Der Mythos des Athamas in der griechischen und lateinischen Literatur

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Из серии: Classica Monacensia #51
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B) Die Opfergaben

a) Der Widder

Die Opferung des Widders wird ausführlich in der nächsten Abteilung analysiert1.

Auf jeden Fall ist es interessant, dass man sich auf dieses Tier bezieht, wenn im Mythos von Athamas zum ersten Mal von Opferung gesprochen wird. Dies passiert im Frg. 299 Merkelbach / West von HesiodHesiodFrg. 299 Merkelbach / West ; hier sagt der Dichter von Aigimios2, Phrixos μετὰ τὴν θυσίαν ἁγνίσας τὸ δέρας οὕτως ἔστειχεν εἰς τοὺς Αἰήτου δόμους, τὸ κῶας ἔχων. Diese Stelle in der Legende gilt als der älteste Beleg einer Opferung.

b) PhrixosPhrixos

Phrixos ist der echte Protagonist der Opferung in der Sage von Athamas, denn Helle wird am Opferaltar erst seit Palaiphatos eingegliedert. Außerdem besteht bei diesem Autor der Beleg für Helle nur aus einer bloßen Andeutung aus dem Mund des rettenden Widders; der Text berichtet nichts über die Folgen. Wenn man Palaiphatos weglässt, muss man bis ins 1. Jh. n. Chr. in der lateinischen Literatur (Ovid) und bis ins 2. Jh. n. Chr. in der griechischen Literatur (Pausanias) zurückgehen, um eine Darstellung des Opfers von Nepheles Kinder zu bekommen. Phrixos ist üblicherweise der einzige Sohn von Athamas, der zum Opferaltar gebracht wird und dies entspricht m.E. den ältesten Traditionen dieses Mythos. Helle spielte in der mythischen Erzählung von HellasHellas überhaupt keine Rolle, es sei denn, dass sie als eine sekundäre Figur zur Rettung von Phrixos – nur er war eigentlich in Lebensgefahr – hinzugefügt wird, damit sie dem als HellespontHellespont bekannten MeerMeer durch den Sturz ihren Namen geben konnte. Hierfür ist es am plausibelsten, dass Phrixos entweder in der Tradition der verliebten Stiefmutter oder in der der neidischen ursprünglich allein und ohne Gesellschaft zum Opferaltar geführt wurde.

Als VersöhnungVersöhnung

Die Opferung von Phrixos ist der erste Beweis von Opferung in dieser Version. Pherekydes bietet nach dem bekannten Schol. in Pi. P. IV 288a DrachmannScholia zu PindarSchol. in Pi. P. IV 288a Drachmann das älteste Beispiel von einem Versöhnungsopfer eines Mitglieds der Familie von Athamas. Wie schon angedeutet worden ist, fällt auf, dass die erste Verbindung von Phrixos mit dem Opfer in der Tradition von Potiphars Motiv liegt. Diese Opferung wird Phrixos nicht aufgezwungen, sondern von Athamas’ Sohn unaufgefordert angenommen. Dies ist dann ein typisches Beispiel der freiwilligen Opfer, wie z.B. das von Makaria, die sich aus eigenem Antrieb entscheidet, und das von Iphiginie, die es aus freien Stücken annimmt.

Nach Pherekydes folgt Apollonios von Rhodos (II 1195–1196); in seinem Gedicht erklärt JasonJason, warum er nach KolchisKolchis gefahren ist: καὶ πλόου ἡγεμονῆες, ἐπεὶ Φρίξοιο θυηλάς / στέλλομαι ἀμπλήσων, Ζηνὸς χόλον Αἰολίδῃσιν. Hier geht es aber um den Generationenfluch, ein anderes faszinierendes Thema des Athamas-Mythos. Der Autor überliefert einen anderen Text (A.R. III 190–191Apollonios von RhodosA.R. III 190–191), in dem die causa prima et ultima für Phrixos’ Flucht, nämlich Inos Intrige und Athamas’ Einwilligung zu seinem Tod auf dem Opferaltar, vorgelegt wird. In Apollod. I 9, 1ApollodorosApollod. I 9, 1 kann man zum ersten Mal von Athamas’ Schuld lesen, die in A.R. III 190–191 nur angedeutet wurde, denn Athamas ist derjenige, der als Mann, pater familias, und König Phrixos zum Altar bringt, das heißt, er gibt seine Genehmigung, dass diese Opferung stattfinden kann.

