Kleine Igel – große Probleme

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Die zündende Idee

Mitternacht. Es gewitterte. Der Wind heulte um das undichte Zirkuszelt. Regen tropfte auf die hölzernen Zuschauerränge. Smokey ging in die kühle Manege, um Gordo und Elroy seine Idee vorzustellen. Die Gehilfen standen in einem kleinen warmen Lichtkegel der Deckenbeleuchtung und fröstelten.

»Hört zu, ihr Versager!«

Gordo holte hastig einen Notizblock und einen Bleistift aus der Brusttasche seiner Jeansjacke.

Smokey beobachtete, wie Gordo die Bleistiftspitze auf das Blatt bohrte und ihn erwartungsvoll ansah. Er zog ihn am Kragen der Jeansjacke zu sich heran und fletschte die Zähne.

Ohne sich zu wehren, rief Gordo: »Boss, nicht so ruppig!«

Daraufhin schmiss Smokey seinen Gehilfen zu Boden. »Wir veranstalten ein Casting für Tellys!«, verkündete er majestätisch und mit hochgestrecktem Hals.

»Genial!«, sagte Elroy fasziniert.

»Casting mit ›K‹ oder ›C‹?«, fragte Gordo.

Ehe sichs der Schimpanse versah, haute ihm Smokey den Notizblock aus der Pfote und fuhr mit breitem Grinsen fort: »Den Teilnehmern des Castings machen wir weis, dass sie ein Praktikum bei uns gewinnen können. Dabei ahnen sie nicht, was ihnen in Wahrheit blüht.«

»Was ist bloß aus dir geworden, Smokey?«, ertönte aus einiger Entfernung eine weitere Stimme.

Die drei Affen schauten verwundert zur Tribüne. Dort saß ein Storch, der gerade mal halb so alt war wie Smokey. Sein Gesichtsausdruck war ernst.

»Jack, die gute Seele unseres Zirkus!«, rief Smokey freundlich. »Verstehe gar nicht, wie man jeden Tag diesen muffigen Schal tragen kann.«

»Du weißt, dass der von meiner Familie ist!«

»Ich korrigiere: von deiner Familie war!«, sagte Smokey voller Hohn, ohne Mitleid zu verspüren.

Gordo und Elroy lachten gehässig.

»Aber wenn du uns schon heimlich belauschst, dann sollst du auch erfahren, dass ich geistreiches Genie einen Weg gefunden habe, die Kassen hier wieder ordentlich klingeln zu lassen.« Smokey warf ein Bündel Flyer in Richtung des Storchs. »Die kannst du in den Wäldern bei den Tellys verteilen!«

Jack erhob sich von der Tribüne und stelzte zur Manege. Er hob die Flyer auf und las neugierig ihren Inhalt. »Ich bin ein Zauberer und nicht dein Dienstbote!«

»Das sieht Mister Dark aber ganz anders, sonst würdest du hier nicht putzen!«

»Uuuh!«, grunzten Gordo und Elroy.

»Wofür brauchst du überhaupt Tellys?«, fragte Jack.

»Für eine Attraktion, die die Zuschauer niemals in ihrem Leben vergessen werden.«

»Und welche?«

»Das geht dich einen feuchten Dreck an!«

»Warum nehmen wir nicht die Noblas aus den Käfigen?«, warf Elroy ein. »Davon haben wir doch genug!«

»Noblas? Weißt du nicht, wie lange man braucht, um sie zu dressieren? Keine Zeit! Ich brauche ängstliche Tellys, denn die machen genau das, was ich will!«

»Pfui!«, sagte Jack angewidert und wandte sich ab.

»Ey, wo willst du hin?«, rief Smokey ihm hinterher.

»Weg von hier!«, erwiderte Jack.

»Bist du mir nicht etwas schuldig?«, blaffte der Schimpanse. »Du weißt, wovon ich rede!«

Jack blieb abrupt stehen und drehte sich wortlos zu den Schimpansen um.

»Kluge Entscheidung«, sagte Smokey mit einem hämischen Grinsen.

Der Flyer

Tock!

Ein dumpfes Geräusch weckte Timmy. Nervös rannte er zu Tyrans Bett.

»H-Hast du das auch ge-gehört?«

»Regen. Ja, und?«, murmelte Tyran.

