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Waldröschen VI. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 1

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6. Kapitel

Gerard verließ das Zimmer durch eine Seitentür und befand sich in einem kleinen Raum, der zur Aufbewahrung überflüssiger Gerätschaften diente. Es war kein Licht da; er brannte sich daher die Laterne an, und als er beim Schein derselben die Kleidung eines Dieners auf einem Stuhl liegen sah, zog er die seinige aus und legte diese an. Dann horchte er.

Bald vernahm er Stimmen. Der Major war gekommen. Er hatte ihn von diesem Stübchen aus bereits einige Male belauscht und kannte seine Stimme.

»O Dios, wie schön sind Sie heute, Señorita!« hörte er ihn sagen. – »Sie schmeicheln«, antwortete Emilia, »ich muß im Gegenteil ein recht müdes und angegriffenes Aussehen haben.« – »Inwiefern, meine Gnädige?« – »Ich leide bereits den ganzen Tag an den allerheftigsten Kopfschmerzen.« – »Ah, Migräne!« – »Ja. Ich würde gar nicht zu sprechen sein, wenn ich Ihnen die Erlaubnis, mich zu besuchen, nicht so bestimmt gegeben hätte.« – »Welch ein Unglück! Sie werden mich fortschicken?« – »Nicht sogleich. Ich will sehen, wie lange meine Nerven gutwillig sind. Nehmen Sie Platz!«

Gerard war mit dieser Einleitung sehr zufrieden. Er schob das Laternchen zu und steckte es in die Tasche. Dann verließ er das Stäbchen, trat auf einen erleuchteten Korridor und forschte, ob sich jemand da befinde. Als er niemanden bemerkte, huschte er denselben hinab, zog einen Schlüssel hervor, den er erhalten hatte, steckte ihn in das Schloß einer Tür und öffnete dieselbe. Der Schlüssel war der Hauptschlüssel, er öffnete alle Türen. Rasch trat Gerard ein, und er befand sich nun in den Räumen, die der Major bewohnte und die er kannte, da er bereits heimlich hier gewesen war.

Emilia hatte das ganze Haus gemietet und dem Major diese Wohnung abgetreten.

Gerard zog die Laterne wieder hervor und öffnete sie, nachdem er die Tür von innen verschlossen hatte. Er befand sich in einer Art von Vorzimmer, in dem er sich nicht aufhielt.

Neben demselben lag das Arbeitszimmer des Majors, wenn in Mexiko bei einem französischen Major von Arbeit überhaupt die Rede sein konnte. Es hatte zwei Fenster, deren Läden geschlossen waren, so daß kein Lichtschein hindurchdrang. Gerard brauchte also keine Sorge zu haben, von draußen entdeckt zu werden.

Es standen drei Tische da, auf denen Karten, Pläne, Bücher und Notizen lagen. Mit diesen Dingen begann der Präriejäger sich eingehend zu beschäftigen.

Er durchsuchte alles, er mußte Wichtiges gefunden haben, denn er zog Papier aus einem Schubfach und fing an, sich schriftliche Notizen zu machen und von verschiedenen Skripturen Abschriften zu nehmen.

Dies ging alles in fliegender Eile, denn die Zeit von einer Stunde schien ihm kurz bemessen zu sein für das wichtige Material, das er vorfand. Sie war beinahe verflossen, als er endlich fertig war.

Nun brachte er alles ganz genau in dieselbe Lage, wie er es vorgefunden hatte, und steckte seine Notizen und Abschriften zu sich. Die leeren Bogen, die er dazu verwandt hatte, würde der Major ja wohl schwerlich vermissen, da deren eine ganze Menge vorhanden war.

Nun löschte er die Laterne aus und steckte sie ein, denn er brauchte sie nicht mehr, begab sich im Dunkeln zur Vorzimmertür zurück und öffnete sie leise. Ein Diener kam den Korridor herabgeschritten. Den ließ er erst vorüber, trat dann hinaus, verschloß eilig und huschte nach der Tür des Kämmerchens, von dem seine Rekognoszierung ausgegangen war.

Er kam dort pünktlich an und wechselte die Kleidung. Er pflegte ja, wenn er sich hier befand und nach der Wohnung des Majors ging, stets andere Kleidung anzulegen, um im Fall, daß er gesehen würde, für einen Bediensteten gehalten zu werden.