In der lateinischen Literatur bricht Hyg. Fab. IIHyginusFab. II das Bild von einem seinem Sohn gegenüber feindlich gesinnten Athamas bzw. von einer Figur, die gegen den Druck Inos und des Volkes zu schwach ist. Denn der Aiolide weigert sich, das Orakel auszuführen. Infolgendessen sollte sich Phrixos freiwillig hingeben, um für die ciuitas zu sterben.

Valerius Flaccus folgt Apollonios von Rhodos und spielt nur auf Grund der Thematik, und zwar des ArgonautenArgonautenzugs, auf Phrixos’ Opfer an. So kann man in Val.Flac. I 41–42Valerius FlaccusVal.Flac. I 41–42 lesen. In Val.Flac. I 520–521Valerius FlaccusVal.Flac. I 520–521 aber wird von Ino gesprochen, wenn auf den letzten Grund des Fehlversuches von Phrixos’ Tod auf dem Altar hingewiesen wird. In Val.Flac. I 45Valerius FlaccusVal.Flac. I 45, wo die Geschichte der ersten der zwei gerade erwähnten Passagen weitergeführt wird, verwendet Pelias ein Opferverb (mactat), um Phrixos’ Tod von Aietes’ Hand zu schildern1. In Val.Flac. I 277–280Valerius FlaccusVal.Flac. I 277–280 besingt Orpheus, der thrakische Weissager, nur Phrixos’ Anwesenheit vor dem Altar, voll von Opferinfulen, – daher wird dieser Text hier präsentiert –, obwohl Helle in Val.Flac. II 587–591Valerius FlaccusVal.Flac. II 587–591 auch mit den Opferinfulen erscheint. Der Grund liegt darin, dass sich Orpheus in Val.Flac. I 277–280Valerius FlaccusVal.Flac. I 277–280 nur kurz für die geplante Opferung von Phrixos und dessen FluchtFlucht vom Opferaltar interessierte. Letzlich trennt sich Jason in Val.Flac. V 479Valerius FlaccusVal.Flac. V 479 von Phrixos’ Ankunft in KolchisKolchis, weil der Aisonide nicht in diesem Land ankam, da er vor einer Opferung geflohen ist, wie es Phrixos damals getan hatte, sondern aus bestimmten anderen Gründen; auch hier, wie in Val.Flac. I 42Valerius FlaccusVal.Flac. I 42, ist Athamas daran schuld2.

Drei Scholien reden auch über das Versöhnungsopfer von Phrixos. Das erste ist das Schol. in A.R. II 652–654a WendelScholia zu Apollonios RhodiosSchol. in A.R. II 652–654a Wendel, wo nur gesagt wird, dass Phrixos vor dem Altar von ZeusZeus Laphystios flüchtete. Im Tz.Comm. Ar. Nu. 256a HolwerdaScholia zu AristophanesTz.Comm. Ar. Nu. 256a Holwerda willigt Athamas wieder in die Opferung ein. Im Schol. in Pl. Mx. 243a GreeneScholia zu PlatonSchol. in Pl. Mx. 243a Greene ist von Phrixos’ Opfer zu Ehren Apollons die Rede. Dies ist einer der Texte, in denen die Opfergabe sogar vor dem Darbringen am Opferaltar gerettet wird; er wird hier präsentiert, weil die Opferung durch den Eingriff einer höheren Macht – in diesem Fall Nephele mit Hilfe von HermesHermes – nicht erfüllt wird: Man hat nur das Orakel; Phrixos wird nicht zum Opferaltar gebracht.

Als StrafeStrafe

Es gibt nur einen Text, in dem Phrixos’ Opfer als echte StrafeStrafe verstanden wird: Hyg. Astr. II 20HyginusAstr. II 20. In dieser Passage stellt Hygin die TodesstrafeTodesstrafe von Athamas’ Sohn dar, nicht als einen Akt, um eine persönlich bzw. gemeinschaftlich einer Gottheit gegenüber begangene Schuld zu sühnen oder als einen Tribut, um die natürliche Ordnung wiederherzustellen, sondern um den frechen Missbrauch an Kretheus’ Frau zu bestrafen. Man muss annehmen, dass Phrixos auf dem Opferaltar dargebracht wurde, oder zumindest hatte es Athamas so beschlossen, nachdem er von seinem Bruder Kretheus überzeugt worden war. Dies ist das einzige explizite Beispiel von einem nicht als VersöhnungVersöhnung gebrachten Opfer.

