Бесплатно

Waldröschen IV. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 2

Текст
Автор:
0
Отзывы
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

26. Kapitel

Verdoja trat zu Emma, befestigte ihr die Arme auf den Rücken, band sie vom Pferd los, hob sie herab und schob sie zwischen die Büsche hinein. Sie ließ es geschehen, denn sie sah ein, daß Widerstand vergeblich sein würde.

Jetzt wurden ihr die Augen verbunden, und Verdoja nahm sie auf den Arm und trug sie fort. Bald hörte sie an dem Ton seiner Schritte, daß sie sich in einem dumpfen Gewölbe befanden, und fühlte, daß es auf- und abwärts ging und die Luft immer schlechter wurde. Endlich knarrte eine Tür, und kurze Zeit darauf ließ Verdoja sie auf ihre Füße nieder.

Als er ihr die Binde von den Augen nahm, sah sie, daß sie sich in einer Felsenkammer befand, die ungefähr acht Fuß lang, sechs Fuß breit und sieben Fuß hoch war. Sie enthielt nichts als ein Strohlager, einen Wasserkrug, ein Stück trockenes Brot und zwei Ketten, eine jeder in eine der Längsseiten befestigt. Verdoja hatte eine Laterne in der Hand. Der Führer hatte sich von der mit Eisen beschlagenen Tür zurückgezogen.

»Jetzt sind wir an Ort und Stelle«, sagte Verdoja triumphierend.

»Du wirst nie von hier entfliehen können, darum werde ich dir die Fesseln abnehmen.«

Er tat es und ließ dabei sein gesundes Auge über ihre schöne Gestalt gleiten.

»Aber, Señor, was habe ich Ihnen getan«, hauchte das unglückliche Mädchen voller Angst, »daß Sie mich rauben und an einen solchen Ort bringen?« – »Mein Herz hast du mir geraubt«, antwortete er. »Und dieses Herz will befriedigt sein! Hier ist die Kammer der Liebe, in der bereits der Widerstand mancher Schönheit gebrochen wurde. Auch du lernst, meine Liebe zu erwidern.«

Er streckte den Arm aus, um sie an sich zu ziehen. Sie wich erschrocken zurück.

»Niemals, du Bösewicht!« rief sie, sich in die hinterste Ecke lehnend. – »O doch! Das werde ich dir sofort zeigen!«

Er trat abermals näher. Da fuhr sie mit der Hand nach seinem Gürtel, entriß ihm sein Messer, zückte es gegen ihn und gebot entschlossen:

»Zurück, sonst wehre ich mich!«

Er erschrak wirklich und trat zurück; dann aber stieß er ein kurzes, höhnisches Lachen aus und sagte:

»Ein Messer in dieser Hand ist mir nicht gefährlicher als eine Nadel. – Gib her!«

Er wollte zugreifen und setzte deshalb, da er nur eine Hand hatte, die Laterne zur Erde nieder. Da hob sie das Messer zum Stoß und rief:

»Ich bin ein schwaches Mädchen, aber Sie haben nur eine Hand. Wagen Sie es nicht, mich anzurühren!«

Er zauderte doch. Da aber tat der Führer aus dem Gang herbei und unter die Tür. Er hatte das Gespräch gehört.

»Soll ich Ihnen beistehen, Señor?« fragte er. – »Ja«, antwortete Verdoja. »Komm her und nimm ihr das Messer ab!«

Emma erkannte, daß sie sich zweien gegenüber nicht verteidigen könne, aber sie gab doch die Hoffnung nicht auf, den rohen Angriff zurückzuweisen. Entschlossen setzte sie sich selbst das Messer auf die Brust und drohte:

»Wenn Ihr es wagt, mich anzurühren, so töte ich mich selbst!«

Der Ausdruck ihres Gesichts war bei diesen Worten ein so entschlossener, daß Verdoja einsah, daß es ihr vollständiger Ernst sei, sich das Messer in das Herz zu stoßen. Dies lag aber ganz und gar nicht in seiner Absicht. Er wollte das schöne Mädchen lebendig besitzen, aber nicht tot. Darum hielt er den Diener, der seine Hand bereits nach ihr ausstreckte, zurück und sagte:

»Laß sie jetzt! Sie ist mir sicher. Der Hunger ist ein harter Gast, er wird ihren Willen rasch brechen. Sie erhält von heute an nichts mehr zu essen, bis sie gefügiger wird. Wir wollen gehen!«

Er nahm darauf die Laterne vom Boden auf und verließ das Gefängnis. Der Diener folgte ihm, die Tür schloß sich hinter ihnen, und Emma hörte draußen die mächtigen Riegel klirren, die sich vor die Tür legten, um eine Flucht unmöglich zu machen.

