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Die schönsten Märchen

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Schab den Rüssel

In einer großen deutschen Stadt war einmal eine fürstliche Hochzeit, die herrlich ausgerichtet wurde, da gab es Aufzüge und Festlustbarkeit aller Art, Gaukler und Springer und Bettelleute über alle Maßen viel. Unter letzteren befand sich auch ein Bettler, der sein Almosenheischen als förmliches Gewerbe trieb, gleichwohl hatte er an diesem Festtage kein absonderliches Glück, denn jeder hatte mit sich zu tun; man lief, man rannte, man stieß und wurde gestoßen, drängte und wurde gedrängt, gaffte und schaute und hatte keine Zeit, den Säckel zu ziehen, war auch selbiges gar nicht angeraten, denn wenn eine freche Hand den Säckel wegriß, so war er da gewesen. Das wurmte aber den Bettler über die Maßen, daß er an dem Tage, an welchem er sich just eine große Ausbeute an reichlich fallenden Almosen versprochen hatte, so gar nichts erhielt, und er murrte unwillig vor sich hin: »Ist denn die ganze Stadt ein Dürrhof geworden? Da muß der Donner hineinfahren und der Teufel drinsitzen! Ei, so wollt ich doch lieber den Teufel um ein Almosen angehen als euch Geizrachen und Hungerleider! Wie viele Gebete habe ich nicht schon heute gesprochen, wie viele Litaneien heruntergehaspelt und nicht einmal Gelegenheit gehabt, zu sagen: »Küß die Hand Euer Gnaden, vergelt‘s Gott!« Während der Bettler so murrte, ging ein kleines hinkendes Männlein in einem grünen Samtröcklein an ihm vorüber, das trug einen schwarzen spanischen Hut und darauf eine rote Feder und schaute sich halb um nach dem Bettler, wobei ein scharfblitzendes Auge und eine sehr stattliche, stark gebogene Adlernase sichtbar wurden. Der Bettler vergaß auf der Stelle seinen Vorsatz, niemanden an diesem Tage ferner anzusprechen, schritt vielmehr dem kleinen Grünrock nach, drängte sich an ihn, hielt ihm seinen Schlapphut vor und begann seinen Bettlersermon in Form eines Stoßgebetes. Der Grünrock zog ein grimmiges Gesicht und rief mit heiserer Stimme dem Bettler zu: »Halte gleich dein Maul, du Lump! Mit solcherlei Redensarten gewinnst du mir nichts ab. Du weißt nicht, wen du um ein Almosen angehst, und hast‘s doch vorhin gelobt!«

Mit diesen Worten schritt der Grünrock in einen Straßenwinkel, in welchem man freier stehen konnte, weil das Volksgewimmel in der Straße rastlos vorüberwogte, und der Bettler folgte ihm, weil er sah, daß der Grüne in die Tasche griff, auf alle Fälle, um aus derselben eine Gabe für ihn hervorzuholen. Dieses tat letzterer denn auch, er zog eine kleine eiserne Raspel mit kurzem Holzstiel hervor und sagte: »Dies kleine Werkzeug kann und wird all deiner Not ein Ende machen, wenn du meinem Rate folgen willst. Du brauchst damit nur einmal über die Lippen zu streichen und zu sagen: ›Schab den Rüssel‹, so fällt dir ein Goldstück vom Maule. Da aber umsonst nur der Tod nach dem Sprichwort ist, und das Sprichwort zumal ein Lug, denn der Tod kostet das Leben, so wirst du es billig finden, daß ich auch von dir einiges begehre.«

»Was Eure Gnaden nur befehlen! Ich stehe zu Dienst!« rief vor Freude zitternd der Bettler und blickte unverwandt nach der neuen eisernen Raspel.

»Du darfst erstens keine Reimgebetlein mehr sprechen, überhaupt hinfüro weder beten noch betteln, darfst in keine Kirche gehen, darfst nicht heiraten, und nach sieben Jahren muß deine Seele mein sein. Wenn dich jemand mit Schimpfreden antastet, wenn ein Richter einen dir ungünstigen Spruch fällt, wenn einer dir was nachredet, das dir übel gefällt, dann ziehe nur diese Raspel aus der Tasche und sprich, ohne sie an deine Lippen zu bringen: ›Schab den Rüssel‹, so wird sie jenem dir Übelwollenden dermaßen über das Maul fahren wie ein stets rechthabender Amtmann dem armen Bäuerlein, und sie werden selbiges dann ganz sicherlich halten.«