Möglicherweise wurde die Opferung, die der Scholiast auf Pherekydes zurückgehen lässt, wie oben als Versöhnung verstanden, aber auch als eine echte StrafeStrafe, wenn es um Potiphars Thema bei Pherekydes ging. Der Grund für diese Opferung in der früheren Abteilung liegt in der Erwähnung der Konspiration der verdorbenen Früchte, weswegen es vernünftig ist anzunehmen, dass Phrixos dem Tode überantwortet wurde, eher um diese Schuld zu löschen als um eine nicht erwiderte Leidenschaft zu bestrafen.

c) Athamas

Wenn man sich an die chronologische Reihenfolge der Quellen hält, ist die nächstfolgende Gestalt, von der man sagt, dass sie geopfert würde, Athamas. Daraus folgt, dass Helle die letzte Figur dieser Version ist, die am Opferaltar dargebracht wird.

Als Versöhnung

Nie wird Athamas als ein deutliches Versöhnungsopfer präsentiert, obwohl das Schol. rec. in Ar. Nu. 257γ KosterScholia zu AristophanesSchol. rec. in Ar. Nu. 257γ Koster diesbezüglich zweideutig ist. Athamas’ Opferung wird üblicherweise als eine Rache von Nephele für das schlechte Benehmen ihres Mannes seinen Kindern gegenüber (er hat gestattet, dass sie zum Altar geführt wurden) angesehen. So war es im zweiten Athamas von Sophokles, wenn man dem Schol. in Ar. Nu. 257b HolwerdaScholia zu AristophanesSchol. in Ar. Nu. 257b Holwerda Glauben schenkt1.

Die Glosse Tz.Comm. Ar. Nu. 256a HolwerdaScholia zu AristophanesTz.Comm. Ar. Nu. 256a Holwerda verdeutlicht weder den Strafcharakter von Athamas’ Opferung noch ihre paradigmatische Eigenschaft: Sie erzählt den bloßen Ablauf der Geschichte.

Als ParadigmaParadigma

Dieses Modell ist eigentlich keine Art Opferung, sondern eine Beschreibungsart der vorhergehenden Opferung von Athamas bei Aristophanes. In Nu.AristophanesNu. 256–257 256–257 fragt Strepsiades eingeschüchtert: ἐπὶ τί στέφανον; οἴμοι, Σώκρατες, ὥσπερ με τὸν Ἀθάμανθ’ ὅπως μὴ θύσετε. Athamas’ Opferung sollte den Scholien nach bei Sophokles als ein Versöhnungsopfer verstanden werden; Aristophanes aber interessiert sich für diese Art Opferung nicht, sondern er beachtet die äußerliche Gestalt der Opfergabe, die bekränzt am Opferaltar dargebracht wird. Diese Gleichartigkeit des Erscheinungsbildes bringt Strepsiades auf den Gedanken, dass er, wie Athamas, ein Opfer sein könnte.

Auffällig ist, dass die Suda (α 702) das Wort ̓Αθάμας erklärt, indem sie sich auch auf Aristophanes’ Die Wolken bezieht, um Athamas’ Opferung als Muster derjenigen von Strepsiades zu verwenden. Das bedeutet, dass Athamas’ Opferung zum Prototyp solcher Opferungen geworden war. Dies geschieht aber nicht mit Phrixos’ Opferung, die nie als ParadigmaParadigma einer anderen Opferung verwendet wird.

 

Das Schol. rec. in Ar. Nu. 257cα-γ KosterScholia zu AristophanesSchol. rec. in Ar. Nu. 257cα-γ Koster, das auch ein Athamasopfer als ein Muster präsentiert, überliefert eine andere Version dieser Opferung. Hier wird eigentlich Athamas’ Opfer als eine Selbstbestrafung angesehen: Da er seine Versprechen an die Götter nicht einhalten kann, bestraft er sich selbst und gibt sich freiwilligfreiwillig dem Tod hin. Diese freiwillige Hingabe jedoch ist nicht das Gleiche wie jene von Phrixos in Hyg. Fab. IIHyginusFab. II; denn Athamas’ Sohn geht einen Schritt weiter, er will für das Vaterland sterben, der Aiolide aber tut es dem Scholion nach – zum Mindesten kann man den Text auf diese Weise verstehen –, weil es keine Opfergabe mehr gibt.

