Engelslügen

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»Natürlich weiß ich das nicht, woher auch? Und weiter!«, warf er kühl ein.

»Dort habe ich etwas gesehen, beziehungsweise eigentlich nicht. Aber da war etwas unheimliches, es hat mich angesehen und mich verletzt«, sie zeigte ihre Wunde am Oberarm, die nach wie vor heftig brannte.

»Okay, aber das erklärt das Funkeln noch nicht!«, bemerkte er sichtlich interessierter. Seine Gesichtszüge wurden allmählich weicher, als er merkte, dass sie ihm die Geschichte wirklich erzählen wollte.

»Das hatte mich so wütend und ängstlich gemacht und plötzlich funkelte meine Hand. Ich hob sie an, und auf einmal ging ein Blitz oder was auch immer von meiner Hand direkt in die Wand. Ich schwöre dir, ich habe keine Ahnung, was da passiert ist. Ehrlich gesagt war ich mir nicht mal sicher, dass es überhaupt geschehen war, bis es jetzt wieder passierte.«

»Was hattest du da überhaupt zu suchen? Soweit ich weiß, soll die alte Villa nächstes Jahr wegen Einsturzgefährdung abgerissen werden. So stand es jedenfalls in der Zeitung. Und ein Schandfleck für die Gegend ist die Ruine auch! Irgendwie auch gruselig, wenn du mich fragst!«

»Da verstecke ich mich wie schon gesagt immer, doch diesmal zog mich irgendwas in den Keller, es war wie mit den Träumen so eine Ahnung! Verstehst du?«, rechtfertigte sie ihre Leichtsinnigkeit.

»Sag mal, siehst du nie Horrorfilme? Huch ein komisches Geräusch, ich sollte mal nachsehen. Vielleicht ist es ja nur eine Katze, die versucht Schränke nach Wertsachen zu durchsuchen. Mensch, die Leute sterben im wahren Leben!«, parodierte er einen schlechten Film. »Wie heißt es so schön? Lieber feige als tot! Wer weiß was dir hätte passieren können!«, legte er nach.

Eine Weile saßen sie noch auf ihrem Sofa und sie versuchte permanent ihre Hand erneut zum Funkeln zu bringen, hatte aber wenig Erfolg damit. Als er schließlich durch das Fenster verschwand, gab er ihr noch den zarten Hauch eines Kusses auf die Wange und sagte: »Wenn was ist, sag es mir! Ich bin für dich da, vergiss das nie! Und halt dich von dem alten Haus fern!« Sein warmer Atem strich über ihre Wange und ließ sie vor Scham erröten. Soviel Zärtlichkeit war sie von ihm nicht gewohnt. Zum Üben hatten sie sich früher einmal geküsst, dabei war jedoch nie ein Gefühl entstanden. Mit dem zarten Kuss auf ihre Wange, fühlte sie das erste Mal, das ein wenig mehr zwischen ihnen war, als reine Freundschaft.

Ob es daran lag, dass sie älter und reifer wurde, wusste sie nicht. Es war ihr auch egal, dieses Gefühl inmitten der sonderbaren Ereignisse tat ihr einfach nur gut.

3

Gabriel

Unruhig und mit vielen Grübeleien, verbrachte sie die Nacht. Viele Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Angefangen bei ihrer Kindheit bis zu den aktuellen Geschehnissen. Eines echote aber immer wieder in ihrem Geist, so laut, dass sie es nicht ignorieren konnte - selbst wenn sie es gewollt hätte. Bald schon … werden die Chöre der Engel erklingen. Es ging noch weiter, aber den Rest verstand sie nicht.

Sie sah im Geiste das Gesicht ihrer Mutter, ihre Lippen bewegten sich jedoch nicht. Auch die Stimme klang verzerrt und sonderlich. Trotzdem tauchte immer das Gesicht ihrer Mutter vor ihrem inneren Auge auf, sobald dieser Satz gesprochen wurde. Die Bilder und Stimmen rissen nicht ab, das war aber nicht das Einzige, dass sie vom Schlafen abhielt.

