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Abenteuer und Drangsale eines Schauspielers

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X

Gustave bei der Barrière du Faubourg Saint-Martin. – Verschwinden des Gasthauses der Mutter Carré. – Eine gute Nacht in einem Keller. – Ein edelmüthiger Freund. – Gustave auf der Straße nach Caen – Eine Carriole. – Hoffnung und Täuschung – Ein Lager im Wagen einer Wäscherin. – Unbändiger Marsch. – Ankunft in Caen. – Der Vater ausgezogen. – Eine letzte Anstrengung. – Gustave in den Armen des Vaters. —

Am fünften Tage nach dem der Abreise, um zwei Uhr Nachmittags, war Herr Gustave an der Barrière Saint-Martin; er athmete den Geruch der Ragouts und der Koteletes ein, hatte aber keinen Sou um sich ein Stückchen Hasen oder Barbe unter den Zahn zu schieben.

Seine zwei letzten Sous hatte er am Morgen in Ile Adam ausgegeben, um sich ein Laibchen Brod zu kaufen.

Und dennoch hatte Herr Gustave Eines beschlossen: erst um zehn Uhr Abends in die Stadt hinein zu gehen.

Warum dies?

Man wird es begreifen.

Herr Gustave gedachte an der Ecke der Rue Saint-Nicolas bei Madame Carré zu wohnen. Er kannte das Haus, er hatte es als Zeichner studiert und wußte, wie die Lichter und die Schatten vertheilt waren. Stellte er sich nun in den Schatten, so würde seine Entblößung minder sichtbar sein; sodann, wenn es, was wahrscheinlich, keinen Platz im Hotel gab, würde man, statt ihn wegzuschicken, wie dies unfehlbar zu einer Stunde des Tages geschähe, wo er Zeit hatte, ein anderes Lager zu suchen, ihn behalten, und sollte man ihn in einem Winkel auf einem Bund Stroh liegen lassen: das war Alles, was Herr Gustave erstrebte.

Dies sind, wie ich hoffe, zwei in den Augen des Lesers für die Handlungsweise von Gustave genügende Gründe.

Herr Gustave wartete also bei der Barrière und wärmte sich hier an den Rechauds der Kastanienhändler.

Auf den Schlag zehn Uhr trat er in die Stadt ein.

Hat man fünf und fünfzig Meilen in fünf Tagen gemacht, so ist es keine große Sache, den Faubourg Saint-Martin hinabzugehen, besonders wenn man an der Ecke der Straße ganz bereit, einen aufzunehmen, das Gasthaus der Mutter Carré, dieser guten Mutter Carré. welche Gustave ihren kleinen Etienne nannte, finden soll.

Wird er sich unter dem Namen Gustave oder unter dem Namen Etienne präsentiren?

Unter dem Namen Etienne.

Aber wo Teufels ist denn das Gasthaus der Mutter Carré?

O wehe!

Niedergerissen, rasirt. mit einem Bretterzaune umgeben.

Ah!

Gustave setzte sich auf einen Weichstein an der Ecke der Rue Saint-Nicolas. Man hätte ihn für Ulysses, als er nach Ithaka zurückehrte, halten können, hätte er einen Hund gefunden, der vor Freude, als er ihn wiedersah, gestorben wäre.

Da kein Hund da war, so war es ganz einfach Herr Gustave, doch Herr Gustave war diesmal sehr niedergeschlagen.

Er war indessen nicht der Mann, der sich ganz und gar niederschlagen ließ.

Nachdem er einen Entschluß gefaßt, stand der Reisende auf.

Eine Thüre war am Zaune angebracht.

Die Thüre wurde von innen mittelst eines Bindfadens mit Schleife und eines Nagels mit Haken geschlossen.

Er schob seine Hand zwischen zwei Brettern durch, fand den Bindfaden, machte ihn los, öffnete die Thüre und schloß sie wieder hinter sich.

Sodann sondirte er mit dem Fuße das Terrain, traf eine Kellertreppe, stieg zwölf Stufen hinab und befand sich in der lauen Atmosphäre der unterirdischen Oertlichkeiten.

Ein Glück kommt nie allein.

Herr Gnstave hatte ein Lager gefunden: er sollte auch ein Bett finden.

Man hatte die alten Strohsäcke von Madame Carré in eine Ecke des Kellers geleert.

Das gab ein Bett so weich wie Eiderdunen.

