Die Herrschaft Der Königinnen

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Из серии: Ring der Zauberei #13
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KAPITEL EIGHT

Darius ging langsam mit Loti an seiner Seite den Pfad entlang. Angespanntes Schweigen lag über ihnen. Seit der Begegnung mit dem Zuchtmeister und seinen Männern hatte keiner von ihnen ein Wort gesagt. In Darius Kopf schwirrten zahllose Gedanken umher während er neben ihr her ging, und sie zurück ins Dorf begleitete. Er wollte den Arm um sie legen, ihr sagen, wie dankbar er war, dass sie am Leben war, dass sie ihn gerettet hatte und er sie, wie fest entschlossen er war, ihr nie wieder von der Seite zu weichen. Er wollte Freude und Erleichterung in ihren Augen sehen, wollte sie sagen hören, wie viel es ihr bedeutete, dass er sein Leben für sie riskiert hatte – oder zumindest, dass sie froh war, ihn zu sehen.

Doch Loti sagte nichts. Sie sah ihn nicht einmal an.

Sie hatte nicht mit ihm geredet, seit er die Lawine ausgelöst hatte, hatte ihm nicht einmal in die Augen gesehen.

Darius Herz pochte, er fragte sich, was sie dachte. Sie hatte mitangesehen, wie er seine Kräfte angerufen hatte, war Zeugin der Lawine geworden. Da hatte sie ihn nur schockiert angesehen, und seither jeden Blickkontakt vermieden.

Vielleicht, dachte Darius, hatte er in ihren Augen das heilige Tabu gebrochen, das eine Tabu, das sein Volk mehr als alles andere beachtete. Vielleicht hatte sie Angst vor ihm; oder schlimmer noch – vielleicht liebte sie ihn nicht mehr. Vielleicht sah sie ihn als eine Art von Monster.

Darius brach es das Herz als sie langsam wieder zum Dorf zurück wanderte, und er fragte sich wozu das alles gut gewesen war. Er hatte gerade sein Leben riskiert, um ein Mädchen zu retten, das ihn nicht mehr liebte. Er hätte alles darum gegeben, ihre Gedanken lesen zu können, alles. Doch sie sah ihn ja nicht einmal an. Stand sie unter Schock?

Darius wollte etwas zu ihr sagen, irgendetwas, um das Schweigen zu brechen. Doch er wusste nicht, wie und wo er anfangen sollte. Er hatte geglaubt, sie zu kennen, doch jetzt war er sich nicht mehr so sicher. Er war irritiert und verärgert, zu stolz zu sprechen, angesichts ihrer Reaktion, doch in gewisser Weise schämte er sich auch. Er wusste, was seine Leute von Magie hielten. War der Gebrauch von Magie denn so schlimm? Auch wenn er damit ihr Leben gerettet hatte? Würde sie es den anderen erzählen? Wenn die Dorfbewohner es herausfänden, würden sie ihn sicher ins Exil schicken.

Sie liefen immer weiter, und schließlich konnte Darius es nicht mehr länger ertragen. Er musste etwas sagen.

„Ich bin mir sicher, dass deine Familie froh sein wird, dich sicher zurückzuhaben“, sagte Darius.

Doch zu seiner Enttäuschung sah Loti ihn nicht einmal an, und ging mit ausdrucksloser Miene weiter. Endlich, nach einer ganzen Weile, schüttelte sie den Kopf.

„Vielleicht“, sagte sie. „Doch ich fürchte, dass sie sich mehr Sorgen machen werden als alles andere. Unser ganzes Dorf wird sich Sorgen machen.“

„Was meinst du?“ fragte Darius.

„Du hast einen Zuchtmeister, einen Offizier getötet. Wir haben ihn getötet. Das ganze Empire wird nach uns suchen. Sie werden unser Dorf zerstören, unsere Leute töten. Wir haben etwas Schreckliches, unglaublich Egoistisches getan.“

„Etwas Schreckliches? Ich habe dir das Leben gerettet!“, sagte Darius empört.

Sie zuckte mit den Schultern.