»N-N-Nein. Etwas i-ist an die A-Außenwand gegeflogen!«

»Ich will schlafen!«

Tyran drehte sich von Timmy weg und presste das Kissen gegen seine Ohren.

»Sch-Schau bitte nach. V-Vielleicht braucht j-jemand Hilfe.«

Gähnend drehte sich Tyran wieder zu seinem Bruder um. Jetzt war seine Neugierde geweckt.

»Pa-Pass auf dich auf«, flüsterte Timmy, während er an der Tür des Kinderzimmers stand.

Tyran nickte und schlich vorsichtig an Señoras Schlafzimmer vorbei. Er bekam mit, wie seine Mutter den winselnden Pablo zu beruhigen versuchte.

»Pablo, es ist bloß Regen«, sagte sie.

Gekonnt vermied Tyran es, auf die Stellen am Boden zu treten, die bei Berührung immer knarrten. Er kannte diese Tücken genau, weil er schon das ein oder andere Mal heimlich für seinen Bruder und sich einen Mitternachtssnack stibitzt hatte, obwohl die Señora ihnen dies in aller Deutlichkeit verboten hatte. Schließlich hatten ihre Sprösslinge, wenn sie im Bett lagen, bereits die Zähne geputzt und sollten keine Albträume bekommen.

In der dunklen Wohnküche stieß Tyran sich dann aber seine Pfote an einem Stuhl und hoffte, dass ihn niemand gehört hatte. Er biss sich auf die Lippen und humpelte weiter in Richtung Hintertür. Der Wind drückte so stark dagegen, dass Tyran die riesige Tür kaum aufbekam. Als er es schließlich doch vor die Tür geschafft hatte, ging er eine Runde um das Haus.

»Ist da jemand?«, flüsterte er.

Im Kräutergarten seiner Mutter entdeckte er ein durchweichtes Stück Papier im Zaun hängen. Das musst der Wind dorthin getragen haben, dachte er. Und dann hat es sich im Zaun verfangen.

Tyran betrat hastig das Kinderzimmer. »Guck mal!« Er hielt Timmy das Stück Papier unter die Nase.

»L-Lies vor«, sagte Timmy mit großen Augen.

Als Tyran das Papier auf dem Boden ausgebreitet hatte, räusperte er sich und las:


»Bo-Boah!«, rief Timmy.

»Psst«, machte Tyran. »Es geht noch weiter.«


»Mama, Mama!«, dröhnten Tyran und Timmy, während sie ins Schlafzimmer ihrer Mutter rannten.

Die Señora schreckte im Bett auf. »Ist was passiert?«

Pablo, der neben ihr auf dem Boden lag, schaute zu den Jungs auf und wedelte mit dem Schwanz.

»Sch-Schau!«, sagte Timmy und drückte seiner Mutter das Stück Papier in die Pfote.

Tyran bemerkte den skeptischen Blick der Señora und wie sie das Papier murmelnd überflog.

»Ein Zirkus? Wo habt ihr den Flyer her?«

»Der lag vorm Haus«, antwortete Tyran.

Die Señora runzelte die Stirn. »Ein Casting, am großen Platz, nahe dem Waldrand?«

»Wir wollen da unbedingt hin!«

»Kommt nicht infrage!«, sagte sie wütend.

»Warum das denn nicht?«, schoss es aus Tyran heraus wie Lava aus einem Vulkan.

»Weil sich dort Menschen aufhalten könnten!«

»Mir doch egal!«, entgegnete Tyran und stampfte wütend auf den Boden.

Daraufhin zerknüllte die Señora den Flyer und schob ihn unter ihre Bettdecke, die sich dadurch enorm wölbte.

Pablo legte sich wieder neben das Bett und schlug jaulend seine Pfoten vor die Augen.

»A-Alles okay, Mama?«, fragte Timmy vorsichtig.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und atmete tief aus, ohne auf die Frage zu antworten.

»Was ist los?«, hakte Tyran nach.

Es wurde still im Schlafzimmer. Nur das Plätschern des Regens in einer Holztonne vor dem Fenster war zu hören.

»Setzt euch«, sagte die Señora und klopfte sanft auf ihr Bettlaken.

Tyran und Timmy folgten ihrer Bitte.

»Habt ihr euch denn noch nie gefragt, wie Pablo zu mir gekommen ist?«

»Wir dachten, dass er schon immer hier gelebt hat.«

»No, no, Tyran. Aber –« Die Señora brach ab.