Herr Gustave zog seinen Rock aus, aus Furcht, ihn zu verderben, und steckte sich bis an den Hals ins Stroh.

Abgesehen vom Magen, der Hunger schrie, war die Nacht also ziemlich gut; im Vergleiche mit der Nacht im Schilderhause war sie sogar vortrefflich.

Am andern Morgen, bei Tagesanbruch, stand Herr Gustave auf, schüttelte sein schönes schwarzes Haar und ging weg, um einen Freund aufzusuchen.

Der Freund gab ihm zu frühstücken und lieh ihm dreißig Sous.

Es waren drei und fünfzig Meilen mit dreißig Sous zu machen.

Bah! man hatte so viele Dinge gethan, daß man auch am Ende etwas Unmögliches thun würde.

Gustave unternahm es, nicht wie Nero, weil er nach Unmöglichem gierig war, sondern weil ihn die Nothwendigkeit zwang.

Um zwei Uhr Nachmittags ging er von Paris ab.

Um zehn Uhr Abends kam er in Nantes an.

Das waren schon vierzehn Meilen von drei und fünfzig verschlungen.

Der Reisende gab zehn Sous für die Wohnung, zehn für das Essen ans: es blieben noch zehn Sous für die neun und dreißig übrigen Meilen.

Am andern Morgen begab sich Gustave frühzeitig auf den Weg: es war ein schlechtes, düsteres Wetter.

Eine Meile von Nantes holte er einen Kaufmann ein, der mit seinem Wagen reiste.

Der Wagen folgte der Mitte des Pflasters.

Dem Verstande seines Pferdes vertrauend, folgte der Kaufmann einem kleinen Pfade, wie sie die Fußgänger längs den Gräben machen.

Der verlorene Sohn schielte nach dem Wagen.

Es war eine hübsche Carriole mit Wachsleinwand bedeckt, allerdings auf der Achse hängend, doch man hatte der Unbequemlichkeit des Stoßens durch ein Bänkchen mit Riemen abgeholfen.

Diese prüfende Beschauung bestimmte ihn, ein Gespräch mit dem Kaufmann anzuknüpfen.

Der Kaufmann erwiederte seine Anrede.

«Gehen Sie weit so?« fragte er, nachdem die ersten Complimente ausgetauscht waren.

»Nach Caen,« antwortete der junge Mann.

»Nach Caen! . . . Sie sind noch nicht dort.«

Er streckte sodann die Hand aus, um sich zu versichern, daß einige Tropfen zu fallen anfingen, und sagte:

»Es wird vorher regnen.«

»Ich befürchte es.«

»Sehen Sie, es kommt schon.«

»Teufel, wir werden eingenäßt werden!«

»Ich nicht.«

»Wie so?«

»Ich steige wieder in meinen Wagen.«

Und das Beispiel mit der Lehre verbindend, stieg er in der That wieder in seinen Wagen, peitschte sein Pferd und fuhr im Trab weg.

Gustave hatte sein Spiel verloren.

Der Reisende machte indessen nie eine solche Sindfluth durch; fünfzehn Meilen von Nantes hielt er an.

Die zehn letzten Sous waren auf das Frühstück und das Mittagessen verwendet worden.

Man durfte nicht an das Nachtlager denken.

Der Wagen einer Wäscherin, der vor der Thüre eines Hauses ausgespannt war, übernahm die Kosten.

Der Reisende schlüpfte in den Wagen und machte es sich darin so bequem als möglich.

Es blieben für den andern Tag vier und zwanzig Meilen zu machen, und nicht einen Sou, um ein Laibchen Brod zu laufen oder einen Tropfen Branntwein zu trinken.

Um vier Uhr Morgens war die Kälte so heftig, das Wasser, das durch die Leinwand eindrang, so eisig, daß der Reisende sich auf den Weg zu begeben beschloß.

Es blieben ihm, wie gesagt, vierundzwanzig Meilen zu machen, und es war ihm, wie ein Schein des Wahnsinnes, durch den Kopf gefahren, sie an einem Tage zu machen.

Um Mittag hatte er fünfzehn zurückgelegt; er fiel vor Hunger und Müdigkeit fast nieder. Einen Augenblick hatte er den Gedanken, sich an den Rand des Weges zu setzen. Doch er sagte, obgleich mit sich selbst sprechend, laut:

»Wenn Du Dich setzt, Etienne, stirbst Du.«

Und er ging weiter.

