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Matthias Houben

Brain Cloud

ein futuresker Kurzroman

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Netzgleiter

Ein Vertrag

Überraschung

Mark der Schläfer

Der Plan

Der Turm

Mission Start

Interview

Kontakt

Abbruch

Theorie

Treffpunkt Bibliothek

Erklärungsnot

Strategiewechsel

Alter Ego

Der normale Irrsinn

game over reset

Gegenbesuch

Kurzer Disput

Rückkehr

Und was machen wir jetzt damit?

Weitere Publikationen des Autors

Impressum neobooks

Netzgleiter

Er stand leicht nach vorn gebeugt auf dem sanft abfallenden, grünen Hügel und versuchte den schwachen Duft von Wind einzusaugen. Soweit er sehen konnte, dehnte sich die grüne Landschaft vor ihm aus. Ohne Bäume, ohne Häuser, ohne jegliches Merkmal, das erlaubt hätte, eine Richtung oder Entfernung zu bestimmen. Ein leicht gewelltes Auf und Ab, sich grenzenlos ausdehnend, vollkommen geräuschlos und immer in ein sanftes Grün getaucht, welches den Eindruck der Endlosigkeit verstärkte.

Noch war kein Geruch zu vernehmen.

Aber der Wind würde kommen, wie er es immer tat.

Zuerst kündigte ein leichter Duft nach feuchtem Gras sein Erscheinen an, dann spürte man ein leises Rascheln, das über die Hügel kroch, bis weit in der Ferne die ersten Gleiter mit weißen, gewölbten Segeln vorüberzogen.

Er taste kurz nach dem Stirnband an seinem Kopf, folgte einem der feinen Kabel, die von dort zu seinem rasierten Kopf führten, und kratzte die juckende Stelle, an der das Kabel an seiner Kopfhaut klebte.

Es war dieses lockere Kabel, das ihn irritierte, seine trockene Haut jucken und gleichzeitig transpirieren ließ. Das war nicht in Ordnung, ohne dass er wusste, was daran nicht in Ordnung sein sollte. Aber allein, dass er sich an seinen Namen erinnern wollte, war auch nicht in Ordnung und gehörte nicht hierher.

Seine Augen suchten weiter den gewundenen Horizont nach Gleitern ab, während er beschloss, sich weiter ‚Er‘ zu nennen.

Seine nackten Zehen gruben sich fest in das grüne, moosartige Geflecht, das die weite Fläche aus Tälern und Hügel bedeckte, nach Tang roch, sich nicht bewegte, selbst bei starkem Wind nicht. Bei feuchtem Wind aber ließ es die Gleiter über sich hinwegschießen, veranlasste sie zu immer weiteren Kurven, wenn sie dem Wind folgend über die Hügel rasten.

Er versuchte seinen Stand zu verbessern, indem er die Schultern leicht anzog, die Arme wie zum Sprung anwinkelte und die Knie ein wenig durchbeugte. In dieser Haltung konnte er endlos verharren. Bis der Wind kam und einen Gleiter vor sich hertreibend auf seinen Hügel schob.

Dann kam es darauf an, zum richtigen Zeitpunkt sich der Bewegung des Gefährts anzupassen, aus dem Stand mit einer einzigen, fließenden Veränderung sich hineinzuziehen und sofort das Gleichgewicht zu finden.

Wehe, der Segler kam zum Stillstand oder wurde den Hügel hinab in die nächste Kuhle getrieben. Eine winzige Unachtsamkeit, ein zu früher oder zu später Kontakt würde unausweichlich dazu führen.

Er würde in einem unbrauchbaren Gleiter zwischen den Hügeln sitzen, über deren Kuppen unerreichbar entfernt und unnütz der Wind strich.

Auf seinen Streifzügen hatte er einige solcher Fehlversuche liegen sehen, was ihn dazu veranlasst hatte, darüber nachzudenken, dass er nicht allein war.

Auch das hätte nicht geschehen dürfen.

Er wusste es.

