wieder mit seinem bei der Seite 262 offenen Dictionnaire herauf und zeigte das Wort seinen Gefährten

Man kam überein, daß es das nicht sein könne.

Man näherte sich dem Second, der dem Kapitän sogleich zu gehorchen sich anschickte.

Er verfuhr also:

Er hatte einen Pfropf von einer Flasche Bordeaux genommen, den längsten, den er hatte finden können, er hatte ihn an einem von seinen Enden spitzig geschnitten und das andere Ende in seiner ganzen Dicke gelassen.

 

Dann hatte er den Pfropf in zwanzig eine Linie dicke runde Scheiben geschnitten.

Jede von diesen Scheiben verminderte sich, sowie sie sich dem spitzig geschnittenen Ende näherte.

Die größte hatte die Breite eines Zwanzig-Sous-Stückes, die kleinste war nicht breiter als eine Linse.

Hieran fand sich fortwährend nicht die geringste Beziehung zu der vom Dictionnaire de l’Academie gegebenen Definition.

Die Neugierde war nichtsdestoweniger im höchsten Grade gespannt.

«Mein Herr,« fragte schüchtern der Eigenthümer des Dictionnaire de l’Academie indem er sich an den Second wandte, »nennt man wirtlich Penaud den Gegenstand, den Sie in diesem Augenblick auf Befehl des Kapitäns verfertigen?«

»Penaud oder Pennon. ich weißes nicht; doch ich glaube Pennon, obgleich wir Seeleute gewöhnlich Penaud sagen.«

Das Blatt umwendend fand er auf der ersten Colonne der S. 265:

PENNON, s. m. C’était autrefois une sortede bannière ou d’étendard à longue queue, qu’un chevalier, qui aveit vingt hommes d’armes sous lui était en droit de porter.10

Der Herr mit dem Dictionnaire drehte sich gegen den Second. um zu sehen, ob der fragliche Gegenstand die Form einer Fahne oder einer Standarte mit langem Schweife annahm, und er bemerkte, wie der Second zwischen seinen Knieen eine Henne hielt, die ihm ein Schiffsjunge gebracht hatte, und aus dem Bauche dieser Henne die feinsten und goldensten Federn rupfte.

Als er sodann eine hinreichende Quantität Federn zu haben glaubte, gab der Second dem Schiffsjungen, um sie wieder in den Käfich zu tragen, die Henne zurück, welche während der Operation viel geschrieen hatte.

»Das kann es auch nicht sein,« sagten Einer nach dem Andern die um den Second im Kreise umherstehenden Passagiere, indem sie das Dictionnaire de l’Academie von Hand zu Hand reichten.

»Meine Herren,« sprach der Eigenthümer des kostbaren Buches, »das Dictionnaire de l’Academie ist aber das Gesetz und die Propheten.«

Und je ernster die Sache wurde, desto mehr nahm die Aufmerksamkeit zu.

Nachdem die Scheiben vom Pfropfe geschnitten und die Federn der Henne ausgerupft waren, zog der Second einen Faden, an dessen Ende er einen Knoten gemacht hatte, in die kleinste von den Scheiben, die er bis an den Knoten vordrückte, dann durch die zweite, die er bis auf einen Zoll von der ersten vorschob dann durch die dritte, welche bis auf achtzehn Linien von der zweiten geschoben wurde, und so fort, indem er eine immer größere Entfernung beobachtete, sowie die Scheiben größer wurden.

Dann steckte er im Umkreise der Scheiben mit ihrer unbiegsameren Seite die Federn der Henne so hinein, daß diese Federn die Strahlung von einer Art von Sonne bildeten, deren solider Theil die Scheibe war.

Der Verfertiger des Penaud, wie sich dies von selbst versteht, assortirte die Größe der Federn nach der Größe der Scheiben.

Die großen Federn an die großen Scheiben die kleinen an die kleinen.

Hierauf band er die Schnur oder vielmehr den Faden an einen anderthalb Fuß langen Stock, den er in die Wand des Schiffes steckte.

Der geringste Wind genügte, um diese Scheiben von Kork und Federn aufzuheben und folglich anzuzeigen. von welcher Seite er blies.

»Bravo,« sagte der Kapitän, »wir werden wenigstens fortan wissen, woran wir uns zu halten haben.«

Gustave hatte bemerkt, welches Gewicht der Kapitän auf seine Wetterfahne legte, und er war entschlossen, ihm eine Ueberraschung zu bereiten.

