Ersehnt

Текст
Из серии: Der Weg Der Vampire #10
0
Отзывы
Читать фрагмент
Отметить прочитанной
Как читать книгу после покупки
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

KAPITEL DREI

Scarlet stand dort, am Ende ihrer Zufahrt, starrend. Sie konnte es kaum glauben. Dor, auf der anderen Straßenseite, nur ein paar Meter entfernt, sie anschauend mit seinen intensiven, grauen Augen, stand der neue Junge. Sage.

Was tat er hier, direkt vor ihrem Haus? Wie lange stand er schon dort? Hatte er ihr Haus beobachtet? War er auf dem Weg zu ihrer Zufahrt? Oder ging er nur vorbei?

Aber auf dem Weg wohin? Sie lebte in einer ruhigen Vorstadtstraße und hier lief kaum jemand herum. Dann wieder war sie allerdings nur zwei Blocks von der Stadt entfernt und es war denkbar, dass er irgendwo dort hinlief. Aber das war unwahrscheinlich.

Bei dem Gedanken, dass er dort stand, ihr Haus beobachtete oder dort vorbeilief, ließ sie fast ausflippen. Auf der einen Seite konnte sie nicht abstreiten, dass sie aufgeregt war, ihn zu sehen. Aufgeregt war nicht das richtige Wort. Es war mehr wie… gebannt. Sie konnte ihre Augen nicht von ihm abwenden. Seine glatte Haut, sein starker Kiefer, seine Stolzen Wangenknochen und Nase, seine grauen Augen, lange Wimpern – sie hatte noch nie jemanden getroffen, der so hübsch war wie er. So edel, so stolz. Er schien hier so fehl am Platze, als würde er aus dem Sechzehnten Jahrhundert kommen.

Sie konnte auch nichts daran ändern, dass sie Schmetterling im Bauch hatte, wenn sie ihn ansah. Und das war ein Gefühl, dass sie nicht haben wollte. Maria, ihre beste Freundin, hatte klar gemacht, dass sie von ihm besessen war. Wie falsch wäre es von Scarlet, ihn ihr wegzunehmen. Maria würde ihr nie vergeben. Und sie würde sich selbst nie vergeben. Abgesehen davon, dass sie ja auch Blake hatte. Hatte sie?

Sie dachte wieder an Vivians Post, dass Blake sie abgeschossen hatte. Hatte Blake ihr das wirklich gesagt? Oder hatte Vivian das erfunden? Egal wie, sie war sich ziemlich sicher, dass Blake aus ihrem Leben verschwunden war.

“Ähm…hi”, sagte sie, da sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte. Sie hatten sich schließlich einander noch nicht vorgestellt.

“Ich wollte Dich nicht erschrecken”, sagte er zurück.

Sie liebte seine Stimme. Sie war so sanft, so leicht, aber gleichzeitig stark. Er hatte leise gesprochen und doch war da etwas Autoritäres in seiner Stimme. Sie könnte dieser Stimme für immer zuhören.

“Ich bin Sage”, sagte er und streckte eine Hand aus.

“Ich weiß”, sagte sie, als sie seine Hand nahm.

Die Berührung seiner Haut war elektrisierend. Ihr Nerven kitzelten, als er ihre frierende Hand in seiner warmen hielt.

“Kleine Stadt”, fügte sie hinzu, als Erklärung, aber dann war es ihr peinlich. Das war dumm von ihr gewesen, sie hätte nicht sagen sollen, dass sie seinen Namen kannte. Dadurch sah sie verzweifelt aus.

Aber warte, dachte sie. Warum dachte sie überhaupt in die Richtung? Nach allem, war er Marias Mann. Oder nicht?

“Deine Hand ist so kalt”, sagte er, als er auf ihren Handrücken sah.

Scarlet zog sie unsicher zurück.

“Tut mir leid,” sagte sie achselzuckend.

“Du hast mir Deinen Namen nicht genannt”, sagte er.

“Oh, tut mir leid, ich dachte, Du würdest ihn kennen”, sagte sie, dann fügte sie hinzu, “nicht das ich berühmt oder beliebt wäre, oder so. Es ist nur…nun, kleine Stadt halt, weißt Du?”

Sie stolperte über ihre eigenen Worte und machte die Dinge mit jedem Satz schlimmer. Das tat sie immer, wenn sie vor Jungs nervös wurde.