»Aber was, Mama?«, fragte Tyran. Sie verheimlichte ihnen etwas, das spürte er.

»Aber ich finde, dass es jetzt der richtige Zeitpunkt ist, es euch zu erzählen.«

»Na, dann schieß mal los!«

»Ich war eines Tages im Wald, um Beeren zu sammeln. Als ich in der Nähe des großen Platzes den Waldrand erreichte, sah ich dort einen Menschen. Ich versteckte mich hinter einem Baum, damit er mich nicht bemerkte. Mein Herz raste, als ich vorsichtig zu ihm hinsah. Der Mensch stellte einen Karton auf dem Boden ab und verschwand. Der Karton bewegte sich und ich vernahm ein Winseln. Eine Weile wartete ich ab, ob der Mensch wiederkommen würde, doch nichts geschah. Dann ging ich zu dem Karton und öffnete ihn. Ein kleiner süßer Welpe schaute mich verängstigt an. Unser Pablo!«

»Was?!« Tyran war schockiert. Er hockte sich neben Pablo und streichelte ihn.

Die Señora nickte. »Es wäre sein sicherer Tod gewesen, wenn ich ihn nicht mit nach Hause genommen hätte.«

»A-Armer Pablo«, sagte Timmy und gesellte sich zu Tyran und dem Briard.

»Menschen sind so böse!« Die Señora rümpfte die Nase. »Ohne sie würden wir alle in Frieden zusammenleben und Pablo könnte jetzt spre–« Aufgebracht hielt sie inne und holte erneut aus. »Was ich damit sagen will, ist, dass Noblas für ihr Wesen nichts können. Sie sind ein Produkt des Menschen!«

»Mama«, sagte Tyran, »du weiß doch, dass wir niemals was mit Menschen zu tun haben wollen!« Er wandte sich an seinen Bruder. »Nicht wahr, Timmy?«

Timmy nickte eifrig.

»¡Muy bien!, dann werdet ihr auch niemals enttäuscht werden!«

»Hast du denn schon mal mit einem Menschen gesprochen?«

»¡No! Das würde gegen unseren Ehrenkodex verstoßen!«

Tyran bemerkte Tränen in den Augen seiner Mutter und hakte nach: »Bist du dir sicher oder verschweigst du uns etwas? Wir sind doch schon zehn!«

 

»Erst zehn!«, flüsterte sie mit gebrochener Stimme. Ein Donnern ließ sie zusammenzucken. Kurz danach blitzte es. Ein Gewitter war aufgezogen. »Also merkt euch: Sprecht niemals –«

»Mit einem Menschen«, ergänzten Tyran und Timmy, die den Satz schon unzählige Male von ihrer Mutter gehört hatten.

Die Señora nahm ihre Sprösslinge an die Pfote. »Gut! Als Familie müssen wir aufeinander aufpassen. Nur gemeinsam sind wir stark!«

Tyran ließ nicht locker. »Mama, wir versprechen dir hoch und heilig, uns von den bösen Menschen fernzuhalten, aber können wir nicht trotzdem zum Casting?«

»¡Nooo!«, schrie die Señora.

Tyran wies beleidigt die Pfote seiner Mutter zurück, eilte aus dem Schlafzimmer, warf mit lautem Knallen die Tür hinter sich zu und lief ins Kinderzimmer.

Pablo war aufgesprungen und kratzte an der verschlossenen Tür. Mit einem fragenden Blick sah er zu Timmy.

»G-Gute Nacht, Ma-Mama«, sagte Timmy verlegen und verließ ebenfalls das Zimmer.

»Gute Nacht, Timmy«, antwortete die Señora abwesend.

Smokeys Auftrag

Am frühen Morgen stand Smokey in Mister Darks Wohnwagen. Er schmunzelte.

»Und?«, fragte Mister Dark, während er ein Geldbündel nach dem anderen auf dem Tisch zu einer hohen Pyramide aufstapelte.

Der Schimpanse antwortete nicht.