Da stak nun die an Freiheit, Liebe und den feinsten Genuß Gewöhnte in der engen, dunklen Felsenkammer! Stroh war ihr Lager und schmutziges Wasser ihr Getränk. Frische Luft konnte nicht in den elenden Raum dringen, und auch zum Hunger war sie verurteilt, denn das Stück Maisbrot, das neben dem Wasserkrug lag, konnte nur für eine sehr kurze Zeit hinreichen.

Sie hatte während des weiten Ritts Gelegenheit gehabt, einige Worte ungehört mit Karja zu wechseln, und war dabei von der Indianerin darauf aufmerksam gemacht worden, sich womöglich eine Waffe zu verschaffen, um den tätlichen Angriffen, die ihnen beiden bevorstanden, widerstehen zu können. Diesen guten Rat hatte Emma befolgt; sie befand sich jetzt im Besitz eines Messers und hatte auch bereits die Erfahrung gemacht, welchen Nutzen ihr dasselbe bringe. Sie hielt den Griff noch fest mit ihrer kleinen, zarten Faust umspannt und war entschlossen, es sich keinesfalls entringen zu lassen; viel eher wollte sie es sich in das eigene Herz stoßen.

Aber der weite Ritt und der letzte Auftritt hatten ihre Körper- und Seelenkräfte so angestrengt, daß sie auf das Lager niederglitt und ihren Tränen freien Lauf ließ. Sie befand sich tief unter der Erde als Opfer eines gefühllosen Bösewichts und hatte keine Hoffnung, als nur die, daß es Sternau gelingen werde, ihre Spuren zu verfolgen und den Mördern zu entkommen, die ihm auflauerten, um ihn zu ergreifen oder zu töten.

Verdoja kehrte unterdessen mit seinem Diener zu denen zurück, die vor der Pyramide auf ihn warteten. Die Pyramide, ein Überrest alter, mexikanischer Baukunst, war aus Backsteinen auf einem Felsengrund errichtet. In diesem Grund hatte man vor Beginn des Baues zahlreiche Kammern ausgebrochen und sie durch Gänge verbunden. Auch die Pyramide war durch solche Gänge durchbrochen, in denen die Fürsten und Priester des untergegangenen Reiches ihre Geheimnisse bewahrt und ihre Orgien gefeiert hatten. Die Backsteine waren unter dem Einfluß der Jahre zerbröckelt, und Pflanzen hatten ihre Wurzeln immer tiefer in die entstehenden Ritzen getrieben. Das hatte den Bau noch mehr gelockert. Seine Spitze war verwittert und von den Stürmen nach und nach abgeweht worden, und heute hatte er das Aussehen eines pyramidalen Hügels, der von seinem Fuß bis hinauf zur Höhe mit Gesträuch bedeckt war.

Aber in das Innere hatten Sturm und Regen nicht zu dringen vermocht; da waren die Kammern und Gänge noch ganz wohl erhalten und besaßen ganz dieselbe Festigkeit, die sie seit Jahrhunderten hatten. Der alte Bau lag inmitten der Ländereien, die Verdojas Vorfahren gehörten. Einer derselben hatte lange vergebens nach einem Zugang der Pyramide gesucht, ihn endlich aber doch unter Stein- und Ziegeltrümmern gefunden. Er war darüber nicht mitteilsam gewesen, und so hatte sich das Geheimnis nur in der Familie fortgeerbt

Seit dieser Zeit war im Innern der Pyramide manches und vieles geschehen, was sich dem Tageslicht und dem Auge des Gesetzes entziehen mußte, und der Diener, der Verdoja und Emma geführt hatte, war der Wächter des alten Bauwerks und Vertraute seines gegenwärtigen Herrn. Beide hüteten ihr Geheimnis mit sorgfältigster Verschwiegenheit und wußten, daß sie sich aufeinander verlassen konnten.

Nachdem Verdoja aus der Pyramide zurückgekehrt war, wurde Karja, die Indianerin, vom Pferd losgebunden. Man verhüllte ihr die Augen, und ganz dasselbe geschah auch mit Leutnant Pardero. Dieser sträubte sich allerdings dagegen, mußte es sich aber doch gefallen lassen, da Verdoja ihm sagte, daß er den Eingang zur Pyramide keinem einzigen Menschen zeigen werde. Im Inneren angelangt, könne Pardero die Binde abnehmen und ungehindert umherstreifen, nur der Eingang müsse ihm wie jedermann verborgen bleiben.

