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Old Surehand I

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»Muß ich dir das erst sagen? Weißt du nicht mehr, daß es seine Aufgabe ist, den Llano von den Geiern zu befreien?«

»Da hilfst du ihm?«

»Ja, heut ganz genau noch so wie damals, als du bei uns warst. Doch, nun habe ich alle deine Fragen beantwortet, und du weißt, was du wissen wolltest; jetzt wollen wir das Calumet sprechen lassen.«

»Warte noch!«

Ich hatte mich scheinbar wie ein Knabe ausfragen lassen; er war auch ganz stolz darauf, mich so ausgehorcht zu haben; das sah ich den triumphierenden Blicken an, die er auf seine Begleiter warf. Er glaubte wahrscheinlich in diesem Augenblicke, mir wirklich gewachsen zu sein, denn sein »Warte noch!« klang außerordentlich gebieterisch, und es war ein Ton mich still belustigender Ueberlegenheit, in welchem er fortfuhr:

»Es sind Sonnen und Monde vergangen, seit wir uns damals von einander trennten, und während so langer Zeit verändern sich die Menschen; aus Klugen werden Kinder, und Kinder werden stark und weise. Old Shatterhand ist auch ein Kind geworden.«

»Ich? Wieso?«

»Du hast dich von mir ausfragen lassen wie ein Knabe, der noch kein Hirn besitzt, oder wie ein altes Weib, dessen Hirn vertrocknet ist. Deine Augen sind dunkel geworden und deine Ohren taub. Du ahnst nicht, wer wir sind und was wir wollen.«

»Uff, uff! Ist das die Rede eines jungen Mannes, mit dem ich einst die Pfeife des Friedens rauchte?«

»Es ist die Rede eines jungen Mannes, aus dem ein großer und berühmter Krieger geworden ist. Das Calumet gilt nichts mehr, denn du bist nicht mehr mein Freund, sondern mein Feind, den ich töten muß.«

»Beweise es, daß ich dein Feind geworden bin!«

»Du hast unsern Gefangenen befreit!«

»War er der deinige?«

»Ja.«

»Nein. Ich befreite ihn aus den Händen der Naiini-Comantschen; du aber gehörst zu einem andern Stamme.«

»Die Naiini sind meine Brüder; ihr Feind ist auch mein Feind. Kennst du sie nicht, die hier vor dir sitzen?«

»Gehören diese Krieger nicht zu deinem Stamme?«

»Nur zwanzig von ihnen. Die übrigen dreißig sind Naiini, die du am blauen Wasser gesehen hast. Wir haben die Beile des Krieges gegen alle Bleichgesichter ausgegraben, und du bist ein Bleichgesicht. Weißt du, was deiner wartet?«

»Ich weiß es.«

»So sage es!«

»Ich werde wahrscheinlich mein Pferd wieder besteigen und ruhig weiterreiten.«

»Uff! Es ist wirklich wahr, daß Old Shatterhand ein Kind geworden ist. Du wirst unser Gefangener sein und am Marterpfahle sterben.«

»Ich werde weder euer Gefangener sein, noch sterben, wenn und wie es euch, sondern dem großen Manitou gefällt.«

Die Ruhe und Unbefangenheit, mit welcher ich dies sagte, war ihm und seinen Leuten unerklärlich. Ich regte mich nicht; ich machte keine Bewegung, weder der Flucht, noch der Verteidigung; das hielt ihre Hände von den Waffen ab. Sie bemerkten freilich nicht, daß ich einen jeden von ihnen scharf und genau im Auge hatte.

Es war ein fast geringschätziges oder gar mitleidiges Lächeln, mit dem der Häuptling mich fragte:

»Glaubst du etwa, uns widerstehen zu können?«

»Ja, das glaube ich.«

»Uff! Du hast wirklich den Verstand verloren. Siehst du denn nicht, daß du fünfmal zehn tapfere Krieger gegen dich hast?«

»Hat Old Shatterhand jemals seine Feinde gezählt?«

»So rechnest du auf dein Zaubergewehr?«

Im Nu hatte ich den Henrystutzen in der Hand, sprang auf, stellte mich hinter mein Pferd, welches meinen Körper deckte, und rief:

»Ja, darauf verlasse ich mich. Wer von euch nach irgend einer Waffe greift, bekommt augenblicklich eine Kugel! Ihr wißt, daß ich mit diesem Gewehre unaufhörlich schießen kann!«

Das war so rasch geschehen, daß sie, als ich diese Worte gesprochen hatte, noch saßen wie zuvor. Einer langte hinter sich, wo seine Flinte lag; als er aber meinen Lauf sofort auf sich gerichtet sah, zog er den Arm zurück. Die Angst vor der »Zauberflinte« war noch ganz ebenso stark wie früher. Ich wußte, was nun kommen würde, nämlich ein Angriff, einstweilen noch mit Worten. Das hatte ich beabsichtigt, denn dabei hoffte ich, das zu erfahren, was ich wissen wollte. Keiner getraute sich, der erste mit der Hand an der Waffe zu sein; darum stand zu erwarten, daß man mich durch Worte, durch Drohungen bewegen werde, mich freiwillig zu ergeben.

