Die besten Ideen für mehr Humor

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LAURA BAXTER
Vom toten Kanarienvogel bis zum schwangeren Prinzen
Oder: Die fünf Kernelemente des Humors für Top-Speaker

Klassische Musik soll eigentlich gar nicht lustig sein. Schwarz gekleidete Musiker, die an Pinguine erinnern, spielen Musik, die von längst verstorbenen Komponisten mit Seidenkniestrümpfen und gepuderten Perücken geschrieben wurde. Nur den wirklich Hochgebildeten erschließen sich die Struktur und die Tiefe der vielen Genres klassischer Musik. Also, weshalb bat man mich, einen Artikel über klassische Musik für ein Buch über den Humor zu schreiben? Allein der Gedanke ist paradox und an sich schon amüsant.

Wie alles begann

Während der Vorbereitungen für ein Konzert, das sich mit dem Thema Humor in der Musik des 18. Jahrhunderts beschäftigte (Aficionados – Verzeihung, es heißt natürlich Aficionadi – der klassischen Musik werden jetzt schmunzeln: »Ja, ja, die Abschiedssinfonie von Haydn, und natürlich seine Sinfonie mit Paukenschlag!«), erkannte ich, dass es vielleicht einige Dinge gibt, die wir als Redner im Hinblick auf den Humor von der Musik lernen können. Ich bemerkte außerdem, dass es einige universelle Kernelemente des Humors gibt, die weder von der Zeit noch von den gegebenen Umständen oder der Kultur abhängen.

Anhand von fünf Beispielen aus der Musik – sowohl Opernrollen als auch humorvolle konzertante Werke –, die ich selbst bereits zur Aufführung gebracht habe, betrachten wir nun die Grundlagen des Humors. Fünf Aspekte stellen für mich dabei die »Kernelemente« dar, die notwendig sind, um Sprache erfolgreich und humorvoll einzusetzen.

Vom toten Kanarienvogel

Stellen Sie sich Folgendes vor:

Sie genießen gerade einen ruhigen Nachmittag in Ihrem Garten. Aber plötzlich – nein, nicht doch! – ist er schon wieder da! Ihr »wundervoller« Nachbar, der Sie ständig in endlose Gespräche über seinen albernen Kanarienvogel verwickeln will! »Warum ausgerechnet heute?«, fragen Sie sich. In diesem Moment erkennen Sie, dass Ihr Nachbar sehr aufgeregt ist. Er weint. Was ist nur passiert?

Als er näherkommt, sehen Sie, dass er etwas in den Händen hält. Etwas, das aussieht wie Vogelfedern. Kann das wirklich sein? Kleine gelbe Vogelfedern?

Vorsichtig fragen Sie nach, was passiert ist. Weshalb er so außer sich ist? Er beginnt zu erzählen …

Er erzählt Ihnen, sein geliebter Kanarienvogel sei gestorben. Der Teufel selbst (die Katze der Nachbarin – Gott sei Dank nicht Ihre eigene Katze!) kam und riss den kleinen Vogel aus dem Leben. Sie schluckte ihn in einem Stück hinunter. Nun bleibt Ihrem Nachbarn nur noch die Hoffnung, dass der kleine Vogel im Magen des Teufels pickt und hackt, bis der Bauch des Teufels anschwillt und platzt. »Bis er platzt?«, fragen Sie. »Bis er platzt!« Oje, denken Sie, ich bin wirklich froh, dass ich nicht diese Katze bin …

Eine ähnliche Szene inspirierte Georg Philipp Telemann (1681 – 1767), seine Kanarienvogel-Kantate zu komponieren, eine Kantate für eine Singstimme und ein Kammerorchester, die Telemann selbst als »Tragikomödie« bezeichnete. Der Originaltitel des Stücks lautet Trauer-Music eines kunsterfahrenen Canarienvogels, als derselbe zum größten Leidwesen seines Herrn Possessoris verstorben. Telemann gab die Anweisung, das Stück sei auf sehr ernsthafte Weise vorzutragen. Dies wird insbesondere an der Stelle zur Herausforderung, an der sich der Sänger in der Rolle des Nachbarn wünscht, der Magen des »Teufels« möge anschwellen und platzen. Die Melodie zu den Worten »anschwellen« und »platzen« ist so aufwendig ausgeschmückt, dass das Publikum direkt spürt, wie besessen der Nachbar davon ist, sich an dem Übeltäter zu rächen!

