Die Sprache des Traumes – Symbolik und Deutung des Traumes – Teil 2 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski

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Из серии: gelbe Buchreihe #117
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Der arme Igel. (Ballade.)

Ein Igel fand Gefallen

Einst an der Jungfer Maus,

Der putzigsten von allen

Im kinderreichen Haus

Beim guten Feldmausvater,

Dem Wirt: „Zum schwarzen Kater“.

Da hielt, wie sich gebühret

Um Mausi Igel an,

Der Vater ward gerühret,

Gab seinen Segen dann.

Und selig führt die liebe Maus

Der Igel in sein Igelhaus!

Im Rausch des Glücks versunken,

Voll Zärtlichkeit den Sinn,

Naht er sich liebestrunken

Der süßen Mauselin.

Sein Herz schlug vor Verlangen

Sie liebend zu umfangen.

Kaum hat er sie umfasset

Mit treuem, starkem Arm,

Voll Schreck er von ihr lasset,

Sie piepst, dass Gott erbarm.

Doch wird‘s dabei dem Ehmann klar,

Dass er als Igel stachlig war.

Trotz aller Liebesgluten

Blieb Igels Glück beschränkt;

Es bat bei Maus, der guten.

Die Furcht die Lieb' verdrängt

Und nimmer dürft, o — wehe

Der Maus er in die Nähe.

Dem Igel stieg zu Kopfe

Der Stachelunglückswahn.

Er ward zum irren Tropfe

Und kränkelnd starb er dran;

Man hat nach dreien Tagen

Zu Grabe ihn getragen.

Moral:

Drum Igel frei in klugem Sinn

Stets nur um eine Igelin.

Dieser anscheinend so heitere, von Humor übersprudelnde Traum enthält die Tragödie eines Lebens. Die Ballade vom armen Igel ist die Geschichte ihrer Ehe. Sie ist unglücklich verheiratet. Ihr Mann ist ihr unsympathisch; sie bringt es nicht über sich, seine Liebkosungen zu dulden. Wenn er einen Koitus versucht, beginnt sie plötzlich, mitten im Akte, laut aufzuschreien und ihn von sich zu stoßen. Sie fürchtet ihre eigene Libido. Könnte sie ihm ohne libidinöse Erregung angehören, sie würde es tun. Da sie aber für ihn nicht empfinden will, stößt sie ihn von sich. Sie hat alle möglichen Vorwände gefunden, um ihn fernzuhalten. Heute hat sie Migräne, morgen Influenza, übermorgen hat sie die Menstruation, die bei ihr viele Wochen dauert, was natürlich nicht der Wahrheit entspricht. Schließlich wurde die Angst vor den Umarmungen des Mannes ihre überwertige Idee und sie flüchtete in eine schwere Neurose, die ihr ein keusches Leben ermöglichte. Dass sich ihre Keuschheit nur auf ihren Mann bezog, dem gegenüber die Furcht „die Liebe verdrängt hat“, wie es in der Ballade heißt, erhellt aus der Analyse des Telephontraumes und ihrer anderen Träume. Einer ihrer ersten Träume, den sie mir brachte, schilderte eine sehr verfängliche Situation. Der Mann, den sie wirklich geliebt und nicht geheiratet hatte, lag bei ihr im Bette und bewährte sich als feuriger, nie ermüdender Liebhaber. Ich trete ein und das Liebespaar lässt sich nicht stören, worauf ich die Verse spreche:

„Zur Liebe ist es nie zu spat.

Wie man es jetzt gesehen hat.“

Darauf erwidert der Liebhaber:

„Heil! Heil! Heil!

Schön ist ihr Hinterteil.“

(Die Dame hatte die Gewohnheit und Fertigkeit tagelange in Versen zu sprechen. Deshalb ist die Komponierung der Ballade im Traum durchaus glaubwürdig.)