Erfreut, daß sein Streich gelungen war, trat er endlich an die andere Tür und horchte. Der Major schien aufbrechen zu wollen, denn er hörte ihn sagen:

»Ich bin wirklich ganz unglücklich, nicht länger verweilen zu dürfen.« – »Und ich fühle mich ebenso unglücklich, Sie wegen meines Leidens verabschieden zu müssen«, antwortete Emilia. – »Sie haben mir heute nicht die mindeste Gunst erwiesen, Señorita.« – »Sie wissen, daß Patienten nicht liebenswürdig zu sein pflegen.« – »Ich gebe das zu; eine Bitte aber werden Sie mir doch erfüllen. Sie ist nicht groß, sondern sehr bescheiden.« – »Keine Einleitung. Ich bin zu nervös, um viel sprechen oder viel anhören zu können. Ich bedarf dringend der Stille und Ruhe.« – »Einen Kuß, ein einziges, kleines Küßchen, Señorita.« – »Ich muß verzichten!« – »O bitte, bitte!« – »Es geht nicht. Ich muß es Ihnen versagen. Gute Nacht.« – »Sie sind wirklich grausam. Wann darf ich wiederkommen?« – »In vier Wochen.« – »In vier Wochen?« fragte er erstaunt. »Warum erst nach so langer Zeit?« – »Weil ich hoffe, mich dann erholt zu haben.« – »Ah, sie läßt ihn an der Angelschnur zappeln!« dachte der Lauscher. – »Eher nicht?« fragte der Major. – »Die Migräne ist ein hartnäckiges Übel.« – »Nun, so bestimmen wir lieber gar keine Zeit. Ich komme, sobald Sie genesen sind.« – »Ich stimme gern bei.« – »Sie werden die Güte haben, es mich wissen zu lassen, Señorita?« – »Gewiß.« – »Ich danke! Dann komme ich auf den Flügeln der Liebe herbeigeeilt, um Ihnen zu Ihrer Genesung freudigst zu gratulieren. Gute Nacht, Emilia.«

Der Major ging. Diese Unterredung hatte Gerard sehr viel Spaß gegeben. Er zögerte einzutreten, da der Major ja unter irgendeinem Vorwand oder aus irgendeiner Ursache zurückkehren konnte. Da aber öffnete Emilia selbst die Tür und fragte in das dunkle Zimmer hinein: »Bist du da?« – »Ja.« – »Ah, du hast gelauscht?« – »Natürlich. War es etwa unrecht von mir, boshafte Emilia?« – »Wahrhaftig, dieser Mensch hat gehorcht!« lachte sie. »Denkst du, du bist im Urwald, wo es gilt, verdächtige Leute zu beschleichen?« – »Pah, das war keine Urwaldszene! Aber, mit Respekt gesagt, dieser Major scheint mir ein großer Esel zu sein. Es war dir die Malice ja anzuhören.« – »Die Liebe macht blind und taub, mein Guter.« – »Hat er dir heute etwas erzählt?« – »Nein!« – »O weh! Gerade da ich hier bin, um vieles zu erfahren!« – »Ich sah mich ja zur Einsilbigkeit gezwungen und durfte nicht so viel sprechen, wie nötig gewesen wäre, ihn auszuhorchen. Übrigens dachte ich, daß du selbst finden würdest, was du brauchst« – »Zum Glück ist es gelungen.« – »Ah, du hast etwas entdeckt?« – »Ja, sehr viel.«

Emilia setzte sich neben ihn auf den Diwan und blickte ihn erwartungsvoll an.