Was ist das nur mit Gino? So habe ich doch noch nie für ihn empfunden, geisterte es durch ihre Gedanken. Ihr Rücken juckte höllisch und genau dort, wo sie den Ursprung des fiesen Reizes vermutete, kam sie mit ihren Fingern nicht hin. Seit Wochen schon plagte sie dort ein Jucken, nur diesesmal war es fast unerträglich. Daher wälzte sie sich immer wieder im Bett hin und her, und versuchte so den Juckreiz weg zu schubbern. Wie es Bären an einem Baum machen, um sich so wieder unter Kontrolle zu bekommen. Zu allem Überfluss, schrie irgendwo in der Nachbarschaft ein Baby, das wohl Hunger hatte, es den Eltern aber wie es schien egal war. Das Geheule eines Hundes ein paar Straßen weiter, ließ sie endgültig nicht mehr an Schlaf denken.

Missmutig stand sie schließlich auf, hinterließ ihrer Tante eine Notiz, dass sie diesen Tag auch nicht in die Uni gehen würde, und verließ das Haus. Sie schlich so leise wie möglich, um niemanden zu wecken. Auf den einen Tag kam es ihr auch nicht mehr an, der danach kommende Tag wäre ohnehin ihr Geburtstag und ein Samstag dazu. Da spielte es keine Rolle, wenn sie mal zwei Tage, nicht in der Uni sitzen würde. Der Mond stand hoch oben in voller Pracht am Himmelszelt und tauchte das Ambiente der leeren Straße in ein seltsames Licht. »Vielleicht sollte ich den Mond anheulen«, murmelte sie vor sich hin. Sie musste ihres absurden Gedanken wegen grinsen.

Wie magisch angezogen führte sie ihr Weg direkt zu der alten verlassenen Villa, die sie am Vortag das letzte Mal besucht hatte. Sie hatte das Gefühl als würde eine fremde Macht ihr den Weg vorgeben. Denn plötzlich fand sie sich an den Stufen zum Untergeschoss wieder. Langsam schlich sie die Treppe hinunter, immer darauf bedacht, so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen, um niemanden auf sich aufmerksam zu machen.

Die Stufen waren mit feinsten Glassplittern, Steinchen und kleinstem Gehölz übersät. Daher ließ es sich nicht vermeiden, das eine oder andere Mal ein Knirschen unter ihrer Fußsohle durch die Stille zu schicken. Fast ohrenbetäubend laut war es in Anbetracht der völligen Ruhe des Anwesens.

Erst als sie die letzte Stufe erreichte, erinnerte sie sich an die Wunde, die das Wesen ihrem Oberarm zugefügt hatte, und hielt instinktiv die Hand darauf. Ein leichtes Kribbeln ließ sie überrascht die Jacke ausziehen und den Blusenärmel hochziehen. Eine fast vollständig verheilte Wunde machte sie stutzig. Seltsam, wie kann das sein? Das ging ja echt verdammt schnell. Eilig zog sie ihre Jacke wieder über, die Temperaturen schienen sprichwörtlich in den Keller zu rutschen und ließen sie frösteln. Ihr Atem wurde in kleinen Dunstwölkchen sichtbar. Goldene Linien schimmerten durch ihre Haut. Fein zogen sie sich geschwungen um ihre Finger, Handflächen und den Arm hinauf.

Ein Flirren im hinteren Teil des großen Raumes erregte ihre Aufmerksamkeit. Es sah so ähnlich aus, wie Luft, die über heißem Wüstenboden flackert. Das letzte Mal, als sie vergleichbares sah, war sie mit ihrer Mutter kurz vor ihrem Tod in Ägypten. Ihre Mutter hatte geglaubt, dass Olivia von diesem Urlaub weniger angetan sein könnte, da es nur die zweite Urlaubswoche an den Strand zum Baden ging. Doch es war genau andersherum, Olivia war traurig, als sie die vielen Tempel, Grabanlagen und Obelisken hinter sich ließen, um an das Meer zu fahren. Sie war so fasziniert von der alten Kultur, den Hieroglyphen und den atemberaubend schönen Malereien. Ihre Mutter versprach ihr, den nächsten Urlaub wieder dorthin zu planen, leider kam es nicht mehr dazu. Einige Monate später schlug das Schicksal zu und riss ihre Mutter aus dem Leben. Ihrer Tante Heather fehlte das Geld für teure Touren in die Ferne.

