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Zwei Schicksalswege

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Zwei Schicksalswege (EPUB)
Zwei Schicksalswege (EPUB)
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Zweiundzwanzigstes Kapitel
Sie bedarf wiederum meiner

Als die Zeit verfloss und das Schweigen zwischen uns andauerte, versuchte Miss Dunroß mich zu ermuntern.

»Haben Sie sich entschlossen in Gesellschaft Ihrer Freunde in Lerwick nach Schottland zurückzukehren?« fragte sie.

»Es wird mir nicht leicht,« erwiderte ich, »meine Freunde hier zu verlassen.«

Sie ließ den Kopf sinken und antwortete mir mit leiser Stimme:

»Denken Sie an Ihre Mutter, die Pflichten gegen sie gehen allen anderen vor. Es ist sehr schwer für sie gewesen, Sie so lange zu entbehren und sie leidet sicher darunter.«

»Sie leidet?« wiederholte ich, »davon sagen ihre Briefe aber nichts.«

»Sie vergessen, dass Sie mir die Erlaubnis gaben ihre Briefe zu lesen,« warf Miss Dunroß ein, »und ich habe aus dem was sie schreibt, obgleich sie nichts davon ausspricht, sehr wohl ihre Sorge um Sie herausgelesen und Sie wissen so gut, wie ich, dass sie Grund hat zu sorgen. Beglücken Sie sie durch die Nachricht, dass Sie mit Ihren Freunden heimkehren werden und mehr noch in dem Sie sie versichern, dass Sie nicht länger den Verlust von Frau van Brandt beklagen. Darf ich ihr das in Ihrem Namen mit diesen Worten schreiben?«

Es war mir unmöglich ihr zu gestatten, dass sie in diesen oder irgend welchen anderen Worten über Frau van Brandt schrieb. Obwohl meine unglückliche Liebesgeschichte bisher immer zwischen uns besprochen worden war, warum war es mir jetzt, als wäre sie ein verbotenes Thema, warum konnte ich mich nicht entschließen ihr auf ihre Frage zu antworten?

»Wir haben ja noch viel Zeit übrig«, sagte ich, »ich möchte erst über Sie selbst sprechen.« In der Dunkelheit, die sie umgab erhob sie die Hand, als wollte sie sich gegen dieses Gespräch verwahren, ich aber bestand darauf es dennoch anzubahnen. »Wenn ich denn doch abreisen muss,« fuhr ich fort, »so darf ich Ihnen wohl beim Scheiden sagen, was ich bis jetzt verschwieg, dass ich Sie nicht für unheilbar halte. Sie wissen, dass ich Arzt bin und daher kenne ich mehrere der im Augenblick berühmtesten Ärzte in Edinburgh sowohl als in London. Gestatten Sie mir, dass ich Männern, die in der Behandlung verwickelter Nervenkrankheiten geübt sind, Ihren Zustand, so wie ich ihn auffasse, schildere und darf ich Ihnen den Erfolg schriftlich mitteilen?«

Ich erwartete ihren Bescheid, aber weder Wort noch Gebärden ermutigten meinen Wunsch in Zukunft mit ihr in Verbindung zu bleiben. Da versuchte ich noch einen anderen Weg, auf dem ich sie zu vermögen hoffte, einen Brief von mir zu empfangen.

»Jedenfalls muss ich mir erlauben Ihnen zu schreiben,« fuhr ich fort, »denn Sie werden doch sicher von mir hören wollen, ob Ihre Ahnungen, die Sie mit so großer Sicherheit an ein Wiedersehen zwischen der kleinen Mary und mir glauben lassen, richtig sind!«

Wieder erwartete ich vergebens eine Antwort. Sie sprach, aber nur um den Gegenstand unseres Gesprächs zu wechseln.

»Die Zeit vergeht und wir haben den Brief an Ihre Mutter immer noch nicht angefangen,« war Alles, was sie sagte.

Da ihre Stimme mir verriet, dass sie litt, wäre es grausam gewesen sie noch länger zu quälen. Der matte Lichtschein, der durch die Spalte des Vorhanges drang, nahm schnell ab, so war es wirklich Zeit den Brief zu schreiben. Ich hoffte noch eine andere Gelegenheit zu finden, um mit

ihr sprechen zu können, ehe ich das Haus verließ.

»Ich bin bereit,« sagte ich »wollen Sie beginnen?«

Der erste Satz, worin ich meiner Mutter mitteilte, dass meine verrenkte Hand fast heil sei und dass nichts mich hinderte Schottland zu verlassen, sobald Sir James abzureisen beschlösse, war meinem geduldigen Schreiber bald diktiert. Da meiner Mutter aus triftigen Gründen verschwiegen war, dass sich meine Wunde bei dem Unfall wieder geöffnet hatte, war damit Alles gesagt, was über meine Gesundheit zu sagen war und Miss Dunroß wartete auf die folgenden Worte, nachdem sie den Eingang des Briefes geschrieben hatte.