»Zunächst mußt du wissen, daß die Kompanie bereits nach Fort Guadeloupe abgegangen ist«, sagte er. – »Davon weiß ich kein Wort. Wann?« – »Heute beim Morgengrauen.« – »So ist das tiefste Geheimnis dabei bewahrt worden. Aber ich denke, daß der Kapitän gesagt hat, der Major soll nichts davon erfahren?« – »Er kennt auch wirklich den Ort nicht, wohin die Leute marschieren sollen.« – »Woraus schließt du das?« – »Ich habe nur eine kurze Bemerkung darüber vorgefunden. Sie lautet: Zweite Kompanie heute früh vor Tag abmarschiert auf Rekognoszierung.« – »Das ist bedenklich. Das ist sogar schlimm!« – »Warum?« – »Die Leute haben nun einen Vorsprung von einem vollen Tag vor dir.« – »Das ficht mich wenig an. Ich werde sie sicher einholen. Sie können die Pferde nicht so wechseln wie ich, und sie können ebensowenig so galoppieren wie ich. Eine Kompanie braucht Platz, sie kann nicht jede beliebige Richtung und jeden beliebigen Weg wählen, ich aber reite geradeaus durch dick und dünn.« – »Wer hätte dies früher in dem schwerfälligen Schmied gesucht!« – »Hm! Man muß etwas lernen, und das Schicksal nimmt den Menschen in die Schule!« – »Aber dennoch kann die Kompanie nur zur Rekognoszierung ausgeritten sein.« – »Inwiefern?« – »Du hättest ihnen begegnen müssen.« – »Dies ist nicht der Fall. Ich hörte von dem Kapitän, daß sie am linken Ufer des Rio Conchas hinabreiten würde; ich bin daher am rechten Ufer heraufgekommen, um nicht von diesen Leuten bemerkt zu werden. Diese Angelegenheit befindet sich ganz in Ordnung.« – »Was hast du noch erfahren?« – »Daß der Kommandant bereits von den dreißig Millionen weiß, die der Präsident der Union unserem Juarez zugesagt hat.« – »Das bringt uns fürs erste doch in keine naheliegende Gefahr!« – »O doch, denn er weiß, daß ein Teil dieses Geldes unterwegs ist. Morgen gehen zwei Kompanien nach der Grenze des Llano estacado ab, um diesen Transport aufzufangen.« – »O weh! Werden sie ihn bekommen?« – »Nein. Ich werde dafür sorgen, daß wir sie bekommen.« – »Wenn ihr sie findet!« – »Keine Sorge! Ich kenne die Marschroute; ich habe sogar Einsicht in ihre Karten und Pläne genommen. Es würde auch gelingen, wenn ich es nicht erfahren hätte.« – »Diese Franzosen vergessen, daß Juarez sich noch lange nicht am Ende seiner Macht befindet, halb Mexiko wartet nur auf seinen Ruf, um aufzustehen.« – »Und das soll in kurzer Zeit geschehen, darauf kannst du dich verlassen. Aber nun bin ich hier fertig, ich muß aufbrechen.« – »Schon?« fragte Emilia erschrocken. Und ihn an sich pressend, fügte sie hinzu. »Warte nur noch eine Stunde. Ich bekomme dich ja so selten zu sehen.« – »Unmöglich, die Pflicht ruft, und du sagst ja selbst, daß der Feind einen Vorsprung von einer Tagereise hat. Ich darf keine Minute versäumen.« – »Gut, ich sehe es ein. Wenn wir die Feinde baldigst vertreiben, wird auch die Zeit kommen, in der ich dich öfter sehe. Aber wenigstens so lange kannst du noch warten, bis ich dir einen Vorrat von Proviant eingepackt habe.« – »Ich danke dir; ich brauche nichts. Ich muß so leicht wie möglich sein und bekomme auf jeder Hazienda, was ich brauche. Ich kann nicht warten.«

Gerard erhob sich und stand auf. Sie standen einander gegenüber, eins so hoch und stolz wie das andere, er ein Bild männlicher Kraft und sie ein Beispiel weiblicher Schönheit.

»O Gerard, warum haben wir uns nicht in Paris geliebt?« klagte sie. – »Es wäre unser Unglück gewesen«, antwortete er, »wir wären elend geworden. Aber meine Zeit ist da. Lebe wohl, Emilia!« – »Lebe wohl!«

Sie umschlang ihn und drückte ihn an sich. Ihre Lippen legten sich so fest auf seinen Mund, als ob sie nicht wieder von ihm lassen könnte. Dann bat sie:

 

»Denke an mich, Gerard!« – »Gewiß, Emilia.« – »Sehr oft?« – »Sehr!« – »Und schone dich! Ich würde vor Gram sterben, wenn ich erführe, daß du deinen schweren Aufgaben erlegen bist. Wann kommst du wieder?« – »Das weiß ich nicht, denke aber, so bald wie möglich. Also gute Nacht!«

Er verließ das Zimmer auf demselben Weg, den er gekommen war, um sich von der alten Gärtnerin, die ihn zu empfangen pflegte, gegen die Mönchskutte sein Gewehr wieder einzutauschen. Er ahnte nicht, daß er einer schweren Gefahr geradezu in die Hände lief.