Während ihrer letzten gemeinsamen Reise hatten sie einen Ausflug in die Sahara unternommen. Mit dem Bus fuhren sie von Assuan zu einem kleinen Dorf, kurz vor der Wüste. Unterwegs platzte ein Reifen, doch freundliche Anwohner brachten alle Passagiere sicher zum Sammelort für eine Kurzsafari in die Sahara. Vom Kamel aus waren solche Luftverzerrungen, wie sie sie jetzt im Keller sah, häufig zu sehen. Nur in diesem kalten Gemäuer war keine Hitze wie in der Wüste, die für solche Luftspiegelungen verantwortlich war. Nicht einmal hell genug war es. Kurz schloss sie die Augen. Vielleicht bilde ich mir das ja auch nur ein? Oder werde ich verrückt? Nein verrückte glauben nicht das sie verrückt sind! Oder doch? Als sie die Augen wieder öffnete, war das Flimmern an anderer Stelle wieder zu sehen.

Geh nicht näher ran, sprach ihre innere Stimme. Doch sie konnte nicht anders und ging leichten Fußes, Schritt für Schritt weiter voran.

»Halt!«, hielt sie eine feste tiefe dunkle Stimme auf, als sie die Hälfte des Weges zum Flimmern hinter sich gebracht hatte.

Olivia blieb stehen. »Hallo?«, rief sie in die Dunkelheit. Angst machte sich in ihr breit. Was hab ich mir nur dabei gedacht? Das war eine ganz ganz ganz blöde Idee! Zitternd wartete sie auf eine Antwort. »Es tut mir leid, ich glaube, ich habe mich verlaufen. Ich bin sofort wieder weg. Lassen sie sich nicht stören!«, versuchte sie der Situation zu entkommen. Schnell drehte sie sich um, und wollte gerade losrennen, als der Fremde zu sprechen begann.

»Olivia, warte!«, ließ sie die Stimme zusammenfahren.

Wo bin ich hier reingeraten? Woher kennt er meinen Namen? Verdammt! »Wer sind sie? Und woher wissen sie, wie ich heiße?«, ihre Stimme klang fester als ihr zumute war.

»Mein Name ist Gabriel, wir sind uns gestern hier begegnet. Erinnerst du dich?«, seine Stimme klang stolz und warm, aber auch dunkel.

Wie komme ich hier am schnellsten wieder raus? Man wie konnte ich nur so doof sein alleine hierher zu gehen? Plötzlich sah sie die giftgrünen Augen.

»Ja. Aber von begegnen kann weniger die Rede sein! Was aber noch nicht erklärt, woher du meinen Namen kennst«, diesmal klang ihre Stimme zittrig.

Gabriel lachte. »Weil ich eigentlich dich finden sollte und nicht du mich!«

Schlagartig rutschte Olivias Herz in die Hose und der Drang so schnell es nur ginge, wegzulaufen wurde immer stärker. Ihr linkes Bein begann auf dem Absatz kehrt zu machen. Ihr restlicher Körper wollte der Bewegung folgen, doch sie blieb wie angewurzelt stehen.

»Hab keine Angst, ich werde dir nichts tun. Vorausgesetzt du tust mir auch nichts!«, in seiner Stimme klang so etwas wie Erheiterung mit.

 

»Ok. Was auch immer du glaubst gestern gesehen zu haben, das sah sicher nur heftiger aus, als es tatsächlich war!«, erklärte Olivia schnell, da sie sich sicher war, dass er nur einer der Schaulustigen des vergangenen Konflikts mit Page sein konnte und sie wohl ebenfalls beobachtet hatte, wie sie hierher verschwunden war. Ob das der Kerl ist, der das Video Online gestellt hat?