Argwöhnisch blickte der Zirkusdirektor an der Pyramide vorbei zu Smokey. »Was hast du ausgefressen?«

»Ich werde den Höllenkreisel nochmals versuchen.«

»Bist du bescheuert? Wegen dieser Aktion musste ich beinahe den Laden hier dichtmachen!«

»Ist jetzt eh zu spät.«

»Was soll das heißen?«

»Habe Tellys zum Casting am Platz nahe dem Waldrand eingeladen.«

»Du hast was?« Mister Dark donnerte mit seiner Faust auf den Tisch, wobei die Geldpyramide umkippte und einige Bündel davon auf dem Teppich landeten. »Ohne mich um Erlaubnis zu fragen?«

»Ich hatte keine Zeit zu verlieren. Außerdem habe ich die Attraktion perfektioniert!«

»Mhm.« Nachdenklich lehnte sich Mister Dark zurück und schwieg.

Smokeys Hoffnung schwand von Sekunde zu Sekunde, je länger der Zirkusdirektor ihn im Ungewissen ließ.

»Gut«, kam es unerwartet. »Aber erhalte ich noch einmal schlechte Presse, bist du dran! Habe ich mich klar ausgedrückt?«

Smokey nickte und verließ den Wohnwagen. Dieses Mal konnten Gordo und Elroy rechtzeitig ausweichen, bevor sie durch Smokeys schwungvolles Öffnen der Tür umgeworfen wurden. Trotzdem hörte der Schimpanse, während er die Stufen hinabstieg, irgendetwas auf den Schotter knallen. Suchend blickte er sich um und entdeckte wenige Meter vom Wohnwagen entfernt Jacks Besen. Dieser verdammte Schnüffler, dachte er.

Tyrans Hartnäckigkeit

Tyran blockte jedes versöhnliche Gespräch mit seiner Mutter ab. Selbst als sie ihn umarmen wollte, drehte er sich trotzig weg. Er musste unbedingt zum Casting und konnte nicht verstehen, warum Timmy sich mit einem Nein zufriedengab.

Auch als wenig später die Señora auf das alljährliche Familienfoto bestand, um eine schöne Erinnerung an ihre Sprösslinge zu haben, reagierte Tyran bockig. Er wollte lieber auf seinem Zimmer bleiben und schmollen. Letztendlich ließ er sich dann aber doch dazu überreden. In den vorangegangenen Jahren hatte er seine Mutter und Timmy mit Grimassen zum Lachen gebracht. Dieses Mal verzog er keine Miene. Dabei wäre das Foto perfekt gewesen, weil Pablo kerzengerade in die Linse der Sofortbildkamera hechelte, was noch nie vorgekommen war.

»Morgen wäre das Casting«, nörgelte Tyran, während er die Kinderzimmertür schloss.

»V-Vielleicht hat Mama recht und es ist zu g-gefährlich für uns.«

»Blödsinn!«

»L-Lass uns doch ein b-bisschen spielen.«

»Keine Lust.«

Tyran kehrte Timmy den Rücken, kletterte auf den Tisch und blickte aus dem Fenster. Er sah, wie seine Mutter mit Pablo am Kräutergarten unter einem Baum saß und zu ihm sprach. Er konnte spüren, dass sie über ihn redete. Neugierig steckte er seinen Kopf aus dem Fenster und lauschte.

»Schau mich nicht so an«, hörte er die Señora mit liebevoller Stimme sagen, während sie Pablo am Ohr streichelte.

Der Briard hatte seine Augen weit geöffnet und legte seinen Kopf gegen die kleine Pfoteninnenfläche der Igeldame.

»Du hast ja recht. Als ich in dem Alter war, in dem Tyran jetzt ist, wollte ich auch die ganze Welt erobern.«

Pablo wedelte mit dem Schwanz.

»Wahrscheinlich mache ich mir zu viele Sorgen, oder? Meinst du, ich sollte mir das erst mal anschauen und dann entscheiden?«

Pablo schnaufte erquickt.

»Ist ja schon gut. Noch eindeutiger geht es wohl kaum.« Die Señora lachte. »Danke, dass ich immer auf deinen Rat zählen kann.« Sie umarmte ihren Hund und ging wieder ins Haus. Der Briard legte sich unter den Baum, um ein Nickerchen zu machen.

Wenig später hörte Tyran Schritte näher kommen. Er sprang vom Tisch, legte sich schnurstracks ins Bett und drehte sich zur Wand.

Die Türe öffnete sich. »T-Tyran?« Die Señora kam herein.

Tyran wandte seinen Kopf, blinzelte mit einem Auge in ihre Richtung und sah, dass sie die Pfoten in den Hosentaschen ihrer Latzhose vergraben hatte.