“Wie auch immer, mein Name ist Scarlet. Scarlet Paine.”

Er lächelte.

“Scarlet”, wiederholte er.

Sie liebte den Klang ihres Namens in seiner Stimme.

“Die Farbe von vielen Dingen. Wein, oder Blut, oder Rosen. Natürlich bevorzuge ich letzteres”, fügte er lächelnd hinzu.

Scarlet lächelte zurück. Wer sprach denn so? fragte sie sich. Es war, als würde er aus einer anderen Zeit stammen, einem anderen Ort. Sie würde sterben, um mehr von ihm zu erfahren.

“Was tust Du hier?” fragte sie, dann fand sie, dass es zu hart klang. “Ich wollte nicht unfreundlich sein oder so. Ich meine nur, was machst Du vor meinem Haus?”

Er sah einen Moment nervös aus.

“Ja”, sagte er. “Seltsames Timing, oder nicht? Ich war gerade in der Stadt und dachte, ich seh mich mal ein bisschen um. Ich bin neu hier und dachte, ich würde sehen, wo diese Straße hinführt. Ich hatte keine Ahnung, dass sie mich zu Dir führen würde.”

Scarlet fühlte sich besser. Zumindest stalkte er nicht ihr Haus oder so.

“Nun, da gibt es nicht viel zu sehen. Diese Stadt geht ja nur ein paar Blocks in jede Richtung. Noch ein paar Blocks in die Richtung und das war´s dann.”

Er grinste. “Ja. Ich war gerade dabei, das selbst herauszufinden.”

Plötzlich rannte Ruth zu ihm, sprang an ihm hoch und leckte seine Hand.

“Nicht springen”, tadelte Scarlet sie.

“Es ist ok”, sagte er.

Er kniete sich hin und streichelte Ruth sanft, streichelte ihr Fell mit seinem Handrücken, kraulte sie hinter den Ohren. Ruth lehnte sich an ihn und leckte seine Wange. Sie begann zu winseln und Scarlet konnte sehen, dass sie ihn wirklich mochte. Sie war schockiert. Ruth war immer so beschützend ihr gegenüber und sie hatte noch nie gesehen, dass sie zu einem Fremden so war.

“Was für ein schönes Tier. Bist Du doch, Ruth?”, sagte er.

Ruth lehnte sich fester an ihn und leckte ihn erneut und er küsste sie auf die Nase.

Scarlet war fassungslos.

“Woher weißt Du, dass ihr Name Ruth ist?”

Er stand plötzlich auf, überrumpelt.

“Ähm…Ich habe es gelesen. Auf ihrem Halsband.”

“Aber der Aufdruck ist schwach”, sagte sie. “Ich meine, ich kann es kaum lesen.”

Er zuckte mit den Achseln, lächelte.

“Man sagt mir nach, ich könne gut sehen”, sagte er.

Aber Scarlet war nicht überzeugt. Der Aufdruck war so verblichen, dass fast nichts mehr übrig war und sie konnte sich kaum vorstellen, wie er das gelesen haben wollte. Es machte sie verrückt. Woher kannte er ihren Namen?

Aber zur gleichen Zeit fühlte sie sich sehr wohl in seiner Gegenwart. Und auf Grund der Situation, in der sie war, freute sie sich über Gesellschaft. Sie wollte nicht, dass er ging. Aber zur selben Zeit dachte sie an Maria und wie sauer sie sein würde, wenn sie vorbeiführe und sehen würde, dass sie hier mit ihm stand. Sie wäre so eifersüchtig. Sie würde sie vermutlich ihr Leben lang hassen.

“Du bist so ziemlich das Geheimnisvollste hier”, sagte Scarlet. “Der neue Schüler. Keiner weiß wirklich etwas über Dich. Aber eine Menge Leute sterben vor Neugier.”

“Tun sie das?” zuckte er mit den Achseln.

Scarlet wartete, aber er gab nicht mehr von sich preis.

“So…wie…was Deine Geschichte ist?” sagte sie.

“Ich denke, jeder hat eine, oder?” fragte er.

Er drehte sich um und sah zum Horizont, als wenn er überlegen müsste, was er ihr erzählen könnte.

“Ich glaube, meine ist langweilig”, sagte er. “Meine Familie…ist vor kurzem hier hingezogen. Also bin ich hier und beende hier mein letztes Jahr.”