Man denke ja nicht, daß allzuviel Verwegenheit zu meinem Verhalten gehörte. Ich kannte die Roten und die Furcht vor meinem Stutzen, und ich hatte, natürlich von ihnen unbemerkt, den mir gegenüberliegenden niedrigen Rand der Thalmulde gemustert, wohin ich Old Surehand mit seinen Apatschen bestellt hatte. Von dort drohten über siebzig Gewehrmündungen herab, allerdings nur für mich sichtbar, der ich davon wußte. Die Besitzer dieser Gewehre lagen tief im Sande eingewühlt und konnten also nicht gesehen werden. Auf der Höhe hinter mir lag jedenfalls die Abteilung Entschar-Ko‘s ganz ebenso bereit; links hinten hielt Winnetou, und von rechts her mußte Old Wabble bei dem ersten Schusse erscheinen. Da war es gar nicht schwer, so zuversichtlich zu sein, wie ich mich zeigte.

Was ich erwartet hatte, das geschah: der junge Häuptling versuchte es zunächst mit der Ueberredung.

»Pshaw!« rief er mit einem Lachen aus, welches freilich etwas gezwungen klang. »Wir wissen, daß deine Flinte unaufhörlich schießt, aber fünfzigmal kannst du doch nicht auf einmal schießen. Du wirst zwei oder drei oder vier treffen; dann aber haben wir dich ergriffen!«

»Versucht es doch!«

»Wir brauchen auch das nicht zu thun. Wir sind viel mächtiger und zahlreicher, als du denkst.«

»Pshaw! « lächelte ich höhnisch, um ihn zu den gewünschten Mitteilungen zu verleiten. »Euch fünfzig fürchte ich nicht: Kommt doch heran!«

»Wir können warten; aber sobald du schießest, werden wir uns wehren.«

Ach, jetzt war also schon nicht mehr vom Angreifen, sondern nur noch vom Wehren die Rede!

»Wenn ich mich entferne und auf jeden schieße, der mir folgt, wird keiner von euch es wagen, mich zu halten!«

»Du wirst trotzdem nicht entkommen. Wir sind nicht allein, sondern nur der Vortrab eines ganzen Heeres.«

»Pshaw! Lüge!«

»Es ist keine Lüge, sondern Wahrheit!« versicherte er eifrig. »Wohin wolltest du fliehen?«

»Zu Bloody-Fox.«

»Den wollen wir ja überfallen; da gerietest auch du in unsre Hände!«

»So reite ich nach Westen!«

»Dorthin giebt es nur einen Weg. Du müßtest nach dem Suks-ma-lestavi flüchten.«

»Das werde ich.«

»Da würdest du auf Vupa Umugi stoßen, welcher dorthin gezogen kommt.«

»Ich weiß es; aber er kommt erst in drei Tagen.«

»Nichts kannst du wissen! Er wird schon morgen abend dort eintreffen.«

»Da ist es dunkel, und es wird mir leicht gelingen, mich vorüberzuschleichen.«

»So wirst du von Nale-Masiuv gefangen, der nur einen halben Tag später kommt.«

»Pshaw!«

»Lache nicht! Es ist auch jenseits der Wüste eine weite Ebene, in welcher du gesehen werden mußt. Wie kannst du so vielen Kriegern entgehen? Wenn dein Verstand noch nicht geschwunden ist, wirst du dich uns ergeben.«

»Old Shatterhand? Sich ergeben? Wem? Einem Knaben, wie du bist? Bist du überhaupt ein Knabe? Bist du nicht ein kleines, wimmerndes Mädchen, welches noch auf den Rücken der Mutter gehört, nicht aber unter erwachsene Männer, welche sich Krieger nennen?«

Einen Indsman ein altes Weib zu heißen, ist eine sehr große Beleidigung; noch größer aber ist die, ihn ein kleines Mädchen zu nennen. Schiba-bigk sprang wütend von seinem Sitze auf und schrie mich an, freilich ohne nach seinem Gewehre oder seinem Messer zu greifen:

»Hund, soll ich dich töten? Ich brauche nur ein Wort zu sagen, so fallen fünfzig Krieger über dich her!«

»Und ich brauche nur ein Zeichen zu geben, so seid ihr in zwei Minuten tot, wenn ihr euch mir nicht ergebt!«

Bei diesen Worten zog ich den Hahn der Büchse auf.