7. Kapitel

Vorhin, als Gerard sich durch die Vorpostenkette geschlichen hatte, war er sehr nahe an einem der Posten vorübergekommen. Dieser hatte ein leises Geräusch gehört und dann gelauscht, ohne etwas Weiteres zu vernehmen.

»Fast war es, als ob jemand hier vorübergegangen wäre«, sagte der Posten zu sich. »Es wird wohl irgendein Tier gewesen sein.«

Er schritt leise auf und ab, und nach einiger Zeit kam ihm die Lust, eine Zigarette zu rauchen. Die Franzosen befanden sich ja im Land der Zigaretten; sie selbst sind zudem große Liebhaber dieses Genusses und gaben sich demselben ohne Ausnahme hin. Selbst wenn ein Posten einmal rauchte, wurde gern ein Auge zugedrückt. Der Mann zog also eine Zigarette und Feuerzeug hervor. Da, beim Schein des Hölzchens war es ihm, als ob in dem zu einem Graben aufgeworfenen Land einige tiefe Fußspuren seien. Er bückte sich und leuchtete hin.

»Ah, richtig«, murmelte er. »Diese Spuren sind noch ganz frisch. Der Kerl ist hier vorübergekommen. Wer mag es gewesen sein?«

Er brannte nacheinander mehrere Zündhölzer an und sah nun ganz deutlich die Richtung, die der Mann genommen hatte.

»Dieser Kerl hat sich zwischen uns hindurch und in die Stadt geschlichen«, brummte er. »Er hat also etwas Gefährliches vorgehabt, und ich muß diese Geschichte sogleich melden.«

Er rief den nächsten Posten an und teilte ihm mit, was er bemerkt hatte. Diese Meldung ging von Mann zu Mann bis zu dem Offizier, der sie sofort dem Kommandanten übermittelte. Dieser nahm die Sache ernst, er kommandierte hier auf dem äußersten Posten der französischen Machtentfaltung und begab sich daher sofort unter gehöriger Bedeckung an Ort und Stelle, um seine Maßregeln zu treffen.

»Erzähle!« gebot er dem Soldaten. – »Ich hörte ein Geräusch —« begann dieser. – »Und riefst nicht an?« unterbrach ihn der Kommandant – »Es war nur so leise wie von einer Maus, ich konnte nicht denken, daß es von einem Menschen hergerührt habe«, entschuldigte sich der Mann. – »Und dann?« – »Dann kam mir doch der Gedanke, einmal nachzusehen. Der Boden ist hier weich. War es ein Mensch gewesen, so hatte er sicherlich Spuren hinterlassen. Ich zündete ein Hölzchen an und fand die Fährte!« – »Gut! Deine anfängliche Nachlässigkeit soll dir verziehen sein, weil du sie wiedergutgemacht hast. Brenne die Laternen an.«

Dies geschah, und nun konnte man die ganze Fährte bis dahin verfolgen, wo sie auf festem Boden verlief.

»Der Kerl ist in der Stadt, aber noch nicht wieder heraus«, sagte der Kommandant. »Wo es ihm gelungen ist, hineinzukommen, wird er auch wieder herauszukommen versuchen. Ihr bleibt alle hier. Sobald er kommt, ergreift ihr ihn, ohne ihn vorher anzurufen. Aber legt euch auf die Erde nieder, die Leute dieser Gegend sind erfahrene Kerle. Wenn er kommt und ihr steht, könnte er euch sehen. Ich werde unterdessen den übrigen Außenposten die größte Vorsicht anbefehlen.«

Er ging. Es waren fünfzehn Mann, die er zurückgelassen hatte, alle bewaffnet, also mehr als genug, um einen einzigen zu ergreifen, der noch dazu ahnungslos in die Falle lief.