Kernelement 1

Humor ist eine ernste Angelegenheit! Stellen Sie sicher, dass Sie ihn immer ernsthaft vortragen – entweder mit sehr sachlichem oder todernstem Tonfall.

Ausschnitte vom Telemanns Kanarienvogel-Kantate: http://www.youtube.com/watch?v=oHpFvvP6Q60

Entscheidend für den Erfolg dieses Stücks ist die Darbietung. Wird es unsachgemäß vorgetragen, wirkt es einfach nur wie ein sehr seltsames Requiem für einen komischen Vogel. Der Sänger muss zu jedem Zeitpunkt absolut ernst bleiben. Nur dann empfindet der Zuschauer diese makabre Situation als lustig.

In seinem Artikel The Art of Using Humor in Public Speaking (© 1998 Champaign, IL) definiert Anthony L. Audrieth Humor als »die geistige Fähigkeit, aberwitzige oder auf absurde Weise nicht zueinander passende Dinge zu erkennen, auszudrücken oder zu verstehen«. Das Adjektiv »aberwitzig« bedeutet so viel wie amüsant oder lachhaft aufgrund offensichtlicher Absurdität, Nichtübereinstimmung, Übertreibung oder Exzentrik. »Nicht zueinander passend« steht für eine fehlende Übereinstimmung und bezeichnet somit etwas, das in sich selbst unstimmig ist. Was wir also von diesem Musikstück lernen können ist, dass Humor – und das gilt für alle Formen von Humor – eine sehr ernste Angelegenheit ist. Das »Aberwitzige oder auf absurde Weise nicht zueinander Passende« in der Kanarienvogel-Kantate geschieht, weil der Sänger diese absurde Situation absolut ernsthaft erzählt. Es ist nicht wichtig, welche Art von Humor Sie persönlich am liebsten verwenden – dieses Stück muss mit absoluter Ernsthaftigkeit vorgetragen werden, so, als wäre die beschriebene Situation vollkommen normal oder todernst.

Dorabella

Als ich zum ersten Mal die Nachricht erhielt, dass eine meiner Rollen für die kommende Spielzeit die Dorabella in Mozarts komischer Oper Cosi fan tutte sein sollte, war ich überglücklich. Die Dorabella ist eine der Hauptrollen in einer sehr häufig aufgeführten Oper. Eine Rolle, die ich im Laufe der Zeit noch viele hundert Mal singen sollte.

Als ich jedoch damit begann, die Rolle einzustudieren, war mein einziger Gedanke, wie dumm diese Dorabella doch ist. Für diejenigen, die mit der Geschichte nicht vertraut sind, hier eine Zusammenfassung:

Die beiden jungen Offiziere Ferrando und Guglielmo unterhalten sich in einem Café darüber, wie sehr sie ihre jeweiligen Verlobten Dorabella (etwa 16 Jahre alt) und deren ältere Schwester Fiordiligi (etwa 18 Jahre) lieben und wie treu die Mädchen sind. Don Alfonso findet das amüsant und wettet mit den beiden jungen Männern, dass er innerhalb eines Tages beweisen kann, dass die beiden jungen Frauen wankelmütig sind und ihren Verlobten untreu werden.

In der nächsten Szene sehen wir Dorabella und Fiordiligi zu Hause, wo sie von ihren wundervollen Männern singen; die jungen Offiziere treten auf und teilen den Frauen mit, dass sie in den Krieg ziehen sollen. Die jungen Frauen sind verzweifelt, und Dorabella singt ihre Arie »Smanie implacabili«, in der sie sich in eine Hysterie hineinsteigert und behauptet, sie könne und wolle nicht ohne Ferrando leben!