Der Wächter ergriff das Mädchen, und Pardero wurde von Verdoja geführt. Sie gelangten wieder an die Zelle, in der Emma steckte. Neben derselben gab es eine ähnliche, die geöffnet wurde, um die Indianerin unterzubringen.

»Ich gehe einstweilen«, sagte Verdoja zu Pardero, »um die anderen Gefangenen einzuquartieren. Sehen Sie, wie Sie mit ihr fertig werden. Sind Sie zu Ende, so brauchen Sie am Ausgang des Ganges nur zu rufen oder zu warten.«

Er entfernte sich mit dem Wächter, und Pardero nahm dem Mädchen nun die Binde ab, auch entfernte er ihr die Fesseln von den Händen, so daß sie sich im freien Gebrauch ihrer Glieder befand. Er hatte die Laterne bei sich behalten und betrachtete das schöne Mädchen mit leidenschaftlichen Blicken.

»Nun bist du mein, und kein Mensch soll dich mir entreißen«, sagte er.

Ihre Augen funkelten vor Stolz und Zorn. Sie, die Tochter eines berühmten Häuptlings, die Schwester des wenigstens ebenso berühmten »Königs der Ciboleros« fürchtete sich vor dem einhändigen Leutnant nicht im mindesten.

»Feigling!« antwortete sie im Ton der tiefsten Verachtung. – »Feigling?« fragte er lachend. »Haben wir euch nicht besiegt? Haben wir euch nicht gefangengenommen und bis hierher gebracht?« – »Gefangengenommen durch Hinterlist, als wir schliefen. Ein Mann kämpft nicht mit Weibern. Ist euch nicht Sternau entkommen? Er war ein Mann, und ihr konntet ihn nicht halten. Ihr seid wie die Präriewölfe, die nur des Nachts und mit Übermacht nach Beute gehen, aber vor Angst heulen, wenn sie einen Schuß fallen hören. Ich bin ein Mädchen, aber ich fürchte dich weniger als einen Hasen oder als einen Käfer, der mich umsummt, den ich aber zwischen den Spitzen meiner Finger zu zerquetschen vermag.«

Diese Worte waren in einem so verächtlichen Ton gesprochen, daß selbst ein so ehrloser Mensch wie Pardero zornig wurde.

»Schweig!« rief er. »Du befindest dich in meinen Händen, und es kommt nun ganz auf dein Verhalten an, ob ich dich zermalme oder deine jetzige Lage verbessere.« – »Mich zermalmen?« antwortete sie. »Pah, du bist nicht der Mann, die Schwester Büffelstirns zu zermalmen. Du wärest verloren, sobald du mich nur anrührtest!«

Sie stand mit drohend erhobenem Arm vor ihm und war in dieser gebieterischen Stellung so schön, daß alle seine Sinne entbrannten. Er trat auf sie zu und streckte die Arme, die unverletzte Linke und den umwickelten Stumpf der Rechten nach ihr aus, als ob er sie an sich ziehen wolle. Sie wußte, welchen Rat sie Emma erteilt hatte; es war ihr darum zu tun, eine Waffe in die Hand zu bekommen, und die mutige Indianern bebte vor einem Angriff keineswegs zurück. Sie trat daher einen Schritt vor, fuhr mit blitzartiger Schnelligkeit mit beiden Händen nach dem Gürtel Parderos und entriß ihm das Messer und den Revolver, ehe er es hindern konnte. Zugleich gab sie ihm einen so kräftigen Stoß, daß er bis an die Tür zurückflog, und nun richtete sie den Lauf ihrer Waffe gegen ihn, während der scharfe Stahl des Messers in ihrer Linken blinkte.

 

»Bestie! Warte, ich werde dich zähmen!« rief da Pardero und wollte auf sie eindringen. – »Keinen Schritt weiter!« rief sie ihm entgegen. – »Pah, ein Mädchen schießt nicht sogleich!« lachte er, und schon hatte er die Laterne zur Erde gesetzt und sprang auf Karja ein. Da krachte auch bereits ihr Schuß, und mit lautem Schmerzgebrüll fuhr er sich an den Mund. Ihre Kugel hatte ihm die Kinnlade zerschmettert und die Zunge verwundet. Er stand einige Momente lang brüllend da, dann aber drang er von neuem auf sie ein. – »Satan, das sollst du mir entgelten!« rief er mit lallender Stimme, da er nun nicht mehr richtig zu sprechen vermochte, und drang, während er die linke Hand an die Wunde hielt, mit der rechten auf sie ein.