»So gieb doch dieses Zeichen!« höhnte er.

»Sag das nicht noch einmal, sonst thue ich es!«

»Thue es doch, thue es! Wir wollen sehen, wer dir zu Hilfe kommen kann, uns zu töten oder zu fangen!«

»Sofort sollst du es sehen. Paß auf!«

Mein Schuß krachte. Da kamen von der gegenüberliegenden Höhe über siebzig Apatschen unter Kriegsgeheul herabgesprungen; sie hatten ihre Pferde droben zurückgelassen. Hinter mir wurde das Geheul erwidert; von links her kam Winnetou mit seiner Abteilung und von rechts her Old Wabble mit der seinigen gesprengt. Die Comantschen waren starr, ganz bewegungslos vor Schreck.

»Entwaffnet sie; bindet sie!« rief Winnetou.

Sie lagen, noch ehe sie an Gegenwehr dachten, am Boden und jeder wurde von fünf, sechs Apatschen niedergehalten, um gebunden zu werden. Kaum zwei Minuten nach der letzten höhnischen Aufforderung Schiba-bigks waren sie alle gefesselt, ohne daß auch nur einer der Apatschen die geringste Verletzung davongetragen hatte.

Nun ließen sie allerdings ihre Stimmen hören und versuchten, sich unter dem Drucke der unzerreißlichen Riemen aufzubäumen, vergeblich.

»Nun, Sir, habe ich meine Sache gut gemacht?« fragte mich Old Wabble, indem er zu mir trat.

»Ja,« antwortete ich. »Aber viel dürft Ihr Euch ja nicht darüber einbilden, denn es war kinderleicht.«

»Ja, wenn man einmal denkt, ganz fehlerlos gehandelt zu haben, dann war es kinderleicht; th‘is clear!«

Er wendete sich mißmutig ab.

Das Thal war jetzt voller Pferde und Menschen; die ersteren wurden angehobbelt, und die letzteren lagerten sich. Die Gefangenen schob man so zusammen, daß sie eng nebeneinander lagen. Ihren jungen Häuptling aber ließ ich so weit von ihnen entfernen, daß sie nicht hören konnten, was ich mit ihm sprach. Es geschah das aus Rücksicht für ihn, denn ich wollte ihn nicht unglücklich machen. Wären die Demütigungen, die ihm bevorstanden, an ihre Ohren gekommen, so hätte er auf seine Häuptlingswürde für immer verzichten müssen. Ich wußte, daß seine gegenwärtige Niederlage überhaupt schon schlimme Folgen nach sich ziehen werde, selbst wenn ihm bei uns nichts Schlimmes weiter geschah.

 

Nach den unter »Gentlemen« herrschenden Regeln wäre es freilich sehr unedel gewesen, ihm die Beleidigungen zurückzugeben; ich hätte stolz darüber schweigen müssen; hier aber war es etwas ganz andres. Es galt, dem Seelenleben eines jungen, hoffnungsvollen Indianers eine Richtung zu geben, die es ihm ermöglichte, seinen einstigen Untergebenen etwas weit Besseres als ein roher, blutdürstiger Kriegshäuptling zu werden. Ich setzte mich neben ihn und winkte diejenigen fort, welche sich uns nähern wollten; ich hielt es für besser, allein mit ihm zu sein. Er wendete das Gesicht von mir weg und schloß die Augen.

»Nun,« fragte ich, »wird mein junger Bruder auch jetzt noch behaupten, daß er ein großer, ein so berühmter Krieger sei?«

Er antwortete nicht, aber er schien den milden Ton, in welchem ich dies sagte, nicht erwartet zu haben, denn seine finsteren Züge erhellten sich ein wenig.

»Oder ist Schiba-bigk immer noch der Ansicht, daß man Old Shatterhand zu den alten Weibern rechnen müsse?«

Er regte sich nicht und sagte nichts. Ich fuhr fort:

»Der Vater meines jungen Freundes hat Tevua-Schohe geheißen, das ist Feuerstern; ich bin sein Freund und Bruder gewesen, und er war der einzige Krieger der Comantschen, den ich liebte.«

Jetzt öffnete er die Lider halb und warf einen forschenden Blick in mein Gesicht, sagte aber noch immer nichts.