Im nächsten Satze bezeichnete ich meiner Mutter den Tag, an dem das Schiff von hier abgehen sollte und sagte ihr, wenn sie bei günstigem Wetter meine Heimkehr erwarten könne. Auch das schrieb Miss Dunroß und wartete wieder. Ich dachte nach, was ich nun weiter sagen sollte, und nahm mit Erstaunen wahr, dass ich meine Gedanken unmöglich auf den Brief zu richten vermochte. Sie wanderten in rätselhafter Weise immer zu Frau van Brandt hin. Ich war beschämt, ich zürnte mir selbst und beschloss, was ich auch sagen mochte, wenigstens um jeden Preis den Brief zu beenden. Aber, wie ich mich auch bemühte, selbst die äußerste Anstrengung meiner Willenskraft half nichts. In meinen Ohren widerhallten nur Frau van Brandts Worte bei unserem letzten Begegnen – kein Wort für meine Mutter kam mir in den Sinn. Miss Dunroß legte die Feder nieder und wendete langsam den Kopf, um mich anzusehen.

»Sie wollen doch wohl Ihrem Briefe noch Einiges hinzufügen?« sagte sie.

»Gewiss« antwortete ich, »aber ich weiß nicht, was mir fehlt, das Diktieren übersteigt heute Abend entschieden meine Kräfte.«

»Kann ich Ihnen helfen?« fragte sie.

Ich nehme den Vorschlag dankbar an. »Es gibt ja vieles, was meine Mutter mit Freuden hören würde, wenn ich nur Kraft hätte darüber nachzudenken. Wollen Sie es nicht gütigst für mich tun?«

Durch diese unvorsichtige Antwort bot sich Miss Dunroß die Gelegenheit auf Frau van Brandt zurückzukommen. Sie ergriff sie auch mit der festen Entschlossenheit einer Frau, die ihr Ziel im Auge hat und es auf jeden Fall erreichen will.

»Wollen Sie nicht Ihrer Mutter in Ihren eigenen Worten sagen, dass Ihre Verblendung für Frau van Brandt nun zu Ende ist oder soll ich es für Sie niederschreiben, indem ich versuche möglichst Ihre Ausdrucksweise zu wählen?«

Ihre Beharrlichkeit besiegte mich in der Verfassung, in der ich mich eben befand. Ich dachte nachlässig bei mir selbst: »Sie wird wieder auf den Gegenstand zurückkommen, wenn ich jetzt auch Nein sage und mich, nach allen den Freundlichkeiten, die ich ihr verdanke, doch veranlassen Ja zu sagen.«

Ehe ich ihr antworten konnte, verwirklichte sie meine Vermutungen schon, indem sie auf den Gegenstand zurückkam und mir ein Ja entlockte.

»Wie soll ich Ihr Schweigen deuten?« sagte sie. »Erst bitten Sie um meine Hilfe und dann verwerfen Sie den ersten Vorschlag, den ich Ihnen mache!«

»Nehmen Sie die Feder zur Hand,« erwiderte ich, »ich werde Ihren Wunsch erfüllen.«

»Wollen Sie mir die Worte selbst diktieren?«

»Ich will es versuchen.«

Ich versuchte es und dieses Mal gelang es mir. Indem Frau van Brandts Bild lebhaft vor mir stand, stellte ich in Gedanken den Satz zusammen, der meiner Mutter verkünden sollte, dass meine »Verblendung« über Frau van Brandt zu Ende sei.

»Du wirst Dich freuen, wenn Du hörst, dass die Zeit und die Abwechselung von Erfolg waren.«

Miss Dunroß schrieb die Worte nieder und erwartete meinen nächsten Satz. Das Licht erlosch allmählich, das Zimmer wurde dunkler und ich fuhr fort:

»Hoffentlich werde ich Dir wegen Frau van Brandt keine Sorgen mehr bereiten, teure Mutter!«

Bei der herrschenden Stille konnte ich vernehmen, wie die Feder meines Schreibers über das Papier hin und her ging, während ich diese Worte schreiben ließ.

Als der Ton verstummte, fragte ich: »Haben Sie das geschrieben?«

»Ich habe es geschrieben,« antwortete sie in ihrem ruhigen Ton.

Ich fuhr in meinem Briefe fort.