»Ich habe mir die Sache noch mal durch den Kopf gehen lassen«, sagte sie.

Verwirrt drehte sich Tyran um. »Was meinst du damit?«

»Das Casting«, antwortete sie unsicher.

Tyran presste seinen Oberkörper in die Senkrechte. Seine Mutter hatte jetzt seine volle Aufmerksamkeit. »Nun sag schon!«, bohrte er ungeduldig nach.

»Wir können …«

»Was können wir?«

Die Señora holte kurz Luft und fing den Satz noch einmal von vorne an: »Wir können dort hingehen.«

»Wirklich? Das ist kein Witz, oder?«

Sie schüttelte den Kopf.

Sprachlos sah Tyran zu Timmy hinüber, der ebenso verdutzt zu sein schien, wie er es war. Dann riss er die Arme in die Höhe und ließ ein euphorisches »Jaaa!« ertönen, während er aufstand und zum Sprung ansetzte.

»¡No, Tyran!«, sagte die Señora und winkte ab.

Mit einem Hechtsprung landete Tyran auf seiner Mutter. Timmy tat es Tyran gleich. Die Señora lag schneller mit den beiden auf dem Rücken, als sie Luft holen konnte.

»Aber wenn es mir nicht gefällt, dann gehen wir wieder!«, stieß sie mit angestrengter Stimme aus.

»Einverstanden!«, erwiderte Tyran.

Freudig umarmten die beiden Igeljungs ihre Mutter und für einen kurzen Augenblick war ihre Welt wieder in Ordnung.

Aufbruch

Für einen Sommertag war es recht kühl. Tyran schlang am Frühstückstisch seine Beeren-Nuss-Mischung herunter und erinnerte seine Mutter pausenlos daran, dass sie pünktlich losgehen mussten, um nicht zu spät zum Casting zu kommen. Schließlich brauchten sie für den Weg knapp eine Stunde.

Die Aufbruchstimmung machte Pablo nervös. Ruhelos lief er um die Igel herum, besonders um die Señora, die gerade dabei war, etwas in einen Jutesack zu packen.

Dann machten sich alle auf den Weg. Unterwegs hörten sie Vogelgezwitscher, sahen die schönsten Blumen, kletterten über Stock und Stein und durchquerten auf Pablos Rücken sogar einen schmalen Fluss.

Etwas früher als geplant erreichten sie einen kleinen Hügel, der einen guten Blick auf den Platz nahe dem Waldrand bot.

»Da vorne ist es!«, rief Tyran aufgeregt. Er drehte sich zu Timmy und Pablo um, während er an seiner Mutter zerrte. Beinahe hätte sie den Jutesack fallen lassen.

Auf dem Platz tummelten sich Bären, Eichhörnchen, Frettchen, Frösche, Hirsche, Rehe, Tauben, Wildschweine, Wölfe und andere Waldbewohner vor einem unscheinbaren, langen Truck mit Anhänger.


Während Pablo sich nicht rührte, machten Tyran und Timmy Anstalten, zum Platz runterzulaufen.

»Nicht so schnell!«, bremste sie die Señora.

Plötzlich tauchte neben den beiden Igeljungs ein Schimpanse aus einem Gebüsch auf und fragte sie mit heruntergezogenen Augenbrauen: »Was wollt ihr hier?«

Die beiden blieben erschrocken stehen.

»Beim C-Casting mitmachen«, antwortete Timmy zögerlich.

»Richtige Antwort!«, verkündete der Schimpanse und lachte schrill. Während Tyran und Timmy in sein Lachen einfielen, kramte der Schimpanse im Gebüsch und holte einen Notizblock hervor. »Eure Namen?«

»Tyran. Und das ist mein Bruder –«

»T-Timmy«, ergänzte Timmy.

Der Schimpanse notierte ihre Namen. »Alles klar«, sagte er. »Ich bin übrigens Elroy. Viel Erfolg wünsche ich euch!«

Die Señora und Pablo kamen hinzu. Aus heiterem Himmel bellte der Briard Elroy an, der einen Schritt zurückwich.

»Ganz ruhig«, sagte die Señora.

»Bis gleich, Mama!« Tyran verschwand mit Timmy in der Menge der Tellys.

»So wartet doch!«, rief ihre Mutter ihnen hinterher.