»Feuerstern starb unter den Händen weißer Mörder, und mein Herz wurde krank, als ich es hörte. Wir haben ihn an den Mördern gerächt, und die Liebe, die ich für ihn hegte, ist auf seinen Sohn übergegangen.«

Er schlug die Augen auf, drehte den Kopf herum und richtete den Blick voll auf mich, verharrte aber auch jetzt noch in seinem Schweigen. Ich sprach weiter:

»Old Shatterhand hatte einen Namen, der an allen Lagerfeuern ertönte, und Schiba-bigk war ein Knabe, den niemand kannte. Dennoch nahm er sich seiner an, denn er wünschte, der junge Sohn der Comantschen möchte ein Mann werden, wie sein Vater war, mild und treu im Herzen, hell und klar im Kopfe und stark in der Faust. Ich geleitete dich damals durch den öden Llano estacado; ich half dir gegen deine Feinde; ich führte dich nach der Wohnung des Bloody-Fox und war dein Lehrer in all‘ den Tagen, die wir dort verlebten. Wenn ich zu dir sprach, so erschien dir meine Stimme wie die Stimme des toten Vaters, und wenn ich deine Hand in die meinige nahm, so glänzte Wonne auf deinem Gesichte, als ob meine Hand diejenige deiner Mutter sei. Damals hattest du mich lieb.«

»Uff, uff!« sagte er jetzt leise, und seine Augen schimmerten feucht.

»Da füllte ich mein Calumet und rauchte die Pfeife des Friedens und der Brüderschaft mit dir; ich war der ältere, und du warst der jüngere Bruder, denn wir hatten miteinander einen Vater, den guten Manitou, von dem ich dir erzählte. Ich ließ dich in mein Herz und in meinen Glauben blicken und glaubte, ein Maiskorn in das deinige gepflanzt zu haben, welches sich nach und nach zu einer großen, reichen Ernte vermehren würde, denn dein Herz war ein fruchtbarer Boden und verhieß tausendfältige Frucht.«

»Uff, uff, uff!« wiederholte er, abermals ganz leise und gepreßt, als ob er sich Mühe gebe, die Thränen zu unterdrücken.

»Was ist aus diesem Maiskorne geworden? Es hat keinen Tau und keine Sonne gefunden und ist elend vertrocknet und verdorrt.«

»Aga, aga, nein, nein!« versicherte er, endlich ein Wort sprechend, wobei ihm aber das Gewissen oder die Scham das Gesicht von mir wieder wegdrehte.

»Uweh uweh, ja ja,« behauptete ich; »es ist so, wie ich sage. Was ist aus meinem jungen Freund und Bruder geworden? Ein undankbarer Gegner, ein Feind, der mich verhöhnt und mir nach dem Leben trachtet. Das ist traurig, sehr traurig bei einem jungen Krieger, der nur das strenge Gesetz der Prairie kennt; noch viel, viel trauriger aber ist es von einem Jünglinge, der einen Christen lieb gehabt und durch ihn den großen, guten Manitou kennen gelernt hat. Als du vorhin Old Shatterhand beschimpftest und verhöhntest, konntest du mich nicht beleidigen; aber es hat meinem Herzen sehr wehe gethan, daß du meine Lehren vergessen hast und geworden bist wie einer, dem ich meine Hand nie wieder reichen kann. Wer ist schuld daran?«

»Nale-Masiuv und die andern Häuptlinge,« antwortete er, sich mir wieder zuwendend. »Ich erzählte ihnen alles, was ich von dir gehört hatte; da lachten sie über mich und sagten, Old Shatterhand habe den Verstand verloren und sei ein priest[43] geworden.«

»Mein junger Bruder, ich wollte, ich wäre ein priest und könnte der deinige sein! Du hast dich also Old Shatterhands geschämt?«

»Uweh uweh, ja ja,« nickte er.

»So sollte ich mich jetzt nun deiner schämen; ich thue es aber nicht, sondern traure um dich. Eure Häuptlinge und Medizinmänner und diejenigen, welche nach dem Willen des großen, guten Manitou handeln, sind an ihren Thaten zu erkennen und von einander zu unterscheiden. Was hättet Ihr mit mir gethan, wenn ich in eure Hände gefallen wäre?«

»Wir hätten dich an den Marterpfahl gebunden.«

»Und doch habe ich euch nichts Uebles zugefügt. Ihr aber habt mir nach dem Leben getrachtet. Was denkst du wohl, was nun mit euch und dir geschehen wird, da wir euch ergriffen haben?«

Er bäumte sich in den Fesseln halb empor, sah mir starr in das Gesicht und fragte hastig:

»Sag du es selbst, wie ihr euch rächen werdet!«

»Rächen? Ein Christ rächt sich nie in seinem Leben, denn er weiß, daß der große und gerechte Manitou alle Thaten der Menschen so vergelten wird, wie sie es verdienen. Du wirst einige Tage unser Gefangener sein und dann die Freiheit zurückerhalten.«