„Mein Leben ist nicht das Leben aller Leute in unserem Dorf wert.“

Darius kochte innerlich und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er begann zu erkennen, dass Loti kompliziert war, schwer zu verstehen. Sie war zu sehr mit den sturen Gedanken ihrer Eltern und ihrer Leute indoktriniert.

„Dann hasst du mich also dafür, dass ich dich gerettet habe.“

Sie sah ihn nicht an und ging weiter.

„Ich habe dich auch gerettet“, gab sie stolz zurück. „Hast du das vergessen?“

Darius wurde rot, er konnte sie nicht verstehen, sie war einfach zu stolz.

„Ich hasse dich nicht“, fügte sie schließlich hinzu. „Doch ich habe gesehen, was du getan hast. Ich habe es gesehen, Darius.“

Darius zitterte innerlich, verletzt von ihren Worten. Bei ihm kamen sie wie eine Anklage an. Es war nicht fair, besonders nicht, nachdem er ihr gerade das Leben gerettet hatte.

„Und ist das so schlimm?“, fragte er.

Loti antwortete nicht.

„Ich bin wer ich bin“, sagte Darius. „Ich bin so zur Welt gekommen. Ich habe nicht darum gebeten. Ich kann es ja nicht einmal selbst ganz verstehen! Ich wollte meine Kräfte nicht nutzen. Es ist so als ob… sie mich benutzt haben.“

Loti senkte den Blick und schwieg. Sie sah ihn nicht an, und Darius bedauerte beinahe, was er getan hatte. Hatte er einen Fehler gemacht, als er sie gerettet hatte? Sollte er sich über das, was er war schämen?

„Wärst du lieber tot, als dass ich meine… Kräfte angewendet hätte?“, wollte Darius wissen.

Wieder schwieg Loti und Darius Bedauern wuchs.

„Du darfst mit niemandem darüber sprechen“, sagte sie. „Wir dürfen niemals irgendjemandem erzählen, was heute geschehen ist. Wir wären beide Ausgestoßene.“

Nach der letzten Kurve um einen Hügel kam ihr Dorf ins Blickfeld. Sie gingen auf der Hauptstraße auf das Dorf zu, und als die Dorfbewohner sie sahen, wurden sie von lautem Jubel empfangen.

Binnen weniger Augenblicke kamen hunderte von Dorfbewohnern, um sie zu begrüßen. Lotis Mutter kämpfte sich durch die Menge, begleitet von ihrem Vater und ihren Brüdern, Männer mit breiten Schultern, kurzen Haaren und stolzem Kiefer. Sie alle musterten Darius. Neben ihnen stand Lotis dritter Bruder, der kleiner war als die anderen, und dessen linkes Bein gelähmt war.

„Mein Kind!“, rief Lotis Mutter, eilte zu ihr, und umarmte sie. Darius hielt sich unsicher im Hintergrund.

„Was ist passiert?“, wollte ihre Mutter wissen. „Ich dachte, dass die Männer des Empire dich mitgenommen haben. Wie bist du frei gekommen?“

Die Dorfbewohner schwiegen, und alle Augen wanderten zu Darius. Er stand unsicher da, und wusste nicht, was er sagen sollte. Er hätte sich gewünscht, dass dies ein Moment großer Freude und Jubels über seine Tat sein sollte, ein Augenblick, auf den er stolz sein sollte, dass sie ihn als Helden willkommen hießen. Schließlich hatte er als einziger von allen den Mut gehabt, Loti zu folgen.

Stattdessen war er verwirrt, vielleicht sogar beschämt. Loti warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu, als ob sie ihn warnen wollte, ihr Geheimnis nicht zu verraten.

„Es ist nichts passiert, Mutter“, sagte Loti. „Der Zuchtmeister hat seine Meinung geändert und mich gehen lassen.“

„Dich gehen lassen?“, echote sie irritiert.

Loti nickte.

„Sie haben mich weit von ihr gehen lassen. Ich habe mich im Wald verlaufen, und Darius hat mich gefunden. Er hat mich zurückgebracht.“

Die Dorfbewohner sahen skeptisch zwischen Loti und Darius hin und her. Darius spürte, dass sie ihnen nicht glaubten.