Die Soldaten lagen lautlos an der Erde und warteten. Stunde um Stunde verging. Schon glaubten sie, daß der, den sie erwarteten, die Stadt gar nicht verlassen werde oder sie bereits an einer anderen Stelle verlassen habe; da ließ sich ein leises Geräusch hören, als ob Erdbrocken von einer Stiefelsohle geschleudert würden.

»Er kommt. Aufgepaßt!« flüsterte der Anführer.

Im nächsten Augenblick sahen sie eine Gestalt, die leise und vorsichtig vorüber wollte; in demselben Moment aber lag diese Gestalt auch bereits an der Erde, und dreißig Fäuste waren bemüht, sie festzuhalten.

»Donnerwetter«, sagte der Mann in französischer Sprache, »was wollt ihr denn von mir?« – »Dich selbst«, antwortete der Anführer. – »Ah, seht zu, ob ihr mich bekommt.«

Er machte eine gewaltige Anstrengung loszukommen, aber es gelang nicht; es waren zu viele, die auf ihm lagen.

Gerard, denn dieser war es natürlich, sah ein, daß er sich fügen müsse. Die Waffen wollte er nicht gebrauchen, da dies seine spätere Lage nur verschlimmern konnte. Ging er freiwillig mit, so war noch alles zu hoffen. Übrigens war es dunkel, er konnte seine Gegner nicht zählen, und es schien ihm die Anzahl weit höher, als sie eigentlich war. Darum sagte er:

»So laßt doch ab, ihr Leute. Ich will ja gar nicht fliehen. Ich habe gar keine Veranlassung, mich vor euch zu verbergen.« – »Oho«, entgegnete der Anführer. »Soeben sagtest du noch, wir sollten zusehen, ob wir dich bekommen würden. Brennt die Laternen an und leuchtet her!«

Es wurde Licht gemacht, und nun besahen die Franzosen sich den Mann.

»Ah, er ist bewaffnet. Nehmt ihm die Waffen ab und bindet ihn.«

Einer der Soldaten nahm Gerards Gürtel ab und schnallte dem Gefangenen damit beide Hände an den Leib, glaubend, daß diese Maßregel genüge.

Aber ein erfahrener Präriejäger weiß jeden Umstand zu benutzen. Als man ihm den Gürtel um den Leib und die Arme legte, preßte er dieselben nicht etwa fest an, sondern er hielt sie möglichst weit ab, so daß die Fessel nicht ganz schloß. Zudem hatte man, um seiner Hände sicher zu sein, den Gürtel nicht um die Brust und die Oberarme, sondern um die Unterarme gelegt so daß es Gerard leichter wurde, die Arme zu bewegen. Bereits als er von der Erde aufstehen mußte, fühlte er, daß es ihm vielleicht mit einem angestrengten Ruck gelingen würde, den rechten Arm aus dem Gürtel zu reißen, und dann ging der linke ja von selbst heraus.

»Wer bist du?« fragte der Anführer ihn verhören. – »Ein Vaquero«, antwortete er. – »Du siehst nicht so aus. Woher?« – »Von Chiricote.«

Chiricote liegt nur wenige Stunden von Chihuahua entfernt

»Was wolltest du in der Stadt?« – »Meine Braut besuchen.« – »Warum kamst du nicht auf dem richtigen Weg?« – »Bist du nicht auch verstohlen zu deinem Mädchen gegangen?« – »Kerl, nenne mich nicht du, sonst bekommst du meinen Kolben zu kosten.« – »Ich nenne einen jeden ganz so, wie er mich nennt« – »Aber ich bin ein Soldat des Kaisers! Übrigens sprichst du ein verteufelt gutes Pariser Französisch. Wie kommt das?« – »Sehr einfach, weil ich Pariser bin.« – »Und Vaquero in Chiricote? Das kommt mir verdächtig vor. Der Herr Kommandant mag sehen, was er aus dir machen kann. Vorwärts!« – »Ja, zum Kommandanten, denn ich glaube selbst, daß du nichts aus mir machen kannst«, antwortete Gerard. – »Hund!«

Der Soldat holte mit dem Kolben aus; da aber trat Gerard einen Schritt auf ihn zu und rief:

»Wage es, zu schlagen oder zu stoßen, so soll dich der Teufel holen!« – »Ah, Mann, du scheinst mir kein gewöhnlicher Vaquero zu sein!« – »Möglich!« – »Gut, wir bringen dich zur Wache, da soll es sich zeigen. Vorwärts!«

Der Marsch begann. Es war dunkel, und wenn es Gerard gelang, einen Arm freizubekommen, so war es möglich, zu entspringen, aber er hätte seine Waffen zurücklassen müssen, und diese waren ihm ans Herz gewachsen. Seine alte Doppelbüchse hatte ihn lange Jahre begleitet, sie hatte ihn ernährt und beschützt. Sollte er sie aufgeben? Nein. Der Präriemann hält auf seine Büchse ebensoviel, wie auf sich selbst. Gerard ließ sich also fortführen, ohne einen Fluchtversuch zu machen. Er hoffte, daß sich schon irgendein Ausweg finden lassen werde.

Man erreichte die Stadt. Das Hauptquartier war in dem Haus aufgeschlagen, das wir in Deutschland Rathaus nennen würden, und dort wohnte auch der Kommandant, der die erste Etage innehatte, deren Fenster hell erleuchtet waren, denn es wurde dort die Tertullia abgehalten, an der auch Emilia hatte teilnehmen wollen.

Gerard wurde zunächst in das Wachlokal geführt, das im Parterre lag. Dort saßen mehrere Unteroffiziere bei der Flasche und bei ihnen eine französische Marketenderin.

Wäre Gerard nicht von der Mannschaft zur Tür hineingestoßen worden, so wäre er auf der Schwelle stehengeblieben, und zwar vor Erstaunen, denn diese Marketenderin war keine andere als Mignon, seine einstige Geliebte!

Also so weit war es mit ihr gekommen. Nicht allein daß sie ihn verraten und betrogen, daß sie ihn um sein Geld gebracht und sich an einen Vornehmen gehängt hatte, jetzt war sie auch nach Mexiko mitgegangen, und zwar als Soldatenliebchen, das ein jeder küssen kann!

»Habt ihr ihn?« fragte der Korporal der Wache. – »Ja, hier!« antwortete der Sergeant. »Er ist ein Vaquero aus Chiricote, wie er sagt, mir aber scheint, daß etwas ganz anderes in dieser Bluse steckt.«

Da stand die Marketenderin von der Seite dessen, bei dem sie saß, auf, faßte den Gefangenen noch einmal scharf ins Auge und rief:

»Ein Vaquero? Ein Vaquero? Laßt euch nicht betrügen! Das ist Gerard, der Schmied aus Paris!« – »Gerard? Der Schmied? Aus Paris?« fragte er rundum. – »Ja, er war Garotteur«, antwortete sie. – »Garotteur?« fragte der Sergeant »Alle Teufel, das soll ihm gefährlich werden. Daß er ein Pariser ist, hat er eingestanden. Nun, wie steht es, Freundchen, he? Ist es wahr, was diese Mademoiselle sagt?«

Diese letztere Frage war an Gerard gerichtet, der, seit er das Mädchen erkannt, keinen Blick wieder auf dasselbe geworfen hatte. Jetzt antwortete er:

»Hat das, was eine Metze sagt, bei euch Gewicht?« – »Eine Metze?« rief die Marketenderin. »Mensch, ich kratze dir die Augen aus!«

Sie wollte auf Gerard eindringen, aber der Sergeant hielt sie davon ab.

»Halt!« sagte er. »Wer dich beleidigt, der beleidigt auch uns. Er soll es büßen. Vor allen Dingen muß ich dem Kommandanten Meldung machen.«

Und schon wollte er gehen, da erschien ein Leutnant unter der Tür. Gerard erkannte in ihm denjenigen, den er im Wald mit dem Kapitän belauscht hatte.

»Was ist das für ein Lärm? Was geht hier vor?« fragte der Offizier.

Die Soldaten salutierten, und der Sergeant antwortete:

»Hier ist ein Gefangener, der sich in die Stadt und dann wieder herausgeschlichen hat.« – »Ah, der, welcher vor drei Stunden gemeldet wurde?« —. »Zu Befehl!«

Der Leutnant faßte den Gefangenen scharf in das Auge.