Um zwei Uhr hatte er achtzehn Meilen gemacht; es blieben ihm nur noch sechs, – allerdings war er beinahe verrückt.

Er ging wie ein Mensch, der den Schwindel hat, mit einem wahnsinnigen, wüthenden Schritte, den Kopf im Winde, das Auge starr, die Lippen halb geöffnet, die Zähne an einander gepreßt.

Sein Athmen glich einem Brüllen.

Diejenigen, welche den bleichen jungen Mann mit dem fieberglühenden Auge, mit den geschlossenen Fäusten, mit den starren Armen vorüberkommen sahen, gingen ihm aus dem Wege und sagten:

»Ah! er ist also wüthend dieser da, daß er einen solchen Schritt geht?«

Und er ging immer weiter; seine Muskeln gehorchten einer mechanischen Bewegung; man hätte glauben sollen, es sei eine von der Hand Satans aufgezogene Maschine. Es schien ihm nun, die Entfernung sei für ihn gleichgültig, und er werde ankommen. wie groß auch die Entfernung sein möge.

Nur, wie würde es ihm ergehen, wenn er angekommen?

Der Grieche von Marathon war auch in Athen angekommen, nur war er bei seiner Ankunft gestorben!

Um fünf Uhr Abends hatte sein Marsch weder um einen Schritt, noch um eine Minute in der Meile abgenommen.

Doch die Bäume der Straße, die Häuser der Dörfer, Alles drehte sich um ihn.

Seine Schläfe schlugen, daß er glaubte, seine Arterien werden zerreißen.

Er hatte ein Brausen in den Ohren, als ob er am Niagara-Falle hinginge.

Er sah roth, als ob er eine Blutwoge vor den Augen hätte.

Plötzlich hörte er das Rasseln von Trommeln.

Das war die Retraite.

Er näherte sich Caen.

Er stieß einen heiseren Schrei aus, dem Kreischen einer Hyäne ähnlich.

Bald erschien die Stadt wie eine ganz von Lichtern durchbrochene schwarze Masse.

Seit dem vorhergehenden Tage um vier Uhr hatte er kein Krümchen Brod gegessen, kein Glas Wasser getrunken.

Er lief den Faubourg Vauxelles hinab wie ein Gespenst, folgte der Rue Saint-Jean in ihrer ganzen Länge, trat in die Rue des Carmes ein und stürzte in den Gang seines Geburtshauses; doch er hatte nicht die Kraft, die drei Stockwerke hinaufzusteigen,, ließ seine beiden Hände an eine Thüre fallen und rief:

»Ist der Vater da?«

Es öffnete ein Mann.

»Ah! es ist Etienne i« sagte er.

»Der Vater! wo ist der Vater!« fragte Gustave keuchend, indem er sich an die Wand an lehnte, um nicht zu fallen.

»Er ist ausgezogen.«

»Mein Gott. wo wohnt er?«

»In der Rue des Postes.«

 

Der Unglückliche antwortete nicht eine Sylbe; er begab sich wieder auf den Weg.

Es waren ungefähr fünfhundert Schritte von der alten Wohnung zur neuen.

Einen Augenblick schien es ihm schwieriger, die fünfhundert Schritte zurückzulegen, als die vierundzwanzig Meilen, die er gemacht hatte.

Das Haus der Rue des Postes hatte einen Gang wie das der Rue des Carmes.

Nur wußte er nicht, wo sein Vater wohnte, ob im Erdgeschoße, ob im ersten Stocke, ob im zweiten oder im dritten.

Er warf sich in den Gang und schrie:

»Vater! Vater! Vater!!!«

Diesen kläglichen Ruf hörte der Vater vom zweiten Stocke; er erkannte die Stimme seines Kindes, eilte die Stufen hinab und kam an, als Gustave fast ohnmächtig niederfiel.

»Ah! mein armer Junge!« sagte er.

Und ohne ein Wort mehr zu sprechen, ohne ihm einen Vorwurf zu machen, nahm er ihn in seine Arme, trug ihn in den zweiten Stock hinauf, zog ihm seine Lumpen aus, wusch ihn und legte ihn zu Bette, als ob er ein Kind gewesen wäre.

Etienne ließ mit sich machen: es war ihm, als hätte er Arme und Beine gebrochen.