„Und was ist mit deinem Gesicht passiert?“, fragte ihr Vater, strich mit der Hand über ihre Wange und drehte ihren Kopf zur Seite, um sie zu untersuchen.

Darius sah sie an und sah den großen blauen Bluterguss.

Loti sah ihren Vater unsicher an.

„Ich… bin gestolpert“, sagte sie. „Über eine Wurzel. Wie ich schon gesagt habe, es geht mir gut“, beharrte sie trotzig.

Alle Augen wandten sich Darius zu, und Bokbu, der Häuptling des Dorfes, trat vor.

„Darius, ist das wahr?“, fragte er mit ernster Stimme. „Du hast sie friedlich zurückgebracht? Ihr hattet keine Auseinandersetzung mit ihnen?“

Darius stand mit pochendem Herzen da, hunderte von Augen starrten ihn an. Wenn er ihnen von ihrer Begegnung erzählte, zugab, was sie getan hatten, dann würden sie alle die Rache dafür fürchten. Und er konnte ihnen nicht erklären, wie er sie getötet hatte, ohne seine Magie zu verraten. Er wäre ein Ausgestoßener, und Loti auch – und außerdem wollte er keine Panik auslösen.

Doch Darius wollte auch nicht lügen. Er wusste nicht, was er tun sollte.

Darum nickte Darius lediglich wortlos. Sollten sie es interpretieren, wie sie es wollen. Erleichtert wandten sich die Leute wieder Loti zu. Schließlich nahm sie einer ihrer Brüder in die Arme.

„Sie ist in Sicherheit“, rief er und brach damit die Anspannung. „Das ist alles, was zählt!“

Jubel brach aus, und Loti wurde von ihrer Familie und den anderen umarmt. Darius stand da und sah zu, während er zum Dank ein halbherziges Schulterklopfen bekam. Er sah zu wie sie mit den anderen davonging, und hoffte, dass sie sich wenigstens einmal umdrehen würde um ihn anzusehen.

Doch sie verschwand in der Menge, ohne sich auch nur ein einziges Mal nach ihm umzusehen.

KAPITEL NEUN

Volusia stand stolz auf ihrem goldenen Schiff, das in der Sonne glänzte, als sie langsam die Wasserstraßen von Volusia hinunterglitt. Sie hatte die Arme ausgestreckt, und sog die Anbetung ihrer Untertanen in sich auf. Tausende von ihnen waren an den Rand der Wasserstraßen gekommen, um sie zu sehen, füllten die Straßen und Gassen, und riefen aus allen Richtungen ihren Namen.

Volusia hätte die Menschen beinahe berühren können, die voller Bewunderung ihren Namen riefen und bunte Blätter in die Luft warfen, die im Licht schimmerten, als sie auf sie herabregneten. Das war das größte Zeichen des Respekts, das ihr Volk ihr erweisen konnte. Es war ihre Art, einen heimkehrenden Helden zu feiern.

„Lang lebe Volusia! Lang lebe Volusia!“, schallte es vom Rand der Kanäle, die sie mitten durch das Herz ihrer prachtvollen Stadt trugen, deren Straßen und Gebäude reich mit Gold verziert waren.

Volusia lehnte sich zurück und sog alles in sich auf, erregt, Romulus besiegt zu haben, den Herrscher des Empire abgeschlachtet zu haben, und seine Krieger mit ihm. Ihre Leute waren auf ihrer Seite. Sie fühlten sich ermutigt, wenn sie sich stark zeigte, und sie hatte sich seit dem Tag an dem sie ihre Mutter ermordet hatte nicht stärker gefühlt.