Ihre sexuelle Abneigung gilt also nur dem armen Gatten, der von ihr bewusst gehasst wird. In der traurigen Ballade lässt sie ihn sogar wahnsinnig werden und in drei Tagen an Liebesgram sterben. Das hat einen tiefen Sinn. Der Mann Ist tatsächlich nicht normal und leidet an einer milde verlaufenden progressiven Paralyse. Ihr Hausarzt sagte ihr, er könne es vielleicht noch drei Jahre mitmachen.

Ihre erste Liebe war ein Tenor. Das erklärt uns in diesem langen Traumgebilde den Gegensatz von Bassisten und Tenor. Ihr Mann hat eine tiefe, sonore Bassstimme, die ihren Ohren weh tut und ihr „ekelhaft“ erscheint. Sie hat sich angewöhnt, an ihm vorbei zu hören. Sie hört einfach nicht zu, wenn er spricht. Das macht uns den telephonischen Traum verständlich. Die sexuelle Symbolik des Telephons war in Wien eine Zeitlang sehr bekannt und geradezu aktuell. In einem der heiteren Muse gewidmeten Vergnügungslokal sang eine populäre Soubrette durch ein Jahr und noch darüber hinaus ein Telephonlied, das von Anzüglichkeiten strotzte. Eigentlich war es eine deutliche Schilderung eines Geschlechtsaktes, wobei die verschiedenen technischen Telephonbezeichnungen in überaus geschickter Weise verwendet wurden. Ein junger Mann will das Telephonieren lernen. Die Dame, die den Apparat bedient, gibt ihm die „Muschel“ in die Hand, er läutet an, die Zentrale gibt die Antwort; er verlangt eine andere „Nummer“ telephoniert so stürmisch, dass er fast den ganzen Apparat ruiniert usw.

Dieselbe sexuelle Symbolik gibt den Schlüssel zum Verständnis dieses Traumes. Der Traum beginnt mit Inzestgedanken auf den Schwager, der in überaus glücklicher Ehe lebt. Sie trifft ihn allein zu Hause und sofort klingelt das Telephon, d. h. es melden sich sexuelle Gelüste. Der Schwager, der bisher ein solider, strenggläubiger Katholik gewesen, allen Reformbestrebungen, die eine Löslichkeit der katholischen Ehe anstrebten, abhold, derselbe Schwager, der keine Zeitung lesen will, die dem Fortschritt dient, dieser Erzklerikale, erklärt ihr jetzt, das Sexualleben der Menschheit sei jetzt auf eine andere, moderne Basis gestellt. Es ist dies das oft besprochene Thema der „freien Liebe“. Herren der besten Stände, gebildete Herren (welcher Gegensatz zu ihrem Manne!) kämen freiwillig, um Telephondienst zu machen und wechselten sich stundenweise ab. Wie wir bemerken, eine Art männlicher Herrendienst, wobei der durch Telephonieren geschwächte Mann sofort von einem zweiten abgelöst wird. Da gibt es natürlich keine Angst und Beschwerden wie bei ihrem Manne, dessen Potenz mit seiner Appetenz in schreiendem Missverhältnis zu stehen scheint.