»Ihr werdet mich nicht töten, nicht vorher martern?«

»Nein.«

»Mich peinigen und verwunden?«

»Nein. Wir verzeihen dir.«

Er sank unter einem langgedehnten Seufzer wieder zurück, fragte aber hierauf schnell und mit blitzendem Auge:

»Glaubt Old Shatterhand etwa, daß ich aus Angst vor den Schmerzen so gefragt habe?«

»Nein. Ich weiß, daß du die Schmerzen verachtest, die man deinem Körper zufügen würde. Es waren Schmerzen der Seele, welche dir geboten, diese Frage auszusprechen. Ist es so oder nicht?«

»Old Shatterhand hat recht.«

»Und noch eines will ich meinem jungen Freunde sagen; ich weiß freilich nicht, ob du mich verstehen wirst. Du glaubtest vorhin, mich recht klug ausgefragt zu haben; aber ich wußte bereits alles, denn ich habe die Naiini am blauen Wasser und die Roten Nale-Masiuvs belauscht, und in den Antworten, die ich dir erteilte, waren, ohne daß du es ahntest, Fragen verborgen, die du mir alle ohne dein Wissen beantwortet hast. Nicht du hast mich, sondern ich habe dich ausgefragt. Du warest so stolz und deiner Sache sicher, und doch hast du mir verraten, daß Vupa Umugi morgen abend und Nale-Masiuv einen halben Tag später nach dem Suksma-lestavi kommen wird. Wie ist das zu erklären?«

Ich weiß es nicht; ich wollte nichts verraten.«

»Aber ich weiß es. Du hattest dich zwar Old Shatterhands und seiner Lehre geschämt, aber beide wohnten, ohne daß du es dachtest, noch in deinem Herzen. Als ich dann vor dir stand, in deinen Augen als Besiegter und doch eigentlich als Sieger, empörte sich dein Herz gegen dich selbst und hieß dich Dinge sagen, die du verschweigen solltest. Hast du das verstanden?«

»Nicht ganz, aber ich werde darüber nachdenken. Was wird mit mir geschehen, wenn die andern Häuptlinge erfahren, daß ich alles verraten habe!«

»Du hast nichts verraten, sondern ich habe das alles vorher gewußt. Ich lag nahe am Beratungsfeuer, als Vupa Umugi mit den alten Kriegern den Ueberfall des Bloody-Fox besprach, und ich war dabei, als die zwei Boten Nale-Masiuvs kamen und den Wächtern am Flusse ihre Botschaft anvertrauten. Ich habe auch die Späher belauscht, welche Vupa Umugi nach dem »Kleinen Walde« schickte. Ja, Winnetou hat schon längst gewußt, daß Bloody-Fox von euch überfallen werden soll, und ist schleunigst nach dem Llano geritten, um ihm beizustehen.«

»Uff, uff, Winnetou! Darum sehe ich ihn hier mit so vielen Kriegern der Apatschen!«

»Damit du dir keine Vorwürfe machst, will ich dir sogar anvertrauen, daß wir wissen, daß die weißen Soldaten nach dem Llano gelockt und durch die Pfähle, welche ihr heute gesteckt habt, in den Tod geführt werden sollen. Du hattest die Stangen zu stecken; dann kommt Vupa Umugi mit seinen hundertfünfzig Kriegern; hierauf folgen die Soldaten, und endlich soll Nale-Masiuv erscheinen, der nach seinen Wigwams um neue hundert Mann gesendet hat.«

»Uff! uff! Entweder seid ihr viel, viel klügere Männer als wir, oder Manitou hat euch lieber als uns und steht euch gegen uns bei!«

»Manitou hat alle Menschen gleich lieb, die roten wie die weißen; aber wer ihm gehorcht und nach seinem Willen handelt, den beschützt er in jeder Gefahr und giebt ihm Weisheit und Verstand, alle Feinde zu überwinden. Wir werden sämtliche Krieger der Comantschen gefangen nehmen.«

»Ich glaube es; ich glaube es; ich höre es dir an! Was werdet ihr dann mit den vielen Gefangenen thun?«

»Wir werden sie zum Guten ermahnen und ihnen dann die Freiheit wiedergeben.«

»Obgleich sie eure Feinde sind?«

»Der Christ kann Feinde haben, ist aber niemals selbst ein Feind. Seine Rache besteht in der Verzeihung.«

Er wendete den Kopf wie unter einer innern Qual hin und her und meinte, tief und schwer atmend:

»So können nur die Bleichgesichter sein; ein roter Krieger aber kann und darf das nicht!«