Da blitzte das Messer in ihrer Hand und senkte sich mit fürchterlicher Schnelligkeit ein, zwei, drei Mal bis an das Heft in die Brust des Angreifers. – »O Dios!« rief er und taumelte. – »Gehe zur Hölle!« antwortete sie, und zum vierten Mal fuhr das Messer ihm zwischen die Rippen, und erst jetzt traf es das Herz, so daß Pardero in die Knie sank und nach hinten auf das Lagerstroh stürzte. Im Nu kniete das tapfere Mädchen neben ihm, entriß ihm den zweiten Revolver, den Munitionsbeutel, die Uhr, die Provianttasche, die über die Schulter herab an einem Riemen hing, und nahm überhaupt alles an sich, was er bei sich trug.

Da hörte sie nebenan ein lautes Pochen.

»Wer klopft, wer ist da?« fragte sie. – »Ich, Emma!« antwortete es dumpf.

Karja stieß einen Jubelruf aus, ergriff die Laterne und stand im nächsten Augenblick vor der Tür der Nebenzelle. Sie mußte alle ihre Kräfte anstrengen, um die alten, rostigen Riegel zu entfernen, und als dies geschehen war, flog Emma ihr entgegen.

»Du hast Waffen und Licht, du bist frei?« rief diese. – »Ich bin bewaffnet, aber noch nicht frei«, antwortete die Indianerin. »Du riefst. Wußtest du, daß ich hier in der Nähe war?« – »Ich hörte zwei Stimmen, eine männliche und eine weibliche, und dachte, die letztere müßte die deinige sein. Dann fiel ein Schuß. Wer hat geschossen?« – »Ich. Ich habe Pardero erst die Kinnlade zerschmettert und ihn dann mit dem Messer erstochen.«

Sie erhob die vom Blut gerötete Klinge. Emma schauderte.

»Mein Gott, das ist furchtbar!« hauchte sie. – furchtbar?« fragte Karja. »O nein; es war Notwehr, und er hat seinen Lohn. Aber wir müssen unsere Zeit benutzen. Einschließen lassen wir uns nicht wieder. Kannst du mit einem Revolver umgehen?« – »Ja. Vater hat es mich gelehrt.« – »Hast du eine Waffe?« – »Dieses Messer. Ich habe es Verdoja entrissen.« – »Gut, ich sehe, daß auch du mutig sein kannst. Hier hast du den einen Revolver. Wer uns anrührt, der wird erschossen. Jetzt komm, wir wollen den Gang untersuchen!«

Sie schritten in den düsteren Gang hinein, der Richtung entgegen, aus der sie gekommen waren. Der Gang war eng und niedrig, und die Luft in demselben dick und modrig. Karja ging voran. Plötzlich blieb sie stehen und stieß einen Ruf der Freude aus.

»Was ist‘s?« fragte Emma. – »Ein glücklicher Fund!« antwortete die Indianerin. »Wir werden nicht im Finstern bleiben und brauchen auch nicht zu hungern. Sieh hierher!«

Bei der Aufmauerung des Ganges war ein tiefes, viereckiges Loch freigelassen worden, und in demselben lag ein Vorrat von Tortillos, wie der Mexikaner seine flachen Maiskuchen nennt, und dabei stand eine große, gefüllte Flasche, deren Inhalt sich beim Schein der Laterne als Öl erwies.

»Welch ein Glück!« sagte Emma. »Ich dachte, ich sollte verhungern!« – »Das wirst du nicht. Wir haben diese Kuchen, und ich besitze außerdem die Provianttasche, die ich Pardero abgenommen habe. Komm weiter!« – »Aber ist es nicht gefährlich, in diese Gänge einzudringen?« – »Warum?« – »Wir verirren uns vielleicht immer weiter in das Innere hinein?« – »Nein. Ich weiß ganz genau, daß wir aus dieser Richtung gekommen sind. Es waren mir zwar die Augen verbunden, aber ich habe gefühlt, daß die Tür meines Gefängnisses nach der Seite zu aufging, von der wir kamen.«

Sie schritten langsam weiter und gelangten schließlich an eine Tür, an der sich ein sehr schwerer, eiserner Riegel befand, der aber, wie man leicht sehen konnte, ganz vor kurzem neu eingeölt war. Die Tür war nur angelehnt, und als sie dieselbe zurückstießen, traten sie in einen zweiten Gang, der zu ersterem einen rechten Winkel bildete.

Karja war vorsichtig und untersuchte zunächst die Tür. Diese zeigte auch auf der anderen Seite einen Riegel, konnte also von innen und außen verschlossen werden.