Abwehrend hob sie die Hand und sie begann augenblicklich bläulich zu funkeln. Ehe sie sich versah, schoss ein Blitz hervor, direkt auf diesen ominösen Gabriel zu. Hell flammte der Blitz in einen Schild, der wie in einem Science-Fiction-Film knisternd aufloderte. Dahinter war die muskulöse Statur Gabriels zu erkennen. Zuvor hatte sie nur sein markantes Gesicht mit dem Dreitagebart und die noch immer giftgrünen Augen erkennen können. Scheiße verdammt, nicht schon wieder!, fluchte sie innerlich. Erschrocken über ihre Tat schritt sie schnell nach vorn auf Gabriel zu.

»Nanana! Hatten wir nicht vereinbart, dass wir uns nichts tun?«, raunte er schroff.

»Es … es … es tut mir leid. Das wollte ich nicht«, rang sie nach Luft.

»Du hast noch viel zu lernen, junge Nephilim!«, seine Stimme klang stolz und erhaben.

War das gerade eine Beleidigung? Nephilim? Was ist das?

Gabriel trat vor und raubte ihr mit seinem Anblick fast den Atem. Er trug ein dunkles Achselshirt, das sich perfekt um seine Brustmuskeln legte, selbst die Bauchmuskeln betonte es auf eine sehr betörende Weise, die Olivia verstörend schön fand. Seine Haut war makellos, kein Tattoo und keine Narben. Nicht ein Mal Leberflecken konnte sie im schwachen Lichtschein erkennen.

Doch da war noch mehr, das sie faszinierte und ihren Blick auf den jungen Mann ruhen ließ. Hinter seinem Rücken ragten zwei imposante Flügel über seine starken Schultern, die silbrig glitzerten. Er verzog keine Mine, als er zu ihr herabblickte, das Grün in seinen Augen begann zu funkeln, als er nach einer gefühlten Ewigkeit einen Mundwinkel leicht zu einem Lächeln hochzog. Nephilim. Na klar, das war doch was mit Kinder von Engeln oder so was!, überlegte sie.

»Na Kleine, gefällt dir, was du siehst? Ich hatte schon immer eine anziehende Wirkung auf das weibliche Geschlecht«, sagte er mit seiner dunklen Stimme. Die sich wie Seide über Olivia ergoss und ihr einen wohligen Schauer über den Rücken laufen ließ.

Man jetzt verstehe ich die Mädchen, warum sie sich so zu Arschlöchern hingezogen fühlen. Er sieht traumhaft aus.

Olivia schüttelte den Kopf, um wenigstens einen Gedanken fassen zu können und wurde langsam wütend, da sie ihn trotz seiner Anziehungskraft sehr überheblich fand. Ach der tickt doch nicht ganz richtig. Verkleidet sich zu Fasching als Engel und spielt sich als der Messias persönlich auf.

»Du hast ein Ego, damit könnte man wohl die Welt einwickeln. Erst beleidigst du mich, dann verkleidest du dich für irgendeinen Karneval und zu guter Letzt, zeigst du mir noch deine ach so arrogante Seite. Was soll das werden? Lauerst du allen Mädchen so auf?«, sie ließ ihre Stimme bewusst lässig aber wütend klingen. Während sie sprach, schaute sie ihm direkt in die Augen und hoffte, dass sie durchdringend erschienen, obwohl ihr richtig mulmig zumute war.

»Stolz hast du, das ist gut. Wenn du deine Kräfte allerdings weiter so gedankenlos einsetzt, bist du in einer Woche tot!« Mit einem Finger fuhr er zur Verdeutlichung waagerecht seinen Hals entlang. »Ich bin schon lange auf der Suche nach dir, seit ich dich das erste Mal gespürt habe. Und wenn ich das schon schaffe, werden die Engel dich noch schneller finden!«, erklärte er. »Ok?«

Sie begann zu lachen. Das kann er nicht ernst meinen! Seine Augen formten sich zu schmalen Schlitzen.