Dieses „Telephonieren“ ist nicht mehr unanständig. Im Gegenteil! Es existiert keine anständige Familie in ganz Wien, die kein eigenes Telephon hätte. Die Schuld ist ja umso geringer, je mehr sich derselben Sünde teilhaftig machen. (Die Zahl der Teilnehmer steigt ins Ungeheure; die Gebühr ist dadurch verbilligt.) Auch sie zahlt hundert Kronen für ein Sprachrohr (Das Sprachrohr natürlich ein Symbol für den Penis. Wir merken hier das Bestreben alle Sexualsymbole, womöglich bisexuell aufzudrücken, eine Tendenz des Traumes, über die wir noch viel zu reden haben werden. Das Telephon enthält ein Sprachrohr und eine Muschel.) Soviel kostete bisher ein Automatentelephon (d. h. Onanie = automatisch betriebene Sexualität = Äutoerotismus). Auch meine letzte Rechnung betrug 100 Kronen, womit sich der Schwager als eine Verdichtung aus meiner Person und dem wirklichen Schwager erweist. Der Vorgang der Verdichtung zweier oder mehrerer Personen in eine, oder mehrere Vorfälle in einen, wird uns noch des Öfteren beschäftigen. Eine Erwähnung verdient noch die „an Leere gewöhnte Tasche“, die wieder nichts anderes als die leere Vagina bedeutet, die sich einen ordentlichen sympathischen Mann kaufen will. Der Schwager vermittelt nun den „Anschluss“ an das Telephon. Als erster erscheint ihr eigener Mann, dem sie angetraut wurde, wobei der Schwager Trauzeuge gewesen („dessen Obsorge meine Telephonnummer anvertraut sei“). Die Aufforderung, ihn zum „Nachtessen“ einzuladen, verrät die Zusammenhänge zwischen dem Essen und der Sexualität. Das „Nachtessen“ bedeutet hier ein Nachtlager (Ebenso häufig „einen zum Abendbrot einladen“ in derselben Bedeutung.) Sie verzichtet aber lieber auf das Telephonieren. Das entspricht ja, wie wir eingangs vernommen haben, wirklich den Tatsachen. Sie ist unzufrieden, sie will das Geld zurück (bedeutet hier die Mitgift, die inzwischen aufgezehrt wurde), sie will sich scheiden lassen, was der katholische Schwager bisher mit seinem ganzen Einflüsse verhindert hat.

Der zum Hineinbeißen appetitliche Tenor, der nun erscheint, gefällt ihr sehr gut. Hie möchte ihn gegen ihren Mann umtauschen. Dieser Mann, der ihr so gefallen hat, ist jetzt leider verheiratet. („Er befindet sich immer in Gesellschaft einer Dame.“) Sie macht im Traume ihren Wünschen gemäß aus der unsympathischen Frau eine ihr sehr sympathische Schwester. Die Schauspielerin ist ein Vorwurf gegen die Frau des Tenors und heißt so viel als: Sie ist eine Komödiantin und hält dich zum Besten. Der Bassist verschwindet endlich schimpfend, sie wird liebenswürdig und lädt den Herrn zum Abendessen ein. Sie hat also einen Mann und eine Frau zu ihrer Verfügung. Durch dieses Bild wird sehr deutlich auf die homosexuellen Neigungen der Patientin hingewiesen. Ihre beiden erotischen Komponenten, Homo- und Heterosexualität werden in Aktion treten. Wir verstehen jetzt ihren begeisterten Ausruf: „Nein! werden das genussreiche Abende sein!“

Die Schauspielerin soll auch „deklamieren", was offenbar denselben geheimen Sinn wie das „Telephonieren" hat. Das „entzückende“ Geschöpf deklamiert nun das Gedicht, das eine Verhöhnung ihres Mannes bedeutet und in den Vers ausklingt, zu einem Igel gehöre nur ein Igel.

In zweiter Bedeutung ist sie selber das „entzückende“ Geschöpf. So wurde sie als Mädchen oft charakterisiert. Sie identifiziert sich mit der Frau des geliebten Mannes (Hier verrät sich ihre starke Eigenliebe, der sogenannte Narcissismus, der auch schon im „Automatententelephon" angedeutet wurde.)

Endlich hat das „Telephonieren“ noch eine andere Bedeutung, die ihr bekannt ist. In congressu pflegt der Constrictor cunnei in Funktion zu treten, was durch eine entsprechende Muskelbewegung des Mannes erwidert wird. Die erste Zeit ihrer Ehe war sie glücklich und ... telephonierte. Bald verschwand die Libido beim Akte und wurde durch Angst vor der Libido ersetzt. Das Telephonieren hatte aufgehört (Die Telephonsymbolik führt über die „Muschel“. Im VI. Buch der Antropophyteia findet sich eine sehr instruktive Abhandlung von Dr. Aigremont „Muschel und Schnecke als Symbole der Vulva ehemals und jetzt“-. Die Schnecke ist übrigens ein bisexuelles Symbol und steht auch als „Der Schneck“ für den Penis.)