Obwohl der Bettler nun merkte, wer dieser gewisse Grünrock war, und ihn eine Gänsehaut bei dieser Wahrnehmung überlief, so erschien ihm das Anerbieten doch so übel nicht, denn Geld war ihm das Höchste, und um seine Seele hatte er sich nie sonderlich bekümmert. Gebet und Kirchengehen zu meiden, fiel ihm auch nicht schwer, denn bei seinen Gebeten, die er beim Betteln mechanisch herleierte, hatte er sich niemals etwas gedacht, und sein Kirchenstand war immer außen, vor den Kirchentüren gewesen. Er sagte also zu, und der Grünrock sagte, er wolle am andern Morgen zu ihm kommen und die Verschreibung mitbringen, zur Unterschrift — um Lebens und Sterbens willen, denn etwas rot auf weiß müsse er haben, und wenn der Bettler den Pakt nicht gewissenhaft halte, so verfalle die Seele dem Grünen dann alsbald. »Das Kunststück mit dem Schab den Rüssel, um Geld zu erzielen«, setzte der Grüne noch hinzu, »kann des Tages nur einmal, und zwar bloß früh nüchtern ausgeübt werden.«

Der Grünrock hinkte hinweg und verlor sich bald unter dem Volksgewimmel, der Bettler aber hielt beständig die Hand auf seiner linken Hosentasche, in welche ihm jener die Raspel gesteckt hatte, daß nicht etwa ein Taschendieb sie ihm stibitze, ging gegen seine Gewohnheit diesen Abend in kein Wirtshaus und konnte vor Erwartung die ganze Nacht nicht schlafen. Er hatte die Raspel in ein Tüchlein gebunden und sich um den Hals, um ja nicht darum zu kommen.

Mit dem Morgengrauen war er schon auf, holte eine Schüssel, zog die Raspel hervor, strich sie über sein breites Maul und sprach: »Schab den Rüssel!« Plautz, plumpste ein funkelnagelneuer Kremnitzer klingend in die Schüssel — indes fuhr zugleich etwas Haut von der Lippe. Aber der Strolch achtete nicht den Schmerz; er arbeitete wie ein Schlosser mit der Feile auf seinem Maule herum. »Schab den Rüssel, schab den Rüssel, schab den Rüssel!« — Das ging ganz flott, und es fiel förmlich ein goldener Regen, wie in der heidnischen Götterfabel, als Zeus der Danae seine Aufwartung machte, nur wissen die Gelehrten leider nicht so recht eigentlich zu sagen, ob es jenesmals auch Kremnitzer regnete oder ob es vielleicht Regenbogenschüsselchen gewesen sind. Jetzt blutete dem Raspelkünstler das Maul ziemlich arg, und da kam der Grünrock und hatte ein Pergament und eine frisch, aber verkehrt geschnittene Feder, die tunkte er auf seines Mannes blutende Lippen wie in ein rotes Tintenfaß, und jener mußte seinen Namen unter den Vertrag setzen — worauf alsbald der Grüne wieder verschwand und den Pakt mit sich hinweg nahm, zuvor aber ließ er ein Büchschen mit Lippenpomade zurück, die mehr nach Schwefel als nach Rosenöl roch, um die kleinen Wunden zuzuheilen, und fügte noch die Warnung hinzu, nicht gar zu häufigen Gebrauch von der Raspel zu machen, sonst werde der Raspler stetig ein böses Maul haben, und mit nichts mehr, als mit einem solchen, mache man sich der Polizei verdächtig und werde gar nicht gut angeschrieben.