Währenddessen – es war kurz nach Mittag – befanden sich Smokey und Gordo im Anhänger des Trucks.

»Das Publikum wird langsam ungeduldig«, sagte Gordo, der vor dem Vorhang einer Umkleidekabine stand. »Boss?«

Smokey öffnete schwungvoll den Vorhang. »Tadaaa!«

»Oh, Boss hat sich fein gemacht!«

Smokey trug ein blau glitzerndes Jackett. Übertrieben grinsend steckte er sich eine Zigarre an.

»Öh«, sagte Gordo.

»Was?«

»Deine Zigarre, Boss. Was sollen die Casting-Teilnehmer darüber denken?«

»Wo wäre ich bloß, wenn ich dich nicht hätte?« Smokey drückte die Zigarre in Gordos Pfote aus.

Gordo setzte zum Schrei an, da hielt Smokey ihm den Mund zu.

»Shhht! Was sollen denn die Casting-Teilnehmer darüber denken?«, wiederholte er. Damit unterband er weitere Anbiederungsversuche seines Gehilfen und fügte hinzu: »Let the show begin!« Mit diesen Worten gab Smokey den Startschuss für das Casting und betätigte im selben Augenblick die Play-Taste einer in die Jahre gekommenen Musikanlage, die direkt an der Wand neben Gordo auf dem Boden stand. Popmusik dröhnte durch einen Lautsprecher, der am Dach des Anhängers befestigt war.

Die Tellys begannen zu grölen und im Takt der Musik mitzuklatschen. Tyran und Timmy, die zunächst vor Schreck zusammenzuckten, weil sie nicht wussten, wo die Musik genau herkam, taten es ihren Mitstreitern gleich. Dann sah sich Tyran um und erblickte seine Mutter, die sich mit Pablo durch die Menge quetschte. Seitlich am Truck klappte langsam eine Rampe herunter und aus zwei Düsen zu beiden Seiten der Rampe entwich Rauch, der in Sekundenschnelle die Umgebung einnebelte. Tyran gab Timmy ein High Five und lächelte seine Mutter an, die verhalten einen Daumen nach oben reckte.

»Mein Name ist Smokey!«, hallte es durch den Nebel. Allmählich nahmen die Konturen eines Affen Gestalt an. Er hielt eine Art metallischen Stock mit rundem Kopf vor seinen Mund, der seine Stimme lauter machte, bemerkte Tyran interessiert.

»Was ist das?«, fragte er seine Mutter neugierig.

»Ein Mikrofon!«, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen.

Ein Mikrofon will ich auch haben, dachte er euphorisch und malte sich schon aus, wie er den ganzen Wald mit seiner Stimme unterhielt, aber vermutlich, so schlussfolgerte er weiter, würde seine Mutter dies strikt untersagen.

Der Nebel lichtete sich und zog über die Bäume hinweg. Smokey stand mit ausgebreiteten Armen da, die Brust breit geschwellt und den Kopf stolz in die Höhe gereckt. Er fuhr fort: »Ihr wollt einen der drei heiß begehrten Praktikumsplätze gewinnen?«

Die Tellys waren nicht mehr zu bändigen. Sie jubelten und pfiffen.

Tyran stupste seinen Bruder an. »Schau mal, Timmy, der trägt eine Augenklappe! Das gehört bestimmt zur Show!«

»Meinst d-du?«

Bevor Tyran antworten konnte, sprach Smokey bereits weiter: »Die Gewinner werden von mir persönlich betreut!«

Pablo knurrte.

»Was ist denn mit dir los?«, fragte die Señora.

Die Musik stoppte.

»Und das Beste kommt noch, denn dem Begabtesten unter euch winkt –« Smokey brach ab und lächelte. Dann ließ er seinen Blick über die Menge der Tellys schweifen, unter denen eine angespannte Stille herrschte.

 

»Jetzt sag schon!«, forderte ihn ein Hirsch auf, der nervös auf seinen Vorderhufen kaute. »Ich halte es kaum noch aus!«

»Dem Begabtesten unter euch winkt ein … Job bei uns!«

Tyran tippte Timmy auf die Schulter und rief ihm ins Ohr: »Einen Job beim Zirkus? Super!«

»Nicht so eilig, Tyran!«, bremste ihn seine Mutter.