Es gab nur einen Versuch, sich aus der konzentrierten und manchmal endlos langen Bewegungslosigkeit mit der fließenden Bewegung des plötzlich auftauchenden Seglers zu synchronisieren. Ein Scheitern führte zu Warten und Hadern, Gedanken über Namen und Andere, alles Dinge, die seine Konzentration störten und nicht sein durften.

Und das Angleichen an den Gleiter war nur der Anfang, die Voraussetzung für die eigentliche Aufgabe, die so unendlich werden konnte wie die Landschaft, in der sie vollbracht werden sollte.

Kein Sprung, kein hastiges Nebenherlaufen war gefragt, nein, es galt nur diesen einen Moment abzupassen, der ein Verschmelzen mit der Bewegung des Gefährts erlaubte. Und dafür brauchte es den perfekten Standpunkt auf dem richtigen Hügel, in der Rundung kurz vor seiner höchsten Ausdehnung im richtigen Winkel zu der Richtung, aus der der Wind und mit ihm der Gleiter kommen würden.

Diesen Moment gab es selten, aber er wusste, wann er kam. Dazu hatte man ihn ausgewählt, weil er es wusste und weil er zu dieser einzigen gleitenden Bewegung fähig war, die es auszuführen galt.

Weil seine ganze Konzentration, auf diesen Moment fixiert, alles andere vergessen ließ, wie seinen Namen.

Seine Augen blickten auf die nackten Zehen im grünen Geflecht, wanderten hoch, auf die nächste Kuppe zu und weiter, immer einem Hügelkopf folgend, bis die Reihe der Hügel zu einer unendlich weiten, geschwungenen grünen Linie verschmolzen, hinter der der Wind wohnte.

Er hörte dieses leise Wispern, das ihn immer begleitete, als sprächen die Hügel mit ihren hohen Stimmen zu ihm, wollten verraten, wann der Wind und ob er überhaupt kommen würde.

Aber er konzentrierte sich weiter auf den Geruch, sog langsam die Luft in sich ein, schmeckte sie sorgsam ab, bevor er sie mit einem kräftigen Stoß ausatmete, damit der Geschmack nach Flechten nicht zu intensiv wurde. Ein gleichmäßiges sich immer wiederholendes Ausatmen und Einatmen, während seine Augen im selben Rhythmus den Hügelkuppen folgten und er langsam mit der Landschaft verschmolz. Der einzige, regungslose Fixpunkt in einer weiten Ebene ohne Bewegung, ohne Geraden und Winkel, der nur auf den Wind wartete und die Gleiter, die er spielerisch vor sich hertrieb, um genauso schnell, wie er gekommen war, wieder mit seinen Spielzeugen zu verschwinden.

Er war bereit und wartete, stand hier, weil die Kabel in seinem Nacken und auf seiner Kopfhaut ihn das tun ließen, für das er geschaffen war.

Und schon zuckte der Zweifel wieder auf, an Kabel durfte er nicht denken, er durfte nicht einmal wissen, dass etwas wie ein Kabel existierte, so wie es irgendwo auch Namen gab, unter anderem einen für ihn und für das, was er hier tat. In einer Welt, die keinen Namen hatte, weil sie keinen brauchte.

Ein Vertrag

Mark sah hinunter auf das zusammengeheftete Papier, das er auf der Kante des Schreibtisches zu stabilisieren versuchte, damit sein Gegenüber das leichte Zittern seiner Hände nicht bemerken konnte. Er kam sich vor wie in Watte gehüllt, hörte die Stimme seines Gesprächspartner, blätterte gleichzeitig mit schweißnassen Fingern im Papier und versuchte irgendwie professionell und aufmerksam zu wirken.

„Ihre Testresultate sind ausgezeichnet. Sie haben das Test Szenario mit Bravour bewältigt, ich möchte fast sagen mit Auszeichnungen.“

Mark ZwO kommentierte im Hintergrund: „Wieso fast, du sagst es doch.“ Mark zuckte nervös zusammen.