 

Der Traum würde natürlich noch eine Menge von Beziehungen verraten können. Wir wollen uns nicht aufhalten und rasch zu anderen Analysen übergehen. Ich möchte nur noch eine Bemerkung über den Typus des Traumes sagen. Ich habe ihn einen „Phantasietraum“ genannt. Das hat die Bedeutung, dass dieser Traum offenbar die Übersetzung einer Tagesphantasie in die wenig veränderte Traumsprache vorstellt. Bei Hysterischen trifft man diesen Typus sehr häufig. Sie geben dem Traumdeuter die wenigsten Rätsel auf.

* * *

Auf der Oberfläche der Probleme

Auf der Oberfläche der Probleme

„Suche in das Innere jedes Menschen einzudringen;

aber gestatte auch jedem anderen

in deine Seele eizugehen. Marc Aurel

Versuchen wir wieder an einigen Beispielen die oberflächlichen Beziehungen des Traumlebens festzustellen. Betrachten wir wieder einen Traum, der eine einfache Symbolik zeigt.

Es ist dies der Traum des Fräulein Gamma.

(15.) „Ich habe einen Waschsack in der Hand. Den habe ich ganz ausgeleert. Es war lauter schmutzige, graue Wäsche darin. Ein Kissenüberzug, der grauschmutzig war, Monatsbinden (ganz unten!), ein ganzer Pack — alles eklig. Ich musste alles ausleeren.“

Eine symbolische Darstellung ihrer psychoanalytischen Kur. Sie muss jetzt bei mir ihre ganze „schmutzige Wäsche“ waschen. Sie erzählte mir die letzte Stunde von ihren Beschwerden bei der Menstruation; „der Kissenüberzug“ bezieht sich auf intime Dinge, die sich im Bette zugetragen haben. Sie hat vor diesen Dingen einen großen Ekel. Sie hat aber die Empfindung, sie müsse alles sagen („den Sack ganz ausleeren“), damit sie mit ihren Beschwerden fertig werden könne. Ihr ganzes Denken dreht sich um die Begriffe „rein“ und „schmutzig“. Sie besorgt jetzt eine Art Mohrenwäsche. Es graut ihr davor. (Doppelsinn des Wortes grau, das sowohl die Anspielung auf Schmutz als auf den Ekel und die Angst enthält.) Der ganze Traum eine schöne symbolische Übersetzung ihrer wachen Gedanken.

Diese Deutung entspricht der oberflächlichsten Schichte. In ihr vereinigen sich die rezenten Anlässe. Ein jeder Traum muss aber aus mehreren Traumquellen eine Einheit gemacht haben. Er muss mehrfach zu deuten („überdeterminiert“ sein. Er muss auch eine infantile Wurzel haben.

Die früheren Schichten der Traumgedanken erzählen von ihren ersten Empfindungen bei der Menstruation. Sie kam sich damals unrein vor. (Bei manchen Völkern gilt die menstruierende Frau als „unrein“ und ist während einer gewissen Zeit tabu.) Weitere Erlebnisse beziehen sich auf die Jugend, da sie nach solchen Flecken im Bette der Eltern geforscht hatte. Und schließlich tauchen infantile Begebenheiten auf, die beweisen, dass ihrem Ekel vor dem Schmutz eine intensive Mysophilie (Geruchsfetischismus) vorangegangen ist.

Die weitere Bedeutung des Waschsackes geht auf einen andern Sack — das scrotum. Zwei schwere Traumen tauchen vor ihrem geistigen Auge auf. Ein Onkel gab ihr seinen Phallus in die Hand. Die Erinnerung an die Ejakulation („Ich musste alles ausleeren“) ist mit großem Ekel verbunden. Eine frühere Erinnerung erzählt von einer ähnlichen Aggression ihrerseits auf den jungen Bruder. Auffallend ist wieder die bisexuelle Verwendung des Waschsackes, der noch eine Beziehung zur Onanie aufweist.

Doch halten wir uns nicht auf und versuchen wir noch unser Glück bei einigen oberflächlichen Analysen. Begnügen wir uns meistens mit der obersten Schicht.

