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Abenteuer und Drangsale eines Schauspielers

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VI

Debuts der Truppe Dumanoir in Valenciennes. – Die Truppe von Herrn Bertrand genannt Zozo vorn Norden. – Etienne geht zu dieser letzten Truppe unter dem Namen Herr Gustave über. – Die kleine Bank, und die hohe Bank. – Das häusliche Leben der Zigeuner. – Rückkehr von Gustave zur Truppe Dumanoir. – Belgische Campagne. – Rückzug. – Mißgeschick. —

Man zog bis Valenciennes, indem diese ganze tolle Caravane, wie Horaz sagt, mit freiem Fuße auf die Erde stampfte, – Alles lachend und singend, und – außer Herrn Dumanoir. der sechzig Jahre alt war, und Ferdinand dem Kosaken, der vierzig zählte, – Alles dies jung wie der Frühling, in dessen Mitte die ganze Schaar ihren Aufschwung nahm.

In Valenciennes hielt man an. Man wollte das Terrain sondiren, kündigte eine Vorstellung an und «gab sie am andern Tag.

Als eines Tags Madame Dorval in Antwerpen auftrat, schickte sie mir, um mir einen Begriff von dem Eindruck zu geben, den sie auf die Landsleute von Jakob Artevelde hervorbrachte, eine Zeichnung, die Facade des Theaters vorstellend mit einer Menge Ratten, welche unter dem Peristyl Kämmerchen spielten, was besagen wollte, es sei keine Katze im Saal.

Etienne, der einen ersten Preis im Zeichnen und in der Sculptur erhalten, hätte seinem Vaters, welcher ihn so gut hierfür belohnt, eine Zeichnung vom Saale in Valenciennes in der Art von der schicken können, die mir Dorval vom Saale von Antwerpen schickte.

Man schlug die Kosten nicht heraus.

In derselben Nacht reiste man wieder ab. Es war kein Augenblick zu verlieren, um eine mehr literarische Stadt, als es Valenciennes war, zu erreichen.

Valenciennes ist indessen die Heimath von Mademoiselle Duchesnois und von einem armen Kinde, das der Tod mit neunzehn Jahren weggerafft hat, und dessen Geschichte ich später erzählen werde.

An dem daran folgenden Tage erreichte man Saint-Amand. Es war dort Kirchweihe und man rechnete sehr auf diesen Umstand.

Man spielte Palmerin oder der Einsiedler von Gallien.

Die Einnahme belief sich auf hundert und fünf Franken.

Ferdinand der Kosak machte zuerst seine Ansprüche geltend; seine fünf und ein halber Theil trugen ihm dreißig Franken.

Der Vater Dumanoir bekam zehn Franken für seinen Antheil.

Die Andern erhielten fünf Franken für ihren halben Theil.

Ferdinand, seine Frau und seine Tochter aßen viel.

Der Vater Dumanoir aß vernünftig.

Die Andern aßen ein wenig.

Das war Alles, was man brauchte, um Geduld zu fassen.

Da man indessen alle Tage eine Vorstellung zu geben gedachte, so war es noch möglich, zu leben.

Und während der drei ersten Tage lebte man in der That.

Am vierten Tage aber kam die Truppe von Herrn Bertrand, genannt Zozo vom Norden, dem ersten Akrobaten von Frankreich.

Diese Truppe war durch ihre Vereinigung mit der von Herrn Colombier furchtbar.

Die Truppe von Dumanoir und Ferdinand konnte nicht gegen sie kämpfen.

Sie mußte stürzen.

Man sprach davon, sich zu trennen; man sollte das Loos ziehen, wer dahin oder dorthin zu gehen hätte, und Jeder sollte für seine Rechnung die kleinen Talente, die er haben dürfte, benützen.

Doch das war nicht im Interesse von Ferdinand.

In Gesellschaft hatte er fünf und einen halben Theil.

Allein mit seiner Frau und seiner Tochter hatte er nur drei Theile.

Und welche Theile!

Er wurde zornig, zog seinen Säbel und drohte Jeden, der von Entfernung sprechen würde, umzubringen!

Etienne wagte es, die Schneide des Säbels von Ferdinand in Zweifel zu ziehen, und erklärte, da er Antrage von Zozo vom Norden erhalten, so gehe er, wie Coriolan, zum Feinde über.