»Die Tage vergehen und ich gedenke selten oder gar nicht ihrer. Ich glaube, ich habe den Verlust von Frau van Brandt nun überwunden.«

Als ich den Satz schloss, stieß Miss Dunroß einen leisen Schrei aus und ich sah im Augenblick trotz der zunehmenden Dunkelheit, dass ihr Kopf hinten gegen die Lehne ihres Stuhles gesunken war. Meinem natürlichen Antrieb folgend, sprang ich auf, um zu ihr zu gehen, aber eine unbeschreibliche Furcht bannte mich an meinen Platz. Ich hielt mich am Kaminsims und war unfähig einen Schritt zu tun, mit Anstrengung gelang es mir zu sprechen.

»Sind Sie krank?« fragte ich.

Sie antwortete mir im flüsternden Tone ohne den Kopf zu erheben: »Ich bin sehr erschrocken.«

»Was erschreckte Sie?«

Ich hörte durch die Dunkelheit, wie sie schauderte. Anstatt mir zu antworten, flüsterte sie vor sich hin: »Was soll ich ihm sagen?«

»Sagen Sie mir, was Sie erschreckt hat,« wiederholte ich, »Sie wissen, Sie können mir die Wahrheit anvertrauen.«

Sie raffte sich auf und antwortete mir diese seltsamen Worte:

»Es trat etwas zwischen mich und den Brief, den ich schreiben wollte.«

»Was war es denn?«

»Das kann ich Ihnen nicht sagen.«

»Sehen Sie es nicht?«

»Nein.«

»Fühlen Sie es nicht?«

»Ja.«

»Wie erscheint es Ihnen denn?«

»Wie ein kalter Luftzug zwischen mir und dem Briefe.«

»Ist das Fenster aufgegangen?«

»Nein, das ist fest zu.«

»Und die Tür?«

»So viel ich sehen kann ist die Tür auch zu. Überzeugen Sie sich selbst davon. Wo sind Sie und was tun Sie?«

Ich sah nach dem Fenster und nahm, während sie diese Worte sprach, eine Veränderung in dem Teile des Zimmers wahr.

Durch die Spalte zwischen den Vorhängen schien ein neues Licht – nicht das matte, natürliche Zwielicht, sondern ein reiner, sternenheller Schein, ein bleiches, überirdisches Licht. Während ich es beobachtete, zitterte dieser Sternenschimmer, als wenn irgend ein Luftzug ihn bewegte und als es wieder ruhig wurde, trat aus dem überirdischen Glanz die Gestalt einer Frau hervor. Ganz allmälig wurde sie deutlicher. Ich kannte die edle Gestalt und das trübe, liebliche Lächeln wohl, ich stand zum zweiten Male vor Frau van Brandts Erscheinung.

Sie war nicht wie bei unserem letzten Begegnen gekleidet, sondern trug den Anzug, den sie an jenem entwürdigenden Abende trug, als wir uns auf der Brücke trafen und in dem sie mir zuerst an dem Wasserfall in Schottland erschienen war. Der Sternenschimmer umgab sie wie ein Heiligenschein. Sie sah mich mit denselben traurigen, bittenden Augen an, wie damals in dem Lusthause, sie erhob die Hand, aber nicht, wie damals, winkend, dass ich mich ihr nähern sollte, sondern um mich sanft an meinen Platz zu bannen.

 

Ich wartete voller Ehrfurcht aber ohne Furcht, mein ganzes Herz gehörte ihr, als sie so vor mir stand.

Sie bewegte sich und glitt vom Fenster zu dem Stuhl, auf dem Miss Dunroß saß und ihn leise umgehend, stellte sie sich hinter die Lehne. Bei dem Lichte des matten Schimmers, der sie umgab und der Geistererscheinung auch folgte, sah ich die dunkle Gestalt der lebenden Frau regungslos in ihrem Stuhle sitzen, mit dem Schreibzeug auf dem Schoß und der darauf liegenden Feder. Ihre Arme hingen kraftlos herab, der verschleierte Kopf war jetzt nach vorn gebeugt, sie machte den Eindruck, als wäre sie, im Begriff aufzustehen, in einen Stein verwandelt worden.

Nach einem Augenblick sah ich wie die Geistererscheinung sich über die lebende Gestalt neigte und das Schreibzeug von ihrem Schoße nahm. Das Schreibzeug auf ihre Schulter setzend, ergriffen die bleichen Finger die Feder und schrieben auf den unvollendeten Brief. Dann setzte sie das Schreibzeug der Lebenden wieder auf den Schoß und wendete sich von ihrem Platze aus zu mir. Sie sah mich wieder an und winkte mir wieder, winkte aber dieses Mal, dass ich herankommen sollte.