Wir haben die einfachen Wunscherfüllungen im Märchen vernommen. Ein Kind erscheint der Mutter und bittet sie, nicht mehr zu weinen. Sie störe durch das Weinen die Ruhe im Grabe. Einen ähnlichen Trosttraum will ich hier mitteilen. Eine ältere Dame, die vor zwei Jahren ihren Gatten verloren hatte, träumt:

(15.) „Ich sehe unsern Hund alt und verfallen am Sofa liegen und sein Leben aushauchen. Mein Schwiegersohn kommt plötzlich nach Hause mit einem kleinen, lieben, braunen Hund. Ich frage ihn: „So schnell hast du dich getröstet?“ Er zuckt die Achseln und sagt: „Warum nicht? Wer hat was davon, wenn ich noch traure. Man muss sich in das Unvermeidliche fügen.“

Dieser Traum wurde gerade am Todestag des Mannes geträumt. Zwei Jahre hatte die Witwe Trauerkleider getragen und sich kein Vergnügen gegönnt. Im Traume vertritt ihr kluger Schwiegersohn ihre eigenen Gedanken: Trauere nicht weiter. Was hast du von der ewigen Trauer? Sieh, wie es die klugen Leute machen.

Diese Objektivierung der eigenen Gedanken durch einen anderen ist ungemein häufig. Wir könnten noch weitere geheime Gedanken annehmen. Der Alte (Hund als Schmähung) stirbt, nimm dir einen Jungen. Ferner Befürchtungen, der Schwiegersohn könnte sich rasch trösten, wenn seine Frau (ihre junge braune Tochter) sterben würde.

Doch bleiben wir vorläufig noch hübsch auf der Oberfläche...

Ein sehr feines, künstlerisch veranlagtes Mädchen erzählte mir, sie hätte heute nachts einen „wunderschönen hochpoetischen“ Traum gehabt, der ihr einen unvergesslichen Eindruck gemacht habe. Sie erzählt ihn mir und schreibt ihn auch über mein Verlangen auf:

(16.) „Ich hatte mich schon vorher mit zwei Mädchen in dem Eisenbahnzug befunden, und zwar bei der geöffneten Tür und dunkel empfunden, dass ich mit der einen, J. K., harmonierte und zwischen der H. und mir etwas lag.

Später saß ich in einem großen Durchgangscoupé III. Klasse an dem Fensterplätze ganz links vom (mit der Fahrtrichtung) Rücken an Rücken mit mir die beiden. Im Übrigen hatte ich die Empfindung, als ob niemand weiter im Coupé sei.

Dann stand ich auf und sah vor diesem Fenster den Mond schweben in Gestalt eines riesigen Eidotters, in der doppelten Größe ungefähr, wie wir ihn gewohnt sind zu sehen. Links davon einen leuchtenden, dazu passenden Ring, wie der Saturn ihn haben soll. Ich sagte nun, wie eigentümlich es doch sei, dass der Mond so nahe der Eisenbahn schwebe, worauf mir H. entgegnete, es sei nur eine optische Täuschung, „So“, sagte ich, „sollte nur ich das sehen“ und griff hinaus, um den Mond mit beiden Händen zu fassen und in das Coupé hereinnehmen. Den Ring ließ ich unbeachtet, er schwebte nur so mit. Aber der Mond war unter meinen Händen ganz elastisch und schwebte fest und sicher im Raume. Es war nur so ungefähr, als wenn man ein schönes Dotter in der Suppe mit dem Löffel bearbeitet und es nicht auseinandergeht und immer wieder rund wird. Da ließ ich ab und setzte mich ganz erschöpft zurück mit dem Gedanken, wie es doch von mir vermessen sei, den Mond hereinnehmen und der Erde den Mond rauben zu wollen und ich weiß nicht, ob ich es ausgesprochen habe, aber jedenfalls gab mir H. zu verstehen: Vermessen wäre es nicht. Du verstehst das nur nicht, du bist noch nicht so weit und kennst den Zusammenhang der Dinge nicht. Sie meinte deutlich den psychologischen Zusammenhang. Alles greift ineinander mit unendlichen Fäden und geht wieder in sich selbst zurück. Ich setzte mich zurück und schwieg, dachte mir aber: Wie sonderbar und komisch!