Andern Tages hatte der Kremnitzer Goldmund einen greulichen Grind auf seinen Lippen, aber er hatte, seiner Meinung nach, noch lange nicht genug Kremnitzer, fing daher aufs neue an, seinen Rüssel zu schaben, daß es nur so in die Schüssel prasselte; er litt freilich dabei abscheuliche Schmerzen, und die Lippen schwollen ihm auf wie zwei braune teilweise beim Braten zerplatzte Bratwürste, aber er gewann doch vieles Gold. Er konnte nur mit verbundenem Munde ausgehen, ging indessen doch abends in ein Zechhaus und ließ einige seiner Goldvögelein fliegen, schlemmte und war fröhlich mit seinen vormaligen Bettelbrüdern, gleichwohl spotteten diese ihn aus über sein Schwartenmaul; er müsse des Teufels Großmutter geküßt haben! sagten sie, und als ihn das ärgerte, so zog er die Raspel hervor, sprach heimlich und leise »Schab den Rüssel«, und plötzlich tanzte unsichtbar die Raspel dem Zechgesellen, der den Witz gerissen, auf den Lippen herum, ohne daß aber Gold herunterfiel, daß derselbe vor Schmerz laut aufschrie — worauf sich jener zurückzog und sich selbst das Wort gab, fortan solche gemeine Gesellschaft zu meiden. Er ließ nun die Raspel, so viel er‘s irgend aushalten konnte, auf seinem Maule fleißig arbeiten und begann den Aufbau eines neuen Hauses, den er eifrig betrieb. Über die Türe ließ er schreiben »Zum Schab den Rüssel« und nahm den vornehmen Namen Chrysostomus an, welcher zu deutsch Goldmund lautet.

Herr Chrysostomus zum Schab den Rüssel wurde immer reicher und reicher, und es war nur schade, daß er stets mit verbundenem Munde ging, weshalb sich die Mär im Volke verbreitete, sein Mund sei kein Mund, sondern ein kleiner Saurüssel, aber von Golde, davon schabe er immerfort ab, und daher rühre sein Reichtum. Weil er nun keinem Armen etwas gab, so kam die Redensart auf, die sich hernachmals im ganzen deutschen Reiche verbreitete, die jeden geizigen Reichen einen schäbigen Mann nennt.

Herr Chrysostomus zum Schab den Rüssel lebte herrlich und in Freuden; wer ihm was zuwider tat oder sagte, den ließ er tüchtig von der Raspel bearbeiten, so daß alle auf der Stelle das Maul hielten, und selbst die Polizei, als sie ihm ob seines eigenen bösen Maules zum ersten Male zu Leibe wollte, wurde derartig geraspelt, daß sie sich nimmer wieder an Herrn von Chrysostomus zum Schab den Rüssel zu vergreifen wagte.

So gingen die sieben Jahre herum, und da kam der Grünrock wieder, willens, nun die verfallene Seele in Empfang zu nehmen. Der Türsteher des Herrn Grafen Chrysostomus von und zum Schab den Rüssel wollte den Grünen nicht zu seinem Herrn lassen, weil er ihn für einen vagabundierenden Jäger hielt, der kleine Grünrock aber stellte dem großen Türsteher ein Bein, daß er hinplumpste wie ein Nußsack.

Seine Erlaucht, der Herr Graf, lagen auf dem Sofa, lasen die Zeitung, hatten neben sich etwelche Fläschchen Ungarwein stehen und rauchten türkischen Tabak, als der Grünrock in das herrlich ausgeschmückte Spiegelzimmer trat.

»Was gibt‘s? Was soll es?« fragten der Herr Graf in übler Laune, daß jemand sich unterfing, unangemeldet einzutreten. »Man wende sich an den Kammerdiener!«

»Habe mit dir selbst zu sprechen, mein Wertester!« entgegnete der Grünrock. »Deine Zeit ist um! Hier ist der Pakt. Auf, zum Abmarsch! Jetzt heißt es nicht mehr Schab den Rüssel, sondern Schab ab!«

 

Seine Erlaucht, der Herr Graf von und zum Schab den Rüssel, fitzten ein viereckiges Lorgnettenglas, das an einer Schnur hing, vor das rechte Auge und blinzten damit nach dem Grünrocke hin, indem Hochdieselben einmal gähnten und dann sprachen: »Was? Zeit? Pakt? Abmarsch? Schab den Rüssel! — Dummheit!«

Sowie des Herrn Grafen Erlaucht das Wort Schab den Rüssel aussprachen, fuhr die Raspel dem Grünrock über das Maul und raspelte dieses, daß ihm Hören und Sehen verging. Der dumme Teufel, kein anderer war der Grünrock, hatte vergessen, die Eigenschaft des Rüsselschabers diesem nicht als eine allgemeine zu verleihen — der Herr Graf trommelten mit den Fingern der linken Hand auf dem Tisch einen Schottischen im Zweivierteltakt und brummten dazu:

»Schab den Rüssel, schab den Rüssel, schab den Rüssel!

Hopsasa!

Schab den Rüssel, schab den Rüssel, schab den Rüssel!