Die beiden Männer gehen und treten, verkleidet als Albaner, wieder auf. Mit der Hilfe des Hausmädchens Despina und des etwas übertriebenen Verhaltens der beiden Fremden, die, von den beiden Schwestern zurückgewiesen, Selbstmord begehen wollen, kann Don Alfonso die Schwestern davon überzeugen, dass sie ihre Gefühle noch einmal überdenken sollten. Geschmeichelt von der Aufmerksamkeit, die sie von den beiden Fremden erfahren, beginnen die Schwestern zu flirten und, um es kurz zu machen, stecken gerade in den Vorbereitungen für eine Doppelhochzeit mit dem Verlobten der jeweils anderen, als ihre eigentlichen Verlobten aus dem Krieg heimkehren. Die beiden jungen Männer wechseln schnell wieder ihre Kostüme, kehren als Offiziere zurück und treffen ihre Verlobten in Hochzeitskleidern an. Die Männer decken das Verwirrspiel auf, Don Alfonso und Despina erklären, was gerade passiert ist, und den Schwestern wird klar, dass sie hereingelegt wurden. Noch schnell ein Lied über die Gnade des Vergebens und darüber, dass »sie doch alle gleich sind« (Cosi fan tutte), und schon ist die Oper aus.

Unabhängig davon, was Sie von Mozarts chauvinistischem Humor halten, gibt es einige Stellen in Cosi fan tutte, die sehr lustig sind oder sein können. Die meisten lustigen Stücke in dieser Oper sind Ensemblestücke mit witzigen Dialogen zwischen den Eingeweihten (also Despina, Alfonso und die beiden jungen Männer) und den Schwestern. Komisch sind auch Dorabellas zwei Duette, in denen sie zunächst ihrer Schwester erzählt, welchen Mann sie bevorzugt, und dann im zweiten Duett Guglielmo ihre Liebe erklärt.

Von den Solostücken, die Dorabella singt, fand ich die beiden Duette besonders leicht zu spielen. Hier war der Humor sehr eindeutig – es ging ums Flirten und Kokettieren. Die Arie war jedoch einfach lächerlich. Eine hysterische junge Frau gerät über die Abreise ihres Freundes in Rage. Ja, natürlich wird sie ihn vermissen, aber dass sie sich den Tod wünscht, macht die Sache nun auch nicht besser! So dachte ich, bis wir eines Tages, kurz nach der Eröffnungsvorstellung, im Rahmen eines Schulprojekts eine Produktion für die Schüler mehrerer Highschools machten. Etwa neunhundert Schüler aus der Gegend waren zu der Vorstellung eingeladen. Und da sie während der Schulstunden stattfand, waren alle Plätze belegt.

Kernelement 2

Wenn Sie überlegen, welche Art von Humor Sie in Ihrem Vortrag verwenden, entscheiden Sie sich immer für etwas, was Ihrem persönlichen Geschmack entspricht. Müssen Sie mit Ihnen fremden komischen Elementen umgehen, bemühen Sie sich darum, die Situation hinter dem Witz zu verstehen.

 

Dorabellas Arie, gesungen von Liliana Nikiteanu in Zürich: http://www.youtube.com/watch?v=y- 9ikpFJdrg&playnext=1&list=PL3800169F9CBFBF7E &feature=results_main

Bei dieser Vorstellung saß ein Pärchen von etwa sechzehn Jahren in der ersten Reihe. Mein Blick fiel sofort auf dieses Pärchen, als ich die Bühne betrat. Sie hielten Händchen, und als sich das Drama auf der Bühne entwickelte und sich die jungen Offiziere von ihren Freundinnen verabschiedeten, rückte das Mädchen noch näher an ihren Freund. Ich dachte nur: Wirklich? Anscheinend empfand dieses Mädchen die vollkommen übertriebene Abschiedsszene als sehr bewegend. Ich sang meine Arie in vollkommener Hysterie, und das Mädchen im Publikum begann sogar zu weinen!