Aus diesem „unschuldigen Traum einer Jungfrau“ könnte man fast eine Analyse ihres Seelenzustandes machen. Man merkt, wie vieles ihr schon dunkel bewusst ist und wie sie sich gegen manche Erkenntnis wehrt. So wird das Zusammenpassen von einem ins andere als „psychologisch“ vom Organischen abgedrängt. Man merkt ferner, wie sie diese Regungen als Sünde empfindet und ihre Freundin H., das einfache süße Mädel, das einen Geliebten hat, um ihre Erfahrungen beneidet. Der Traum gibt keine Rätsel auf: Es ist eine einfache, poetisch angelegte unbefriedigte Person. Ich setze voraus, dass man das Bild des Mondes sofort als Penis und Testikel entlarvt hat.

Der Ring ist der Ehering. Den Ring lässt sie später unbeachtet. Sie ist also zu einem außerehelichen Koitus wie ihre Freundin H. bereit. Der Absatz „das verstehst du noch nicht. Alles greift ineinander mit unendlichen Fäden (Samenfäden!) und geht wieder in sich selbst zurück“, ist besonders auffallend. Auch ist es bezeichnend, dass ihr Coupé (Vagina) ein Durchgangscoupé ist. Der vulgäre Ausdruck der Hoden kommt in dem „Eidotter“ zum Vorschein.

Einen fast identischen Traum berichtet uns das Frl. Gamma:

(17.) „Ich sah in der Luft einen großen Globus, von einem Ring aus blauem Glase wie ein Rad umgeben, schweben.“

Die Deutung ist die gleiche. Der Ehering ihrer Mutter trägt ein wundervolles blaues Glas. Der Ring am Finger ist aber das Symbol der geschlechtlichen Vereinigung. Der Priester steckt den Ring an den Finger der Braut, d. h. sie soll jetzt den Akt der Ehe kennen lernen.

In beiden Träumen wird das bisexuelle Symbol gesehen: die Kugel und der Ring — also das Lingam.

Eine andere Genitalsymbolik bringt der Traum der Witwe J. N.:

(18.) „Ich war auf dem Markte einkaufen. Die Leute gingen nach Hause. Die Lichter erloschen. Wir gingen in die Garderobe. Mein Regenschirm war nicht da — sondern ein anderer mit abgebrochenem Griff. Der Griff war wie ein polnischer Jude geschnitten — mit einer großen Nase wie ein Korkzieher. Ich nahm ihn in die Hand, um zu probieren, ob ich mich darauf stützen kann und dachte: Der Schirm ist besser als er aussieht."

Der Regenschirm ist ein häufiges phallisches Symbol. Das Aufmachen entspricht der Erektion. Die arme Frau hat ihren Mann verloren („das erloschene Licht“). Sie hat keinen Phallus mehr („mein Regenschirm ist nicht da“). Ihr bester Freund ist ein Jude. (Der abgebrochene Griff und der geschnittene Griff Anspielungen auf die Zirkumzision – männliche Beschneidung.) Der Sinn des Traumes ist: „In der Not frisst der Teufel Fliegen. Versuche es mit dem Juden; er ist jetzt deine einzige Stütze in deinem Elend. Vielleicht ist er stärker, als du geglaubt hast.“

Etwas komplizierter ist der nächste Traum, den mir ein Philosoph X. Z. erzählte:

(19.) „Ich träume von einem Dreieck, das irgend einen philosophischen Gedanken symbolisieren soll und mir und vielleicht noch jemand anderem als Unterlage dient. Das Dreieck wird immer schmaler und spitzer, zuletzt ist es nur wie ein Spieß und kann also für nichts mehr die Basis bilden, und ich muss in eine ungeheure Tiefe hinabfallen. Ich erwache mit einem lauten Schrei und zittere am ganzen Körper.“