»Wer ist er?« fragte er. – »Er gibt sich für einen Vaquero aus Chiricote aus, die Marketenderin aber sagt daß er ein Schmied aus Paris sei. Er hat sich sehr renitent gezeigt.« – »Auch noch renitent? Das verschlimmert seine Lage. Wie heißt er?« – »Gerard.«

Da trat der Offizier einen Schritt zurück und rief:

»Gerard? Kerle, wißt ihr, wen ihr vielleicht gefangen habt?«

Und als aller Augen fragend auf ihn gerichtet waren, fuhr er fort:

»Dieser Mann ist vielleicht der Schwarze Gerard, der uns so viel zu schaffen machte.« – »Der Schwarze Gerard!« rief es rundum im Kreis.

Der Offizier aber winkte Ruhe und fragte den Gefangenen:

»Habe ich recht vermutet? Habe ich es richtig getroffen? Antworte!«

Da regte sich ein Gefühl des Stolzes in Gerard. Sollte er eine Lüge sagen und seinen berühmten Namen verleugnen? Nein. Aber sollte er es eingestehen und damit seine Lage verschlimmern? Das ging auch nicht. Er wollte erst sehen, wie ihn der Kommandant empfangen werde; darum zuckte er die Achseln und antwortete:

»Untersuchen Sie es, Leutnant.« – »Man sagt ›Herr‹ Leutnant! Verstanden?« fuhr ihn der Offizier an. »Es ist übrigens egal, ob du eingestehst oder nicht; denn ich werde sogleich wissen, woran ich bin. Man sagt, die berühmte Büchse des Schwarzen Gerard habe einen Kolben, der mit Gold ausgegossen und mit Blei überzogen sei, und daß er mit ihr stets tödliche Hiebe austeilt, da der Kolben sehr schwer ist. Habt ihr ihm diese Waffe abgenommen?« – »Ja. Hier ist sie«, antwortete der Sergeant. – »Nehmt ein Messer. Das Blei ist weich. Seht, ob Gold darunter steckt.«

Jetzt sah sich Gerard verraten. Das, was man sich von seiner Büchse erzählte, war Tatsache. Dieser Kolben diente ihm nicht nur als Waffe, sondern zugleich als Börse. Er hatte sich das Gold von jener Ader geholt und brauchte, wenn er eine plötzliche Ausgabe hatte, nur einen Schnitt in den Kolben zu tun, um bezahlen zu können. Dadurch war dieser bekannt geworden.

»Ah, Teufel, darum also war das Gewehr so schwer«, meinte der Sergeant.

 

Damit zog er sein Messer hervor und schnitt an einer Stelle das Blei herab. Sofort kam das schimmernde Gold zum Vorschein.

»Hier ist Gold, reines Gold!« rief der Unteroffizier. – »So ist er es!« entgegnete der Leutnant frohlockend. »Ich selbst werde zum Kommandanten gehen, um ihm diese höchst wichtige Meldung zu machen.«

Er ging. Die Zurückbleibenden betrachteten den Gefangenen jetzt mit furchtsamer Scheu. Es herrschte vollständige Stille in dem Wachtlokal, diejenige Stille, die ein bedeutender Charakter so leicht hervorzubringen pflegt.

Selbst die Marketenderin schwieg. Ihr einstiger Geliebter war ein berühmter und gefürchteter Waldläufer geworden, das beschäftigte ihre Gedanken so, daß sie das Reden vergaß, obgleich sie das Wort nicht vergessen konnte, das er gesprochen hatte.

Der Leutnant war mit raschen Schritten zum Kommandanten hinaufgegangen. Droben im Saal war eine große Anzahl Herren und Damen versammelt. Die Damen waren lauter Mexikanerinnen, die Herren aber Mexikaner und französische Offiziere.

Unter den Eingeborenen mochte manches Herz sein, das Juarez treu ergeben war und die fremden Eindringlinge glühend haßte; aber diese Regungen mußten hier verborgen bleiben und durften sich durch keinen Blick verraten.

Gerade, als der Leutnant erschien, war eine Pause in der allgemeinen Unterhaltung eingetreten, daher kam es, daß aller Augen sich auf ihn richteten.