Trallalla!«

Dem Teufel wurde übel und weh bei diesem Tanze, er schrie, daß das ganze Haus zum Schab den Rüssel erbebte, und endlich fiel er auf die Knie und bat des Herrn Grafen erlauchte Gnaden fußfällig um Gnade und Einhalt.

Des Herrn Grafen Erlaucht bliesen dem Teufel eine Wolke von türkischem Tabakdampf in das Gesicht und streckten, ohne ihre liegende Stellung zu verändern, ihre Hand aus, indem sie nur die zwei Worte sagten: »Meinen Pakt!« worauf der Teufel den Pakt hinreichte. Der Herr Graf überzeugten sich, daß es der rechte sei und nicht etwa ein untergeschobener, dann zerrissen Hochdieselben ganz gemächlich das Pergament mit ihrer roten Namensunterschrift und sprachen: »So mag es gut sein! Sei so gut, wische dir das Maul und triff das Loch. Die Raspel aber läßt du mir zum Andenken, ich will sie bei löblicher Polizei —«

»Halte dein Maul, alberner Narr!« unterbrach ihn der Teufel, »das hättest du eher sagen müssen. Der Pakt ist zerrissen, und die Raspel ist wieder mein. Für solch ein unschätzbares Werkzeug wie sie bekomme ich ganz andere Seelen als die deine ist, du Lump! O daß ich an dich könnte! Aber harre nur und wehe dir, wenn du einst doch zu mir kommst — da will ich auch sagen, an dem Orte, wo Heulen und Zähneklappern ist: ›Schab den Rüssel.‹«

Der fromme Ritter

Es war einmal ein tapfrer Rittersmann, er war gar ehrbar und fromm, mannlich im Streite, gottesfürchtig daheim. Wenn er von seiner Burg ausritt oder zu ihr hinritt, führte ihn der Weg jedesmal über einen großen Leichenacker, auf welchem schon in uralten Heidenzeiten die Toten aus dem ganzen Gau verbrannt worden waren, deren Asche man dann in hohen Hügeln beisetzte; später war dort eine Schlacht geschlagen worden, und man hatte die in derselben Gefallenen ebenfalls an Ort und Stelle beerdigt; in der christlichen Zeit war eine Gottesackerkirche dorthin gebaut worden, und eine Anzahl nahe liegender Dorfgemeinden begrub nahe derselben, wo auch der Weg nach des Ritters Burg vorüberführte, ihre Verstorbenen. So oft nun der fromme Ritter zum Kampfe ritt oder wenn er heimkehrte, sprach er jedesmal, wenn er an der Totenkirche vorüberkam, ein Gebet für die Ruhe der Toten.

So ritt er furchtlos und gottgetrost zu jeder Tages- oder Nachtzeit über den stillen Leichenacker, im Dunkel der Nacht oder im klaren Mondscheine, der die weißen Grabsteine hell beleuchtete und mit seinem Silberschimmer die seitwärts gelegenen, uralten grünen Hünenhügel überspann.

Eines Tages war der fromme Ritter auch ausgezogen und hatte seine Geschäfte verrichtet, als ihm gegen Abend eine feindliche Schar auf seinem Heimwege in einem Hinterhalte auflauerte und ihn plötzlich mit Macht angriff. Zwar fürchtete er sich keineswegs, zog vielmehr seine gute Wehre und verteidigte sich tapfer gegen seine Widersacher, allein er war nur ein Mann, und jener waren viele, daher blieb ihm nichts übrig als Flucht, zu der er rasch sein treues Roß wendete. Aber alsbald war die ganze Schar seiner Verfolger hinter ihm her, mit wildem Geschrei und Toben, und der fliehende Ritter mußte auf Tod und Leben reiten; es war eine wilde Jagd. Da erreichte der Fliehende das Totenfeld, darüber reitend er so oft gebetet hatte: »Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir!« die Worte des einhunderteinunddreißigsten Psalms, den man für die Ruhe und den Frieden der Toten betet und zur Vergebung der Sünden. Dieses Mal aber vermochte der Ritter nicht, den ganzen Psalm zu sprechen, er sprach nur in seiner Angst: »Aus der Tiefe — aus der Tiefe — «

Und siehe, da stieg es aus der Tiefe — aus den Männergräbern, scharenweis, die bleichen Gerippe, die hohen Hünen, die entschlafenen Mannen, und sie hoben bewehrte Arme und standen zwischen dem fliehenden Ritter und seinen Feinden und Verfolgern, eine beinerne Mauer, und jenen ergrausete die Seele, und die Rosse scheuten und sprangen, sich bäumend, zurück.