Oh man, der ist ja irre! Engel gibt es nicht und seine Plastikfedern wirken nicht mal überzeugend! »Du willst mir also erklären, dass Engel nach mir suchen? Was ist daran denn so schlimm? Mal davon abgesehen, dass es keinen Gott gibt und somit auch keine Engel«, konterte sie. Langsam hatte sie die Nase gestrichen voll von dem Mist, den er da verzapfte.

»Was Gott angeht, dass weiß ich nicht. Aber leg doch mal deine menschliche Schwäche ab und mach die Augen auf! Man kann sie immer wieder sehen! Und ja fürchten solltest du dich vor ihnen! Immerhin wollen sie unsere Köpfe«, schoss er scharf zurück.

»Du spinnst doch komplett!«, schnauzte Olivia diesen Traum von einem Adonisestrichen ?gin ihrem gelblichem an. Seine Brustmuskeln zuckten kurz und es schien als spielte er mit ihnen. Schweißperlen glitten an seinem Hals hinab und betörten sie weiter. Schade das alle hübschen Kerle entweder vergeben, Schwul oder einfach nur gestört sind! Kurz hing ihr auch ein Gedanke an Gino nach. Sie ertappte sich dabei, wie ihr ein schlechtes Gewissen entstand, obwohl sie mit Gino nicht zusammen war.

Seine Hand glitt blitzschnell hoch und versuchte sie zu packen, instinktiv machte sie einen Satz zurück, drehte sich um und rannte.

Ich hätte es wissen müssen verdammt! Weg einfach nur weg! Sie rannte so schnell, als wäre der Teufel persönlich hinter ihr her. Vielleicht war er das auch, dachte sie im Laufen. Sie wusste nicht, wohin sie fliehen sollte, nach Hause konnte sie auf keinen Fall, weil sie nicht wusste, ob er ihr dorthin folgen würde. Im Zickzack hetzte sie wechselnd die Straßen entlang, bis sie völlig erschöpft an der Flusspromenade in einen leichteren Gang fiel. Immer wieder drehte sie sich um die eigene Achse, um zu schauen, ob sie noch von ihm verfolgt wurde. Als ihr nichts auffiel, ging sie noch ein paar Meter weiter und ließ sich dann auf eine Parkbank nieder. Laut japsend schien es, als versuchte sie den ganzen Sauerstoff der Welt, auf einmal einzusaugen.

Völlig außer Atem glaubte sie, sie hätte einen Marathon absolviert in weniger als zehn Minuten. Ihr Herz pochte so fest, dass sie jeden einzelnen Pulsschlag in ihren Fingerspitzen spüren konnte. Ihre Hände zitterten vom Adrenalin Überschuss in ihrem Blut.

Ganz allmählich bekam sie wieder Luft und schon bemerkte sie eine Präsenz hinter sich. Ängstlich weigerte sie sich nachzusehen, entschied sich dann aber doch dafür.

Noch bevor sie sich ganz umgedreht hatte, zischten Lichtblitze durch die Luft und trafen die Gestalt, die sich hinter ihr aufgebäumt hatte. Hinter einem Baum trat Gabriel hervor und schleuderte unaufhörlich weitere Blitze auf die Gestalt.

»Komm her!«, schrie er. Seine Stimme klang nicht mehr so selbstsicher wie im Gewölbe der Villa. Er klang ängstlich, fast panisch. Unsicher wer Freund und wer Feind war, bewegte sie sich nur zaghaft auf ihn zu.

Bevor Gabriel seine Arme vollständig um Olivia gelegt hatte und seine Flügel ausbreiten konnte, um mit ihr durch die Luft zu verschwinden. Traf ihn ein gelb leuchtender Blitz und durchschlug seinen Schild, den er um sich aufgebaut hatte.

Taumelnd gingen die beiden zu Boden. Olivia landete auf seinem Oberkörper und mit ihrem Kinn auf seinem Ellenbogen. Schmerz zuckte durch ihren Kiefer, sodass sie laut aufschrie. Aua verdammt! Das ist heute echt nicht mein Tag! Gabriel, der bewusstlos unter ihr lag, rührte sich nicht. Tot war er nicht, sie konnte den beständigen Pulsschlag seines Herzens an ihrer Brust spüren.