An demselben Abend saß Etienne am Herde der Volsker, unter dem glorreichen Namen Gustave.

Jedermann weiß, seit dem komischen Roman von Scarron, was eine Truppe von mehr oder minder wandernden Komödianten ist.

Man ist aber im Allgemeinen weniger unterrichtet über das pittoreske Dasein der Seiltänzer.

Folgendes war das Personal der Truppe von Bertrand, genannt Zozo vom Norden, dem ersten Akrobaten Frankreichs, in Verbindung mit der von Herrn Colombier.

Das Personal bestand-

1. Aus dem Großvater Colombier, Orchesterdirector, Kunstfeuerwerker; setzte in Scene. spielte Clarinette beim Umritt, Violine im Orchester.

2. Aus Bertrand, genannt Zozo vom Norden, Pitre bei der Parade und Pierrot in der Pantonume.

3. Aus Madame Bertrand, drehte sich, den Kopf niederwärts, auf einem Leuchter und führte die Controle.

4. Aus Mademoiselle Bertrand der Jüngeren, die Statue in Pygmalion spielend.

5. Aus Mademoiselle Bertrand der Aelteren; – spielte die Colombinen und tanzte die Gavotte und die graziösen Pas auf dem Seile.

6. Aus Herrn Mustapha, genannt der kleine Teufel; machte alle Arten von künstlerischen Sprüngen auf dern Seite.

7. Aus Herrn Flageolet, der unter dem Seile dieselben Uebungen machte, die Herr Mustapha über demselben gab.

Unter diese neue und unbekannte Gesellschaft hatte sich Herr Gustave freiwillig in Folge seines Streites mit Ferdinand dem Kosaken verbannt.

Das, wohl verstanden, mündliche Engagement, sicherte ihm die Kost und versprach ihm fünfzig Franken monatlich.

Zozo vom Norden hatte im Geiste beigefügt, er habe überdies das Recht, zu Fuße reisen zu dürfen.

Gegen ein so vortheilhaftes Engagement sollte Herr Gustave seinerseits die Aushängeschilder, die Decorationen und die Transparente auf Calicot, die Hauptscenen und die Kraftstücke vorstellend, verfertigen;

Die ersten Rollen in den Melodramen und den Bandevilles spielen;

Die Zauberer in den Pantomimen repräsentiren;

Endlich die Tour in der Stadt zu Pferde machen.

Zozo vorn Norden beschloß, ohne Verzug Nutzen aus dem Ankömmling zu ziehen.

Der Anschlagzettel verkündigte am Abend eine große Vorstellung für den folgenden Tag, von der die Tour in der Stadt Kenntniß geben werde.

Am andern Tag, Morgens um elf Uhr, begann wirklich Herr Gustave, in Generalsuniform auf einem Pferde reitend, dessen Reitzeug ganz mit Muschelwert bedeckt war, einen hinkenden Trommler voran und gefolgt von der Musik, seine Runde; er hielt auf allen Plätzen, auf allen Kreuzwegen, im Mittelpunkte aller Hauptstraßen an und rief mit lauter Stimme:

»Mit Erlaubniß des Herrn Maire . . .«

Hier nahm er seinen Hut ab.

»Haben wir die Ehre den Einwohnern der Stadt Saint-Amand bekannt zu machen, daß die große Truppe von Herrn Berirand, genannt Zozo vom Norden, vereinigt mit der von Herrn Colombier, heute Abend in der großen Loge auf dem Marktplatze eine außerordentliche Vorstellung geben wird. Das Schauspiel wird aus Folgendem bestehen: Madame Bertrand, erste Dreherin von Frankreich, wird sich fünf Minuten lang auf einem eisernen Leuchter drehen, ohne einen andern Stützpunkt als ein Geldstück. – Die Demoiselles Bertrand werden auf dem Seile, die Aeltere eine Gavotte und die Zweite einen graziösen Pas tanzen. – Herr Mustapha, genannt der kleine Teufel, wird seine Uebungen auf dem straffen Seile ohne Balancirstange machen, und mit dem großen gefährlichen Sprunge vorwärts und rückwärts endigen. – Herr Flageolet wird unter dem Seile dieselben Uebungen machen, die Herr Mustapha daraus macht. – Herr Gustave wird Pygmalion, lyrische Scene von Jean-Jacques Rousseau, spielen. – Mademoiselle Bertrand die Aeltere wird die Statue repräsentiren. Nach Pygmalion werden wir die Ehre haben darzustellen Arlequin Bullenbeißer, große Pantomime mit großem Spektakel, mit dem Gegenstande angemessenen Costumen und Decorationen. Das Schauspiel wird endigen mit dem Carneval von Venedig, ausgeführt von der ganzen Truppe.«