Und plötzlich verstand ich den Humor in dieser Arie. Mozart hatte das übertriebene Beispiel eines hysterischen verliebten Teenagers komponiert. Natürlich war mir das klar, aber für mich war dieser hysterische Teenager eine Karikatur, die es so in der Realität nicht gab. Also spielte ich die Rolle auch als Karikatur. Doch genau wie beim Kanarienvogel ist eine Karikatur nie ernsthaft, nie glaubhaft. Viele Redner, die Humor in ihren Vorträgen anwenden, begehen diesen Fehler. Anstatt eine ernste, realistische Situation zu beschreiben, verwenden sie eine Karikatur. Dadurch wird der Witz oder die Geschichte weniger glaubhaft, und das Publikum reagiert bestenfalls mit einem höflichen Lachen.

Sobald ich verstanden hatte, dass diese »Karikatur« gar keine Karikatur war, konnte ich in meiner Darbietung realistischer werden und die Arie ernsthaft vortragen. Und siehe da: Das Publikum erkannte nun den Charakter, den hysterischen Teenager, und fand die Situation tatsächlich noch lustiger.

Meine Probleme mit dem Vortrag der Arie von Dorabella hatten zwei Ursachen: Zum einen entsprach dieser Humor nicht meinem persönlichen Sinn für Komik, und zum anderen hatte ich den Humor bis zu meinem Erlebnis mit dem Pärchen im Publikum nicht wirklich ernst genommen.

Jeder von uns bevorzugt bestimmte Arten von Humor. Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit zu überlegen, was Sie besonders lustig finden oder zu welcher Form von Komik Sie einen »guten Draht« haben. Meiner Erfahrung nach können Redner insbesondere mit dem Humor, den sie selbst mögen, auf effektive und authentische Art vortragen. Redner sollten, wenn möglich, Humorarten wählen, bei denen sie auch über sich selbst lachen können. Dies macht den Redner menschlich und beliebt. Es gibt aber eine Art von Humor, die nicht in einen Vortrag gehört: blamierender Humor. Wenn ein Redner seine Zuhörer in irgendeiner Art angreift, wird er sich damit nur vom Publikum distanzieren.

Wenn Sie sich doch einmal in einer Situation wiederfinden, in der Sie eine Art von Humor vortragen müssen, die nicht Ihren persönlichen Vorlieben entspricht, analysieren Sie die Passage und versuchen Sie, Beispiele für diese Art von Humor im echten Leben zu finden. Sobald Sie das Gefühl haben, sich in diese realistische Situation hineinversetzen zu können, beginnen Sie, damit zu experimentieren.

Die »Little Buttercup« und andere »fette«, verrückte Mezzo-Rollen

Im englischen Sprachraum kennt jeder die Savoy-Tradition. Sie ist im deutschen Kulturraum kaum bekannt. Die Savoy-Tradition (der Name stammt vom Savoy-Theater in London, erbaut 1881 von Richard D’Oyly Carte für die Aufführung der Operetten von Gilbert und Sullivan) bezieht sich auf die traditionelle, beinahe schon stereotype Vortragsweise der Operetten von Gilbert und Sullivan, der sogenannten Savoy-Opern.

Die Savoy-Opern waren bekannt für ihre absurde Logik und die im Normalfall absolut vorhersagbare Story. Die Operetten waren oft politkritisch und in einigen Fällen geradezu provokativ. Sie hatten einen starken Einfluss auf die Entstehung des Musicals im 20. Jahrhundert und gelten heute als »Kultoperetten«. Meistens werden sie von Savoy-Ensembles aufgeführt und von Humoristen parodiert. Eine meiner liebsten Humoristinnen ist die bekannte Anna Russell. Ihre Interpretation einer Savoy-Oper in ihrer »(First) Farewell Performance« ist wirklich sehenswert.