»Du irrst. Grad der tapferste und berühmteste unter den roten Kriegern ist genau so, wie du es jetzt von mir hörtest.«

»Wen meinst du?«

»Wen anders doch als Winnetou!«

»Den Häuptling unserer ärgsten Feinde, der Apatschen!«

»Warum nennt ihr sie eure Feinde? Haben sie euch angegriffen, oder seid ihr es, von denen das Beil des Krieges ausgegraben worden ist? Ihr waret stets die ersten, die zum Angriffe schritten, und doch sagte Winnetou erst gestern abend, daß womöglich das Blut keines einzigen Comantschen vergossen werden solle! Die roten Männer und Völker müssen untergehen, weil sie nicht aufhören, sich untereinander selbst zu zerfleischen; ihr Manitou ist ein Manitou des Blutes und der Rache, der ihnen selbst in den ewigen Jagdgründen keinen Frieden, sondern Schlachten und Kämpfe ohne Ende bietet. Unser Manitou aber hat uns ein großes Gebot gegeben, welches alle, die an ihn glauben, schon hier auf Erden glücklich und nach dem Tode ewig selig macht.«

»Will Old Shatterhand mir dieses Gebot sagen?«

»Es lautet: wir sollen ihn allein verehren und alle Menschen lieben wie uns selbst, mögen sie nun unsre Freunde oder unsre Feinde sein.«

»Auch unsre Feinde?« fragte er, indem er mich mit weit offenen, erstaunten Augen ansah.

»Ja, auch die Feinde.«

»Wie uns selbst?«

»Wie uns selbst.«

»So soll ich einen Apatschen, der mir nach dem Leben trachtet, so lieben, wie ich meinen Vater liebte und wie ich mich selbst liebe?«

»Ja. Es giebt eine einzige große Liebe, welche, wenn sie wahr ist, nicht in einzelne größere und kleinere Teile zerfallen kann.«

»Dann sind es nur die Bleichgesichter, die sie haben; einem roten Krieger aber ist es niemals möglich, seinen Feind oder gar mehrere zu lieben.«

»Denke an Winnetou! Wir waren Todfeinde und sind Brüder geworden, die allezeit bereit sind, ihr Leben für einander zu lassen. Ihr seid seine Feinde, und doch verzeiht er es euch, daß ihr ihm und den Seinen nach dem Leben trachtet. Er giebt euch, seinen grimmigen Feinden, die Freiheit zurück, obwohl er weiß, daß ihr ihn trotzdem nicht weniger hassen werdet. Wie oft war ich dabei, wenn er Feinde besiegte, die ihn töten wollten; ihr Leben lag in seiner Hand; er konnte es ihnen nehmen; er hat es ihnen aber stets geschenkt. Darum ist er geehrt und berühmt, so weit man seinen Namen kennt, und darum kann ich behaupten, daß es auch einem roten Krieger sehr wohl möglich ist, seinem Feinde zu verzeihen und ihm Wohlthat und Liebe zu erweisen. Ich wollte, mein junger Bruder könnte sein wie Winnetou!«

Er hielt die gefesselten Hände an die Stirne, schwieg eine ganze, ganze Weile und bat mich dann:

»Old Shatterhand mag gehen, und mich allein lassen! Ich will mit mir selbst sprechen; ich will mich fragen, ob ich so sein kann, wie Winnetou, der große Häuptling der Apatschen.«

 

Ich folgte seiner Aufforderung und ging, wohl wissend, daß ich ihn in innerer Pein zurückließ. Warum hatte ich ihm nur Winnetou, einen Menschen, einen Indianer, zur Nachahmung genannt? Gab es nicht höhere Vorbilder? Warum hatte ich nicht das höchste, das heiligste erwähnt? Weil es ihm in dieser Kürze unverständlich, unbegreiflich gewesen wäre; war ihm doch schon Winnetou zu viel, obgleich er diesen vor sich sah und hundert Züge des Edelmutes und der Liebe aus seinem Leben kannte! Man muß auch mit der Darreichung geistiger Nahrung vorsichtig sein. Jedenfalls hatte ich das verschwundene »Maiskorn« wieder aus der unfruchtbaren Tiefe emporgeholt, und die Folge zeigte, daß es von heute an zu keimen begann.

Ich sah Winnetou mit Entschar-Ko und den Weißen beratend beisammensitzen und ging zu ihnen. Dabei bemerkte ich wohl, daß Winnetou sich schweigend dabei verhielt oder verhalten hatte, denn wenn ich mich bei ihm befand, war es nicht seine Art und Weise, andern Leuten vor mir seine Ansicht darzulegen.