Er lebt gemeinsam mit einem Ehepaar. Der Mann ist sein bester Freund. Er hat ein dreieckiges Verhältnis. Die Basis dieses Verhältnisses ist der Freund. Diese Basis entschwindet, d. h. der Freund stirbt. Er vereinigt sich mit der Frau. Dieser Tod soll künstlich herbeigeführt werden. Er hat Mordgedanken (Spieß — Spießgeselle) und der Sturz in die Tiefe ist das grauenvolle Verbrechen, von dem seine geheimsten Gedanken träumen. Der Lingam nach dem Tode des Mannes erklärt das Rätsel, wie aus einem Dreieck eine Einheit wird. Hier führen Assoziationen zum religiösen Schuldbewusstsein (Dreieinigkeit). Die „philosophischen“ Gedanken sind verhüllte erotische Wünsche. Tiefere Schichten gehen auf das Verhältnis des Kindes zu den Eltern.

Herr Dalton träumt:

(20.) „Ich habe zwei verschiedene Schuhe an: links einen gelben, rechts einen schwarzen.“

Er liebt zwei Wesen: ein blondes und ein schwarzes. Noch wichtiger die Bedeutung: schwarzgelb. Er ist Österreicher und tritt die Farben des Kaisers (Vaters) mit Füßen. Er ist ein typischer Zweifler. Er schwankt ewig zwischen Mann (der schwarze Vater) und Weib (die blonde Mutter). Sein Wunsch ist es, beiden gerecht zu werden... Sein psychischer Hermaphroditismus (Intersexualität) (Adler) drückt sich wunderschön in diesem Bilde aus. Auch seine heftigsten Leidenschaften: die Eifersucht (gelb) und seine finsteren Rachegedanken (schwarz).

Mancher Traum bringt seltsame Wunscherfüllungen. Er trachtet sündhafte Wünsche in anständige Realitäten umzuwandeln. Eine keusche, ihrem Manne innig ergebene Frau interessiert sich für einen jungen Schriftsteller. Sie möchte ihn gerne kennen lernen. Der Traum bringt ihr die erwünschte Situation. Sie träumt:

(21.) „Ich liege im Bette nach einer schweren innerlichen Operation. Zu meinen Häupten steht mein Gatte, sieht mich zärtlich und gütig an, hält seine Hand auf meiner Schulter. Über mich gebeugt, so dass er mir in die Augen sieht, steht der junge Dichter. Ich erwache nach einer Narkose oder tiefem Schlaf. Wie ich meinen Mann und den Dichter sehe, fühle ich im Traume, wie mir das Blut heiß in die Wangen schießt und ich sage zum Dichter: „Sie hier?“ Er sieht mich liebevoll an und sagt: „Gott sei Dank, Sie sind gerettet!“ „Und Sie, wie kommen Sie jetzt hierher?“ frage ich. „Ich bin ja Mediziner, gnädige Frau“, sagt er, „habe bei der Operation assistiert.“ Meine Wangen glühen, ich lege den Kopf seitwärts in die Kissen und schließe die Augen.“

 

Alle Wünsche gehen in Erfüllung. Sie hat einen wunderschönen weißen Körper. Der Dichter ist Arzt und hat sie nackt gesehen. Er hat sie operiert und gerettet (beide Ausdrücke Symbolismen für den Kongressus). Alles ging ehrbar vor sich. Ihr Mann war dabei. Ihre mimosenhafte Schamhaftigkeit wurde nicht verletzt. Alles ging in der Narkose vor (Ich weiß es längst, dass die nach Narkosen auftretenden Neurosen und Psychosen auf solche unbewusste Vergewaltigungsphantasien zurückgehen. Vergleiche das ähnliche Beispiel in den „Nervösen Angstzuständen“) sich…

Einer der nächsten Träume (Nr. 24) bringt ein ähnliches Problem in neurotischer Verzerrung. Wir wollen jetzt einen politischen, sogenannten schönen Traum analysieren. Der Traum ist sehr lebhaft und gestattet einen tiefen Einblick in die gebräuchlichste Traumsymbolik.

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