 

Volusia blickte zu ihrer prachtvollen Stadt auf, zu den beiden riesigen Säulen am Hafeneingang, die in der Sonne gold und grün schimmerten; sie betrachtete die endlose Folge alter Gebäude, die aus der Zeit ihrer Vorfahren stammte, hunderte von Jahren alt und doch wunderschön. Die glänzenden makellosen Straßen wimmelten von tausenden von Menschen, Wachen an jeder Ecke, die Kanäle führten in perfekten Winkeln hindurch und verbanden alles miteinander. Auf den Brücken konnte sie goldene Pferdekutschen sehen mit Menschen, gekleidet in feinste Seide und Juwelen. Die Stadt hatte einen Festtag ausgerufen, und alle waren auf die Straßen gekommen, um sie zu grüßen, um an diesem heiligen Tag ihren Namen zu rufen. Sie war mehr als eine Herrscherin für sie – sie war eine Göttin.

Es war ein besonderes Omen, dass dieser Tag auf den Tag des Lichts fiel, dem Tag, an dem sie sich vor den sieben Göttern der Sonnen verneigten. Volusia, als Herrscherin der Stadt, war immer diejenige, die die Feierlichkeiten veranlasste, und als sie durch die Stadt fuhr, brannten die beiden prunkvollen goldenen Fackeln hinter ihr, bereit, den Großen Brunnen zu entzünden.

Die Menschen folgte ihrer Bake, eilten durch die Straßen und sie wusste, dass sie sie den ganzen Weg entlang begleiten würden bis sie das Zentrum der sechs Kreise der Stadt erreichte, wo sie von Bord gehen, und den Brunnen in Brand setzen würde, der Höhepunkt der heutigen Feierlichkeiten. Es war ein glorreicher Tag für ihre Stadt und ihre Untertanen, ein Tag um die vierzehn Götter zu preisen, von denen man sagte, dass sie an den vierzehn Toren zur Stadt alle unerwünschten Eindringlinge fernhielten. Ihre Untertanen beteten zu jedem einzelnen von ihnen, und heute waren sie besonders dankbar.

Dieses Jahr würde sie die Bürger überraschen: Volusia hatte zum ersten Mal seit Jahrhunderten einen Gott hinzugefügt. Es war das erste Mal seit Gründung der Stadt, dass sie einen neuen Gott bekamen. Und dieser Gott war sie selbst.

Volusia hatte eine riesige goldene Statue von sich selbst im Zentrum der sieben Kreise errichten lassen und hatte diesen Tag zu ihrem Feiertag ausgerufen. Wenn die Statue enthüllt wurde, würden ihre Untertanen zum ersten Mal sehen, dass sie, Volusia mehr war als ihre Mutter, mehr als ihre Herrscherin, mehr als ein Mensch. Sie war eine Göttin, die es verdiente, jeden Tag angebetet zu werden. Sie würden beten und sich vor ihr verneigen – sie würden es tun, sonst würde Volusia ihr Blut für den Frevel fordern.

Volusia lächelte in sich hinein, als das Boot auf das Stadtzentrum zusteuerte. Sie konnte kaum den Ausdruck auf ihren Gesichtern erwarten, fieberte danach zu sehen, wie sie neben den vierzehn anderen Gottheiten verehrt wurde. Sie wussten es noch nicht, doch eines Tages würde sie die anderen Götter zerstören, einen nach dem anderen, bis nur noch sie übrig war.

Volusia war aufgeregt, sah über ihre Schulter und sah, dass ihre eine endlose Prozession von Booten folgte, voller lebender Stiere und Ziegen und Widder, bereit, den Göttern geopfert zu werden. Sie würde den größten und besten Stier vor ihrer eigenen Statue schlachten.

Schließlich erreichte Volusias Boot den offenen Kanal zu den sieben goldenen Kreisen, jeder einzelne weiter als der vorherige; weitläufige goldene Plätze, die durch ringförmige Kanäle voneinander getrennt waren. Ihr Boot fuhr langsam durch die Kreise, immer weiter auf das Zentrum zu. Sie fuhr an den vierzehn Gottheiten vorbei und ihr Herz pochte vor Erregung. Jeder der Götter ragte hoch über sie hinauf, jede Statue aus glänzendem Gold, gut sieben Meter hoch.

Der Platz in der Mitte war immer freigelassen worden für Opfergaben und Versammlungen, doch nun stand dort ein neu errichteter goldener Sockel, auf dem eine vierzehn Meter hohe Konstruktion stand, die mit weißer Seide abgedeckt war. Volusia lächelte. Sie alleine wusste, was sich darunter verbarg.