“Ich habe gehört, Du hast…eine Schwester?”

Ein Lächeln deutete sich in seinen Mundwinkeln an.

“Hier wird viel geredet, nicht wahr?” fragte er mit einem Grinsen.

Scarlet errötete. “Sorry”, sagte sie.

“Ja, ich habe eine”, antwortete er, aber gab nicht mehr preis.

“Sorry, ich wollte Dich nicht ausquetschen”, sagte sie.

Er sah sie an und als sie hochsah, verband sich ihr Blick mit seinem – und für einen Moment fühlte sie sich, als würde die Welt um sie herum schmelzen. Zum ersten Mal an diesem Tag schoben sich all ihre Probleme in den Hintergrund. Sie fühlte sich, als würde sie fliegen.

Sie wollte aufhören, ihn anzuschauen, ihre Gefühle unterdrücken, ihre Gedanken an Maria beschwören und sich selbst zwingen, ihn aus ihren Gedanken zu verbannen. Aber sie konnte nicht. Sie war eingefroren.

“Ich fühle mich geschmeichelt, dass Du das getan hast”, sagte er.

Er schaute sie weiterhin an, dann, nach einem Moment, fügte er hinzu, “Würdest Du gerne mit mir spazieren gehen?”

Ihr Herz begann, heftiger zu schlagen. Sie wollte mit ihm mitgehen. Sie wollte das mehr als alles andere auf der Welt. Aber ein Teil von ihr hatte Angst. Sie war immer noch erschüttert von ihrer Zeit mit Blake. Sie traute sich nicht selbst, ihren eigenen Gefühlen, ihrem Körper, ihren Reaktionen. Und sie hatte Angst, ihre beste Freundin zu betrügen – obwohl in Wahrheit, Maria natürlich keinen Anspruch auf Sage hatte. Aber vor allem traute sie sich nicht selbst. Was auch immer zwischen ihr und Blake vorgefallen war, der Impuls zu fressen könnte noch da sein. So sehr sie auch mehr wollte, hatte sie doch das Gefühl, sie müsse ihn beschützen.

“Es tut mir leid” sagte sie. “Ich kann nicht.”

Sie sah die Enttäuschung in seinen Augen, als er nickte. “Ich verstehe.”

Scarlet hörte plötzlich das Geräusch von zuschlagenden Türen in ihrem Haus, zusammen mit gedämpften Stimmen, die immer lauter wurden. Es waren ihre Eltern, streitend. Sie konnte sie sogar von hier aus hören. Eine weitere Tür schlug zu und sie drehte sich um und sah das Haus mit Sorge an.

“Es tut mir leid, aber ich muss jetzt wieder reingehen—”, sagte sie, als sie sich wieder zu ihm rumdrehte, um sich zu verabschieden.

Aber als sie sich wieder rumdrehte, war sie völlig verwirrt. Da war kein Zeichen mehr von Sage. Nirgendwo.

Sie schaute in beide Richtungen, drehte sich rum und schaute den Block hinunter, aber da war nichts. Es war unergründlich. Es war, als hätte er sich in Luft aufgelöst.

Sie fragte sich, wie er so schnell weggerannt sein konnte. Es war unmöglich.

Sie fragte sich, wo er hin war und ob sie noch Zeit hatte, ihn einzuholen. Denn jetzt fühlte sie einen überwältigenden Drang mit ihm zusammen zu sein, mit ihm zu sprechen. Sie bemerkte, blitzartig, dass sie den dümmsten Fehler ihres Lebens begangen hatte, als sie nein gesagt hatte. Jetzt, da er fort war, schmerzte jedes Körperteil in dem Verlangen nach ihm. Sie war so ein Idiot. Sie hasste sich selbst.

 

Hatte sie ihre Chance für immer vergeben?

KAPITEL VIER

Immer noch erschüttert von ihrer Begegnung mit Sage ging Scarlet gedankenverloren in ihr Haus.

Sie wurde unsanft herausgerissen, indem sie direkt in ihre streitenden Eltern lief. Sie konnte es nicht glauben. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass die beiden sich je zuvor gestritten hatten und jetzt war das alles, was sie taten; sie spürte einen Stich der Schuld und die Frage, ob das an ihr lag. Sie konnte nicht das Gefühl abschütteln, dass etwas Schlimmes in ihrer aller Leben begonnen hatte, etwas, das nie wieder weggehen würde und was offenbar Tag für Tag mehr eskalierte. Und sie konnte nicht umhin zu denken, dass es ihre Schuld war.