Er fing damit an, daß er sich ein schönes achtzehn Zoll langes Stück Heiligenholz verschaffte.

Am oberen Theile schnitzte er sodann ein sechs bis acht Zoll hohes altes Männchen

Diesem Männchen fügte er einen beweglichen Arm von Fichtenholz, dem leichtesten von allen hölzern, bei, den er in den Farben des Heiligenholzes anmalte.

Der Rest des Holzstückes war eine Art von Trajanssäule, auf dem das Männchen stand.

An dem Tage, wo das Männchen und seine Säule geschnitzt waren, warf er sodann den Stock des Pennon ins Meer, pflanzte das Männchen und seine Säule an den Platz des Pennon. und befestigte an der beweglichen Hand des Männchens den Faden mit den befiederten Korkscheiben.

Beim geringsten Winde flatterten die Scheiben, nicht aufgehoben durch die Hand des Männchens, sondern im Gegentheil dieses aufhebend.

Bei diesem Anblick klärte sich das Gesicht des Kapitäns durch ein Lächeln auf: das war das erste, das man über sein Gesicht schweben sah.

Doch diese Zufriedenheit war nicht von langer Dauer. Schon an demselben Tage legte sich der Wind dergestalt, daß der Pennon, nachdem er gezeigt hatte, was er beim geringsten Hauche zu thun fähig war, unbeweglich blieb.

Das Meer von Aulis zeigte sich nicht träger unter den Galeeren der Griechen, als es das Atlantische Meer unter dem Kiele der Industrie war.

Der Kapitän Chamblon war sehr abergläubisch. Als er diese völlige Meeresstille sah bildete er sich ein, es sei das Männchen von Gustave, was dem Schiffe Unglück bringe.

Er ging auch nicht mehr an dem Männchen vorüber, ohne eine Drohung oder ein grobes Wort an dasselbe zu richten.

Endlich, in einer Nacht, nahm er in seiner Ungeduld die Säule, das Männchen, die befiederten Scheiben, und warf das Ganze ins Meer.

Eine Stunde nachher brach ein furchtbarer Wind los und das Schiff machte, obgleich es alle Segel eingenommen hatte, acht Knöpfe in der Stunde.

Herr Gustave, der im Glauben an die Windstille schlief, erwachte plötzlich, in seiner Schublade geschüttelt, wie eine alte Mandel in ihrer Schale.

Sein erster Ruf war:

»Thee!«

Obgleich der Kapitän gewöhnlich alle diese Schreier von Passagieren zum Teufel wünschte, hatte er doch seiner Talente wegen Herrn Gustave dem Schiffsjungen besonders empfohlen.

Der Schiffsjunge kam mit dem chinesischen Tranke.

»Ah! Ah!« sagte er, »wir brauchen also den armen Gringalet?«

Herr Gustave hatte so den Schiffsjungen zum Andenken an den bekannten Gringalet von Caen getauft.

»Ah! mein armer Freund, mein lieber Gringalet, was gibt es denn?«

»Der Kapitän hat Ihren verdammten Penaud, der die Industrie verhext hatte, ins Meer geworfen, so daß wir nun drei, Meilen in der Stunde machen.

Der heftige Wind dauerte vierzehn Tage und hätte beinahe das Schiff auf das Ufer des Senegal geworfen.

Das Wetter war so schlecht, daß man nicht einmal daran dachte, die Taufe des guten Tropenmannes zu vollziehen.

Am sechzehnten Tage endlich trat ein Augenblick der Ruhe ein. Madame Dupuis. die Frau des Baritons, benützte dies, um niederzukommen.

Ihr Mann war die Hebamme; der Kapitän der Beamte vom Civilstande; der Director der Truppe der Pathe und die erste Sängerin die Pathin.

Von der Niederkunft von Madame Dupuis an hatte man schönes Wetter.

Am fünfundvierzigsten Tage nach der Abfahrt von Havre rief der Matrose, der die Wache auf der Bramstenge hatte: »Land!«

Dieses Land war Guadeloupe.