Volusia ging von Bord als sie den innersten Platz erreichten. Sie sah zu, wie ein weiteres Boot folgte, und der größte Stier, den sie je gesehen hatte, von zwölf Männern zu ihr gebracht wurde. Jeder von ihnen hielt ein dickes Seil, um das Tier unter Kontrolle zu halten. Der Stier war etwas Besonderes – er war aus den Unteren Provinzen hierher gebracht worden: Fünf Meter hoch, mit leuchtend roter Haut war er ein Leuchtfeuer der Stärke. Er war voller Zorn und wehrte sich, doch die Männer hielten ihn fest, während sie ihn vor Volusias Statue führten.

Volusia hörte, wie ein Schwert gezogen wurde. Sie drehte sich um und sah Aksan, ihren persönlichen Assassinen, der neben ihr stand, und das Zeremonienschwert hochhielt. Aksan war der loyalste Mann, dem sie jemals begegnet war, bereit jeden zu töten, wie sie es von ihm verlangte. Ein leises Nicken genügte. Er hatte auch eine ausgeprägte sadistische Neigung, weshalb sie ihn gerne mochte, und er hatte viele Male ihren Respekt verdient. Er war einer der wenigen Menschen, der immer in ihrer Nähe sein durfte.

Aksan sah sie mit seinem eingefallenen pockennarbigen Gesicht an, seine Hörner schauten zwischen seinen dicken, lockigen Haaren hervor.

Er reichte Volusia das goldene Zeremonienschwert mit der zwei Meter langen Klinge, und sie hielt den Griff mit beiden Händen fest. Eine gebannte Stille legte sich über die Menge als sie es hochhob, herumfuhr, und es mit aller Kraft auf den Nacken des Stiers heruntersausen ließ.

Die Klinge, die nicht schärfer hätte sein können, so dünn wie Papier, schnitt durch den Stier als wäre es Butter, und Volusia strahlte über das ganze Gesicht als sie den befriedigenden Klang des Schwertes hörte, das durch das Fleisch schnitt, fühlte, wie es den Hals des Tiers durchtrennte, und spürte, wie ihr das heiße Blut ins Gesicht spritzte. Es spritzte überall hin, eine riesige Pfütze breitete sich über ihren Füssen aus, und der Stier fiel am Fuß der verhüllten Statue tot zu Boden. Das Blut spritzte über die weiße Seide und den goldenen Sockel, und ihre Untertanen jubelten.

„Ein großes Omen, Mylady“, sagt Aksan, der sich zu ihr vorbeugte.

Die Zeremonien hatten begonnen. Um sie herum erschallten die Trompeten und hunderte von Tieren wurden herbeigebracht. Ihre Offiziere begannen, eines nach dem anderen zu schlachten sich an Weibern, Essen und Wein zu laben – und dann würden sie es am nächsten Tag wieder tun, und auch am nächsten. Volusia war mitten unter ihnen, nahm sich selbst ein paar Männer und Wein, um anschließend ihre Hälse aufzuschlitzen und sie ihren Göttern zu opfern. Sie hatte sich lang auf dieses brutale Fest gefreut.

Doch zuerst musste sie eine letzte Sache tun.

Die Menge verstummte, als Volusia auf den Sockel ihrer Statue kletterte, und sich ihren Untertanen zuwandte. Neben ihr stand Koolian, ein anderer vertrauter Ratgeber, ein finsterer Zauberer, gekleidet in einen schwarzen Mantel mit Kapuze, mit grünen Augen und einem Gesicht voller Warzen; er war die Kreatur, der ihr bei der Ermordung ihrer Mutter geholfen hatte. Koolian war es gewesen, der ihr geraten hatte, diese Statue von sich errichten zu lassen.

Die Menschen starrten sie an. Es war so still, dass man eine Nadel fallen hören konnte. Sie wartete, genoss den dramatischen Moment.