„Wir würden uns freuen, Sie in unserem Team begrüßen zu dürfen.“

Mark blickte kurz auf, fixierte das ernste Gesicht seines Gesprächspartners, der jetzt versuchte zu lächeln. Was in starkem Kontrast zu den dunklen, harten Augen stand. Der Mund versuchte zu lächeln, die Augen sogen ihn auf, fixierten ihn und begannen ihn in Stellung zu rücken.

„Wie Sie sehen können, ist alles sorgsam geregelt. Für die Zeit, in der Sie an dem Projekt teilnehmen, übernehmen wir sämtliche ihrer laufenden Kosten, sodass sie sich komplett auf Ihre Aufgabe konzentrieren können.“

Der dunkelhaarige, muskulöse Mann blätterte kurz durch den Stapel Papiere, die er in der Hand hielt, und nickte Mark zu. Der weiße Kittel sollte wohl suggerieren, dass es sich um einen seriösen Wissenschaftler oder Arzt handelte, die durchtrainierte Gestalt und die exakten fast athletisch wirkenden Bewegungen wurden dadurch aber nicht kaschiert, wie Mark ZwO anmerkte.

 

Ein muskulöser Einzelkämpfer mit militärischem Bürstenhaarschnitt, leicht gebräunt, immer kontrolliert, ein wenig auf dem Sprung, als sei er bereit, jederzeit sein Gegenüber zu überwältigen.

Mark kam sich gedrängt vor, hätte gern mehr Zeit gehabt, wäre gern in sich gegangen und hätte sich beraten wollen. Aber man ließ ihm keine Zeit. Es sei eine einmalige Chance, er müsse sich kurzfristig entscheiden, da das Projekt schon angelaufen war und er der Letzte sein würde, der zu dem Team hinzustieß, um es zu komplettieren.

„Da Sie während Ihrer Projektbeteiligung keine weiteren Kosten haben, Sie werden selbstverständlich in dieser Zeit von uns komplett versorgt, werden wir die gesamte Summe zu Beginn des Projektes auf Ihr Konto überweisen.“

Mark blätterte durch den Mittelteil der Unterlagen, der detailliert beschrieb, wo er untergebracht wurde, wie er medizinisch und psychologisch betreut werden würde. Seine Augen blinzelten aber immer wieder zu der einsamen Papierseite vor sich auf dem Schreibtisch, die nur auf seine Unterschrift wartete, auf der diese ungeheure Zahl stand. Ein Betrag, den man überweisen wollte, der so unvorstellbar schien, dass er sich gerne in den Arm gekniffen hätte.

Der schwarze Faserstift lag daneben, wartete darauf jetzt benutzt zu werden. Mark brauchte ihn nur zu greifen und seine Unterschrift auf das Papier zusetzen.

Sein Gegenüber erklärte noch einmal das Prozedere, welches nach Unterzeichnung folgen würde, der Flug an den Projektstandort, die Einweisung in Unterbringung und Aufgaben. Er erwähnte die Namen von Ansprechpartnern und persönlichen Betreuern, schilderte übergenau deren Qualifikation und stellte bei einzelnen deren besondere Fähigkeiten hervor.

„Sie sehen, sie werden sich in den besten Händen befinden.“

Mark war sich nicht sicher, ob er sich überhaupt in den Händen von irgendjemand befinden wollte, aber die magische Zahl auf dem Vertrag sagte etwas anderes. Nie war ihm in seinem bisherigen Leben auch nur entfernt gelungen einen Job zu ergattern, der solche Auswirkungen auf seine Zukunft haben würde. Bisher war er geduldig im Mittelmaß mitgeschwommen, hatte sich vorgenommen irgendwann die Chance, die sich vielleicht böte sofort anzunehmen, sein Schicksal in eigene Hände zu nehmen.

Jetzt saß er hier und zögerte.

Das kurze Nicken seines Gegenübers zum Blatt und Schreibstift hin, war mehr als nur eine Aufforderung. Er wirkte langsam ungeduldig, das Gespräch zog sich in die Länge.