Er besaß nicht einmal die Kraft, zu klagen.

XI

Das Päckchen Haare. – Der Vater erzählt Gustave eine Episode aus seiner Jugend. —

Etienne vermöchte selbst nicht zu sagen, was in der Nacht vorging, die auf seine Ankunft folgte: er hatte gleichsam das Bewußtsein verloren. Er fühlte, wie von Zeit zu Zeit seine Lippen sich aus einander thaten, wie ein stärkender Trank seine vertrocknete Kehle befeuchtete und sodann die Lippen seines Vaters, dieses Mannes, der ihn in gewöhnlichen Zeiten nie küßte, sich ganz schauernd auf seine Stirne legten.

Seine Erinnerung geht nicht über diese unbestimmten Einzelheiten hinaus.

Am andern Morgen erst fand er, als er wieder zu sich kam, auf einem Stuhle bei seinem Bett einen Haufen Bücher.

Der Vater hatte sich erinnert, daß lesen, lesen und immer lesen eine von den Zerstreuungen der Kindheit seines Sohnes war.

Acht Tage lang hütete der junge Mann das Bett. Wenn er heraussteigen wollte. um irgend einen Gegenstand zu holen, so stieg er mit den Händen voran heraus, und er schleppte sich fort wie ein Seehund, ebenso gelähmt in seinem Hintergestelle, als ob ein Rad darüber gegangen wäre.

Als er eines Tags, um sich zu zerstreuen, den alten nußbaumenen Schrank aufmachte und darin suchte, ohne zu wissen, was er suchte, öffnete er eine nach der andern alle Schubladen; da fand er im Hintergrunde von einer dieser Schubladen ein Päckchen Haare in dreifaches Papier gewickelt und von einem schwarzem Bande umschlossen.

Das konnte nur ein Familienandenken sein; dieses Andenken erregte seine Neugierde.

Er legte das Päckchen unter sein Kopfkissen, und als der Vater nach Hause kam und sich wie gewöhnlich an sein Bett setzte, zog er das Päckchen unter dem Kissen hervor und fragte:

»Was ist denn das, Vater?«

Der Vater brauchte nicht das dreifache Papier abzunehmen; bei der einfachen Berührung mit der Hand errieth er, was es enthielt.

»Das?« erwiederte er, »das ist nichts.«

Und er warf das Päckchen ins Feuer.

–Ah! Vater!« rief der junge Mann, indem er hinzueilte, um die Haare wieder zu erhaschen. denn er vermuthete es sei ein kostbareres Andenken, als es sein Vater zugestehen wollte.

Doch der Vater hielt ihn am Handgelenke zurück, bis das Papier mit seinem Inhalte völlig in Asche verwandelt war.

Dann warf er sich in seinen Lehnstuhl zurück, ließ seufzend seinen Kopf auf seine Brust fallen und schloß die Augen.

Aus seinen geschlossenen Augenlidern traten zwei stumme Thränen hervor und rollten über seine Wangen, gefolgt von zwei anderen Thränen.

Dieser eiserne Mann ging offenbar zurück und stieg auf einer Reise in das Land seiner Jugend den Weg der Illusionen hinauf.

Der junge Mann sah ihn einen Augenblick ganz erstaunt weinen; dann verlängerte er seine Lippen und küßte. was er nie zuvor gewagt hatte, die Wangen des Greises an der Stelle, wo die Thränen sie durchfurchten.

Der Greis öffnete die Augen, umschlang mit einem Arme den Kopf seines Sohnes, drückte ihm seinen Mund auf die Stirne und sprach:

»Etienne, ich hörte Dich eines Tags andern Kindern. mit denen Du spieltest, und die, Dich fragten: »Warum sieht er denn so hart aus, der Vater Jean?« antworten: »»Ah! er ist nicht böses doch es scheint, als er jung war, hat man ihn nicht lachen gelehrt.««

»Vater.«

»Du irrtest Dich, Etienne: als ich jung war, lachte ich wie die andern Kinder. Mit achtzehn Jahren war ich ein fröhlicher Bursche, und während der drei ersten Jahre, die ich beim Regimente blieb, sagte man, wenn man keine andere Vergleichung hatte, um die Heiterkeit zu schildern: Heiter wie Jean. Ich will Dir nun erzählen, wie und warum ich zu lachen aufgehört habe.