Man sah es ihm ganz deutlich an, daß er irgendeine wichtige Nachricht bringe. Auch der Kommandant bemerkte dies und rief ihm daher fragend entgegen:

»So aufgeregt, Leutnant! Was bringen Sie?« – »Eine höchst wichtige und erfreuliche Meldung«, antwortete der Gefragte. – »Also dienstlich?« – »Zu Befehl.« – »Ist sie unter vier Augen zu geben oder nicht?« – »Ah, ich glaube, daß sämtliche Herrschaften sich darüber freuen werden.« – »Nun, wenn es sich nicht um ein Geheimnis handelt, so reden Sie!«

Da stellte sich der Leutnant in dienstliche Positur, salutierte und sagte dann:

»Gebe mir die Ehre, gehorsamst zu melden, daß wir den Schwarzen Gerard gefangen haben.«

Sofort sprang der Kommandant auf und mit ihm alle anderen ohne Ausnahme.

»Den Schwarzen Gerard! Ist‘s möglich?« rief er erfreut. – »Gewiß, er ist‘s!«

Dieses Wort brachte eine allgemeine Aufregung hervor. Die Franzosen waren entzückt, den gefährlichen Feind in ihre Hand bekommen zu haben, während diese Nachricht die Mexikaner ganz gegenteilig berührte. War dieser berühmte Parteigänger wirklich gefangen, so hatte die Sache des Vaterlandes und des Präsidenten Juarez einen großen Verlust erlitten. Alle aber waren sie einig in der Begierde, den gefürchteten Mann zu sehen; darum lauschten sie aufmerksam auf die Worte, die zwischen dem Kommandanten und dem Leutnant gewechselt wurden.

»Wo ist er?« fragte der erstere. – »Unten im Wachlokal«, antwortete der letztere. – »Wo hat man ihn ergriffen?« – »Draußen bei den Vorposten, er hatte sich in die Stadt geschlichen.« – »Alle Teufel! So war es wohl jener Kerl, der mir gemeldet wurde?« – »Zu Befehl, ganz derselbe.« – »Hat er eingestanden, wer er ist?« – »Nein. Er gab sich für einen Vaquero aus Chiricote aus.« – »Wer hat ihn erkannt?« – »Eigentlich ich. Die Marketenderin erkannte in ihm einen Schmied aus Paris, namens Gerard, dies machte mich aufmerksam, da der Mann einen dichten, schwarzen Vollbart trägt. Ich fragte ihn, und er antwortete ausweichend. Da ließ ich seine Büchse untersuchen, und …« – »Ah, ja! Sie soll ja einen Kolben von gediegenem Gold haben!« – »Das mit Blei überzogen ist. Ich ließ das Blei entfernen, und richtig kam das gediegene Gold zum Vorschein.« – »So ist er es! Lassen Sie ihn sofort in meine Privatwohnung bringen!«

Schon wollte sich der Leutnant entfernen, da blickten sich die Versammelten untereinander an, und eine Dame, die sich der Gunst des Kommandanten rühmen mochte, wandte sich an diesen mit der Bitte:

»Monsieur, das werden Sie uns doch nicht antun! Wir alle brennen vor Begierde, diesen Mann zu sehen. Werden Sie so unritterlich sein, den anwesenden Damen ihre Bitte abzuschlagen?«

Der Kommandant überlegte einen Augenblick. Es schmeichelte ihm, der Gesellschaft einen Gefangenen vorführen zu können, und daher gebot er:

»Gut, bringen Sie ihn hierher, Leutnant. Bringen Sie auch seine Waffe mit. Wir müssen uns diese berühmte Büchse einmal genau ansehen.«

Der Leutnant entfernte sich, und nach einer Pause todesstiller Erwartung trat er mit dem Jäger ein, von einem Piquet bewaffneter Soldaten begleitet. Er hatte geglaubt, diese Vorsicht nicht unterlassen zu dürfen.

Alle Blicke richteten sich auf den Gefangenen. Er war nicht in die mexikanische, theatralische Tracht gekleidet, er trug nur einen alten, blutbefleckten Anzug, aber seine Gestalt machte doch einen bedeutenden Eindruck. Besonders imponierten die furchtlosen Augen, deren Blick ruhig die Gesellschaft musterte.

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