Sicher kam der fromme Ritter zurück nach seiner festen Burg, und nie wieder wagten seine Feinde, ihm aufzulauern. Die Toten, für die er gebetet, hatten ihn dankbar und treu geschirmt.

Das Mäuslein Sambar oder Die treue Freundschaft der Tiere

In einem weiten Walde war des Wildes viel und stand darin ein großer Baum mit vielen Ästen, auf dem hatte ein Rabe sein Nest. Da sah er zu einer Zeit den Vogelsteller kommen und ein Garn unter den Baum spannen, erschrak und bedachte sich und dachte: Spannt dieser Weidmann sein Jagdzeug deinetwegen oder wegen andrer Tiere? Das wollen wir doch sehen! Indem so streute der Vogelsteller Samen auf die Erde, richtete sein Garn und stellte sich auf die Lauer. Bald darauf kam eine Taube mit einer ganzen Schar andrer Tauben, deren Führerin sie war und da sie den Samen sahen und des Garns nicht acht hatten, so fielen sie darauf und das Netz schlug zusammen und bedeckte sie alle. Des freute sich der Vogler und die Tauben flatterten unruhig hin und her. Da sprach die Taube, welche die Führerin war, zu den andern Tauben: »Verlasse sich keine auf sich allein und habe keine sich selbst lieber als die andern, sondern lasset uns alle zugleich aufschwingen, vielleicht, daß wir das Garn mit in die Höhe nehmen, so erledigt eine jegliche sich selbst und die andern mit ihr.« Diesem Rate folgten die Tauben, flogen zugleich auf und hoben das Garn mit in die Lüfte. Der Vogelsteller hatte das Nachsehen und das Nachlaufen, um zu gewahren, wo sein Netz wieder herab zur Erde fallen werde; der Rabe aber dachte bei sich: Du willst doch auch nachfolgen und sehen, was aus diesem Wunder werden will.

Als die kluge Führerin der Tauben sah, dass der Jäger ihrem Fluge nachlief, sprach sie zu ihren Gefährtinnen: »Sehet, der Weidmann folgt uns nach; beharren wir auf der Richtung über dem Wege, so bleiben wir ihm im Gesicht und werden ihm nicht entgehen, fliegen wir aber über Berge und Täler, so vermag er uns nicht im Auge zu behalten und muß von seiner Verfolgung abstehen, da er daran verzweifeln wird, uns wiederzufinden. Nicht weit von hier ist eine Schlucht, da wohnt eine Maus, meine Freundin, ich weiß, daß, wenn wir zu ihr kommen, sie uns das Netz zernagt und uns erlöst.«

Die Tauben folgten dem Rat ihrer Führerin und kamen dem Vogler aus dem Gesicht. Der Rabe aber flog langsam hinter ihnen her, um zu sehen, was aus dieser Geschichte werden würde und auf welche Weise sich wohl die Tauben von dem Netz erledigen würden, und ob er nicht lernen werde, in eigener Gefahr ihr Rettungsmittel zu gebrauchen.

Indessen erreichten die Tauben jene Schlucht, wo das Mäuschen wohnte, ließen sich nieder und sahen, daß die Maus wohl hundert Löcher und Aus- und Eingänge zu ihrer unterirdischen Wohnung hatte, um an vielen Enden bei drohender Gefahr sich verbergen zu können. Die Maus hieß Sambar, und die kluge Taube rief nun der Freundin: »Sambar, komm heraus!«

Da rief das Mäuslein inwendig: »Wer bist du?«

Und da rief die Taube: »Ich bin es, die Taube, deine Freundin!«

Und da kam das Mäuslein, guckte aus einem der Löcher vorsichtig und fragte: »O liebe Gesellin, wer hat dich so überstrickt?«

Da sprach die Taube: »O liebe Freundin! Weißt du nicht, daß keiner lebt, dem Gott nicht ein widerwärtiges Verhängnis schickt? Und der Betrügerinnen arglistigste ist die Zeit! Sie streute mir süße Weizenkörner und verbarg meinen Augen das trugvolle Netz, so daß ich mit meinen Freundinnen hineinfiel. Niemand verwahret sich der Schickung, die von oben kommt, ja Mond und Sonne leiden auch Verfinsterung, und aus des Sees grundloser Tiefe lockt der Menschen Trug den Fisch, wie er den Vogel aus der Lüfte Meer herab in seine falschen Schlingen zieht.«