»Ich war der Aelteste von meinen Geschwistern, viel älter als sie, so daß man, wenn mein Vater und meine Mutter zu ihren Geschäften gingen, mir die Andern zur Obhut übergab.

»Die Kleinsten nannten mich auch Mutter Jean, die Mittleren Vater Jean, und die Größeren Bruder Jean.

Unter Allem dem war diejenige, welche ich am meisten liebte, ein Engelskind Namens Catherine, blond, rosig, frisch, lachend, und diese Kleine liebte mich, wie ich sie liebte, das heißt sehr.

»Als ich Dienste nahm, zählte sie zwölf Jahre, – das war 1791 – ich beklagte ungemein die Trennung von meinem Vater, von meiner Mutter, von meinen Brüderchen, meinen Schwesterchen, am meisten schmerzte es mich aber, von Catherine scheiden zu müssen.

»Ich ging ab, kam zum Heere und schlug mich vier Jahre – immer heiter, – denn ich erhielt von Zeit zu Zeit Briefe von Catherine, welche mir sagte, sie befinde sich wohl, und von den Andern, die mir sagten, Catherine werde immer schöner.

»Bei der Belagerung von Mainz bekam ich eine Kugel ins Bein. Der Wundarzt wollte es mir durchaus abschneiden; ich nahm meinen Säbel unter mein Kopfkissen und erklärte, wenn er sich mir je in einer solchen Absicht nähere, so renne ich ihm meinen Säbel durch den Leib.

»Er ließ sich das gesagt sein und befahl seinen Zöglingen, mich zu pflegen. Ich genas zu seinem großen Bedauern.

»So oft ich an ihm vorbeiging, klopfte ich mit meinem Stock an meinen Schenkel und sagte:

»»Sehen Sie!««

»»Ja,«« erwiederte er, »»doch Sie hinken,!««

»Ich würde wohl ganz anders hinken, wenn ich kein Bein hätte,«« versetzte ich.

»Hierauf beschränkte sich unser Gespräch.

»Man hörte endlich sagen, es seien in Italien große Siege erfochten worden; ein junger General Namens Bonaparte habe die Oesterreicher geschlagen, und es werde Friede geschlossen werden.

»Eines Tags schickte man mir einen unbeschränkten Urlaub das war eine Artigkeit, die mir der General Hoche, mein ehemaliger Bettkamerad, erwies.

»Man bezahlte meinen rückständigen Sold, der sich auf vierhundert Livres belief; das war abermals eine Artigkeit vom General, denn man bezahlte zu jener Zeit wenig.

Allerdings schlug man sich darum nicht schlechter.

»Ich nahm in Straßburg die Diligence und kam am sechsten Tage in Caen an.

»Bitte Viertelstunde von der Stadt stieg ich aus: ich wollte Alles dies nach und nach wieder sehen; ich befürchtete. die Gemüthsbewegung könnte mich ersticken.

»Ich ging zu Fuß nach; Caen hinein.

»Einer meiner Freunde, ein Schreiner, der einen Militär hinkend herbeikommen und Alles mit den Augen verschlingen sah, schaute mich aufmerksam an, erkannte mich und rief mich.

»Ich trat bei ihm ein.

»Es war mir sehr lieb, durch diese Gelegenheit Nachricht über meine Familie zu bekommen.

»»Mein Vater?«« fragte ich zuerst.

»»Er ist wohl.««

»»Meine Mutter?««

»»Sie ist wohl.««

»Die Kleinen?««

»»Sie sind wohl.««

»»Und . . . und Catherine?««

»Meine Stimme zitterte, als ich mich nach ihr erkundigte.

»»Sie ist so eben hier vorüber nach dem Kuhstall gegangen, Du wirst sie zurückkommen sehen, wenn Du fünf Minuten wartest. Du weißt, daß man sie in der Vorstadt nur die schöne Catherine nennt.««

»Ich wartete.

»Nach fünf Minuten erschien Catherine wirklich. Oh! es war so! es war wohl die schöne Catherine!

»Mein ganzes Herz eilte ihr entgegen. Ich wollte aus dem Hause stürzen: mein Freund hielt mich zurück.

»»He! Catherine, schönes Kindl«« rief er, »»kommt doch hierher; man wünscht Euch zu sehen!««

»Catherine näherte sich lächelnd und den letzten Vers eines Liedchens singend, das ich sie einst gelehrt hatte.