Eine solche Ankündigung war gemacht, um die Neugierde zu reizen. Die Einnahme war auch befriedigend.

Lassen wir die Neugierigen nun in die Bude von Herrn Bertrand, genannt Zozo vom Norden. Eintreten und vor dem glänzenden Schauspiel in Extase gerathen, und sagen wir ein paar Worte von den Mysterien der Bank, in welche Mysterien Herr Etienne, genannt Gustave, uns einzuweihen die Güte gehabt hat.

Man nennt die Bank Alles, was zur großen Zigeunerfamilie der Gaukler gehört.

Nur gibt es die hohe Bank und die kleine Bank.

Die Kunstreiter, die Seiltänzer, die Schauspieler in der Bude, kurz Alles, was irgend ein Talent hat, gehört zur hohen Bank

Die Zeiger von Thieren, von Kindern mit zwei Köpfen, von Kälbern mit acht Füßen, von Seehunden, welche Papa und Mama sagen, gehören zur kleinen Bank.

Die hohe Bank ist die Aristokratie.

Die kleine Bank ist das Volk.

Alles, was irgend ein Talent hat, ist sehr geachtet. Die kleine Bank spricht nur mit dem Hute in der Hand mit der hohen Bank.

Es gibt nun nichts so Väterliches, als die Autorität des Directors, nichts so Exemplarisches, als diese Zigeuner-Haushaltungen, nichts so gut Angewendetes, als die Zeit, die zwischen den Proben und den Vorstellungen verläuft.

Die Frauen waschen das Weißzeug, färben die Tricotbeinkleider, schneiden und nähen die Costumes.

Die Männer arbeiten an den Verrichtungen für die Bank, bereiten bengalisches Feuer, füllen Schwärmer und Raketen.

Andere machen das, was man Illusionen nennt.

»Was ist das: Illusionen   machen?« wird der Leser fragen.

Wir werden es ihm mit zwei Worten sagen.

Die Illusionen-macher tauchen in Blei und Zinn, was man mit einander geschmolzen hat, einen geschnittenen und am Ende eines Stäbchens befestigten Stein von der Größe einer Erbse; am Ende des Steins bleibt ein Flitter vom flüssigen Metall. Dieser Flitter wird abgenommen und sogleich durchstochen, um auf die Kleider und um die Heime genäht zu werden.

Die Anderen warten die Pferde.

 

Diejenigen, weiche lesen können, lehren ihre Rollen die, welche es nicht können.

Alle endlich üben sich im Spielen eines Instruments, und wenn sie eines ziemlich gut spielen können, gehen sie zu einem andern über.

Alle sind gebotene Trommler.

In einem Augenblick des Ruins, nach einem schlechten Feldzug, wenn man genöthigt gewesen ist, die Wagen zu verkaufen, die Pferde zu verpfänden, die Besoldeten zu entlassen; wenn endlich nichts mehr von dem übrig bleibt, was man die Familie nennt, erheitert man sich, das heißt, man zerstreut sich auf dem Lande. Dann hat Jeder seinen Rummel: der Eine fabricirt Seife zum Erweichen, der Andere Pommade, um den Haarwuchs zu befördern, der Dritte Pulver, um die Zähne weiß zu machen, der Vierte Wichse. um der Fußbekleidung Glanz zu verleihen und sie zu erhalten.

Die Kinder gehen mit Teppichen in die Kaffeehäuser, marschiren auf den Händen, machen die drei Biegsamkeitsstücke des Körpers, vorwärts, rückwärts, und tanzen das Fricassé.

Alle Tage, alle zwei Tage, alle drei Tage, je nach der durchlaufenen Entfernung, bringt sodann jeder Zigeuner gewissenhaft dem Vater und der Mutter das, was er verdient hat.