»Das war alles wohl überlegt«, sagte sie. »Dieser äußere Riegel diente dazu, den Gang, in dem sich unsere Zellen befinden, abzuschließen, und der innere hatte den Zweck, alle Störungen abzuhalten, wenn unsere beiden Anbeter uns besuchten.« – »Ich schaudere«, gestand Emma. »Welches Schicksal stand uns bevor!« – »Das ist glücklich abgewandt.« – »Aber was nun weiter?« – »Ich hoffe von neuem, Sternau wird uns folgen und unser Gefängnis vielleicht entdecken. Wir haben Waffen, Munition, Öl und Proviant. Wir werden uns wehren und uns nicht ergeben. Wüßte ich nur, wohin wir uns zu wenden haben, ob nach rechts oder nach links.« – »Horch!«

Auf diesen leisen Ruf Emmas lauschten beide in den Gang hinein und hörten das Geräusch von Schritten, die sich von fern her näherten.

»Zurück! Wir verschließen die Tür!« gebot Karja.

Sie schlüpften schnell zurück, zogen die Tür an sich und schoben den Riegel vor. Die Schritte näherten sich und – gingen draußen vorüber; man machte keinen Versuch, die Tür zu öffnen, nur ein leiser Schlag geschah gegen dieselbe, als ob man probieren wolle, ob sie offen sei oder nicht

»Das waren mehrere Männer«, flüsterte Emma. – »Ja, es schienen vier Personen zu sein«, antwortete Karja. »Ich glaube, es waren Verdoja und der Wächter, die Señor Mariano und Señor Helmers gebracht haben. Sie halten an. Horch, was sprechen sie?«

Die vier Vorüberschreitenden hatten sich noch nicht sehr weit entfernt, als man die Stimme Verdojas hören konnte.

»Halt, da sind wir! Hier hinein der eine und daneben der andere. Vorwärts!«

Es vergingen einige Minuten, ohne daß sich ein Geräusch vernehmen ließ, und dann hörte man Riegel klirren. Darauf kehrten die Schritte von zwei Männern zurück. Draußen vor der Tür des Ganges hielten sie an, und man versuchte zu öffnen.

»Ah, er hat verschlossen«, lachte Verdoja. – »Das hätte er nicht nötig gehabt!« brummte der Wärter. »Nun müssen wir warten.« – »Pah, er will nicht gestört sein von uns. Ich möchte ihn fast beneiden. Die Indianerin ist fast ebenso hübsch wie ihre Herrin. Aber ich werde dieser Señorita Emma schon noch Gehorsam beibringen. Übrigens fällt es mir gar nicht ein, auf Pardero zu warten.« – »Aber wenn er zurückkehren will?« – »So mag er warten.« – »Er wird vielleicht in die Gänge laufen und sich verirren oder etwas sehen, was er nicht zu sehen braucht.« – »Wir verschließen die nächste Tür, dann kann er nur in diesen Gang gelangen und muß Geduld haben, bis wir ihn holen.« – »Doch wenn er von seiner Zelle aus Hinterwerts geht?« – »So kommt er auch nicht weit. Die hintere Tür kann er nicht öffnen, denn er kennt das Geheimnis nicht. Komm, in einer Stunde holst du ihn.«

Sie gingen, und die beiden Mädchen holten erleichtert Atem, denn es war ihnen nicht sehr wohl zumute gewesen bei dem Gedanken, daß sie ergriffen werden könnten. Sie lauschten, bis die Schritte verklungen waren, und dann fragte Emma:

»Was tun wir jetzt?« – »Wir befreien die beiden Señores.« – »Wird dies gehen?« – »Ich hoffe es. Dann sind wir zu vieren und brauchen uns nicht zu fürchten.«

27. Kapitel

Emma entriegelte die Tür wieder, stieß sie auf, und die beiden Mädchen traten hinaus in den Quergang. Dort schritten sie vorwärts, bis sie an zwei Türen gelangten, die nebeneinanderlagen.

Karja klopfte, aber es antwortete niemand. Auch als sie an die andere Tür klopfte, blieb es hinter derselben still. Da schob sie den Riegel zurück und ließ das Licht ihrer Laterne in das Innere der nun geöffneten Zelle fallen. Es beleuchtete eine männliche Person, die, an zwei Ketten befestigt, auf dem Boden lag.

»Señor Helmers!« sagte sie, ihn erkennend. »Warum antworten Sie nicht?«

Da klirrten die Ketten, denn der Steuermann machte eine Bewegung der freudigsten Überraschung. Er hatte nicht gesehen, wer der Öffnende war, da Karja das Licht in die Zelle fallen ließ, selbst aber im Schatten stand. Jetzt aber erkannte er sie sofort an der Stimme.