»Verdammter Penaud!« sagte der Kapitän; »und wenn man bedenkt, daß wir, wenn ich ihn nicht ins Meer geworfen hätte, noch auf der Höhe des Caps Bogador wären!«

»Gleichviel, Kapitän,« versetzte Herr Gustave, »in Zukunft werde ich Ihnen etwas Anderes als Schnitzwerk machen. Mein armes Männchen, an dem ich drei Tage gearbeitet und zwei Federmesserklingen abgebrochen habe!«

»Gut! Herr Gustave,« flüsterte diesem Gringalet zu, »der Kapitän lügt: er hat nur den Faden und die Korkscheiben ins Meer geworfen; das Männchen habe ich gestern noch in der Schublade seiner Commode gesehen, und wenn Sie wollen, zeige ich es Ihnen.«

Herr Gustave gab Gringalet einen kleinen Thaler: die Ehre war unverletzt.

Der Passagier mit dem Dictionnaire kam erst im Jahre 1838 oder 1839 in dem Augenblick, wo das Wörterbuch von Bescherelle veröffentlicht wurde, nach Frankreich zurück.

Als er erfuhr, es sei ein neues Dictionnaire erschienen, ging er zum Herausgeber und bat um die Erlaubniß, es durchblättern zu dürfen. Diese Erlaubniß wurde ihm bewilligt.

Er suchte das Wort, das ihn seit zehn Jahren beschäftigte, und fand folgende Definition für Pennon:

»Ehe Art von Wetterfahne, bestehend aus einem Stocke, an dessen oberem Theile ein Faden befestigt ist, an welchem man in gewissen Entfernungen Korkscheiben mit darein gesteckten Federn angebracht hat, um die Richtung des Windes zu erkennen.«

»Ah!« rief er, »das ist ein Mann, der allein mehr weiß als vierzig Akademiker.«

XV

Ankunft. – Herr Gustave im Kaffeehaus. – Gespräch mit einem Creolen. – Gustave der Negerfreund erhält eine Warnung. – Der gute Gendarme. – Gustave im Costume von Adam nach seinem Falle. – Der Kapitän Chamblon läßt sich ins Meer gleiten. – Seine Leichenrede. —

Dieses Land war, wie gesagt, Guadeloupe.

Man begreift, daß. sobald man: »Land!’« gerufen, alle Welt auf dem Verdecke war.

Nur erschaut und erkennt man unter der durchsichtigen Atmosphäre der Wendekreise auf ungeheure Entfernungen.

Das Morgens uns sieben Uhr signalisirte Land wurde erst drei Stunden nachher wirklich sichtbar und erst um fünf Uhr Abends fuhr die Industrie längs der Küste des Arbousier hin.

In einer Entfernung von drei bis vier Meilen erblickte man mit Hilfe von Ferngläsern Hunderte von Barken, welche das französische Schiff umgaben, das die Küste bewacht und der Stationär genannt wird.

Diese Backen schienen auf die Industrie zu warten.

So wie man näher kam, brachen Demonstrationen der Freude an Bord der Barken los, so ausdrucksvolle und lärmende Demonstrationen . daß man sich fragte, was die Ursache dieses so allgemeinen Vergnügens, das die Grenzen einer gewöhnlichen Freude überschritt, sein könne.

Die ersten Worte, die man von den Barken mit dem Schiffe und vom Schiffe mit den Barken wechselte, gaben die Aufklärung des Räthsels.

Das Schiff, das vom Havre an dem Tage abfuhr, wo auch die Industrie abfahren sollte. war für Guadeloupe bestimmt. Es hatte die Reise in fünf und zwanzig Tagen gemacht und, im Hafen einlaufend, die baldige Erscheinung der Industrie angekündigt, welche, da sie an demselben Tage vorn Havre abgegangen, ohne Verzug ankommen müsse.

Da es gesehen, wie sich der Dreimaster segelfertig machte, und nicht wußte, daß der Dreimaster nicht hatte auslaufen können, so mußte es glauben, er folge ihm.

Die Industrie war aber im Gegentheil, wie man sich erinnert, einen Monat im Havre zurückgehalten worden.

Das Schiff war also seit fünf Tagen bei Point a Pitre, als die Industrie wirklich unter Segel ging.

Eine Fahrt von fünf und vierzig Tagen, diesen fünf Tagen beigefügt, machte einen Verzug von fünfzig Tagen.

Für die Einwohner von Guadeloupe war also die Industrie offenbar untergegangen.

Unter der Zahl der Passagiere waren aber sieben bis acht Creolen von der Insel, meistens junge Leute von den besten Familien von Point a Pitre, so daß dieser Verzug, der keinen Zweifel über irgend einen unbekannten Unglücksfall ließ, die ganze Stadt in die tiefste Betrübniß versetzt hatte.