“Du gehst viel zu weit”, schrie Caleb Caitlin hinter der verschlossenen Tür an. “Ernsthaft. Was ist nur in Dich gefahren?”

“Was ist in Dich gefahren?” schoss Caitlin zurück. “Du warst immer auf meiner Seite, hast mich immer unterstütz. Nun ist es, als würdest Du mich ablehnen.”

“Ablehnen?” schoss er zurück.

Scarlet konnte es nicht länger ertragen. Als wenn ihr Tag nicht schon schlimm genug gewesen wäre – sich das anzuhören, brachte sie an den Rand der Verzweiflung. Sie wollte nur, dass sie aufhörten zu streiten. Sie wollte, dass sie wieder normal würden.

Sie ging ein paar Schritte und stieß die Tür zum Esszimmer auf, in der Hoffnung, dass ihr Erscheinen dazu führen würde, dass die beiden aufhörten.

Die beiden stoppten mitten im Streit, als sie herumfuhren und sie anstarrten, wie zwei Rehe im Scheinwerferlicht.

„Wo warst Du?”, herrschte ihr Vater sie an. .

Scarlet war verblüfft: ihr Vater hatte sie nie zuvor angeschrien und noch nie diesen Tonfall verwendet. Sein Gesicht war noch rot vom Streit und sie erkannte ihn kaum.

“Was meinst Du?”, sagte sie verteidigend. “Ich war draußen mit Ruth.”

“Eine Stunde lang?”

“Wovon sprichst Du?”, sagte sie verwundert. “Ich war nur ein paar Minuten draußen.”

“Nein, warst Du nicht. Ich war oben und habe Dein Zimmer überprüft, dann habe ich Dich rausgehen sehen und das war vor einer Stunde. Wo bist Du hingegangen?”, beharrte er und ging um den Tisch herum auf sie zu. “Lüg mich nicht an.”

Scarlet fühlte sich, als er hätte er komplett den Verstand verloren. Nicht nur, dass ihre Mutter verrückt wurde, jetzt war ihr Vater auch noch verrückt. Sie fühlte sich, als würde ihre Welt zusammen stürzen.

“Ich weiß nicht, wovon Du redest”, zickte sie zurück und dabei stieg ihre eigene Stimme auch an. Aber langsam fragte sie sich, ob sie vielleicht ihr Zeitgefühl verloren hatte. Ob irgendwas mit ihr passiert war. Ob sie schon wieder irgendwohin gegangen war und sich nicht daran erinnerte. Der Gedanke daran führte dazu, dass ihr Herz schneller schlug, als sie begann, langsam Angst zu bekommen. “Ich lüge nicht. Und ich schätze es nicht, dass du mich dessen beschuldigst.”

“Hast Du eine Idee, wie krank vor Sorge wir um Dich waren? Ich wollte gerade schon wieder die Polizei rufen.”

“Es tut mir leid!” schrie sie zurück. “Ich habe nichts getan!”

Sie zitterte innerlich vor dem Ausmaß seiner Wut und konnte nicht einen Moment länger dort stehen bleiben. Sie drehte sich um und stürmte aus dem Raum, und brach dabei in Tränen aus. Sie rannte die Stufen hoch.

Sie hatte genug von ihren Eltern. Es war zu viel. Jetzt verstand sie nicht einmal mehr ihr Vater. Und er war immer, ihr ganzes Leben lang, auf ihrer Seite gewesen, egal, worum es ging.

“Scarlet, komm wieder her!” schrie er.

“NEIN!” schrie sie durch ihre Tränen zurück.

Sie konnte die Schritte ihres Vaters hören, der hinter ihr die Treppe hochkam und sie rannte schneller. Sie rannte den Flur entlang, zu ihrem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.

Einen Moment später klopfte er gegen die Tür.

“Scarlet. Öffne die Tür. Es tut mir leid. Ich möchte mit Dir reden. Bitte. Es tut mir leid.”

Aber Scarlet machte das Licht aus und sprang ins Bett, wo sie sich zusammenrollte. Dort lag sie und weinte und weinte.

“Geh weg!” schrie sie.

Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, hörte sie, wie seine Schritte verschwanden.