»Señorita Karja!« sagte er. »Wie kommen Sie hierher?« – »Wir haben uns befreit«, antwortete sie. – »Wie? Wen meinen Sie noch?« – »Señorita Emma.« – »Ah! Ist sie mit bei Ihnen?« – »Ja, hier bin ich«, antwortete Emma, als sie in die Zelle trat, um sich sehen zu lassen. »Diese mutige Karja hat Pardero getötet, ihm seine Waffen abgenommen und mich befreit. Nun sollen auch Sie erlöst werden.« – »Gott sei Dank!« rief er, tief aufatmend. »Aber ist Verdoja fort?« – »Ja. Er kehrt erst in einer Stunde zurück.« – »So haben wir Zeit. Señor Mariano liegt neben mir.« – »Auch er soll frei sein«, sagte Karja. »Aber wie werden wir Ihre Ketten öffnen können? Wir haben keine Schlüssel zu den Schlössern.« – »Oh«, meinte er, »es gibt gar keine Schlösser, sondern nur Vorsteckeisen, hüben und drüben an der Wand, so daß ich sie nicht erreichen kann. Sehen Sie nach, Señorita!«

Es war so, wie er sagte. Er lag auf dem Rücken und war mit einem jeden Arm vermittels einer Kette an die betreffende Seite der Zelle befestigt. Diese beiden Ketten waren so kurz, daß sie die Arme auseinander hielten, so daß weder der rechte den linken, noch der linke den rechten befreien konnte. Karja erkannte auf den ersten Blick, wie die Ketten gelöst werden konnten, und eine Minute später stand Helmers aufrecht und von den Banden befreit in der Zelle und streckte seine kräftigen Seemannsglieder, um die unterbrochene Zirkulation des Blutes wieder in Gang zu bringen.

»Alle Wetter, ist das Glück bei allem Unglück!« meinte er. »Aber zunächst wollen wir nicht fragen und erzählen, sondern an Mariano denken.«

Sie verließen den Raum und öffneten die nächste Zelle. Es ging Mariano so wie Helmers. Er hatte auf das Klopfen nicht geantwortet, weil er glaubte, daß es einer seiner Peiniger sei, der ihn verhöhnen wolle. Als er aber die drei Personen erkannte, bemächtigte sich eine wahre Wonne seiner.

Er war ganz in derselben Weise wie Helmers befestigt, und darum nahm seine Befreiung auch nur wenige Augenblicke in Anspruch. Nun mußten die beiden Mädchen erzählen, wie es ihnen gelungen war, freizukommen. Sie taten es und ernteten das volle Lob der zwei Männer, in denen sie nun starke und mutige Beschützer fanden.

Mariano schlug vor, daß die Damen die Messer behalten, die Revolver aber ihnen übergeben sollten, da Männer mit denselben besser umzugehen verstehen. Dies geschah, und nun wurde ausgemacht, daß die vier sich unter keiner Bedingung trennen wollten. Wer von den anderen abkam, konnte verloren sein.

Trotzdem wurde der vorhandene Proviant in vier Teile geteilt, von denen jede Person einen bekam; man konnte ja nicht wissen, was passieren möchte. Auch die vier Wasserkrüge wurden geholt, jede Person sollte den ihrigen bei sich tragen. Helmers und Mariano teilten danach die Revolverpatronen, die Pardero bei sich geführt hatte, und der erstere steckte zuletzt auch die Ölflasche zu sich.

Nun hatten sie alles bei sich, was die finsteren Gänge ihnen geboten hatten, und gingen zunächst an die Untersuchung dieser letzteren.

Der Gang, in dem die Zellen der beiden Männer sich befanden, war vorn durch eine Tür verschlossen und hörte hinten in einem offenen Felsenzimmer auf. Von ihm aus trat man in den Gang, der die Gefängnisse der Frauen enthalten hatte. Dieser führte in schnurgerader Richtung fort auf eine Tür, die mit zwei verrosteten Eisenriegeln verschlossen war. Es gelang der vereinigten Kraft der beiden Männer, dieselben zurückzuschieben, aber die Tür öffnete sich dennoch nicht; es war ja dieselbe, von welcher Verdoja gesagt hatte: »Er kann sie nicht öffnen, denn er kennt das Geheimnis nicht.«

 

»Was tun?« fragte Helmers. »Wir bringen sie nicht auf.« – »Sie soll ja eine geheimnisvolle Vorrichtung haben«, meinte Mariano. »Wir wollen suchen, vielleicht entdecken wir sie.«

Sie beleuchteten jeden Zollbreit der Tür und ihrer Umgebung, sie tasteten mit Händen und Füßen nach jeder, auch der kleinsten Erhöhung oder Vertiefung in der Tür, auf dem Fußboden und an den Wänden, aber vergebens.