Herr Gustave führte seit drei Monaten dieses pittoreske, abenteuerliche Leben bei anständiger Nahrung, hatte aber nie einen Sou von den versprochenen fünfzig Franken empfangen: da bekam er einen Brief von Hippolyte, nur folgende Worte enthaltend:

»Komm zurück! der Kosak ist abgegangen!«

Herr Gustave sagte nichts, da er sich aber in keiner Hinsicht mit der Ehre gegen Zozo vom Norden verhandelt glaubte, der ihm gegenüber seine Verpflichtungen nur zur Hälfte hielt, so entfernte er sich an einem schönen Abend, nach einer Vorstellung von Pygmalion und der Kohlenbrenner des Schwarzwalds, leichten Fußes. ohne von Jemand Abschied zu nehmen, und schlug den Weg nach Audenärde ein, wo für den Augenblick der Vater Dumanoir und seine Truppe campirten.

Und will man nun wissen, was aus den Hauptpersonen der Truppe geworden ist, die wir verlassen, um sie nicht wiederzusehen?

Mademoiselle Bertrand die Aeltere ist Madame Thomassin geworden und hat vor ungefähr zwei Jahren, bei einer Aufsteigung auf dem Seile, in den Batignolles in Paris das Leben verloren.

Herr Flageolet, der die Medicin studirt hatte, wurde Sanitätsbeamter und ließ sich später als Zahnarzt in einer großen Stadt Frankreichs nieder.

Herr Mustapha endlich, der sich für seine Kameraden mit dem weniger anspruchsvollen Namen Fasiou nannte, ist der Bruder von Bastien Franconi, und hat die Eröffnung des Cirque Franconi mit Lalanne, dem berühmten Professor der Equitation der Rue des Fossés-du-Temple, gemacht.

Herr Gustave fand die Truppe des Vaters Dumanoir sehr desorganisirt wieder; sie brauchte wohl viel mehr ihn, als er sie brauchte.

Schon an demselben Abend wurde Rath gehalten. Ferdinand der Kosak hatte dadurch, daß er seine Garderobe mitgenommen, alle Hilfsmittel der Truppe vernichtet. Der Vater Dumanoir, mochte seine Cassette nun Gold oder Silber enthalten, schien nur geneigt, sie in der äußersten Noth zu öffnen. Die Truppe mußte sich also mit ihren eigenen Mitteln herausziehen, und, wir müssen es sagen, die Mittel der Truppe waren gering.

Gustave und Hippolyte bemühten sich nun, ein Repertoire von militärischen Stücken zu ersinnen. Das Repertoire war nicht lang, doch man würde nur zwei Vorstellungen in jeder Stadt geben.

Es bestand aus: Michel und Christine. Das Schloß meines Oheims, Ohne Trommel-und Trompete, Die Heirath aus Vernunft und Adolphe und Clara.

Man spielte Alles dies mit der Uniform der Garnison der Städte, wo man sich befand.

Und da die Städte belgisch waren, so waren die Uniformen auch belgisch.

Nach Verlauf von drei Monaten waren alle Städte, wie man dies mit dem Theaterausdrucke nennt, verbrannt.

Doch man war darauf versessen, selbst in den Dörfern Aehren zu lesen, und man that dies mit einem Muthe und einer Beharrlichkeit. die eines besseren Schicksals würdig gewesen wären.

Endlich mußte man sich zum Rückzug entschließen. Der Winter in seiner ganzen Strenge gab diesem Mißgeschick eine noch größere Aehnlichkeit mit dem von Moskau.

Die Kleider waren in einem beklagenswerthen Zustande, die des Vaters Dumanoir. wie die andern; er sprach indessen durchaus nicht vorn Oeffnen seiner Cassette, über der er mit einer thätigeren, ängstlicheren Vaterschaft als je wachte. – Herr Gustave war bei seinem letzten Hemde, und an einem schönen Morgen fand sich dieses Hemd so abgetragen. so zerrissen und besonders so schmutzig, daß er, da er es nicht wagte, es in der Kirche von *** aufzuhängen, wie eh Isabella mit dem ihrigen in der Moschee von Granada gethan hatte, dasselbe in die Furchen von umgeackerter Erde warf.