»Sie stellte vor der Thüre ihren Milchkrug nieder und trat ein.

»»Wer will mich denn sehen Nachbar?«« fragte sie.

»Ich zitterte an allen Gliedern nur beim Tone dieser Stimme, die bei dem Mädchen den frischen, reinen Klang des Kindes erhalten hatte.

»»Wer . . . bei Gott! dieser schöne Soldat! Schau ihn an . . . Findet Ihr nicht, daß er Jemand gleicht.««

»Catherine wandte sich gegen mich um. Schaute mich an erröthete, erbleichte, ihre Lippen bebten. Und sie rief:

»Ah! . . ah! mein Bruder Jean! . . .««

«Und sie machte eine Bewegung, um mir ihre Arme zu öffnen.

»Zu gleicher Zeit aber schlossen sich ihre Augen; sie ließ ihren Kopf zurückfallen, gab einen Seufzer von sich, als ob etwas in ihrem Herzen bräche und sank zu Boden.

»Ich stieß einen Schrei aus und stürzte mich auf sie: es war zu spät, ich hatte ihrem Falle nicht zuvorkommen können.

»Ich hob sie in meinen Armen auf und schloß sie an meine Brust.

»Sie war ohnmächtig.

»Ich fühlte mich selbst dem Fallen nahe.

,»,Oh! Catherine! theure Catherine! . . . Einen Arzt!«« rief ich. »»einen Arzt!««

»Der erste Arzt der Stadt fuhr in seinem Cabriolet vorüber: man lief ihm nach, man hielt ihn an.

»Er stieg aus und kam, ließ sich das Ereigniß erzählen, fühlte der Kranken den Puls, schüttelte den Kopf und sagte:

»»Gleichviel! ich will ihr zur Ader lassen!««

»Mein Gott! mein Gott! meiner armen Catherine zur Ader lassen?««

»»Wollen Sie lieber, daß Sie stirbt?««

»Wenn man ihr aber zur Ader läßt, stehen Sie für meine Schwester?««

»»Nur Gott steht für das Leben und den Tod.««

»»Handeln Sie!««

»Man umband den weißen Arm von Catherine, ich sah ihre Adern anschwellen, ich sah die Lancette glänzen. ich sah die Spitze sich dem Fleische nähern, ich sah das Blut spritzen.

»Oh! ich fühlte, daß ich wahnsinnig wurde . . . Ich hatte Lust, diesen Menschen zu tödten!

»Ich warf mich auf einen Stuhl, preßte meine Hand in meine Haare und schluchzte.

»Ich hörte einen Seufzer und erhob das Haupt.

»Es war auf dem Boden eine Schüssel voll Blut.

»Oh! mein Gott! mein Gott! wie hätte ich all mein Blut für dieses gegeben!

»Catherine schaute mit einem stieren Auge umher.

»»Ich bin es, Catherine!«« sagte ich zu ihr; »»ich bin es, es ist Jean, es ist Dein Bruder!««

»Sie suchte zu sprechen: ihre Zunge konnte Anfangs nur unverständliche Laute artikuliren.

»Auch unerhörten Anstrengungen stammelte sie sodann die Worte:

»»Jean, Du wirst wieder abgehen?««

»»Nein, nein, theure Catherine,«« erwiederte ich, »ich bin für immer zurückgekommen. um bei Dir zu bleiben, um Dich nicht mehr zu verlassen. Sei ruhig, Catherine, es ist nicht nur Bruder Jean, sondern Vater Jean, sondern Mutter Jean!««

»Sie suchte zu lächeln, doch ihr Mund war entstellt und ihr Lächeln erschrecklich.

»»Mutter Jean, Vater Jean?«« versetzte sie wie ein Verrückter, der seine Erinnerungen sammelt, oder vielmehr wie ein Blödsinniger, der zu begreifen sucht; »»nein, immer Bruder Jean.««

»Ich schaute den Arzt an. I

»»Ah,«« sagte er, »»Sie sehen, daß es besser geht. Vorhin war sie todt: nun lebt sie; sie war stumm: nun spricht sie.««

»Ach! ja! aber wie lebt sie? wie spricht sie?