Mark nahm den Stift, schraubte die Kappe ab, legte den vor Aufregung feuchten Handballen auf das Papier und kritzelte entschlossen seine Unterschrift darauf.

Der feste Händedruck, das kurze Armschütteln seines Gegenübers, der locker einen Kopf größer war als er, begleitete ihn aus dem Büro. Er stolperte benommen an der Rezeption mit der telefonierenden jungen Dame vorüber, in den Aufzug, dessen Türe offen stand. Am Haupteingang empfing ihn warme, feuchte Luft, die von der klimatisierten kalten Luft in seinem Rücken, die ihn nach draußen zu schieben schien, zurückgedrängt wurde.

Sein Hemd klebte am Rücken, seine Hände, jetzt an die Hosenbeine angelegt, hinterließen feuchte Spuren, wie er glaubte.

Er verlor sich in die Stuhlreihen des Cafés auf dem Platz und bestellte sich einen Espresso. Dabei fiel ihm auf, dass er selbst keine Unterlagen mitbekommen hatte.

„Da wäre aber mehr drin gewesen.“

Mark ZwO meldete sich gegen alle Absprachen in der Öffentlichkeit.

„Wenn du gesagt hättest, dass wir zu zweit sind, hätten die mehr ausgespuckt.“

Mark sprach mit vorgehaltener Hand zu seinem zweiten Ich.

„Du brichst die Regeln, nicht in der Öffentlichkeit hatten wir beschlossen.“

„Nur, weil du immer laut zu mir sprechen musst. Bullshit. Ich sage dir, du hättest es sagen sollen.“

Mark schaute vorsichtig zu den Nachbartischen hinüber und führte die Tasse zum Mund, hielt kurz vor dem Trinken kurz inne.

„Wenn ich das gesagt hätte, wären wir in hohem Bogen rausgeflogen“. Er trank einen kurzen Schluck und verbrannte sich die Lippen.

„Hallo, hast du dir auch alles durchgelesen? Immerhin bestimmst du über mich mit. Da wäre es angemessen gewesen, mich zu beteiligen.“

Mark konzentrierte sich auf den Löffel, mit dem er den Zucker im Espresso umrührte, einmal in die linke Richtung, einmal in die umgekehrte.

„Immerhin hast du endlich unterschrieben. Ich war schon drauf und dran einzugreifen.“

Mark schüttelte unwillig den Kopf, was Menschen, die ihn jetzt vielleicht beobachteten, etwas merkwürdig vorgekommen musste.

Überraschung

Gottlieb Arndt Bertram, genannt GAB, stand in der Bäckerei und sah auf das Angebot hinter der schrägen Glasscheibe der Theke. Er konnte sich nicht entscheiden, ob er lieber ein Wurstbrötchen oder ein Croissant zum Frühstück essen sollte. Wahrscheinlich war beides gut, die Frage war nur, in welcher Reichenfolge es am besten schmeckte.

Die junge Verkäuferin hatte ihn kurz angeschaut und bediente nun einen Handwerker in grauer Montur, der sich vorgedrängt hatte. Was nicht weiter schlimm war, da er selbst sich noch nicht entschieden hatte.

In seinem leichten Sommerjackett über der Designerjeans, das Haar zurückgekämmt und zu einem langen Zopf über der Schulter getragen, sah er wahrscheinlich so cool und relaxed aus, dass jeder Hansel glaubte, sich vorpfuschen zu dürfen.

GAB grinste leicht vor sich hin bei dem Gedanken, dem lästigen Vorpfuscher alle Konten zu sperren und die Einträge bei den Behörden zu löschen. Ein Kinderspiel für einen Computer Profi.

„Bitte schön.“

Die blauen Augen der Verkäuferin sahen ihn auffordernd an. Jetzt half nichts mehr, er musste sich entscheiden und kaufte ein Brötchen und einen Croissant.