»Es hilft kein Suchen«, meinte Helmers. »So kommen wir nicht frei. Wir müssen uns durch List zu erretten suchen.« – »Auf welche Weise?« fragte Emma. – »Die Stunde, nach der der Wächter zurückkehren wollte, muß fast vergangen sein. Wir müssen ihn ergreifen. Haben wir ihn fest, so zwingen wir ihn, uns den Weg in die Freiheit zu zeigen.« – »Das ist das beste und einzig sichere Mittel«, stimmte Mariano bei. »Wir haben ja das Feuerzeug, das Pardero bei sich trug, und können also unsere Laterne getrost verlöschen, damit sie uns nicht verrät. Kehren wir an den Eingang dieses Ganges zurück. Wir öffnen ihn. Einer bleibt im Gang stehen, und der andere versteckt sich hinter die zurückgelehnte Tür. Sobald er kommt, wird er gefaßt und überwältigt.« – »Und wir?« fragte Karja. – »Sie verstecken sich in der Zelle, in der Señorita Emma gesteckt hat. In der anderen liegt die Leiche Parderos, der Sie ja nicht Gesellschaft leisten werden.«

Wie er es angegeben hatte, so geschah es. Die beiden Damen begaben sich in die Zelle, Mariano blieb im Dunkel des Ganges stehen, und Helmers steckte sich hinter die Tür.

Sie hatten eine ziemliche Weile zu warten, bis ein fernes Geräusch zu ihnen drang. Dann hörten sie von weitem das dumpfe Schlagen einer Tür, dem ein eigentümliches Scharren folgte, und jetzt, ja, jetzt hörten sie Schritte, die sich langsam näherten.

Der Wärter kam. Seine kleine Blendlaterne verbreitete auf eine nur sehr kurze Entfernung einen ungewissen Schein, der immer näher rückte, bis er auf die geöffnete Tür fiel. Da blieb der Mann stehen.

»Señor Pardero!« rief er halblaut.

Niemand antwortete; darum trat er näher an den Eingang heran und blickte in den Gang hinein. Das Licht fiel mit seinen zweifelhaften Strahlen auf die Gestalt Marianos, der hier an der Seite des Ganges lehnte.

»Señor Pardero, sind Sie fertig?« fragte der Wärter. – »Ja«, antwortete der Gefragte mit verstellter Stimme. – »So kommen Sie. Señor Verdoja ist bereits nach der Hazienda geritten, ich soll Sie nachbringen.« – »Und die anderen?«

Wäre der Gang nicht so eng, feucht, dumpfig und dunkel gewesen, so wäre der Mann wohl nicht so leicht zu täuschen gewesen, so aber erhielt die Gestalt Marianos kaum halbes Licht, und seine Stimme hatte eine eigentümliche Tonart, daß der Wärter wirklich glaubte, Pardero vor sich zu haben. Er antwortete:

»Sie sind alle zurückgekehrt.« – »Alle?« – »Ja. Señor Verdoja wollte nur einige schicken, aber da dieser Sternau ein gar so gewaltiger und schlauer Patron ist, so sind sie alle zurückgekehrt, um ihn zu fangen. Sie werden ihren Lohn erst bekommen, wenn sie ihn lebendig bringen oder seinen abgeschnittenen Kopf. Darum werden sie sich alle Mühe geben, ihn zu erwischen.« – »Aber ihre Pferde waren ja ermattet.«

Helmers sah ein, daß Mariano wünschte, so viel wie möglich über die Pläne Verdojas zu erfahren, aber eine Fortsetzung des Gesprächs konnte gefährlich werden. Er schlich sich also hinter der Tür hervor und stellte sich dicht hinter den Wärter. Dieser schöpfte noch immer keinen Verdacht und antwortete:

»Sie sind zunächst nach der Hazienda, wo sie sofort neue Tiere erhalten. Übrigens sind die beiden Kerle, die Mariano und Helmers heißen, jetzt eingeschlossen und angekettet, sie werden nicht entkommen.« – »Nicht?« fragte Mariano.

Damit trat er hervor, und zu gleicher Zeit faßte Helmers den Mann mit beiden Händen um die Gurgel. Der also Überfallene ließ die Laterne fallen, stieß ein unartikuliertes Stöhnen aus, fuhr mit den Armen in die Luft und bewegte die Beine konvulsivisch. Dann ging ein fühlbares Zittern durch seinen Körper, und nun hing er steif und bewegungslos in den Händen der beiden Männer, denn auch Mariano hatte ihn ergriffen, sobald er bemerkte, daß Helmers ihn gepackt hielt.