»Wie eine Frau leben und sprechen kann, die so eben eine Gehirncongestion gehabt hat.««

»»Was ist nun zu thun?««

»»Man muß Alles von der Jugend und der Natur erwarten.««

»»Kann man sie nach Hause bringen?««

»»Allerdings, wenn das Haus nicht entfernt und die Art des Transportes eine sanfte ist.««

»Das Hans ist hundert Schritte von hier, und ich werde sie auf meinen Armen tragen.«

»»Nehmen Sie sich in Acht, Sie sehen mir auch nicht sehr stark aus, und vorhin hinkten Sie.«

»Ich hob Catherine in meinen Armen auf, wie ich ein fünfjähriges Kind aufgehoben hätte.

»»Verzeihen Sie,«« fragte der Arzt, »»wo wohnen Sie?««

»Ich nannte ihm meine Adresse.«

»»Ich werde sie alle Tage besuchen?««

»Und Sie können sie heilen?««

 

»»Ich werde mein Mögliches thun.««

»Ich stieß einen schweren Seufzer aus. Das Versprechen war sehr unbestimmt. Dann trug ich Catherine in meinen Armen fort.

»Die ganze Vorstadt wußte schon den Unfall, der Catherine zugestoßen war; ich kam zum Hause gefolgt von mehr als hundert Personen.

Mein Eintritt ins väterliche Hans war traurig. Ich kehrte lebend zurück, doch ich brachte meine Schwester beinahe todt.

»Welch ein Unterschied gegen das, was ich mir versprochen hatte!

»Man legte meine Schwester zu Bette.

»Von ihrem Lager ans folgten mir ihre Augen und ließen nicht eine Sekunde von mir ab.

So oft ich mich der Thüre näherte, stammelte sie mit Bangigkeit:

»Du willst wieder geben?««

»»Nein! nein! nein!«« rief ich. »»sei ruhig!««

»Sobald ich die Stube verlassen, hatte sie nur einen Schrei, einen schmerzlichen, fast kindischen Schrei:

»»Bruder Jean! Bruder Jean! Bruder Jean!««

»Und ich ging zurück und sagte:

»Sei der ruhig, Catherine . . . sei doch ruhig, ich habe ja meinen Abschied!«

»Es war, als hörte sie nicht.

»Der Arzt kam alle Tages doch statt das eine Besserung eintrat, ging es immer schlimmer bei der armen Catherine.

»Eines Tags sagte der Arzt zu mir: »Ihr Schnurrbart, Ihr Zopf und Ihre Uniform beunruhigen sie. So lange Sie Catherine so sieht, wird man ihr nicht begreiflich machen, daß Sie nicht mehr Soldat sind.««

»Ich ging sogleich in mein Zimmer hinauf, rasirte meinen Schnurrbart . schnitt meinen Zopf ab und warf meine Uniform in die Tiefe eines Schrankes.

Dann zog ich eine Blouse an und ging wieder hinab.

»Als sie mich so verwandelt erblickte, erleuchtete ein Blitz der Freude ihr Gesicht.

»»Ah!«« sagte sie, »«das ist mein wahrer Bruder Jean!««

»Ich trat zu ihr und nahm sie in meine Arme; sie legte ihren Kopf aus meine Schulter und murmelte:

»»Wenn ich todt bin, wirst Du zur Armee zurückkehren, doch nicht wahr, Bruder, nicht früher?««

»Oh! wenn sie mir solche Dinge sagte, siehst Du, da weinte ich alle Thränen meines Leibes!

»Von diesem Augenblick an wachte sie lächelnd, schlief sie lächelnd.

»Eines Tags . . . eines Tags starb sie lächelnd.

»Als ich sicher wußte, daß sie todt war, ging ich wieder in mein Zimmer hinauf, nahm meinen Rock, meinen Hut und meinen Säbel, und begab mich. Ohne irgend Jemand, – Vater, Mutter. Brüdern – Lebewohl zu sagen, zum Regiment zurück.

»Ich kam erst zehn Jahre nachher wieder nach Hause.

»Seit dem Tode meiner Catherine habe ich nicht gelächelt.

»Du siehst, mein Kind, daß Du Unrecht hattest, als Du sagtest, man habe mich das Lachen nicht gelehrt; ich konnte es: nur habe ich es verlernt . . .«

Etienne würde nie etwas von dieser Geschichte erfahren haben. hätte er nicht, wie gesagt, eines Tages das mit einem schwarzen Bande umwickelte Päckchen Haare in einer Schublade des nußbäumenen Schrankes gefunden.

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