Während er zahlte und auf das Wechselgeld wartete, dachte er daran, dass es bald Zeit wurde, sich wieder einen Job zu besorgen. Nicht des Geldes wegen, da war er bereits versorgt. Aber das langweilige und eintönige in den Tag hinein leben, begann ihn mittlerweile zu frustrieren. Er kam sich mehr und mehr nutzlos und antriebslos vor, fühlte mit jedem neuen Tag, wie sich ein Stück der alten Neugierde von ihm löste und in Lethargie überging. Inzwischen hatte er sich angewöhnt, mehr auf sein Äußeres zu achten, als er es vorher jemals getan hatte. Die Farbe von Hemden passend zur Hose auszusuchen war ihm ebenso wichtig geworden, wie darauf im Auge zu behalten, dass die Schuhe zum Gürtel und die Lederjacke zu den beiden anderen passten.

Der Blick in die Schaufensterscheibe zeigte ihm, dass er einen guten Geschmack und ausreichend Geld besaß, selbigen auch zu bedienen. Die junge Verkäuferin lächelte ihm nach, als er aus ihrem Gesichtsfeld verschwand, was wohl auch an dem Trinkgeld liegen mochte, das er ihr großzügig überlassen hatte.

Es wurde wirklich Zeit, etwas zu ändern.

Er hatte sich in dieser öden Kleinstadt lange genug versteckt.

Am Anfang war es noch interessant gewesen, alles neu gestalten zu müssen, Wohnung, Einkaufsgewohnheiten. Nach und nach hatte er sich die kleine Welt um den Marktplatz mit ihren Boutiquen und Geschäften erschlossen, gestaltete seine Tage mit Lesen, Einkaufen und Kaffeetrinken. Aber irgendwie war mittlerweile die Luft raus.

Einen Computer hatte er seit langer Zeit nicht mehr angefasst.

Und das war auch gut so, obwohl sich das schwieriger gestaltete, als das Rauchen aufzugeben. Was er aber vor Kurzem wieder angefangen hatte. Sich mit Computern zu beschäftigen, hätte alte Dämonen wieder erweckt, deren Einfluss er dennoch spürte und erfolglos zu verdrängen suchte.

Während er sich in aller Ruhe am Bürgersteig stehend eine Zigarette zu drehen begann, nahm er aus den Augenwinkeln eine große schwarze Limousine wahr, die langsam auf ihn zurollte. Schwarzer, amerikanischer SUV mit getönten Scheiben und brabbelndem Achtzylinder.

Er beleckte mit der Zungenspitze sorgfältig die Gummierung des Zigarettenpapiers, drehte die fertige Zigarette ein paarmal Hin und Her und wollte sie sich in den Mundwinkel schieben, als er einen heftigen Stoß im Rücken spürte.

Der rechte Arm wurde ihm nach hinten gebogen, eine starke Hand hatte ihn im Nacken gefasst und beugte seinen Oberkörper der sich weit öffnenden Wagen Tür entgegen. Sein rechtes Knie stieß an etwas Hartes, seine Brötchentüte fiel auf den Boden. Er rutschte lang dahingestreckt mit dem Kinn über eine Ledersitzbank, spürte, wie ein Ärmel des Jacketts hochgeschoben wurde, danach einen kurzen Stich, dann fiel die schwarze Lederbank komplett über ihm zusammen und hüllte ihn ein.

Schwarz, sehr schwarz und muffig.

Als er wieder aufwachte, lag er da, spürte nichts außer grenzenloser Schwere, als hätte man ihn mit Blei ausgegossen. Er konnte sich nicht bewegen, spürte seinen Körper nicht, als wäre der weit entfernt. Es roch und schmeckte merkwürdig, unbekannt, medizinisch, scharf und doch süß. Er konnte die Augen nicht mehr aufhalten und flog beiseite.

Danach fühlte er ein Ruckeln, glaubte in weiter Ferne Stimmen zu hören, wurde hochgehoben und hart wieder abgesetzt, rollte ein Stück vor sich hin und dämmerte wieder weg.

Fluggeräusche, Düsentriebwerke, Kälte und Schwärze.