»Geh weg von ihm! Ich bin ein Freund deines Vaters! Vertrau mir!«, rief die Gestalt.

Olivia richtete sich auf, Gabriel lag noch immer reglos am Boden. Jemanden zu vertrauen, kam ihr gar nicht in den Sinn, schließlich wurde sie von zwei ihr vollkommen Fremden und wahrscheinlich auch Irren verfolgt. Für wie bescheuert hält der mich? Taucht aus dem Nichts auf und behauptet meinen Vater zu kennen. Gewiss werde ich dir nicht trauen!

Die Gestalt trat näher und wurde vom hellen Mondlicht angestrahlt. Engel, spuckte es durch ihren Kopf. Sie sah sich den Mann genauer an. Gelb leuchtendes gelocktes Haar, stählerne Brust, Oberarme wie die eines Bodybuilders und Flügel, so strahlend weiß, dass sie fast blendeten. Um ein Vielfaches größer, als die silbrigen von Gabriel ließen sie keinen Raum mehr für Zweifel.

Es war kein frostiger Wintertag, aber warm war es auch nicht gerade. Seine Oberarme und Waden waren unbekleidet. Von Gänsehaut oder einem sonstigen Anzeichen für Kälte bot seine Haut nicht. Der muskulöse Engel schien nicht zu frieren. Gabriels Worte schossen ihr durch den Kopf. Fürchten solltest du dich vor ihnen! Immerhin wollen sie unsere Köpfe!

An seinem Gürtel, der nahtlos mit seinem Brustpanzer ineinander überging, prangte ein goldglänzendes Schwert. Zu Olivias Erstaunen, sah es einem japanischen Katana zum verwechseln ähnlich. Vor ihrem inneren Auge erschienen Kunstwerke längst vergangener Epochen und auf diesen sah man die Engelsfiguren stets mit einem mittelalterlich anmutenden Schwert. Um ihn herum schillerte ein Schutzschild. Ihr Verstand begann sich zu drehen und ihr wurde übel.

Bevor der Engel noch etwas sagen konnte, brach sie vor ihm, wie ein hyperventilierender Teenie auf einem Rockkonzert, zusammen und verlor langsam das Bewusstsein. Sie war zu erschöpft um dagegen anzukämpfen und der Schreck drängte das Blut aus ihrem Kopf. Ihr Gesicht landete im weichen Gras, sie konnte den frischen Geruch von Frühreif riechen. Sie fühlte die feuchte Kühle, die vom Morgentau ausging.

Langsam schob sich der orangerot leuchtende Schein der Sonne, von Osten kommend, über den Himmel und verdrängte die Dunkelheit, um einen neuen Tag zu begrüßen. Schemenhaft nahm sie, wie durch einen Schleier verhüllt wahr, wie der Engel dessen Namen sie nicht kannte, sie auf seinen starken Armen empor hob. Sie spürte eine leichte Brise an ihrer Wange, merkte, wie sie federleicht wurde, und war sich nicht mehr sicher, ob sie das alles nicht einfach nur träumte.

Wenn es ein Traum war, so empfand sie ungewöhnlich viel. Ist es normal, dass man in Träumen denken kann?, überlegte sie. Die Gedanken zogen an ihr vorbei, ohne dass sie einen greifen und festhalten konnte.

Sie fühlte sich frei, obwohl sie ahnte, dass dies nicht nur ein Traum sein konnte. Fühlt sich so der Tod an?, schoss es ihr durch den Kopf. So leicht. So angenehm und so belanglos. So frei? Sie überlegte, dass ihre Vermutung stimmen musste, warum sonst sollte sie denn Engel sehen können? Hatte sie wirklich einen Engel gesehen? Oder war es Teil eines Traums, der ein Leben vorspielte? Es war ihr egal, sie schloss die Augen und sah nichts mehr außer Schwärze.

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