Ein papierener Kragen ersetzte den linnenen; der von oben bis unten zugeknöpfte Rock entzog den Blicken die Abwesenheit des Uebrigen.

Endlich wurde die Noth so groß, daß an einem Tage die ganze Truppe nichts zu essen hatte, als die Steckrüben, die sie aus dem Felde riß.

Seine Cassette unter dem Arme, weidete der Vater Dumanoir wie die Andern, und er sagte von dem halb gefrorenen Gemüse, was Karl XII. vom halb verfaulten Commißbrode sagte:

»Das ist nicht gut, doch es ist eßbar.«

Man fing an zu glauben, es sei weder Gold, noch Silber, was die Cassette enthalte.

Was war es aber dann?

VII

Verschwinden des Vaters Dumanoir. – Gustave und Hippolyte unternehmen Nachforschungen nach ihm. – Costume von Gustave. – Der Querweg. – Forcirter Marsch im Schnee. – Der Hunger. – Die einsame Hütte. —Ein braves Weib und ein ungastfreundlicher Mann. – Die Brodscheibe. —

Eines Morgens fand es sich, daß der Vater Dumanoir mit Hinterlassung eines Briefes verschwunden war. Er gab seiner ganzen Truppe Rendez-vous in der Stadt Armantières, welche, bezüglich der Stellung unserer Helden, drei Meilen jenseits der Stadt Lille lag.

Als diese Kunde sich verbreitete und aus einem höchst unruhigen Schlafe Gustave und Hippolyte auffahren machte, hatten sie seit dem vorhergehenden Mittag nichts mehr gegessen.

Zwei Stunden vergingen, – wie es bei allen Umständen geschieht, wo eine rasche Entscheidung nöthig wäre, um dem Uebel die Stirne zu bieten, – zwei Stunden vergingen in Verwunderungen, in Erörterungen, in vorgeschlagenen, debattirten und verworfenen Projecten.

Endlich beschloß man, es sollte sich auf die Gefahr« den Vater Dumanoir nicht beim Rendez-vous zu finden, der Rest der Truppe, – Jeder auf dem ihm beliebigen Wege und mit den Mitteln. die er sich zu schaffen den Verstand hätte. – nach Armantières begeben.

Gustave und Hippolyte, das heißt Orestes und Pylades beschlossen, sich nicht zu verlassen und mit einander das zu erschöpfen, was ihnen das Schicksal von neuen Täuschungen und, wir konnten sogar sagen, neuen Unfällen vorbehielt.

Man fing damit an, daß man bis Mittag wartete, um den Raben, welche von der Vorsehung beauftragt sein könnten, irgend ein Frühstück zu bringen, Zeit zum Ankommen zu lassen; doch die Vorsehung hielt es nicht für gut, für Heiden, wie die Herren Gustave und Hippolyte, das Wunder, das sie für den würdigen Propheten Elias gestattet hatte, zu erneuern.

Um Mittag begab man sich auf den Weg.

Man hatte vier und zwanzig Stunden nichts gegessen. Da jede Minute kostbar war, so würde man gerade nach Lille gehen; in Lille würde man das einzige Ding verkaufen, das noch zu verkaufen blieb, – und bald wird man durch die genaue Beschreibung der Tracht sehen, daß wir nicht übertreiben, – nämlich ein Paar Strumpfhosen; hiermit würde man zu Nacht essen und schlafen; am andern Morgen würde man sodann so frühzeitig als möglich nach Armantières abgeben.

Da nun unsere mit den Theaterausdrücken etwas weniger als wir vertrauten Leser uns fragen könnten, was wir unter Strumpfhosen verstehen, so antworten wir ihnen, daß Strumpfhosen blaue weiße, gelbe, graue, rothe, grüne, chocolatfarbige Halbtricots sind, mit denen man alle Helden vom Achilles bis auf den Marschall von Sachsen spielen kann.

Man begab sich also gegen Mittag auf den Weg bei einem trüben Wetter, mit einem Fuß Schnee unter der Sohle seiner Schuhe, mit einem Oecan von Schnee über dem Kopfe, mit einem Horizont von Schnee vor sich, hinter sich, um sich.