Weit hinten ein schwaches Licht, leicht schwankend im Rhythmus eines konstanten Pochens in seiner linken Stirnhälfte. Etwas Kaltes hielt sein Handgelenk gefangen und klapperte. Sein Kreuz schmerzte, aber immerhin spürte er etwas, öffnete mühsam die Augen und schloss sie geblendet wieder.

Ein riesiger verschwommener Mond taumelte vor ihm hin und her und dröhnte mit tiefem Bass ihm entgegen: „ Hey Alter.“

Lieber wieder die Augen schließen, alles nur ein Traum.

Er hatte sein Brötchen noch nicht gegessen. Die Zigarette war ihm hingefallen. Er hatte sich das Knie angestoßen, sein tauber rechter Arm baumelte in etwas metallisch Kaltem.

„Hey Alter.“ Seine Wange wurde getätschelt, wenn auch nicht eben sanft.

Breite Schultern, ein riesiger Kopf fast übergangslos aus den Schultern wachsend. GAB blinzelte vertränt in die Höhe.

„Na also, wird doch.“

Diese Stimme.

Irgendetwas versuchte in seinem Gedächtnis wieder nach oben zu tauchen. Er blinzelte erneut, sah auf einen Dreitagebart, der dunkel schimmerte.

„Hallo GAB.“

Er schaute hoch auf sein rechtes Handgelenk, das mit einer silbernen Handschelle an einem Bettgestell festgehalten wurde.

„Reine Vorsichtsmaßnahme, damit du nicht herausfällst. Können wir gleich abmachen.“

Jimmy grinste ihn aufmunternd an. Der alte Jimmy, noch größer, noch beleibter, noch speckiger.

Also doch alles nur ein Traum.

Er schloss die Augen und versuchte wieder in die Bäckerei zurückzugehen. Junge Verkäuferin mit hübschen blauen Augen, vorwitziger Drängler in grauer Arbeitskleidung, duftende Brötchenauslage hinter blank geputzter Scheibe, mit niedlichen kleinen, handgemalten Preisschildchen.

Aber es gelang nicht.

„Komm ich helfe dir.“

Er wurde aufgerichtet, Jimmy hob ihn kurz an, als wiege er nichts.

Ja Jimmy, der aussah, als sei er fett und dick und träge, was keineswegs stimmte, wie GAB wusste. Unter dem angefressenen Dickleib schlummerte ein gut durchtrainiertes Muskelkorsett.

„So.“

Kurzes Gehantele und Geklirr, sein rechter Arm fiel willenlos auf das Bett, auf dem er jetzt aufrecht saß.

„Mensch Alter, bin ich froh, dich hier zu sehen.“

Jimmy setzte sich auf die Bettkante und schaute ihn erwartungsvoll an. Das Bettgestell quittierte ihr addiertes Gewicht mit einem stählernen Ächzen.

GAB war alles andere als froh hier und jetzt irgendwo zu sein und zudem auch noch mit Jimmy, der letzten Person, der er begegnen wollte.

„Was soll das?“

Gut, ein ziemlich idiotischer Gesprächsanfang, aber mehr wollte ihm nicht einfallen.

Jimmy grinste ihn verlegen an und rubbelte mit einer Hand an seinen Bartstoppeln.

„Tja, ein wenig bin ich wohl schuld.“

Ein wenig war gut, Jimmy war eigentlich immer für jedes Desaster verantwortlich gewesen. Seine Verantwortung für Ereignisse stand in recht gesundem Verhältnis zu seinen Körpermaßen. Beides nahm offensichtlich unaufhaltsam zu.

 

„Weißt du, meine Geschäftspartner können recht kompromisslos sein und ich habe gesagt, dass wir dich brauchen.“

Tja und jetzt war er hier, von den kompromisslosen Partnern in ein Auto gezerrt, betäubt, verschleppt. Man hätte auch anrufen können.

Er versuchte in Jimmys dunklen Augen so etwas wie Scham zu sehen, aber die blinzelten unternehmungslustig wie eh und je. Keine Spur von Reue oder Schuldbewusstsein.