Und in Folge hiervon hatte sich in dem Augenblick, wo von der Wache des Hafens der Dreimaster die Industrie signalisirt worden war, ein großes Freudengeschrei aus der Stadt erhoben.

Die Industrie kam nun mit vollen Segeln an, und nichts bezeichnete an seinen Masten oder in seinem Takelwerk den geringsten Schaden.

Weit entfernt, abzunehmen, hatte die Zahl der Passagiere im Gegentheil zugenommen.

Es war ein wunderbarer Anblick für die Europäer. diese schöne Insel mit der üppigen Vegetation, wie sie sich vom goldenen Grunde einer untergehenden Sonne abhob, dieses durchsichtige Meer ganz bedeckt mit Barken, die unter ihren Rudern Garben von rosenfarbigen Diamanten aufspringen machten, – Fond und Rahmen eines Gemäldes das Fest der Rückkehr vorstellend.

Barken und Schiffe kamen beim Stationär zusammen, sogleich fand ein Austausch von Zärtlichkeiten, ein Sturm von Umarmungen statt; die Leute von den Barken stiegen an Bord, während auf allen Seiten einige von den Passagieren in die Barken stiegen, auf die Gefahr, ins Meer zu fallen.

 

Man sah nur ausgestreckte Arme, von Thränen befeuchtete Augen.

Die Schauspielertruppe war außer allen diesen Demonstrationen: die Neugierde allein erwartete sie und die Neugierde hat nichts sehr Zärtliches.

Man gelangte bei Einbruch der Nacht in die Stadt und betrachtete mit Erstaunen das für europäische Augen so neue Schauspiel einer ganzen fast nackten, schwarzen Bevölkerung.

Der Abend der Ankunft wurde auf das Suchen von Wohnungen verwendet.

Es ist übrigens nichts so leicht, als eine ganz eingerichtete Wohnung in Point a Pitre zu finden.

Eine Menge von schönen Negerinnen von achtzehn bis zwanzig Jahren hat eine andere Gewerbsthätigkeit, als die paar Zimmer, die sie bewohnen, eingerichtet zu vermiethen.

Nach der Wahl des Miethsmannes trugen sie ihr Bett hinaus, oder lassen sie es innen: das ist von einer patriarchalischen Einfachheit.

Noch am Abend seiner Ankunft ging Herr Gustave in ein Kaffeehaus, worauf er einen Vortheil zu ziehen gedachte.

Alles setzte ihn in Erstaunen; er schaute Alles mit gierigen Augen an.

Zwei Creolen plauderten; er horchte, was die zwei Creolen sprachen.

Es war die Rede von einem Neger Namens Cicero.

»Mein Herr,« sagte einer der Creolen zu unserem Helden, »an Ihrem Teint sehe ich. daß Sie Europäer sind.«

»Wahrlich, mein Herr, Sie irren sich nicht.«

»Und sogar, daß Sie zum ersten Male auf die Antillen kommen.«

»Ich bin vor zwei Stunden in Point a Pitre angelangt.«

»Nun! mein Herr, ich wette Eines.«

»Was?«

»Ich wette, daß Sie die Neger beklagen.«

»Wetten Sie, mein Herr, Sie werden gewinnen.«

»Es ist unglaublich, daß man solche Schurken beklagt.«

»Warum sollte ich sie nicht beklagen? Sie sind im Ganzen Menschen!«

»Menschen? Es das sind sonderbare Menschen! Schauen Sie, mein Herr.«

Hier bezeichnete der Creole Gustave den Mann, mit dem er plauderte.

»Wohl, ich schaue, mein Herr . . . was dann?«

»Gestern kauft er einen Neger.«

»Er kauft einen Neger.«

»Er bezahlt ihn mit zweitausend vierhundert Franken.«

»Zweitausend vierhundert Franken.«

»Der Bursche sieht das Geld in seiner Gegenwart bezahlen . . . verstehen Sie wohl? er sieht das Geld bezahlen.«

»Er sieht das Geld bezahlen . . . ich folge Ihnen mit aller Aufmerksamkeit.«

»Nun, errathen Sie, was er gethan hat?«

»Wie soll ich das errathen?«

»Er denkt sich in dieser Nacht, mein Herr.«

»Er denkt sich . . . wahrhaftig?«

»Es ist, wie ich Ihnen zu sagen die Ehre habe. Wie finden Sie diesen Burschen!«

»Ich, mein Herr, finde ihn herrlich.«

»Wie beliebt?«

»Ich sage Ihnen, daß ich ihn herrlich finde.«

»Mein Herr, Sie müssen nicht oft solche Dinge hier und in Gesellschaft von Creolen reden.«