Geheimnisvoll ist anderenteils die Paraphrase von Tz.Comm. Ar. Nu. 256a HolwerdaScholia zu AristophanesTz.Comm. Ar. Nu. 256a Holwerda, um diese Textstelle zu deuten: ἐπὶ τί καὶ διὰ τί στέφανον ἐμοὶ δίδως, ὦ Σώκρατες; οἴμοι ἵνα ἐμὲ θύσητε, θύσετε, ἰωνικῶς, ὅπως καὶ ὥσπερ τὸν Ἀθάμαντα.

Als Katharsis

Dies ist die dritte Art Opferung, die die Reinigung einer Person, eines Ortes bzw. eines Gegenstandes zum Ziel hat.

Am Ende von Hdt. VII 197HerodotHdt. VII 197 ist zu lesen: διότι καθαρμὸν τῆς χώρης ποιευμένων Ἀχαιῶν ἐκ θεοπροπίου Ἀθάμαντα τὸν Αἰόλου καὶ μελλόντων μιν θύειν. In diesem Text geht es um die Reinigung von AlosAlos, obwohl die Ursache der Beschmutzung in dem sehr lückenhaften Text nicht genannt wird. Auf jeden Fall wird auch diese Opferung nicht ausgeführt, auch wenn die Auswirkungen ganz anders werden: Wenn Athamas in dem Versöhnungsopfer von Phrixos und Helle den erwähnten Scholien zu Aristophanes’ Die Wolken1 nach von Nephele bestraft wird – das heißt, dass die Opferung dem Versöhnungsopfer als echte StrafeStrafe folgt2 –, führt die Opferung als Katharsis zum Fluch der Nachkommenschaft von Kytissoros, der Athamas in extremis vor der Opferung gerettet hat. Dies ist das einzige Beispiel von einer Opferung als Reinigung im Mythos von Athamas.

d) Athamas’ Nachkommenschaft

Drei Arten von Opferungen sind mit den Athamantiden verbunden, obwohl die zweite eher eine Beschreibungsweise als ein Opfer ist. Am auffälligsten ist, dass sich zwei der vier Quellen über diese Opferung nicht auf den Mythos von Athamas konzentrieren, sondern im Lauf der Geschichte Informationen über Prüfungen bzw. Opfer innerhalb des Klans der Athamantiden überliefern.

Als EinweihungEinweihung

Nur in Hdt. VII 197HerodotHdt. VII 197 wird eine Opferung dargestellt, die alle Merkmale eines Initiationsopfers hat. In diesem Text wird erzählt, dass der älteste der Familie der Athamantiden aus einer Probereihe ausbrechen sollte. Die Passage berichtet eine wenig geordnete Sequenz, die auch leider manchmal widersprüchlich ist. Die Textlücke verhindert eine sinnvolle Verbindung zwischen dem ersten Teil, der sich auf Phrixos’ Nachkommenschaft bezieht, und dem zweiten, in dem es um Kytissoros’ Abstammung geht. Der erste Zweifel taucht bei der Identifizierung von ‚jeder‘ im Ausdruck τοῖσι ἐκείνου ἀπογόνοισι auf. Meiner Meinung nach ist diese Nachkommenschaft die von Phrixos, wenn man sich vor allem auf das Schol. in A.R. II 652–654a WendelScholia zu Apollonios RhodiosSchol. in A.R. II 652–654a Wendel beruft.

Alle diese Proben passen sehr gut zur Opferung als EinweihungEinweihung: Der älteste des Klans beweist seinen Wert oder verliert ansonsten sein Leben. Interessant wäre zu wissen, ob der Umzug gelegentlich in einer echten Opferung der Opfergabe endete oder nicht. Der folgende Text gibt eine Antwort darauf.

Als Beispiel von Pietätlosigkeit (impietas)

Der Autor von Minos, das normalerweise auf Platon zurückgeführt wird, berichtet die barbarische Sitte von Menschenopfern einiger griechischen Völker: καὶ μὴ ὅτι βάρβαροι ἄνθρωποι ἡμῶν ἄλλοις νόμοις χρῶνται, ἀλλὰ καὶ οἱ ἐν τῇ Λυκαίᾳ οὗτοι καὶ οἱ τοῦ Ἀθάμαντος ἔκγονοι οἵας θυσίας θύουσιν Ἕλληνες ὄντες. Der Text gestattet nur diese Bezeichnung, denn man erfährt nicht, ob die Opferung als VersöhnungVersöhnung, als StrafeStrafe, als Katharsis oder vielleicht als EinweihungEinweihung gelten kann. Im Prinzip sind Athamas’ Nachkommen nicht die Opfergaben dieser Sitte – auch wenn es nicht total ausgeschlossen werden kann –, sondern sie sind die Täter dieser Opferungen. Es ist aber denkbar, dass die Opfergaben zu demselben Klan gehörten, denn man spricht selbst bei den Karthagern über Opferungen von eigenen Kindern.