Willenlos bewegte ich mich, wie damals, als ich sie zum ersten Male in dem Lusthause sah. Durch eine unwiderstehliche Macht näher und näher gezogen, blieb ich einige Schritt vor ihr stehen. Sie trat zu mir und legte mir die Hand auf die Brust und wiederum erfüllte mich das wunderbar gemischte Gefühl von Wonne und Ehrfurcht, das mich schon damals ergriffen hatte, als ich im Geiste ihre Berührung gefühlt. Sie sprach wieder in den leisen, melodischen Tönen, die mir so wohlbekannt waren und sagte dieselben Worte: »Gedenke mein und komm zu mir.« Ihre Hand glitt von meiner Brust herab, das bleiche Licht, das sie umgab, zitterte, sank und verschwand. Das Dämmerlicht schien durch die Vorhänge, das war Alles, was ich sah. Sie hatte gesprochen und war verschwunden. Ich war Miss Dunroß so nah, dass ich sie mit der ausgestreckten Hand erreichen konnte.

Sie erschrak und schauderte, wie jemand, der plötzlich aus einem schweren Traum erwacht.

»Sprechen Sie mit mir!« flüsterte sie. »Sagen Sie mir, dass Sie es waren, der mich berührte.«

Ehe ich sie näher befragte, sagte ich ihr einige beruhigende Worte.

»Haben Sie etwas im Zimmer gesehen?«

Sie erwiderte: »Mich hat eine tödliche Furcht befallen, ich sah nichts, als dass das Schreibzeug von meinem Schoß genommen wurde.«

»Sahen Sie die Hand, die es nahm?«

»Nein.«

»Sahen Sie eine Art Sternenschimmer und eine Gestalt darin stehen?«

»Nein.«

»Sahen Sie das Schreibzeug, nachdem es von Ihrem Schoß genommen war?«

»Ich sah es auf meiner Schulter stehen.«

»Sahen Sie in dem Briefe eine Handschrift, die nicht die Ihrige war?«

»Ich sah auf dem Papier einen dunkleren Schatten, als den, in welchem ich mich befinde.«

»Bewegte er sich?«

»Er ging über das Papier.«

»Nach welcher Richtung hin?«

»Von links nach rechts.«

»Wie man eine Feder beim Schreiben bewegt?«

»Ja, wie man eine Feder beim Schreiben bewegt.«

»Kann ich den Brief nehmen?«

Sie reichte ihn mir hin. »Darf ich ein Licht anstecken?«

Sie nickte schweigend und zog den Schleier dichter um ihr Gesicht. Ich steckte hinter ihr auf dem Kaminsims das Licht an und sah nach der Schrift.

Dort, auf der leeren Stelle des Briefes, wie einst auf der leeren Stelle in meinem Skizzenbuche, fand ich die Schrift, welche die Geistererscheinung mir zurückgelassen hatte, wie damals in zwei Reihen geschrieben, die ich hier folgen lasse:

Am Ende des Monats

Im Schatten von St. Paul.

Dreiundzwanzigstes Kapitel
Der Kuss

Ich fühlte die alte Liebe, die alte Hingebung wieder in voller Kraft, da sie meiner wieder bedurfte, mich wieder gerufen hatte. Alles was mich bei unserem letzten Beisammensein geschmerzt und verletzt hatte, war vergessen und mein ganzes Wesen erbebte in einer Mischung von Wonne und Ehrfurcht, als ich die Erscheinung wieder sah, die zum zweiten Male zu mir kam. Minuten vergingen und ich stand noch immer wie verzaubert vor dem Feuer, nur ihre Worte wiederholend: »Gedenke mein und komm zu mir,« und die geheimnisvollen, geschriebenen Worte betrachtend: »Am Ende des Monats im Schatten von St. Paul.«

Da das Ende des Monats noch fern war, hatte ihre Erscheinung sich mir also in Voraussicht von Schmerzen, die noch für sie kommen sollten, gezeigt und ich hatte noch reichlich Zeit für die Pilgerfahrt, die fest in mir beschlossen war – die Pilgerfahrt zum Schatten von St. Paul.

Mancher andere in meiner Lage wäre wohl unsicher gewesen, welches der bezeichnete Ort sein sollte. Andere hätten wahrscheinlich ihr Gedächtnis angestrengt, um unter den zahlreichen Kirchen, Anstalten, Straßen und Städten im Auslande, die die christliche Verehrung dem Namen des großen Apostels geweiht hat, den Ort ausfindig zu machen, zu dem sie ihre Schritte lenken sollten. Diese Schwierigkeit beschäftigte mich nicht, denn ich machte sofort den einzigen Schluss, der mir richtig zu sein schien. »St. Paul« sollte die berühmte Kathedrale in London bezeichnen. Wo am Ende des Monates der Schatten der großen Kirche hingerichtet war, da sollte ich sie oder eine Spur von ihr finden. Also war es wiederum in London und nirgend anders, wo ich die Frau, die ich liebte, leiblich vor mir sehen sollte, ebenso gewiss, wie ich eben ihre Geistererscheinung sah.