»Warum nicht?«

»Weil man in Guadeloupe einen ziemlich heißen Kopf hat und sehr gut mit der Pistole schießt.«

»Ei! was macht das mir?«

Die Männer schauten einander an und sagten sich mit den Augen: »Ah! was für ein Revolutionär ist denn das?«

Sie verließen das Kaffeehaus.

Am andern Tage, bei seinem ersten Gang auf die Straße, sah Gustave eine alte Frau einen Sklaven mit Faßdauben gewaltig aus den Kopf schlagen; das Blut floß von allen Seiten herab.

Gustave, als muthiger Ritter, als Vertheidiger des Schwachen, stürzte in das Haus und zwang die Frau, abzulassen; die Frau fand es aber ganz erstaunlich, daß ein Weißer einem Sklaven Hilfe leistete, und führte Klage beim Gouverneur.

Der Gouverneur ließ Herrn Marest holen, erzählte ihm das Aergerniß, das Gustave dadurch verursachte, daß er sich ungeschlacht zum Abolitionisten aufwarf, und erklärte ihm, wenn eine dritte Klage gegen seinen Pensionär erhoben werde. so werde man ihn an Bord des ersten für Frankreich aus der Rhede liegenden Schiffes bringen, mit der Aufforderung an den Kapitän ihn so schnell als möglich in Nantes, in Brest oder in Havre auszusetzen.

Der Director ließ ganz erschrocken Herrn Gustave kommen; dieser ließ sich die Aufforderung, sich in Betreff der Neger und Negerinnen ruhig zu verhalten, gesagt sein und beschloß, sich mit nichts Anderem mehr zu beschäftigen, als mit seinen Proben, welche am zweiten Tage nachher begannen.

Acht Tage später debutirte er in Stanislas und erhielt großen Succeß. »

Die Truppe von Herrn Marest hatte sich mit dem alten Kerne einer andern Truppe vereinigt, die ihr zuvor gekommen war und zum Director einen braven, vortrefflichen Mann Namens Verteuil hatte, einen Oheim oder Vetter des Verteuil, der heute Secretär des Théâtre-Francais ist. Er war auch mit Mademoiselle Georges verwandt.

Was die Chancen des Glückes für die Ankömmlinge verdoppelte, war der Umstand, daß sie zugleich Point a Pitre und Basse-Terre ausbeuteten. Eine kleine Goëlette, welche den Dienst zwischen den zwei Hauptstädten der Insel versah, führte die Künstler in ein paar Stunden von der einen zur andern.

Doch man erinnert sich des Widerwillens von Herrn Gustave gegen die flüssige Ebene, wie die Herren Dichter des Kaiserreichs sagten. Da nun unser Held, – wie man dies bemerken konnte – ein eben so guter Fußgänger als schlechter Seemann war und die zwei Städte zu Lande nur zwölf bis vierzehn Meilen auseinander lagen, so machte er auf dem Lande zu Fuß den Weg, den die andern zur See auf einer Goëlette machten.

Zwischen den zwei mit den Namen Haute und Basse-Terre bezeichneten Theilen der Insel, liefen, die von der Natur zwischen ihnen gezogenen Grenzen markirend, drei Flüsse durch.

Der erste hieß Trois-Rivières; der zweite Goyave; der dritte Moustique.

Kam er zur gewöhnlichen Zeit, das beißt in der Sommersaison, zu den Ufern der Goyave oder der Moustique, so beschränkte sich Herr Gustave darauf, daß er seine Schuhe und seine Strümpfe auszog, seine Hofe aufhob und von Stein zu Stein hüpfte, bis er das andere Ufer erreicht hatte.

Um über die Trois-Rivières zu gelangen, zog er nicht nur seine Schuhe und seine Strümpfe, sondern auch seine Hofe aus, und er ging mit der größten Vorsicht durch, da ihm das Wasser an gewissen Stellen bis an den Gürtel reichte.

In außerordentlicher Zeit, das heißt in der Saison der Regen, zog er da, wo er sich im Sommer nur der Schuhe und Strümpfe entledigte, Stiefel, Strümpfe und Hofe aus.