Man erlaube uns, das Costume von Herrn Gustave zu beschreiben, der für die ersten jungen Elegants und die Liebhaber im Vaudeville von Herrn Dumanoir und für die Pygmalion von Herrn Bertrand, genannt Zozo vorn Norden, engagirt war.

Großer Ueberrock, an die Fersen schlagend, hinten geschlossen durch eine Reihe schwarzer Radeln, die ihm nicht erlaubten, sich zu öffnen.

Ausgetretene Schuhe ohne Strümpfe oder Halbstrümpfe.

Hut, den man, wenn man grüßte, beim Fond nehmen mußte, aus Furcht, die Krämpe könnte in der Hand bleiben.

Untertheil von Hosen, weite Kamaschen bildend, auf beiden Seiten an den Taschen des Ueberrocks mittelst schwarzer Nadeln befestigt.

Weste abwesend! Hemd abwesend!

Diese Beschreibung des Costume von Gustave überhebt uns der Aufgabe, vom Costume von Hippolyte Rechenschaft zu geben.

Beide marschirten gesenkten Hauptes auf der Landstraße nach Lille; da hatte Gustave, die Biegung messend, welche die Straße machte, den schlimmen Einfall, zu sagen:

»Ei! es muß doch von biet nach Lilie einen Querweg geben, der für uns die Reise um ein paar Stunden abkürzen würde.«

»Bei Gott!« rief Hippolyte, »es gibt immer Querwege.«

»Nun! wenn Du willst, so fragen wir den ersten den besten Bauern nach einem solchen Wege.«

Ein Bauer erschien wie in den Zauberstücken.

Es versteht sich von selbst, daß dieser Bauer der Teufel war.

»Sieh da!« rief Hippolyte.

Gustave trat vor, grüßte militärisch, um die Krampe seines Hutes nicht unnöthig zu ermüden, und fragte:

»Mein Freund, kennt Ihr nicht einen Querweg, der den Marsch nach Lille abkürzt?«

»Ja, meine schönen Herren,« erwiederte der Bauer, »es gibt einen, der ihn um zwei Meilen abkürzt.«

Gustave schaute Hippolyte mit einer Miene an, welche besagen wollte: »Nun! Du siehst, daß ich da einen Gedanken gehabt habe, der nicht schlimm war.«

»Und dieser Weg, mein Freund?« fragte er, indem er sich wieder an den Bauern wandte.

»Es ist der erste, den Sie zu Ihrer Rechten finden werden.«

»Man kann sich nicht irren?«

»Nein, es ist ein Weg, auf dem Wagen fahren.«

»Doch wenn der Schnee . . .«

»Sie brauchen nur meinen Tritten zu folgen. Ich komme gerade von Lille.«

»Dann ist Alles vortrefflich! Ich danke, mein Freund.«

Hiernach schien die zwei jungen Leute ihre Wanderung fort, nur darauf bedacht, den Weg rechts einzuschlagen.

Nach hundert und fünfzig Schritten fand man den bezeichneten Weg.

Herr Gustave wandte sich um: er wollte dem Bauern noch mit der Hand zuwinken, doch der Bauer war verschwunden.

Man betrat. ohne zu schwanken, den Querweg.

Die Spur der Tritte war darauf sichtbar, man konnte die Nägel der Schuhe zählen.

Eine Täuschung war also nicht möglich.

Man ging eine Stunde, geleitet von den glückseligen Fußstapfen; da es aber, seitdem man die Landstraße verlassen, wieder zu schneien angefangen, so verschwanden die Spuren unter der wattierten Lage.

Offenbar war der Augenblick nicht fern, wo man kein Zeichen zur Führung mehr hätte.

Gleichviel, man mußte an Ort und Stelle kommen, und man ging immer weiter.

Es trat der Augenblick ein, wo die Tritte völlig verschwanden.

Man marschirte auf das Gerathewohl.

Nach einer Viertelmeile fühlte man am buckeligen Boden, daß man die Straße verlassen hatte und auf dem Ackerfelde ging.

Man zog die zu drei Vierteln niedergetretenen Schuhe aus, da sie eher ermüdeten, als eine Erleichterung boten; weil man aber nicht mit bloßen Füßen in die Stadt eingehen konnte, so steckte man die Schuhe in die Tasche.