„Menschen von Volusia“, rief sie. „Ich übergebe euch die Statue eures neusten und höchsten Gottes!“

Mit ausladender Geste zog Volusia an der Seide, begleitet vom Keuchen der Menge.

„Eure neue Göttin, die fünfzehnte Göttin, Volusia!“, rief Koolian.

Die Menschen standen sprachlos da und starrten ehrfürchtig in die Höhe. Volusia blickte zur glänzenden goldenen Statue auf, die doppelt so groß wie die anderen, und ein perfektes Abbild ihrer selbst war. Sie wartete gebannt, wie ihre Untertanen reagieren würden. Es war Jahrhunderte her gewesen, dass jemand zuletzt eine neue Gottheit eingeführt hatte, und sie wettete darauf, dass ihre Liebe zu ihr so stark war wie sie sein sollte. Sie wollte nicht nur, dass sie sie liebte, sie wollte, dass sie sie anbeteten.

Zu ihrer großen Zufriedenheit verneigten sich ihre Untertanen und beteten ihre Statue an.

„Volusia“, sangen sie immer wieder. „Volusia, Volusia.“

Volusia stand mit ausgestreckten Armen da, atmete tief durch, und nahm alle sin sich auf. Es war genug Anbetung, um jeden Menschen zu befriedigen. Jeden Herrscher. Jeden Gott.

Doch ihr reichte es noch nicht.

*

Volusia ging durch den weiten Eingang ihres Schlosses, vorbei an dreißig Meter hohen, marmornen Säulen. Die Gänge so weit das Auge reichte gespickt mit Wachen, Empire-Kriegern, die in perfekter Haltung goldene Speere trugen. Sie ging langsam, begleitet von Koolian, dem Zauberer, zu ihrer Rechten, und Aksan, ihrem Assassinen, zu ihrer Linken. Neben ihm lief Soku, der Kommandant ihrer Armee.

„Mylady, wenn ich kurz mit Euch sprechen dürfte?“, bat Soku. Er hatte den ganzen Tag schon versucht, mit ihr zu reden, doch sie hatte ihn ignoriert. Seine Ängste interessierten sie nicht, genauso wenige wie sein unerträglicher Realismus. Sie hatte ihre eigene Realität, und sie würde sich ihm zuwenden, wenn es ihr passte.

Volusia ging weiter, bis sie zum Eingang eines weiteren Flurs kamen, der mit einem Vorhang aus Smaragdperlensträngen verschlossen war. Die Wachen beeilten sich, ihn beiseite zu schieben, damit sie hindurchgehen konnte.

Als sie hindurchging, verklang der Gesang, der Jubel und die Feierlichkeiten der heiligen Zeremonien vor dem Schloss. Sie hatte einen langen Tag des Schlachtens, Trinkens und Feierns hinter sich, und Volusia wollte Zeit, um sich zu sammeln. Sie würde sich ausruhen, um dann für eine weitere Runde zurückzukehren.

Volusia betrat den stillen Raum, der nur von wenigen Fackeln erleuchtet wurden. Das, was den Raum am meisten erhellte, war ein Schaft aus grünem Licht, der durch ein Rundfenster hoch oben in der Mitte der dreißig Meter hohen Decke auf ein einziges Objekt herunterschien, das in der Mitte des Raumes stand.

Der Smaragdspeer.

Volusia ging ehrfürchtig darauf zu. Er stand schon seit Jahrhunderten unverändert da, und wies direkt auf das Licht. Mit seinem Schaft aus Smaragden und der aus einem einzigen Smaragd geschliffenen Spitze, blitzte er im Licht und wies direkt zum Himmel hinauf, als ob er die Götter herausfordern wollte. Er war schon immer ein heiliges Objekt für ihr Volk gewesen, sie glaubten, dass er die Stadt am Leben hielt. Sie stand ehrfürchtig davor und beobachtete, wie der Staub im Licht umhertrieb.

„Mylady“, Sokus leise Stimme hallte durch die Stille. „Darf ich sprechen?“

Volusia stand eine lange Zeit mit dem Rücken zu ihm und betrachtete den Speer, bewunderte die Handwerkskunst so wie sie es jeden Tag ihres Lebens getan hatte, bis sie schließlich bereit war, die Worte ihres Ratgebers zu hören.