Da, wo er nur Schuhe, Strümpfe und Hofe auszog, zog er Alles aus, machte ans dem Ganzen ein Päckchen, nahm es auf den Kopf und schwamm durch.

Eine Viertelmeile jenseits des Flusses, auf dem Boden der Basse-Terre war ein Dorf; in diesem Dorfe ein Laden von Stockfisch, Zuckerbranntwein und Maniokmehl; in diesem Laden ein Gendarm; im Stalle dieses Gendarmen ein Pferd.

Herr Gustave hielt in dem Laden an, um sich die Füße mit Zuckerbranntwein zu waschen.

»Er machte sich am Ende den Gendarmen zum Freunde.

Ging er nach der Passe-Terre, so war ihm diese Freundschaft völlig unnütz; kam er aber von dort zurück, so war es etwas Anderes.

Der Gendarme stieg zu Pferde, nahm Herrn Gustave hinter sich auf das Kreuz, ließ ihn die Trois-Rivières, die Gouave und die Moustique passiren, setzte ihn ab, ritt allein durch die Flüsse zurück, stellte sein Pferd wieder in den Stall, verkaufte Stockfisch, Zuckerbranntwein und Maniokmehl, und bediente die Regierung in seinen verlorenen Augenblicken.

Eines Tages waren die Flüsse dergestalt angeschwollen, daß er Alles ausziehen mußte, um über die Gojave und die Moustique zu kommen, und daß er durch die Trois-Rivières schwimmend, da er genöthigt war, sich seiner beiden Hände zu bedienen, das Päckchen, welches er auf dem Kopfe trug, losließ.

Dieses Päckchen, man vergesse es nicht, das waren seine Strümpfe, seine Stiefel, seine Hose, sein Ueberrock, seine Weste und sein Hemd.

Man begreift, wie viel Herrn Gustave an diesem Päckchen lag.

Er machte auch ungeheure Anstrengungen, um es wieder zu erwischen; doch alle seine Anstrengungen waren vergeblich.

Alles, was Herr Gustave thun konnte, war, seinem Päckchen, das in den mexicanischen Meerbusen fortgerissen wurde, nicht zu folgen und seine eigene Person zu retten.

Er rettete sie und fing damit an, daß er sich hierzu herzlich Glück wünschte.

Als aber seine Glückwünsche dargebracht und in Empfang genommen waren, fand er sich nackt wie ein Wurm.

Es blieben wohl der Gendarme und sein Laden.

Doch der Laden lag im Mittelpunkte des Dorfes.

Man mußte zu diesem Mittelpunkte gelangen.

Es ist ziemlich gewöhnlich, Neger so nackt zu sehen, als es Herr Gustave war, und in Betracht der Farbe der Haut merkt Niemand hierauf; doch nicht dasselbe ist bei den Weißen der Fall.

Herr Gustave befand sieh ganz in der Lage von Robinson auf seiner Insel oder von Adam im Paradiese.

Doch er besaß nicht die Thierfelle von Robinson.

Allerdings hatte er die Blätter von Adam.

Er wählte also das Costume von Adam nach seinem Falle und hielt damit seinen Einzug zuerst in das Dorf und sodann in den Laden des Gendarmen.

Hier war er gerettet.

Der Gendarme lieh ihm Charivari, Rock und Polizeimütze.

In diesem Costume erreichte er seine Truppe.

Das Publikum erfuhr das Abenteuer und empfing Stanislas auf das Allerbeste.

Wie erging es mittlerweile dem Kapiteln Chamblon.

Der Kapitän Chamblon hatte so rasch als möglich Ladung eingenommen und war wieder in See gegangen mit seinem Second, der nicht ein einfacher Lieutenant, sondern ein Kapitän so unterrichtet und geschickt als er war. Man fragte sich, warum diese Verbindung von zwei solchen seemännischen Superioritaten? und die Gescheitesten konnten über diese Seltsamkeit keine Aufklärung geben.

9Penaud, penaude, verlegen, blöde, verdutzt. Als man ihm dies sagte, blieb er ganz verlegen; sie war sehr blöde. Es ist nur im vertraulichen Style gebräuchlich.
10Pennon. Es war dies eine Art von Fahne oder Standarte mit langem Schweife, die ein Ritter, welcher zwanzig Rieisige unter sich hatte, zu tragen berechtigt war.
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