In einer typischen Savoy-Oper gibt es auf der einen Seite die Reichen (normalerweise Lords, Offiziere usw. oder Charaktere, die aus irgendeinem Grund in diesen erlesenen Kreis aufgenommen wurden) und auf der anderen Seite die Mittellosen (Tunten, Eingeborene, Arme, gewöhnliche Bürger). Der Tenor spielt für gewöhnlich die Rolle eines Mittellosen, die Sopranistin ist die Tochter oder Schutzbefohlene eines hochrangigen Reichen. Wie Sie sich sicher schon denken, verlieben sich der Tenor und die Sopranistin ineinander, dürfen aber nicht heiraten, weil sie unterschiedlichen Gesellschaftsklassen angehören. Und dann gibt es da noch den Mezzosopran … Im Normalfall eine etwas übergewichtige, vollbusige, unattraktive Frau, die zwei Arien zu singen hat: eine, in der sie erklärt, wer sie ist, und eine, in der sie ihre »Beichte« ablegt. Die »Beichte« steht am Schluss der Operette, wenn die Situation für das verliebte Pärchen vollkommen aussichtslos erscheint. Es stellt sich dann heraus, dass die Mezzosopranistin zwei Babys nach der Geburt aus Versehen vertauscht hat und dass der Tenor zu Unrecht in Armut erzogen wurde, obwohl er eigentlich zur höheren Gesellschaft gehört. Als dies bekannt wird, darf er nun doch die Sopranistin heiraten.

Kernelement 3

Versetzen Sie sich in Ihr Publikum hinein. Nehmen Sie sich die Zeit, Einstellungen, Interessen, politische Ansichten, bevorzugte Sportmannschaften usw. Ihrer Zuhörer kennenzulernen, um zu verstehen, wie das Publikum tickt.

Captain-Buttercup-Dialog in HMS Pinafore: http://www.youtube.com/watch?v=d5i-gaUPtAc&feature=endscreen

Die vorhersagbare Geschichte und die Charaktere, die beinahe schon Karikaturen sind, wecken im Zuschauer bestimmte Erwartungen, wie die einzelnen Rollen zu spielen sind. Nehmen wir zum Beispiel die Rolle der »Little Buttercup« (Kleine Butterblume) in H.M.S. Pinafore, eine der sechs Rollen von Gilbert und Sullivan, die ich bisher die Ehre hatte, aufführen zu dürfen: Sie ist eine Frau mit wirklich großem Busen – ansonsten wäre der Name »kleine Butterblume« nicht sehr amüsant. Katisha trägt für gewöhnlich eine große japanische Kopfbedeckung, hat sehr lange Fingernägel und bewegt sich über die Bühne wie eine Katze. Die Rolle des »Modern Major General« enthält immer eine sogenannte Patter-Arie, in der er seine Lebensgeschichte in Lichtgeschwindigkeit herunterrasselt. Das Publikum kennt diese Aspekte der Operette, und die Aufführung – und folglich auch der Humor – wird danach bewertet, wie gut das jeweilige Ensemble den Erwartungen an die einzelnen Rollen entspricht. Diejenigen Operetten, die nicht den typischen Erwartungen an Savoy-Opern entsprachen, waren nicht annähernd so erfolgreich wie die stereotypen Werke.

Wir können für unsere gesprochene Sprache von den Savoy-Opern lernen, wie wichtig es ist, die Erwartungen des Publikums zu kennen und darauf einzugehen. Für einen Redner ist es entscheidend, das Publikum und dessen soziale Merkmale, Interessen, politische Ansichten, bevorzugte Sportmannschaften usw. zu kennen, um zu verstehen, wie das Publikum denkt und fühlt. Sobald Sie Ihre Zuhörer verstehen, können Sie deren Interessen – und damit auch deren Sinn für Humor – bedienen. Nicht nur das Publikum wird dankbar sein, auch die Organisatoren des Meetings werden es Ihnen danken.