„Du darfst sprechen.“

„Mylady“, sagte er. „Ihr habt den Herrscher des Empire getötet. Sicherlich hat sich die Nachricht schon verbreitet. Bald werden ganze Armeen auf Volusia zu marschieren. Riesige Armeen, viel zu stark, als dass wir sie abwehren könnten. Wir müssen uns vorbereiten. Was ist Eure Strategie?“

„Strategie?“, echote Volusia gereizt. Sie sah ihn noch immer nicht an.

„Wie wollt Ihr einen Frieden aushandeln?“, wollte er wissen. „Wie werdet Ihr Euch ergeben?“

Sie drehte sich um und sah ihn mit kalten Augen an.

„Es wird keinen Frieden geben“, sagte sie, „Bis ich ihre Kapitulation akzeptiert habe und sie mir den Treueeid geschworen haben.“

Er sah sie an. In seinem Gesicht stand nackte Angst.

„Aber Mylady, sie haben hundert Mal so viele Männer wie wir“, sagte er. „Wir können uns nicht gegen sie durchsetzen.“

Sie wandte sich wieder dem Speer zu, und er trat verzweifelt näher.

„Meine Kaiserin“, insistierte er. „Ich habt einen bemerkenswerten Sieg errungen, als Ihr Euch den Thron Eurer Mutter genommen habt. Sie war beim Volk lange nicht so beliebt wie Ihr es seid. Sie beten Euch an. Niemand wird es wagen, offen mit Euch zu sprechen. Darum muss ich es tun. Ihr umgebt Euch mit Menschen, die Euch genau das sagen, was Ihr hören wollt; Menschen, die Euch fürchten. Doch ich muss Euch die Wahrheit sagen, Euch die Realität zeigen. Das Empire wird uns einkesseln. Wir werden vernichtet werden. Von uns und unserer glorreichen Stadt wird nichts mehr übrig sein. Ihr müsst etwas tun. Ihr müsst einen Waffenstillstand aushandeln. Zahlt, welchen Preis auch immer sie verlangen, bevor sie uns alle töten.“

Volusia studierte lächelnd den Speer.

„Weißt du, was sie über meine Mutter gesagt haben?“, fragte sie.

Soku starrte sie ausdruckslos an und schüttelte den Kopf.

„Sie haben gesagt, dass sie die Auserwählte war. Sie haben gesagt, dass sie nie besiegt werden würde. Sie haben gesagt, dass sie niemals sterben würde. Weißt du auch warum? Weil in den vergangenen sechs Jahrhunderten niemand diesen Speer hier geführt hat. Und dann kam sie, und führte ihn mit einer Hand. Sie nutzte ihn, um ihren Vater zu töten, und sich seinen Thron zu nehmen.“

 

Volusia wandte sich ihm mit glühenden Augen zu.

„Sie sagten, dass dieser Speer nur einmal benutzt werden kann. Von der Auserwählten. Sie sagten, dass meine Mutter ewig leben würde, dass der Thorn von Volusia auf ewig ihr gehören würde. Und weißt du, was passiert ist? Ich selbst habe den Speer benutzt, um meine Mutter damit zu töten.“

Sie holte tief Luft.

„Was sagt dir das, Kommandant?“

Er sah sie verwirrt an und schüttelte den Kopf.

„Wir können entweder im Schatten der Legenden anderer leben“, sagte sie, „oder wir können unsere eigenen erschaffen.“

Sie sah ihn böse an und lehnte sich vor, um in sein Ohr sprechen zu können.

„Wenn ich das Empire zerstört habe“, sagte sie, „wenn jeder in diesem Universum vor mir auf die Knie geht, wenn es nicht einen Menschen mehr gibt, der beim Klang meines Namens schreit und weint, dann wirst du wissen, dass ich die einzige wahre Herrscherin bin – und das ich die einzige und wahre Göttin bin. Ich bin die Auserwählte, weil ich mich selbst auserwählt habe!“

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