Wie war die geheimnisvolle Sympathie zu erklären, die uns trotz Zeit und Raum immer wieder verband? Wer wollte voraussagen, welchem zukünftigen Ziele unsere beiden Existenzen im Laufe der Jahre zustrebten?

Während ich diese Betrachtungen in mir bewegte und meine Augen fest auf die Schrift gerichtet waren, fiel mir unwillkürlich die tiefe Stille, die im Zimmer herrschte, auf und damit kehrte meine Erinnerung zu Miss Dunroß zurück. Im Bewusstsein meiner Schuld, drehte ich mich sofort um und sah nach dem Fenster, wo ihr Stuhl stand.

Der Stuhl war leer und ich war im Zimmer allein.

Warum verließ sie mich ohne ein Abschiedswort? Litt sie an Geist oder Körper oder hatte es sie verletzt, dass ich sie so unbeachtet gelassen?

Den Gedanken sie verletzt zu haben, konnte ich nicht ertragen. Ich klingelte um nach ihr zu fragen.

Dem Rufe der Klingel folgte nicht, wie sonst, der stille Diener Peter, sondern eine Frau in mittleren Jahren, die einfach und sauber gekleidet war und der ich mehrmals beim Herein- und Hinausgehen und aus meinem Zimmer begegnet war, ohne zu wissen, welche Stellung sie eigentlich hier im Hause einnahm.

»Wünschen Sie, dass Peter kommt?« fragte sie.

»Nein, ich wollte nur wissen, wo Miss Dunroß ist.«

»Miss Dunroß ist in ihrem Zimmer und sendet Ihnen durch mich diesen Brief.«

Mit Erstaunen und Unbehagen nahm ich ihr den Brief ab, da es das erste Mal war, dass Miss Dunroß schriftlich mit mir verkehrte. Ich hoffte auf Befragen von ihrer Botin etwas über sie zu hören.

»Sind Sie in Miss Dunroß’s Diensten?« fragte ich.

Die sehr unfreundliche Antwort lautete: »Ich habe Miss Dunroß seit vielen Jahren gedient.«

»Glauben Sie, dass sie mich jetzt empfangen würde, wenn ich sie durch Sie darum bitten ließe?«

»Ich weiß es nicht, mein Herr. Vielleicht sagt der Brief etwas darüber, wollen Sie ihn nicht erst lesen?«

Wir sahen einander an. Entschieden war die vorgefasste Meinung dieser Frau über mich eine ungünstige. Hatte ich Miss Dunroß wirklich weh getan oder sie beleidigt und hatte ihre Dienerin, die ihr treu und ergeben war, das entdeckt und hasste mich dafür? Bei dem finsteren Aussehen der Frau wäre es Torheit gewesen, noch fernere Fragen zu tun, so entließ ich sie.

Als ich allein war, las ich den Brief, der ohne Anrede mit folgenden Zeilen begann:

»Da meine Selbstbeherrschung schon auf harte Proben gestellt ist und meine Kraft nicht mehr ausreicht, so schreibe ich Ihnen, was ich sonst sagen würde. Nicht um meiner selbst willen, aber um meines Vaters willen, muss ich sparsam mit dem Rest umgehen, der mir geblieben ist.

Halte ich das nebeneinander, was Sie mir über die Geistererscheinung in dem Lusthause in Schottland erzählten und was ich vor einer Weile in Ihrem Zimmer durch Ihre Fragen von Ihnen erfuhr, so muss ich unfehlbar daraus schließen, dass Sie dieselbe Erscheinung zum zweiten Male hatten. Die Furcht, die ich empfand, die seltsamen Dinge, die ich sah oder zu sehen glaubte, geben in mir nur ein schwaches Abbild von dem, was in Ihnen vorgeht. Ich will nicht untersuchen, ob wir beide die Opfer einer Täuschung sind oder ob wir uns für die auserwählten Zeugen überirdischer Beziehungen halten sollen. Der Erfolg genügt mir, dass Sie wiederum ganz dem Einflusse von Frau van Brandt gewonnen sind. Wozu soll ich Ihnen von den Sorgen und Vorahnungen sprechen, die mich beunruhigen. Ich will Ihnen nur sagen, dass die einzige Hoffnung, die ich für Sie hege, in der schleunigsten Vereinigung mit dem Gegenstande, der Ihrer Treue und Hingebung würdiger ist, beruht. Meine Überzeugung, dass Sie Ihre erste Liebe wieder finden werden, steht fest und tröstet mich.