GAB versuchte sich aufzurichten und ließ versuchsweise die Beine über die Bettkante baumeln. Er blickte unentschlossen durch den Raum. Geschmackvoll modern, Sitzecke mit Tisch, ein Schreibtisch in einer Ecke, kein Fernseher, kein Computermonitor, aber Bilder an der Wand. Hotelmäßig.

Er schaute wieder zu Jimmy, der sich langsam vom Bett erhob und durch den Raum zu wandern begann.

„Es hat sich viel getan, seitdem du verschwunden bist.“

Ein kleiner Vorwurf, mit leicht emporgezogener Augenbraue. GAB verspürte jedoch kein schlechtes Gewissen. Er hatte seine berechtigten Gründe gehabt, aus dem Projekt auszusteigen. Und die Art und Weise blieb sein Problem.

„Unsere neuen Partner haben sofort die Möglichkeiten erkannt und sind mit enormen Ressourcen eingestiegen. Ich kann dir sagen mit wirklich fast unbegrenzten Ressourcen.“

Was GAB ja zu spüren bekommen hatte.

„Militär?“

Ein nur so dahinvermuteter Verdacht, aber wie GAB es schien, durchaus begründet. Sein rechter Arm schmerzte leicht, sein Schädel brummte, sein Rücken spürte sich mehrfach durchbrochen an, von seinem Geschmack im Mund nicht zu reden.

Jimmy wiegte den Kopf hin und her, hob die Schultern leicht an und blickte zur Decke.

„Nun ja, wir haben das Konzept leicht verändert, in die Rezeptorentechnik richtig investiert und neue Versuchsreihen anlaufen lassen.“

GAB verspürte bei dem Wort Versuchsreihen ein leichtes Ziehen im Nacken, und alte Erinnerungen wurden hochgespült.

„Was soll ich sagen. Es haben sich Erfolge eingestellt, mit denen ich so schnell eigentlich nicht gerechnet hatte.“

GAB musste grinsen, „Aber irgendwas ist schief gegangen?“

Auch damals war etwas schief gegangen und hatte ihn bewogen auszusteigen.

Jimmy hatte noch nicht geantwortet und setzte seine Runde im Zimmer fort.

Zwei Meter Mensch mit hundertdreißig Kilo Lebendgewicht, wenn es nicht mehr geworden waren, ein wenig verrückt, vielleicht sogar durchgeknallt und zudem bekennender Verschwörungstheoretiker.

In seiner Arbeit aber zielgerichtet und schlicht genial.

Schon fast zu genial, wie GAB hatte erfahren müssen.

„Am besten siehst du es dir an, beurteilst die Ergebnisse und sagst mir, was du davon hältst, ob ich richtig liege.“

Auf vollkommen freiwilliger Basis, wie es schien. GAB reckte sich und stand leicht schwankend vom Bett auf, wechselte in tapsigen Schritten hinüber zur Sitzecke und ließ sich auf die Couch plumpsen.

Das war wirklich das Letzte, was er sich hätte vorstellen können, wieder in das Projekt eingebunden zu werden, gezwungen zu werden.

„Warum der irre Aufwand? Man hätte mich auch anrufen können, wenn man mich schon gefunden hat.“

Er versuchte den Vorwurf in seiner Stimme abzumildern, was aber kläglich misslang. Er war nicht verärgert, er war stinksauer. Entführt und verschleppt wie in einem guten oder schlechten Thriller.

„Wärst du denn freiwillig gekommen?“

Eine berechtigte Frage, die GAB innerlich wahrheitsgemäß für sich beantwortete, mit Sicherheit nicht. Nie und nimmer.

Jimmy konnte seine Gedanken lesen und grinste ihn an.

„Die Art der Einladung war nicht meine Idee und entsprach nicht ganz meinen Vorstellungen, aber sie ist effektiv gewesen, nicht wahr.“

„Und wenn ich mich weigere?“

Jimmy schüttelte den Kopf, sah wieder hoch zur Decke und antwortete: „Schau es dir erst mal an.“

Dann mit einem leichten Lächeln. „Du wirst fasziniert sein.“

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