Die Taschen schlugen auf die Haut.

Es war für die zwei jungen Leute ein Anfang von wahrer Verzweiflung, als sie den Tag sich neigen, den Horizont zusammenschrumpfen, den Schnee sich verdoppeln sahen.

So weit das Auge reichte, war die Ebene öde und verlassen; man hätte sich auf den Steppen Sibiriens glauben können.

Die zwei Reifenden marschirten stillschweigend und gebeugt durch den Hunger; der Nordost verwandelte in Eis auf ihren Wangen die Thränen, die ihren Augen entquollen.

Sie wagten es nicht, sich anzuschauen. aus Furcht, die Entmuthigung in ihren Gesichtern zu lesen.

Sie hielten sich aneinander. – Gustave sah Hippolyte gehen, Hippolyte sah Gustave gehen: Beide marschirten, doch wenn Einer von Beiden fiel, fiel der Andere auch.

 

Es wurde Nacht.

Bis zur Nacht war man in einer wahrscheinlichen Richtung marschirt; als es Nacht geworden, ging man auf das Gerathewohl.

Bald blieb Hippolyte stehen.

»Ich kann nicht mehr!« sagte er.

»Was hast Du?« fragte Gustave.

»Ich sterbe vor Hunger.«

Die jungen Leute hatten seit mehr als dreißig Stunden nichts mehr gegessen.

»Nimm meinen Arm und laß uns gehen.«

Hippolyte nahm den Arm von Gustave; sie fühlten aber bald, daß der holperige Boden eine Strapaze für Beide aus der Hilfe machte, die man einander leistete.

Hippolyte ließ den Arm von Gustave los und ging allein, das heißt, man ging nicht mehr, sondern man schleppte sich.

Der Schnee fiel etwas weniger dicht, doch es war stockfinster geworden.

Plötzlich rief Gustave wie der kleine Däumling:

»Ich sehe ein Licht!«

»Ist es wahr, oder sagst Du das, um es zu verhindern, daß ich umsinke?« fragte Hippolyte.

»Sieh, schau!«

»Wo?«

»Dort.«

»Ich seht nichts—«

»Dort, dort!«

»Ja! . . . mir scheint . . .«

»Ich sage Dir, daß das ein Licht ist.«

»So laß uns gehen,« rief Hippolyte.

Und die zwei unglücklichen Reisenden steuerten gerade auf das Licht los.

Nach zehn Minuten waren sie vor einer einsamen Hütte.

»Endlich sind wir da,« sprach Hippolyte.

»Ja, wir sind da, aber . . .«

»Was aber?«

»Aber was wollen wir verlangen?« sagte Gustave

»Ein Stück Brod l« versetzte Hippolyte

»Wirst Du es verlangen?«

»Ich?«

»Ja.«

»Ah Teufel!« murmelte Hippolyte.

»Nun?«

»Ich hätte nicht geglaubt, daß es so schwer ist . . . ein Stück Brod zu fordern.«

»Ei!« versetzte Gustave mit einer gepreßten Stimme, »wenn man . . . zum ersten Male fordert!«

»Ich, was mich betrifft,« sagte Hippolyte. »wenn Dir der Muth fehlt, . . . ich lege mich hier nieder, und wenn sie morgen herauskommen, werden sie mich todt finden.«

»Ah! bei meiner Treu’! das ist zu einfältig!« rief Gustave.

Und er ging entschlossen auf die Thüre zu.

Die Thüre öffnete sich um die Mitte, wie sich die Dorfthüren öffnen, damit man den oberen Theil aufmachen und den unteren geschlossen lassen konnte.

Das Licht, das durch die Fuge erschien, bildete eine viereckige Einrahmung.

Nach einem letzten Zögern klopfte Gustave an.

»Oeffnet!« rief eine Weiberstimme.

»Gut! es ist eine Frau da,« sagte Gustave, »wir sind gerettet.«

Da ging der obere Theil der Thüre ins Haus zurück, und Gustave konnte mit einem Blicke das ganze Innere der Stube umfassen.

Der Thüre gegenüber saß die Frau. welche:

»Oeffnet!« gesagt hatte, an einem Rädchen und spann.