Nun ich Ihnen das geschrieben habe, verlasse ich den Gegenstand und werde nur noch in meinen eigenen Gedanken darauf zurückkommen.

Alle nötigen Vorbereitungen zu Ihrer Abreise sind auf morgen getroffen und es bleibt mir nichts zu tun, als Ihnen eine frohe, glückliche Heimkehr zu wünschen. Ich bitte, halten Sie mich nicht für undankbar für Alles, was ich Ihnen schulde; weil ich Ihnen meine Abschiedsworte hierdurch sende.

Die kleinen Dienste, die es mir vergönnt war, Ihnen zu leisten, haben meine gemessenen Lebenstage erhellt und Sie haben mir einen Schatz von glücklichen Erinnerungen zurückgelassen, die ich mit der Sorgfalt eines Geizhalses aufspeichern will, wenn Sie fort sind. Wenn Sie sich noch ein neues Anrecht auf meine dankbare Erinnerung erwerben wollen, so erbitte ich als letzte Gunst von Ihnen, dass Sie keinen Versuch machen, mich wiederzusehen. Ich habe nicht die Absicht, Ihnen persönlich »Lebewohl« zu sagen, es ist das schmerzlichste aller Worte und ich habe eben nur die Kraft es zu schreiben. Gott erhalte und behüte Sie – leben Sie wohl!

Noch eine Bitte. Vergessen Sie nicht, was Sie mir versprachen, als ich Ihnen meine törichte Ahnung über die grüne Flagge aussprach und wohin Sie auch gehen, behalten Sie das Andenken von Mary bei sich. Ich wünschte nicht, dass Sie mir diese Zeilen beantwortetem sehen Sie, wenn Sie morgen das Haus verlassen zu dem Mittelfenster über dem Torweg hinauf, das ist mir Antwort genug.«

Dass diese melancholischen Zeilen mir die Augen mit Tränen füllten, beweist nur, dass ich Gefühle habe, die zu rühren sind. Der Drang, der mich trieb, an Miss Dunroß zu schreiben, als ich meine Fassung einigermaßen wiedergewonnen hatte, war unwiderstehlich. Ich schrieb keinen langen Brief, sondern bat sie nur mit aller mir zu Gebote stehenden Überredungskunst, ihren Entschluss noch einmal zu erwägen. Die Person, die Miss Dunroß bediente, brachte mir die Antwort zurück, die in drei entschiedenen Worten bestand: »Es kann nicht sein.« Dieses Mal sagte die Frau, ehe sie mich verließ, fast streng: »Wenn Sie Rücksicht für meine Herrin haben wollen, veranlassen Sie sie nicht Ihnen wieder zu schreiben.« Sie warf mir einen letzten drohenden Blick zu und verließ das Zimmer.

Dass die Worte der treuen Dienerin meinen Wunsch nur noch steigerten, Miss Dunroß noch einmal, vielleicht überhaupt zum letzten Male, ehe ich abreiste, zu sehen, brauche ich nicht zu sagen. Vielleicht gelang es mir durch die Vermittlung ihres Vaters, ohne ihr Wissen, in ihre Nähe zu kommen, das war meine einzige Hoffnung.

Ich beauftragte Peter bei seinem Herrn anzufragen, ob ich ihm noch vor Abend meine Aufwartung machen könnte, aber mein Bote brachte mir eine Antwort zurück, die mich von Neuem entmutigte. Mr. Dunroß bat mich um Entschuldigung, wenn er den Empfang meines Besuches auf morgen verschöbe, also auf den Tag meiner Abreise. Sollte ich die Botschaft so auffassen, dass er mich nur kurz vor meiner Abreise zusehen wünschte, um gleich Abschied von mir zu nehmen? Ich fragte Peter, ob sein Herr diesen Abend besonders beschäftigt wäre, worauf er mir keinen Bescheid geben konnte. »Der Meister der Bücher« war nicht wie gewöhnlich, in seinem Zimmer, sondern saß, als er die Bestellung an mich machte, neben dem Sofa seiner Tochter.

 

Nach dieser Antwort verließ mich der Mann bis zum nächsten Morgen. Meinem ärgsten Feinde wünsche ich keine trüberen Stunden in seinem Leben als die, die ich während der letzten Nacht unter Mr. Dunroß’s Dach verlebte.