Verwundert sah Tyran, wie sie die Pfote erhob, um auf sich aufmerksam zu machen.

»Ja, Madame?«, fragte Smokey höflich.

»Wie sieht ein Praktikum bei Ihnen genau aus? Auf dem Flyer stand dazu nichts!«

»Nun, Madame, wir gewähren einen einmaligen Blick hinter die Kulissen unseres magischen Zirkus und am Ende dürfen die Gewinner bei einer Show assistieren!«

Ein ohrenbetäubendes Hupen versetzte die Tellys für eine kurze Zeit in helle Aufregung. Das Geräusch kam vorne aus der Fahrerkabine. Eine getönte Fensterscheibe fuhr herunter. Dahinter befand sich ein dauergrinsender, sehr dicker Gorilla, der in seinem viel zu engen Hawaii-Hemd und einem übergroßen Strohhut etwas älter wirkte als Smokey. Er begrüßte die Tellys mit einem übertriebenen und lustig gemeinten Soldatengruß – seine Pfote gestreckt von seiner Stirn wegschwingend.

»Das ist unser Bodyguard Titus«, erklärte Smokey. Stolz schwang in seiner Stimme mit, als er auf den Gorilla zeigte. »Er passt auf, dass uns nichts passiert!«

»Titus!«, schrie der Hirsch begeistert.

Die Señora meldete sich erneut zu Wort.

»Ja, bitte?«, kam es dieses Mal nicht ganz so freundlich von Smokey.

»Warum fahren Sie mit einem Truck? Das tun doch nur Menschen.«

»Nur so kommen wir schnell und sicher von Wald zu Wald.«

»Gehe ich also recht davon aus, dass Sie nicht vor Menschen spielen? Falls doch, können meine Lieblinge nämlich nicht bei Ihnen mitmachen!«

»Sie hat recht, das wäre zu gefährlich!«, ertönte ein Ruf aus der Menge.

»Das war’s«, sagte Tyran zu Timmy. »Bestimmt geht es für uns gleich wieder nach Hause!«

»Unsere Show ist nur für unseresgleichen«, entgegnete Smokey, während er sich den Weg durch die Menge zu Pablo und den Igeln bahnte. »Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, Madame!«, sagte er, beugte sich vor und reichte der Señora die Pfote.

Pablo stellte sich schützend vor die Igel und schnappte zu.

Gerade noch rechtzeitig zog Smokey seine Pfote zurück. »Reizender Nobla«, knurrte er.

»Pablo, jetzt hör endlich auf!«, mahnte die Señora.

Der Briard winselte.

Provokant hob Smokey wieder das Mikrofon vor seinen Mund.

»Madame, um Ihre erste Frage noch konkreter zu beantworten, wie so ein Praktikum bei uns aussieht. Mhm… Ich zeig es einfach!« Traditionelle Zirkusmusik dröhnte plötzlich durch die Menge. »Einen großen Applaus für meine entzückenden Assistenten Gooordo und Eeelroy!«

Der Schimpanse, den Smokey als »Gordo« vorgestellt hatte, schoss mit einem Einrad von der Rampe des Trucks auf die jubelnden Tellys zu und fuhr in rasantem Tempo an ihnen vorbei.

»Ich gebe zu, dass ich auf zwei Rädern besser fahre!«, kommentierte Smokey das Spektakel und lachte.

Elroy hob fünf Jonglierkeulen auf, die neben der Rampe auf dem Boden lagen, und warf sie in die Luft, als gäbe es das Gesetz der Schwerkraft nicht. Gordo sprang mit seinem Einrad über Elroy und landete punktgenau hinter seinem Bruder, als die Musik automatisch stoppte. Die Affenbrüder warfen Konfetti in die Menge und verbeugten sich unter dem tosenden Applaus der Tellys.

»Madame, konnte ich Sie überzeugen?«, fragte Smokey beschwichtigend.

»Bitte, Mama!«, flehte Tyran.

»B-Bitte!«, legte Timmy nach.

»Bittööö!«, setzte Smokey obendrauf und ermunterte die anderen Teilnehmer mitzumachen.

»Bitte, bitte, bitte, bitte!«, schallte es auf einmal von allen Seiten auf die Señora ein.

Erst stockte sie, dann aber kam ein leises »Okay« von ihr und sie nickte zur Bestätigung.

»Und nun auf zum Casting!«, rief Smokey voller Elan.

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