Als Versöhnung

Zwei Texte werden in dieser Abteilung eingeschlossen, die eigentlich als eine einzige Textstelle gelten1, weil es um ein undeutliches Wort im von Ino erfundenen Orakel geht. Athamas hatte in die Opferung eingewilligt, wie es das falsche Orakel forderte. Da man von einem Mitglied des Stammes von Athamas (τῆς αὐτοῦ γονῆς) spricht, obwohl sich das Orakel gegen Phrixos richtete, ist es m.E. angemessen, diese neue Abteilung zu eröffnen.

e) Von Phrixos und Helle

Die Eingliederung von Helle1 zum Opfer von Phrixos geschieht viel später, wenn Palaiphatos’ Text ausgeschlossen wird. Darüber hinaus sind alle Texte, die über Phrixos und Helle sprechen, von einer einzigen Art von Opferung, nämlich der als VersöhnungVersöhnung, geprägt; dies ist ein weiterer Beweis der Gleichförmigkeit der Traditionen über die zwei Kinder von Nephele vor dem Opferaltar.

Als VersöhnungVersöhnung

Der erste Autor, der diese Art der Opferung beschreibt, ist, wie bereits erwähnt, Palaiphatos, 4. Jh. v. Chr. Allerdings stellt der Text nicht die Opferung von Phrixos und Helle, nicht einmal das Orakel bzw. die Konspiration gegen Athamas’ Kinder, dar. Die Geschichte beginnt mit der Enthüllung der Intrige von Athamas durch den Widder – es ist denkbar, dass alles in der königlichen Schafherde stattfindet. Im ersten Teil des Textes wird die mythische Erzählung präsentiert, im zweiten Teil wird eine rationale Erklärung überliefert. In diesem letzteren Teil, der bruchstückhaft ist, wird nicht über Athamas’ Intrige gegen Nepheles’ Kinder, sondern nur gegen Phrixos berichtet, denn ein Gutsverwalter namens Widder beauftragt nur ihn, und nicht beide, sich weit weg zu begeben. Der Titel dieser Abteilung (VersöhnungVersöhnung) ist m.E. der richtige, denn die Opferung als StrafeStrafe1 kann nicht in erster Instanz für das Opfer von Phrixos, mit oder ohne Helle, betrachtet werden. Hier werden auch nicht Nepheles Kinder zum Opferaltar kommen, denn das Eingreifen des Widders, ob er nun ein Mensch oder ein Tier ist, verhindert die verbrecherische Absicht von Athamas.

Der zweite Text ist Paus. IX 34PausaniasPaus. IX 34 5–9, der auf eine Darstellung aus Stein auf dem Berg Laphystion hinweist. Dieses Bild in einem heiligen Bereich kann keinesfalls eine Erfindung ex nouo irgendeines Künstlers sein; dahinter muss eine Tradition stehen, die dieses Bild unterhält. Leider kann man vom literarischen Beleg des Pausanias aus nicht sehr weit gehen. In Zen. Vulg. IV 38ZenobiosVulg. IV 38 werden beide Kinder Protagonisten des Orakels und der Opferung. Wie bei Pausanias werden die Kinder in extremis durch einen wunderbaren göttlichen Eingriff gerettet. In Eust. ad Il. II 409, 5–8Eustathios von Thessalonikead Il. II 409, 5–8 werden die Namen von Phrixos und Helle nicht erwähnt; es wird nur auf Inos Animosität gegen Nepheles Kinder angespielt. Wie bei Palaiphatos kommen Phrixos und Helle nicht am Opferaltar an. In Eudoc. 25 D’AnsseEudokiaEudoc. 25 D’Ansse – eine Textstelle, die für diesen Punkt mit Apostol. XI 58ApostoliosApostol. XI 582 und Schol. th-tr. in Ar. Nu. 257a KosterScholia zu AristophanesSchol. th-tr. in Ar. Nu. 257a Koster übereinstimmt – werden Phrixos und Helle auch nicht zum Opferaltar gebracht, denn der Widder verhindert es. Das Orakel von Delphi aber hatte den Tod beider Kinder gefordert: τὸν αὐχμὸν ἔχρησεν ἡ Πυθία, εἰ μὴ τοὺς τῆς Νεφέλης θύσαιεν παῖδας.