Nachdem ich bis zur Erschöpfung in dem Zimmer auf- und abgegangen war, wollte ich versuchen meine trüben Gedanken durch Lesen zu verscheuchen, aber das eine Licht, das ich hatte, erleuchtete das Zimmer nicht ausreichend. Ich trat an den Kaminsims, um ein zweites Licht, das dort stand, anzustecken und fand den angefangenen Brief an meine Mutter, den ich dort aus der Hand gelegt hatte, als Miss Dunroß’s Dienerin zum ersten Male zu mir eintrat. Als das Licht brannte, nahm ich den Brief fort, um ihn meinen anderen Papieren beizufügen und entdeckte, als mein Blick, während meine Gedanken mit Miss Dunroß beschäftigt waren, zufällig darauf fiel, dass eine Veränderung damit vorgegangen war.

Die Handschrift der Erscheinung war verschwunden.

Unter dem von Miss Dunroß geschriebenen Briefe befand sich nichts als das leere Papier.

Ich griff zuerst nach meiner Uhr.

Damals, als die Geistererscheinung die Worte in mein Skizzenbuch geschrieben hatte, war die Schrift nach drei Stunden verlöscht, soviel ich es berechnen konnte, war dieses Mal die Schrift nach Verlauf einer Stunde unsichtbar geworden.

Ich kann nur vermuten, dass Frau van Brandt wiederum der Gegenstand einer Verzückung oder eines Traumes gewesen war, als sie mir zum zweiten Male erschien; das musste ich nach der Unterredung, die ich mit ihr am St. Antoniusbrunnen hatte und aus Entdeckungen, die ich in einer viel späteren Lebensepoche machte, schließen. In dem träumenden Zustande, in dem ihr Geist den meinen erkannte, hatte sie mich, wie damals, rückhaltlos um Hilfe angerufen und mir rückhaltlos vertraut. Als sie nach einer Stunde zur Besinnung gekommen war, hatte sie sich wieder der vertraulichen Weise geschämt, in der sie während ihres Traumes mit mir verkehrt, und somit durch ihren Willen als Wachende den Einfluss ihres Traumwillens vernichtet. Deshalb war die Schrift auch eine Stunde nachdem die Feder sie ausgeführt hatte oder auszuführen schien, vernichtet.

Das ist die einzige Erklärung, die ich geben kann. Um die Zeit als das Ereignis sich zutrug, besaß ich durchaus nicht Frau van Brandts volles Vertrauen und konnte darum keinerlei Lösung finden. Ich konnte nur den Brief mit dem unsicheren Gefühl fortlegen, ob meine Sinne mich getäuscht hatten oder nicht. Tief versunken in die verzweifelten Gedanken, die Miss Dunroßs Brief in mir erzeugt hatte, war ich nicht in einer Stimmung, in der ich meinen Verstand hätte anstrengen mögen, um den Schlüssel zu dem Verschwinden der Handschrift zu suchen. Meine Nerven waren gereizt. Ich haderte mit mir und Anderen. »Der beunruhigende Einfluss der Frauen scheint, wohin ich auch gehe, der einzige Einfluss zu sein, den ich verdammt bin zu empfinden,« dachte ich ungeduldig. Während ich rückwärts und vorwärts mein Zimmer durchschritt, denn ein Buch konnte meine Gedanken unmöglich fesseln, glaubte ich mir ganz klar zu sein, aus welchen Gründen junge Männer meines Alters zu dem Entschlusse kommen, in ein Kloster zu gehen. Ich zog die Vorhänge zurück und sah hinaus, mein Blick entdeckte aber keinerlei Aussicht, als die schwarze Masse der Finsternis, die den See verhüllte. Ich sah nichts, ich mochte nichts denken, ich konnte nichts tun, es blieb mir nichts übrig als den Versuch zu machen, ob ich schlafen konnte. Meine medizinische Wissenschaft sagte nur klar genug, dass natürlicher Schlaf für diese Nacht, bei der Verfassung, in der sich meine Nerven befanden, zu den unerreichbaren Üppigkeiten des Lebens gehörte. Da sich aber der Medizinkasten, den Mr. Dunroß mir zur Verfügung gestellt hatte, noch in meinem Zimmer befand, mischte ich mir einen kräftigen Schlaftrunk und flüchtete mich vor allen Sorgen in mein Bett.