Es war zu früh zum Schlafen und Scarlet fühlte sich zu taub, um etwas anderes zu tun. Nach einer langen Zeit griff sie herüber und nahm ihr Handy. Ihre Benachrichtigungen waren verrückt geworden – ihre Facebook Seite quoll über vor neuen Posts und Nachrichten. Dadurch fühlte sie sich noch schlechter und sie schloss es.

Eine lange Zeit lag sie nur so da, sah aus dem Fenster in die Bäume, auf die verschiedenen Farben, die im letzten Licht des Tages schimmerten. Sie beobachtete mehrere Blätter, die von den Bäumen fielen und sah zu, wie sie wirbelnd zur Erde flogen.

Sie fühlte sich überwältigt von Traurigkeit. Blake wollte nicht mit ihr zusammen sein, Vivian hatte die ganze Schule gegen sie aufgebracht, ihre eigenen Freunde verstanden sie nicht, ihre Eltern vertrauten ihr nicht und sie wusste nicht, was mit ihrem Körper geschah. Und vor allem hatte sie es versaut, mit Sage zu sprechen. Alles lief so schief. Und sie konnte nicht darum herum, an den Augenblick zwischen ihr und Blake zu denken, unten am Fluss. Sie konnte nicht aufhöre, darüber nachzudenken, was mit ihr geschehen war. Wer war sie wirklich?

Sie griff herüber und nahm ihr Tagebuch und ihren Stift, lehnte sich herüber und begann zu schreiben.

Ich verstehe mein Leben nicht mehr. Es ist surreal. Ich habe den tollsten Jungen aller Zeiten getroffen. Sage. Ich wollte es nicht zugeben, da Maria ihn mag, aber ich kann nicht mehr aufhören, an ihn zu denken. Ich habe das Gefühl, ihn irgendwoher zu kennen. Wir haben kaum miteinander gesprochen, aber ich fühle schon eine Verbindung zu ihm. Viel mehr als zu Blake.

Aber er war so schnell verschwunden und ich habe ihm dummerweise einen Korb gegeben. Ich wünschte, ich hätte das nicht getan. Es gibt noch so viele Fragen, die ich ihm unbedingt stellen muss. Zum Beispiel, wer er ist. Was er hier macht. Und warum er vor meinem Haus war. Er sagte, er ist nur vorbeigelaufen, aber irgendwie glaube ich ihm nicht. Ich glaube, er hat nach mir gesucht.

Ich erkenne meine Eltern kaum wieder. Jeden Tag verändert sich so viel. Ich weiß auch nicht mehr, wer ich bin. Es ist als wäre die ganze Welt, die ich mal kannte, die sicher und vertraut war, verschwunden. Und ich glaube morgen wird sich wieder alles ändern.

Ich fürchte mich vor Morgen. Wird mich jeder hassen? Wird Blake mich ignorieren? Werde ich Sage sehen?

Ich kann mir noch nicht mal vorstellen, was der nächste Tag bringen wird.

*

Scarlet öffnete ihre Augen, aufgeweckt durch die Türklingel. Sie sah hinaus und war geschockt, als ihr auffiel, dass bereits später Morgen war, die Sonne flutete in ihr Zimmer. Sie bemerkte, dass sie in ihren Sachen eingeschlafen war, auf der Decke. Sie griff nach ihrer Uhr und sah drauf: 8:30. Ihr Herz flatterte in Panik. Sie kam zu spät zur Schule.

Die Türglocke klingelte erneut und Scarlet sprang auf ihre Füße. Nach der Zeit zu urteilen, waren ihre Eltern schon zur Arbeit gegangen, also musste sie an die Tür gehen. Wer klingelte denn so früh am Morgen?

Sie war versucht, es zu ignorieren, sich einfach zu beeilen und für die Schule fertig zu machen, aber es klingelte schon wieder.

Ruth bellte und bellte und schließlich ließ Scarlet sie raus und folgte ihr die Stufen herunter, durch das Wohnzimmer und Richtung Tür.

Ruth stand davor und bellte wie verrückt.

“Ruth!”

Schließlich gab Ruth auf, als Scarlet zur Tür ging. Sie öffnete sie langsam.

Ihr Herz setzte aus.

Dort stehend, sie anstarrend, war Sage. Er hielt eine lange schwarze Rose in beiden Händen.