Ovid führt sie bis zum Opferaltar in Fast. III 861OvidFast. III 861–862. Das Orakel forderte den Tod von Helle und Phrixos; Athamas ist damit nicht einverstanden, aber am Ende muss er aufgeben. Dann et soror et Phrixus, uelati tempora uittis / stant simul ante aras iunctaque fata gemunt. Sowohl inMythographi VaticaniM.V. I 23 M.V. I 23 wie in M.V. II 157Mythographi VaticaniM.V. II 157, wo der Widder sie vor der Gefahr warnt, wird berichtet: Yno eum, qui missus fuit, corrupit ut referret oraculo dictum filios Nubis immolandos. Das Risiko ist real, denn ihr Vater Athamas hatte Angst vor dem Volk und überlässt sie der Willkür der Stiefmutter Ino.

Wie in allen Texten, in denen über die Herde gesprochen wird, kommen Phrixos und Helle nicht zum Opferaltar. So kann man im Schol. in A. Pers. 70–72 Massa PositanoScholia zu AischylosSchol. in A. Pers. 70–72 Massa Positano lesen. Allerdings sollte das Scholion in diese Abteilung eingeschlossen werden, weil das Orakel das Opfer beider Kinder von Athamas zu Ehren von ApollonApollon verlangt. Etwas Ähnliches ist auch im Schol. rec. in A. Pers. 70 DindorfScholia zu AischylosSchol. rec. in A. Pers. 70 Dindorf zu lesen. Im Schol. in A.R. Proleg. WendelScholia zu Apollonios RhodiosSchol. in A.R. Proleg. Wendel richtet sich das Orakel gegen Nepheles Kinder, die getötet werden sollen. Im Schol. in Hes. Th. 993a Di GregorioScholia zu HesiodSchol. in Hes. Th. 993a Di Gregorio wird die Sichtweise geändert: Die Opferung wird nicht auf dem Altar ausgeführt, wie es bis jetzt üblich war; man denkt an eine grausamere Qual: ὅθεν ἐν θαλάσσῃ ῥιφέντες Φρίξος καὶ Ἕλλη. Es ist das einzige Mal, dass diese Bestrafung genannt wird. Letztlich fordert Ino von den Weissagern im Schol. in Lyc. Alex. 1285 ScheerScholia zu LykophronSchol. in Lyc. Alex. 1285 Scheer: εἴπατε ὡς, εἰ μὴ οἱ τοῦ Ἀθάμαντος σφαγιασθῶσιν οἱ παῖδες, οὐ δώσει καρπὸν ἡ γῆ. Phrixos und Helle kommen auch hier nicht zum Altar. Dies ist auch das einzige Mal, da der genaue Wortlaut Inos erwähnt wird.

f) Kytissoros’ Nachkommenschaft

Es gibt nur einen sehr alten Beleg (5. Jh. v. Chr.), und zwar als StrafeStrafe.

In Hdt. VII 197HerodotHdt. VII 197 endet die zugleich mythische und reale Erzählung mit dem Fluch des ZeusZeus über die zukünftigen Geschlechter von Athamas’ Enkelsohn, der seinen Großvater vom Opferaltar gerettet hatte. Diese Tat führt zu einer Reihe von Prüfungen1, die die Opferung eines der Nachkommen von Kytissoros im Lauf der Zeit verursachen kann.

g) Die Fremden

Im Text von Dionysios Skytobrachion heißt es, dass Aietes anlässlich eines fremdenfeindlichen Orakels sich entschied, alle Fremden zu töten: Sein Leben war eigentlich in Gefahr und er wollte sich damit schützen. Das Verb θύειν, üblicherweise für die Opferung verwendet, wird hier benutzt; auch wenn die Möglichkeit eines rituellen Mordes an dem Fremden nicht ausgeschlossen werden kann, ist es aber viel wahrscheinlicher, dass man sich hier auf die große Anzahl von Getöteten als offizielles Opfer bezieht. Man könnte an eine Versöhnungsopferung denken, obwohl diese auch als Katharsis angesehen werden mag.

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