Es ist eine Eigentümlichkeit aller Schlaf bewirkenden Mittel, dass sie nicht bloß auf verschiedene Konstitutionen verschieden wirken, sondern, dass man sich auch nicht darauf verlassen kann, dass sie auf dieselbe Person immer gleichmäßig wirken. Ich hatte die Lichte ausgelöscht ehe ich mich ins Bett legte. Unter gewöhnlichen Umständen würde der Trank, den ich genommen hatte, mich, nachdem ich eine halbe Stunde ruhig im Finstern gelegen hätte, eingeschläfert haben, in dem Zustande aber in dem sich meine Nerven eben befanden, betrübte es mich und tat weiter nichts.

Stunde auf Stunde lag ich ganz still mit geschlossenen Augen in dem halb schlafenden, halb wachen Zustande, der so wunderbar charakteristisch bei Hunden während ihrer Ruhezeit ist. Im Verlaufe der Nacht bedrängte eine solche Schwere meine Augenlider, dass es mir unmöglich war sie zu öffnen, alle meine Muskeln wurden von einer so gewaltigen Schlaffheit befallen, dass ich auf meinem Kopfkissen regungslos wie ein Leichnam lag. Meine Gedanken vermochten trotz des schläfrigen Zustandes sich behaglich in langen Reihen angenehmer Bilder zu ergehen, mein Gehörsinn war so scharf, dass ich den leisesten Laut vernahm, den der Nachtwind im Vorüberziehen in den Büschen am See hervorbrachte und in meinem Zimmer selbst vernahm ich noch deutlicher das geisterhafte Nachtgeräusch in den Möbeln und das plötzliche Zusammensinken der Kohlen im Kamin, das Leuten, die schlecht schlafen so wohl bekannt ist und übermäßig angespannte Nerven so sehr erregt. Vom wissenschaftlichen Standpunkte aus ist die Bezeichnung unrichtig, wenn ich nämlich sage, dass meine eine Hälfte wachte, während die andere schlief, und doch schildert sie meinen Zustand von dieser Nacht am genausten.

Ich kann nicht sagen wie viele Stunden ich noch gelegen halte, als mein überreizter Gehörsinn ein neues Geräusch im Zimmer wahrnahm, ich weiß nur, dass ich plötzlich aufmerksam lauschte, die Augen fest geschlossen. Der Ton, der mich aufregte, war unendlich leise, wie von etwas herrührend, das weich und sanft über die Oberfläche des Teppichs hinglitt und ihn eben nur so viel berührte, dass es vernehmbar war. Allmälig näherte sich das Geräusch meinem Bette und schwieg dann, als ich es dicht bei mir glaubte.

Ich blieb regungslos mit geschlossenen Augen liegen, träumerisch den nächsten Laut erwartend, der mein Ohr treffen würde, in meinem schläfrigen Zustande auch zufrieden, wenn Alles still blieb. Meine Gedanken, wenn man es eben Gedanken nennen konnte, begannen wieder ihrem früheren Lauf zu folgen, als ich plötzlich ein leises Atmen gerade über mir vernahm. Gleich darauf wurde meine Stirn berührt – leise, sanft, bebend, wie die Berührung von Lippen, die mich küssten. Dann schwieg Alles, bis ein leiser Seufzer die Luft durchzitterte. Wiederum hörte ich den sanften Ton eines Gegenstandes, der seinen Weg über den Teppich nahm, dieses Mal aber sich vom Bett entfernte und zwar mit solcher Schnelligkeit, dass er im nächsten Augenblick in der Stille der Nacht verschwand.

Noch immer von meinem Schlaftrunk betäubt, konnte ich mich nur in lustiger Weise über das Geschehene verwundern, nichts weiter. Hatten mich wirklich menschliche Lippen berührt? Hörte ich wirklich einen Seufzer oder war alles Täuschung, die ein Traum erzeugt? Die Zeit verstrich ohne, dass ich mir darüber klar wurde oder auch nur bestrebt war, mir es klar zu machen. Von Minute zu Minute gelang es mehr dem beruhigenden Einflusse des Trankes Herrschaft über mein Gehirn zu gewinnen, eine Wolke zog sich leise über die letzten Eindrücke, deren ich mir bewusst war. Allmälig lösten sich die Bande, die mich an das bewusste Leben fesselten und ich versank friedlich in einen ruhigen Schlaf.

Kurz nach Sonnenaufgang erwachte ich. Meine erste deutliche Erinnerung, nachdem mein Bewusstsein zurückgekehrt war, war die Erinnerung an den sanften Atem, den ich über mir gefühlt hatte – dann fielen mir die Berührung meiner Stirn und der Seufzer, den ich vernommen hatte, ein. War es möglich, dass jemand in der Nacht mein Zimmer betreten hatte. Warum nicht? Ich hatte die Tür nicht verschlossen, wie ich es überhaupt nicht getan hatte, seit ich unter Mr. Dunroß's Dach weilte.

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