Alte Frauen, Huren und Zicken

Als Mezzosopran kommt man hauptsächlich in den Genuss der sogenannten »Charakterrollen«, spielt also – nun ja, wie ich bereits in der Überschrift schrieb – alte Frauen, Huren, Schlampen, Hausmädchen und Männer (Hosenrollen), sprich: grundsätzlich alles, was nicht mit der romantischen Protagonistin zu tun hat. Natürlich gibt es einige Ausnahmen. Dorabella gehört beispielsweise zu keiner der oben aufgezählten Rollengruppen. Auch Charlotte in Werther und Lucretia in Die Schändung der Lucretia sind Beispiele für Nicht-Charakterrollen für Mezzosopranistinnen. Carmen – na ja, das können Sie selbst entscheiden …

Eine der wichtigsten Eigenschaften, die man braucht, um eine Charakterrolle gut zu spielen, ist der Wille, sich weit über die eigenen Grenzen hinauszubewegen. Die eigene Wohlfühlzone zu verlassen, wenn Sie so wollen, um die Persönlichkeit des Charakters zu erforschen. Denken Sie an das Böse, das Sie sicher schon in der einen oder anderen Märchenproduktion gesehen haben – es geht dabei nicht um ein bestimmtes Märchen, sondern um das verkörperte Böse in Schneewittchen, in Ursula oder in Die kleine Meerjungfrau usw. Das sind alles Rollen für Mezzosopran! Und denken Sie auch daran, wie übertrieben die Bewegungen und die Stimme eines solchen Charakters sind. Jeder, der eine solche Rolle spielt, muss sich selbst dazu antreiben, über Normen hinauszugehen und eigene Grenzen zu überschreiten, um sich in dem Charakter wiederzufinden.

Kernelement 4

Übertreiben Sie Ihre Gesten und den Tonfall, um zu sehen, wie weit Sie gehen können. Spielen Sie mit den »Rollen«, die Sie während des Vortrags einnehmen, und haben Sie Spaß dabei.

Diese Fähigkeit ist auch für Redner sehr wichtig, insbesondere für Redner, die sich einer oder mehrerer Arten von Humor in ihren Reden bedienen möchten. Haben Sie den Mut, etwas Neues auszuprobieren, wenn Sie eine Präsentation halten. Versuchen Sie sich an einer neuen Gestik und einem anderen Tonfall als normalerweise. Spielen Sie mit Ihrer Vortragsweise, um zu sehen, ob Sie Ihr Repertoire an Gesten erweitern können. Experimentieren Sie mit Ihrer Stimme, um deren unterschiedliche Färbungen und Charakteristika zu erforschen, und setzen Sie diese ein, wenn Sie einen Vortrag halten. Dabei ist es zwar wichtig, dass Sie »authentisch« bleiben, doch im Rahmen Ihrer persönlichen Authentizität sollten Sie sich immer wieder selbst herausfordern, um sich weiterzuentwickeln und Grenzen zu überschreiten.

Der schwangere Prinz

Orlovsky. Diese Rolle habe ich öfter gesungen als jede andere. Orlovsky ist der russische Prinz in Die Fledermaus von Johann Strauß. Er liebt Champagner und gibt gerne Partys, zu denen er Hunderte von Leuten einlädt – doch er selbst ist immer gelangweilt. Seine Arie »Ich lade mir gerne Gäste ein« könnte man interpretieren als absolute Langeweile, in der die vereinzelten hohen Töne klingen wie ein Gähnen oder wie der Schluckauf eines betrunkenen Gastgebers, der seine Gäste dazu animieren möchte, noch mehr zu trinken. Ich habe Orlovsky als Frauenheld gespielt, ich habe ihn als Homosexuellen gespielt. Ich habe ihn aggressiv gespielt und ich habe ihn eher passiv gespielt. Und ich habe Orlovsky schwanger gespielt – mit eingebautem Bierbauch. Als ich im achten Monat mit meinem Sohn schwanger war, wurde ich gefragt, ob ich die Rolle des Orlovsky in einer halbszenischen Konzertversion von Die Fledermaus in Tel Aviv spielen wollte. Er ist eine Rolle – eine Charakterrolle –, mit der man viele Grenzen austesten kann.

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