»Gut, daß Ihr kommt, Mr. Shatterhand,« sagte Old Wabble. »Wir müssen doch besprechen, was geschehen soll.«

»Habt ihr es nicht schon besprochen, Sir?« fragte ich.

»Wir haben freilich hin und her geredet, doch will es uns nicht gelingen, einig zu werden. «

»Das ist doch seltsam! Nach allem, was wir jetzt wissen, kann es doch gar keinen Zweifel darüber geben, was wir thun müssen.«

»So? Sonderbar, daß es bei Euch nie einen Zweifel giebt. Ob aber Winnetou mit Euch einverstanden ist?«

Da erklärte der Apatsche in seiner bekannten Weise:

»Der Plan meines Bruders Shatterhand ist gut. Wir werden ihn ausführen.«

»Schön! Aber erst müssen wir ihn hören, denn was man nicht weiß, das kann man auch nicht wissen; th‘is clear! Also sprecht, Mr. Shatterhand! Wann soll von hier aufgebrochen werden?«

»Sogleich,« antwortete ich.

»Wohin? Nach der Oase?«

»Ja, aber nicht alle; wir werden uns teilen.«

»Ah! Wieso?«

»Es gilt, die bereits eingesetzten Stangen, welche den richtigen Weg nach der Oase verraten, schleunigst zu entfernen und in der Richtung nach der Gegend in den Sand zu stecken, von welcher Bloody-Fox sprach.«

»Wer soll das thun? Ich möchte mit.«

»Das geht nicht an; es darf das natürlich nur von Indianern geschehen.«

»Warum? Ich sehe keinen Grund dazu.«

»Das ist auch gar nicht nötig, Sir, wenn nur ich ihn kenne. Diejenigen, welche diese Aufgabe lösen, werden natürlich zahlreiche Spuren zurücklassen, und das müssen Indianerspuren sein, damit Vupa Umugi sie für die Spuren seiner Comantschen hält, wenn er kommt.«

»Ah, brillant! Das leuchtet mir ein.«

»Es dürfen nicht weniger und nicht mehr Leute sein, als wir hier Comantschen festgenommen haben. Darum wird Winnetou mit fünfzig Apatschen und den hier noch vorrätigen Stangen sofort von hier nach dem Gutesnontin-khai aufbrechen, um die Arbeit auszuführen.«

Kaum hatte ich dies gesagt, so stand der Häuptling auch schon auf und fragte mich:

»Hat mein Bruder für mich noch etwas hinzuzufügen? Ich will fort.«

»Nur eine Bemerkung- Da du das Kaktusfeld nicht kennst, nach welchem wir die Comantschen locken wollen, so wirst du die Stangen in südöstlicher Richtung aufstellen müssen. Ich sende dir dann Bloody-Fox zu, der dich genauer führen wird. Das ist alles, was ich dir zu sagen habe.«

Eine längere, eingehendere Besprechung war zwischen uns beiden nicht nötig. Schon fünf Minuten später galoppierte er mit fünfzig Apatschen aus dem Thale hinaus, den »hundert Bäumen« zu.

»Das ist ein Kerl!« bewunderte ihn der alte Wabble. »Der bedarf keiner stundenlangen Instruktion, um zu wissen, wie er etwas anzufassen hat! Welche Anweisung werdet Ihr denn uns erteilen, Mr. Shatterhand?«

»Gar keine. Wir reiten direkt nach der Oase.«

»Und dann?«

»Dann bleibt ihr zur Bewachung der Gefangenen so lange dort, bis ihr Nachricht von mir bekommt.«

»Von Euch? Ihr werdet also nicht bleiben?«

»Nein. Ich muß auch nach den »hundert Bäumen«, um die Ankunft der Comantschen dort zu beobachten.«

»Allein?«

»Mr. Surehand wird mich begleiten.«

»Könnte ich denn nicht mit? Ich verspreche Euch, ganz gewiß keinen Bock oder Pudel zu schießen!«

Ich hatte keine Lust, ihn mitzunehmen, seiner bekannten Voreiligkeit wegen, aber er gab so lange gute Worte, bis ich endlich beistimmte:

»Nun wohl, so reitet mit! Aber wenn ein einziger Fehler vorkommt, sind wir geschiedene Leute. Was werdet Ihr inzwischen mit Euren gewaltigen mexikanischen Sporen machen?«

»Mit meinen Sporen? Soll ich die vielleicht nicht an den Füßen behalten, Sir?«

»Nein.«

»Warum?«

»Weil wir auch indianische Fußeindrücke machen müssen, um nicht den Argwohn der Comantschen zu erregen! Wir werden also unsere Stiefel mit Mokassins vertauschen.«

»Woher welche nehmen?«

»Von den Gefangenen; die werden schon die Güte haben, uns auszuhelfen.«

»Hm! Wird sehr schwer fallen! Ja, Ihr mit Euern Parketfüßchen findet jedenfalls passende; aber seht da meine Ständer an!«

Er hatte allerdings Füße, die selbst für seine sehr hoch aufgeschossene Gestalt zu lang waren, und die riesige Bekleidung derselben gehörte zu der Art, von welcher man zu sagen pflegt, »mit drei Schritten über die Rheinbrücke in Mainz«.