»Es ist gut!« sagte Helmers. »Er ist ohnmächtig. Brennen wir die Laterne an!« Sie ließen ihn zu Boden gleiten und steckten das Lämpchen in Brand. Als sie ihn beleuchteten, lag er lang ausgestreckt und steif am Boden. Die Augen standen ihm offen, und die Farbe seines Gesichts hatte ein bleiernes Graublau.

»Der ist nicht ohnmächtig, der ist tot«, meinte Mariano. – »Nein, tot kann er nicht sein«, antwortete Helmers. »Ich habe ihn ja nur ein ganz klein wenig gequetscht.« – »Sehen Sie her, Señor, das ist nicht die Gesichtsfarbe eines Ohnmächtigen, er ist tot, wirklich tot, aber nicht von Ihrer Hand, sondern gestorben vor Schreck, daß er so plötzlich erfaßt wurde.« – »Alle Teufel, das ist möglich! Ganz genau so sieht einer aus, den der Schlag gerührt hat, ich habe mehrere solche Leute gesehen. Aber das ist dumm von diesem Kerl!« – »Warum?« – »Weil er uns nun den Ausgang nicht zeigen kann.« – »Allerdings. Doch vielleicht finden wir den Weg auch ohne ihn. Wir dürfen ja nur da hinausgehen, wo er hereingekommen ist« – »Das klingt sehr einfach, Señor, aber diese Gänge scheinen ein Labyrinth zu bilden, in dem man sich leicht verirren kann, und es gibt hier, wie wir ja gesehen haben, Türen, die nicht ein jeder zu öffnen vermag.« – »Wir werden ja sehen. Vor allen Dingen wollen wir untersuchen, ob der Kerl auch wirklich tot ist. Hier hat er ein Messer und auch ein Doppelpistol im Gürtel, da haben wir neue Waffen.«

Mariano nahm das Messer und machte einen Schnitt in das Handgelenk des Wärters. Was aus der Wunde hervorquoll, war kein Blut zu nennen, es war eine mehr wässrige Flüssigkeit. Jetzt horchten beide auf den Atem, entblößten darauf seine Brust, um zu sehen, ob hier eine Bewegung zu bemerken sei, und beschäftigten sich wohl eine volle Viertelstunde mit ihm, bis sie endlich zu der Überzeugung gelangten, daß er wirklich tot sei.

»Unerklärlich!« meinte Helmers. »Dieser Mensch schleicht in diesen Gängen herum, ohne sich zu fürchten, und läßt sich bei der geringsten unerwarteten Berührung vom Schlag niederstrecken! Wir wollen ihn zu Pardero schaffen, daß ihn die Damen gar nicht zu sehen bekommen.«

Dies wurde ausgeführt, vorher aber untersuchten sie seine Taschen. Sie fanden darin eine alte tombakene Uhr, die ihnen jetzt aber von hohem Wert war, da sie sehen konnten, ob es Tag oder Nacht draußen sei, ein kleines Taschenmesser und eine ziemliche Menge von Zigaretten, die der Mexikaner stets bei sich führt.

Erst als die Leiche bei der Parderos lag, riefen sie die Damen hervor und erzählten ihnen, welches Mißgeschick sie gehabt hatten.

»Der Mann schien nicht furchtsam zu sein«, meinte Karja. »Aber Señor Helmers hat Seemannshände und wird ihn erwürgt haben.« – »Fällt mir nicht ein!« antwortete Helmers. »Er mag ohne Furcht gewesen sein, aber er war kein guter Mensch und hatte ein böses Gewissen. Wer aber dieses hat, der kann ganz leicht bis zum Tod erschrecken. Ich weiß, wie eine Menschengurgel zu behandeln ist, darauf können Sie sich verlassen. Doch streiten wir uns nicht. Wir wollen sehen, ob dieser Mensch uns den Weg offengelassen hat.«

Sie brachen auf und traten in den Quergang hinaus. Demselben nach rechts hin folgend, denn aus dieser Richtung war der Wärter gekommen, trafen sie auf eine offenstehende Tür, die in einen weiteren Querkorridor führte. Als sie demselben nach rechts hin folgten, kamen sie an eine Felsenwand, hier ging es nicht weiter. Dann kehrten sie zurück und durchschritten die linke Hälfte des Korridors. Da erreichten sie eine Tür, die durch zwei Riegel verschlossen war. Sie schoben dieselben zurück, aber die Tür war nicht zu öffnen.

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»