Neben ihr brannte eine Lampe auf einem Tische. Im Hintergrunde rechts war ein mit grüner Sarsche überzogenes Bett. Hinter der Frau, an die Wand angelehnt und unten einen Brodkasten bildend, stellte ein großer Schrank auf den Fächeren seines oberen Theiles Faiencegeschirr mit Vögeln und Blumen zur Schau. Links von der Thüre, mitten an der Seitenface, öffnete sich ein ungeheurer Kamin, in welchem sich ein Reisbündel vollends verkohlte, und vor dem eine ungestalte Masse sichtbar war.

Der Anblick der Frau beruhigte ein wenig die zwei jungen Leute. Vielleicht brachte ihr Anblick nicht dieselbe Wirkung auf die Frau hervor.

Obgleich schön und jung, hatten diese zwei Köpfe, welche im Rahmen der Thüre aus einem Hintergrunde von Schnee erschienen, durch die Blässe und das Leiden ein unheimliches, finsteres Aussehen angenommen.

Auch sprach die Kleidung der zwei nächtlichen Reisenden durchaus nicht zu ihren Gunsten.

Bei den ersten Worten aber, die sie sagten, war die Frau beruhigt.

Beide fingen zugleich an zu reden; doch heim vierten oder fünften Worte erlosch die Stimme von Hippolyte und Gustave fuhr allein fort.

»Madame,« sagten Beide, »entschuldigen Sie. . .«

Hier erlosch die Stimme von Hippolyte und Gustave sprach weiter:

»Wir sind zwei arme verirrte Bursche . . . wir sterben vor Hunger, und wenn Sie wollten. wenn Sie die Güte hatten, wenn Sie so barmherzig wären . . .«

Sodann mit einer Anstrengung:

». . . Uns ein Stück Brod zu geben . . .«

Er konnte nicht weiter reden, und die Stimme erlosch in seiner Kehle. wie sie in der von Hippolyte erloschen war.

Nun schien die ungestalte Masse, die sie vor dem Kamine gesehen, ohne zu wissen, was es sein konnte, sich zu beleben, und sie rief mit einer barschen Stimme:

»Man kann nichts für Euch thun; geht Eures Weges! Wir sind nicht reich, und was das Brod betrifft, so haben wir nicht zu viel für uns.«

Doch die Frau, welche die Blässe der zwei jungen Leute wahrgenommen, die Frau, die ihr ehrliches Aussehen gerührt hatte, stand auf, ging, ohne auf die Worte des Mannes zu merken, nach der Schublade zog einen halben zwölfpfündigen Laib Brod, so breit wie ein kleiner Mühlstein, heraus, schnitt in seiner ganzen Länge eine einen Zoll dicke Scheibe ab und sagte:

»Bah! Mann, das sind zwei arme Jungen, die sehr ehrlich aussehen. Wenn ich ihnen einen Bissen Brod gebe, so werden wir darum nicht ärmer sein. Geht, meine Kinder, und Gott geleite euch!«

Und sie gab ihnen die Brodscheibe, die ein Pfund oder anderthalb wiegen mochte.

Sodann, als befürchtete sie, ihr Mann könnte herbeilaufen, um den zwei Wanderern das Brod, das sie ihnen gegeben, wieder zu nehmen, fügte sie bei:

»Geht, geht; Ihr seid nur noch eine Meile von Lille entfernt.«

Und sie schloß die Thüre vor ihrer Nase; doch es lag in dieser Handlung offenbar mehr Wohlwollen als Feindseligkeit.

Die jungen Leute begriffen das, denn weit entfernt, ihr zu grollen, stammelten sie ganz erstickt von der Gemüthsbewegung:

»Oh! gute Frau! ob! brave Frau! Geschöpf des guten Gottes! Ja, wir werden wiederkommen, und wenn wir je reich sind, sei ruhig, gute Frau! sei ruhig, brave Frau! Du wirst Dich nie mehr um etwas zu bekümmern haben!«

Und während er sie zu segnen fortfuhr, theilte Gustave die Scheibe in zwei Hälften, gab ein Stück Hippolyte und behielt das andere für sich.

Als sie aber dieses Stück Brod an den Mund brachten, hatten sie nicht mehr die Kraft in das Brod des Almosens zu beißen, und Beide fingen an zu weinen und zu schluchzen.

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