“Es tut mir leid, hier so reinzuschneien”, sagte er. “Aber ich wusste, Du wärst zu Hause.”

“Woher?” fragte sie total verwirrt.

Er starrte sie nur weiter an.

“Darf ich reinkommen?” fragte er.

“Ähm…” begann Scarlet.

Ein Teil von ihr wollte ihn unbedingt einladen, aber ein anderer Teil war vorsichtig. Was tat er hier? Warum brachte er eine schwarze Rose mit?

Aber dann konnte sie ihn nicht schon wieder fortschicken.

“Sicher”, sagte sie. “Komm rein.”

Sage lächelte breit, als er mit einem einzigen, großen Schritt über die Schwelle trat.

Als er das tat, sank er zu ihrem Erstaunen im Boden ein. Er sank und sank, wie auf Treibsand und hielt ihr eine Hand hin und schrie.

“Scarlet!”, kreischte er. “Hilf mir!”

Scarlet nahm seine Hand und versuchte ihn, hinaus zu ziehen. Aber plötzlich wurde sie auch in das Loch gezogen und tauchte mit dem Gesicht nach unten ein. Sie schrie sich die Lunge aus dem Leib, als sie mit höchster Geschwindigkeit Richtung Erdmittelpunkt gezogen wurde.

Scarlet wachte schreien auf. Sie sah sich in ihrem Raum um, ihr Herz klopfte heftig. Die ersten Strahlen des Tages kamen durch ihr Fenster. Sie sah auf ihre Uhr. 6:15.

Sie war in ihren Klamotten eingeschlafen. Sie atmete erleichtert durch, als ihr klar wurde, dass das alles ein Traum gewesen war.

Ihr Herz schlug heftig. Es hatte sich so real angefühlt.

Sie stand auf, ging in ihr Badezimmer und spritzte sich mehrere Male Wasser ins Gesicht, in dem Versuch, wach zu werden. Als sie in den Spiegel schaute, wurden ihre Ängste noch stärker: Ihr Spiegelbild. Es war anders. Sie war dort, aber ihr Spiegelbild war durchscheinend, als wäre sie ein Geist. Als wenn sie sich auflösen würde. Zuerst dachte sie, dass es am Licht läge. Aber sie drehte das Licht auf und es war immer noch dasselbe.

Sie war so panisch, sie wollte heulen. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie brauchte etwas, das sie erdete. Jemanden, mit dem sie sprechen konnte. Jemand, der ihr sagen würde, dass es ok wäre. Dass sie nicht verrückt wurde. Dass sie sich nicht veränderte. Dass sie dieselbe, alte Scarlet war.

Aus irgendeinem Grund dachte Scarlet an das Angebot ihrer Mutter, mit dem Priester. Jetzt fühlte sie sich, als könne sie ihn wirklich brauchen. Vielleicht konnte er ihr helfen, sich besser zu fühlen.

Sie ging in den Flur und sah ihre Mutter, die ebenfalls durch den Flur schritt und sich für die Arbeit fertig machte.

“Mama?” fragte sie.

Caitlin stoppte und drehte sich überrascht zu ihr um.

“Oh Liebling, ich wusste nicht, dass Du schon so früh wach bist”, sagte sie. “Bist Du in Ordnung?”

Scarlet nickte nur, weil sie Angst hatte, sonst zu weinen, ging zu ihr rüber und umarmte sie lange.

Ihre Mutter erwiderte die Umarmung, hielt sie fest und wiegte sie in ihren Armen, und es fühlte sich so gut an, bei ihr im Arm zu liegen.

“Ich vermisse Dich, Schatz”, sagte ihre Mutter. “Und ich liebe Dich so sehr.”

“Ich liebe Dich auch”, sagte Scarlet an ihrer Schulter und die Tränen stiegen ihr auf.

“Was ist los?” fragte ihre Mutter, als sie sich von befreite.

Scarlet wischte eine Träne aus dem Augenwinkel.

“Erinnerst Du Dich noch an Dein Angebot? Den Priester zu treffen?”

Sie nickte.

“Ich würde gerne hingehen. Können wir zusammen dahin? Heute nach der Schule?”

Ihre Mutter lächelte breit und schien erleichtert.

“Natürlich können wir das, mein Schatz.”

Sie umarmte Scarlet noch einmal lange. “Ich liebe Dich. Vergiss das niemals.”

“Ich liebe Dich auch, Mama.”

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»