Als die Taube dies mit vieler Beredsamkeit gesprochen, begann die Maus das Netz zu zernagen, und zwar an dem Ende, wo ihre Gespielin, die Taube, lag, diese aber sprach: »Fange an bei den andern, meinen Schwestern, und wenn du sie alle erledigt hast, dann erledige auch mich.«

Aber die Maus folgte ihr nicht, ob sie gleich wiederholt bat, und wie sie noch einmal die Maus darum ansprach, so fragte diese: »Was sagst du mir dies so oft, als ob du nicht auch wünschtest, frei zu sein?«

Darauf antwortete die Taube: »Laß meine Bitte dir nicht mißfallen; diese meine Schwestern haben mir vertraut als ihrer Führerin; sie folgten willig mir und voll Vertrauen, und durch meine Unvorsichtigkeit gerieten sie unter das Netz, darum ist es billig, daß ich auf ihre Erlösung eher denke als auf die meinige, zumal es nur durch ihre gemeinsame Hilfe gelang, auch mich zu erheben samt des Voglers Garn. Auch möchtest du ermüden bei den andern, weißt du aber mich, deine liebste Freundin, noch im Netz, so wirst du mich nicht verlassen.«

Darauf sprach das Mäuslein: »O liebe gute Taube, Taubenherz; viele Ehre macht dir diese Gesinnung und muß die Liebe stärken zwischen dir und deinen Gesellinnen.« Und sie zernagte das Netz allenthalben, und die Tauben flogen frei und fröhlich ihren Weg, die Maus aber schlüpfte wieder in ihr Löchlein.

Das alles hatte der Rabe, der in der Nähe sich auf einem Baum niedergelassen hatte, gesehen und mitangehört, und er hielt hierauf ein Selbstgespräch: »Wer weiß«, sprach er, »ob ich nicht auch in gleiche Lage und Gefahr komme wie diese Tauben. Dann ist es doch gar herrlich, edle Freunde zu haben, die uns aus der Not helfen. Mit dieser Maus möchte mir Freundschaft allewege frommen!«

Und da flog er von seinem Baum und hüpfte zu der Schlucht und rief: »Sambar, komm heraus!«

Und drinnen rief das Mäuselein: »Wer bist du?«

Da sprach er: »Ich bin der Rabe und habe gesehen, was deiner lieben Freundin, der Taube, begegnet ist und wie Gott sie erledigt hat durch deine Treue, deshalb komme ich, auch deine Freundschaft zu suchen.«

Da sprach Sambar, das kluge Mäuslein, ohne daß es hervorkam: »Es kann nicht Freundschaft sein zwischen dir und mir; ein Weiser strebt nur zu erlangen das, was möglich ist, und für unweise gilt, der das Unmögliche erringen will. So führe einer Schiffe übers Land und Karren übers Meer. Wie könnte zwischen uns Gesellschaft sein, da ich dein Fraß bin und der Fresser du?«

Da sprach der Rabe: »Mäuselein, versteh mich wohl und sinn meiner Rede nach. Was frommte mir, fräße ich dich auf, dein Tod! Dein Leben soll mir hilfreich sein und deine Freundschaft so beständig wie Ambra, das lieblich duftet, ob man auch verhüllt ihn trägt.«

Darauf sprach die Maus: »Wisse, Rabe, der Haß der Begierde ist der größte Haß. Löwe und Elefant hassen einander ihrer Stärke halber, das ist ein edler und gleicher Haß des Mutes und des Streites; aber der eingefleischte Haß des Starken gegen den Schwachen, das ist ein unedler und ungleicher Haß; so haßt der Habicht das Rebhuhn, die Katze die Ratte, der Hund den Hasen, und du — mich. Erhitze Wasser am Feuer, daß es gleich dem Feuer dich brennt, es wird darum doch kein Feuer sein, auch nie des Feuers Freund, sondern es wird, in das Feuer geschüttet, dieses dennoch dämpfen. Die Weisen sagen: Wer seinem Feind anhängt, gleicht dem, der eine giftige Schlange in seine Hand nimmt; er weiß nicht, wann sie ihn beißen wird. Der Kluge traut seinem Feinde niemals, sondern er hält sich fern von ihm, sonst geschieht ihm, wie einst dem Manne mit der Schlange geschah.«

Der Rabe fragte: »Wie geschah dem?« Und da erzählte ihm die Maus folgendes Märchen:

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