Es war Zeit zum Aufbruche; ich ließ also die Comantschen aufsitzen und mit Riemen an die Pferde festbinden; sie ließen das geschehen, denn sie sahen ein, daß eine Weigerung die größte Dummheit gewesen wäre. Ihren jungen Anführer aber wollte ich nicht in derselben Weise behandeln; darum sagte ich zu ihm:

»Ich habe meinem roten Bruder Schiba-bigk mein Herz geschenkt, und es würde mir wehe thun, ihn ebenso fesseln zu müssen wie seine Leute. Wenn ich ihm erlaube, frei mit uns zu reiten, wird er da zu entfliehen versuchen?«

»Ich bin in deiner Hand,« antwortete er.

»Das ist keine Antwort, wie ich sie haben will.«

»Ist es nicht genug, wenn ich sage, daß ich in deiner Hand bin?«

»Nein. Daß du mein Gefangener bist, das weiß ich, ohne daß du es mit Worten zuzugeben brauchst. Ich will aber wissen, ob du, wenn ich dich nicht binden lasse, einen Versuch machen wirst, dich der Gefangenschaft zu entziehen.«

»Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten!«

»Ich weiß es.«

»Ihr werdet die Krieger der Comantschen alle ergreifen; aber wenn es mir gelänge, zu entkommen und sie zu warnen, würde kein einziger von ihnen in eure Gewalt geraten.«

»Das ist deine Ansicht, die meinige aber nicht.«

»Es ist meine Pflicht, die Flucht zu versuchen.«

»Diese Worte überzeugen Mich, daß du nicht nur ein wakkerer Krieger, sondern auch ein aufrichtiger, ehrlicher Mann bist. Dennoch werde ich dich nicht mit Riemen quälen.«

»Uff!« rief er erstaunt aus.

»Ja; ich werde dich nicht binden lassen.«

»Da entfliehe ich!«

»Pshaw! Selbst wenn wir zwei allein wären, würdest du nicht entwischen; du siehst, wieviel Reiter ich bei mir habe. Uebrigens werde ich ein Mittel anwenden, welches dich fester als alle Fesseln bei uns halten wird.«

»Welches?«

»Ich nehme dir die Medizin ab.«

»Uff, uff!« rief er.

»Ja, das thue ich. Beim ersten Versuche, zu entfliehen, werden alle Gewehre auf dich gerichtet sein, und würdest du, was aber gar nicht möglich ist, von keiner Kugel getroffen, so hättest du im nächsten Augenblicke über zweihundert Verfolger hinter dir. Und sollte dich keiner von ihnen fangen, was wieder gar nicht zu denken ist, so würde ich deine Medizin vernichten und mit ihr deine Seele.«

Er senkte den Kopf und ließ ein ergebungsvolles »Uff« hören; er that auch keinen Griff, es zu verhindern, als ich ihm die Medizin abnahm und an meinen Hals hing. Er gab sich die allergrößte Mühe, seine Gedanken zu verbergen, konnte mich aber nicht täuschen. Es hatte, allerdings nur für einen ganz kurzen Moment, ein Licht in seinem Auge aufgeblitzt, welches mir sagte, daß er alles wagen und selbst den Verlust der Medizin daran setzen werde, die Freiheit zu erlangen.

Ich hatte also wohl Grund, ihn fesseln zu lassen, that dies aber nicht, denn ich wollte wissen, weshalb er, entgegengesetzt allen indianischen Anschauungen, selbst auf die Medizin verzichtete, um frei werden zu können. Sollten meine einstigen Lehren doch so tief in ihm gehaftet haben, daß sie im stande gewesen waren, seine heidnischen Ansichten über die »ewigen Jagdgründe« ins Wanken zu bringen?

Denn wenn die »Medizin« ihre Macht über ihn verloren hatte, so konnte er unmöglich mehr an eine derartige Fortdauer nach dem Tode glauben; das stand fest. Also ließ ich ihn, um ihn in dieser Beziehung auf die Probe zu stellen, nicht binden, sorgte aber anderweit dafür, daß die Flucht nicht gelingen konnte.

43Priester, Nebenbedeutung: Pfaffe.
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